Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.352/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_352/2008

Urteil vom 15. Dezember 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Reeb,
Gerichtsschreiber Kappeler.

Parteien
X.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andrea
Brüesch,

gegen

Gemeinde Sils i.E./Segl, Chesa Cumünela,
7514 Sils Maria, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Otmar Bänziger.

Gegenstand
Baugesuch,

Beschwerde gegen das Urteil vom 26. Februar 2008
des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden,
4. Kammer.
Sachverhalt:

A.
X.________ ist Eigentümerin der in der Bauzone der Gemeinde Sils i.E. gelegenen
und mit einem Wohnhaus überbauten Parzelle Nr. 2448. Am 18. Mai 2007 reichte
sie bei der Gemeinde Sils i.E. ein Baugesuch u.a. für die Anlage einer
Autoabstellfläche im zugehörigen Garten ein. Mit Entscheid vom 20. September
2007 erteilte der Gemeindevorstand Sils i.E. die Bewilligung für einen
Kurzzeitparkplatz mit der Auflage, dass der befestigte Kiesplatz nicht für
Dauerparkierungszwecke Verwendung finden und auf der Autoabstellfläche kein
dauerhaftes und längeres Abstellen von Fahrzeugen erfolgen dürfe. Pro
Parkvorgang wurde eine zeitliche Limite von zwei Stunden festgesetzt.

B.
Gegen diesen Entscheid erhob X.________ Beschwerde beim Verwaltungsgericht des
Kantons Graubünden und verlangte die Aufhebung der auferlegten
Parkzeitbeschränkung. Mit Urteil vom 26. Februar 2008 wies das
Verwaltungsgericht die Beschwerde ab. Es erwog, der für die geplante
Autoabstellfläche vorgesehene Standort sei im Generellen Gestaltungsplan der
Gemeinde Sils i.E. von 1993 (GGP) dem Bereich "wertvolle Gärten/Freiflächen"
zugewiesen und dürfe daher nicht als Dauerparkfläche genutzt werden. Die
zeitliche Beschränkung eines einzelnen Parkvorgangs auf jeweils maximal zwei
Stunden sei verhältnismässig.

C.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 26. Februar 2008 erhebt X.________
mit Eingabe vom 15. August 2008 beim Bundesgericht Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt im Wesentlichen die
Aufhebung des angefochtenen Entscheids dahingehend, dass die für den fraglichen
Autoabstellplatz festgesetzte Parkzeitbeschränkung aufzuheben sei. Eventuell
sei mindestens die zeitliche Limitierung des einzelnen Parkvorgangs auf jeweils
maximal zwei Stunden aufzuheben. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung
der Grundsätze rechtsstaalichen Handelns nach Art. 5 Abs. 1 bis 3 BV sowie nach
Art. 5 KV/GR (SR 131.226), der Eigentumsgarantie (Art. 26 i.V.m. Art. 36 Abs. 1
bis 3 BV), des Willkürverbots und des Grundsatzes von Treu und Glauben (Art. 9
BV) sowie ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV).

D.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden und die Gemeinde Sils i.E.
beantragen in ihrer Vernehmlassung Abweisung der Beschwerde.
Die Beschwerdeführerin erhielt Gelegenheit, sich zur Stellungnahme der Gemeinde
zu äussern. Mit Eingabe vom 21. Oktober 2008 hielt sie an ihren bisherigen
Ausführungen und Anträgen fest.

Erwägungen:

1.
Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts ist ein Endentscheid einer
letzten kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Ihm liegt ein
Beschwerdeverfahren über eine baurechtliche Bewilligung und damit eine
öffentlich-rechtliche Angelegenheit zu Grunde. Ein Ausschlussgrund nach Art. 83
BGG liegt nicht vor. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
nach Art. 82 lit. a BGG steht somit grundsätzlich zur Verfügung (vgl. BGE 133
II 249 E. 1.2 S. 251; 409 E. 1.1 S. 411). Auch die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt und geben zu keinen weiteren
Bemerkungen Anlass. Vorbehältlich genügend begründeter und zulässiger Rügen
(Art. 106 Abs. 2 i.V.m. Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 134 II 244 E. 2.1 und 2.2 S.
245 f.) ist daher auf die Beschwerde einzutreten.

2.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, der strittigen Auflage einer
Parkzeitbeschränkung fehle eine gesetzliche Grundlage, sie sei durch kein
überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt und es mangle ihr die
Verhältnismässigkeit. Gemäss Art. 26 i.V.m. Art. 36 BV verletze sie die
Eigentumsgarantie.

2.1 Die strittige Parkzeitbeschränkung stützt sich auf den Generellen
Gestaltungsplan (GGP) sowie auf Art. 14 Abs. 3 lit. c des Gemeindebaugesetzes
der Gemeinde Sils i.E. vom 22./23. April, 4. Mai sowie 4. Juni 1999 (BG),
mithin auf kommunales Recht ab. Sie stellt keinen schweren Eingriff ins
Eigentum der Beschwerdeführerin dar: Weder wird ihr Grundeigentum zwangsweise
entzogen noch wird der bisherige oder künftig mögliche bestimmungsgemässe
Gebrauch der Parzelle Nr. 2448 verunmöglicht oder stark erschwert (vgl. BGE 124
II 538 E. 2a S. 540; 115 Ia 363 E. 2a S. 365). In solchen Fällen prüft das
Bundesgericht die Voraussetzung der gesetzlichen Grundlage (Art. 26 i.V.m. Art.
36 Abs. 1 BV) lediglich auf Willkür hin (BGE 126 I 213 E. 3a S. 218, 219 E. 2c
S. 221 f.; 124 II 538 E. 2a S. 540 f. mit Hinweisen). Das Vorliegen eines
öffentlichen Interesses für die zur Diskussion stehende Eigentumsbeschränkung
und deren Verhältnismässigkeit (Art. 26 i.V.m. Art. 36 Abs. 2 und 3 BV) prüft
das Bundesgericht hingegen frei (BGE 121 I 117 E. 3c S. 121; 119 Ia 362 E. 3a
S. 366). Es auferlegt sich aber Zurückhaltung, soweit die Beurteilung von einer
Würdigung der örtlichen Verhältnisse abhängt, welche die kantonalen Behörden
besser überblicken (BGE 126 I 219 E. 2c S. 222; 119 Ia 362 E. 3a S. 366; 117 Ia
434 E. 3c S. 437).
2.2
2.2.1 Das Verwaltungsgericht führt aus, die materiell-rechtliche Grundlage für
die strittige Auflage der Parkzeitbeschränkung finde sich insbesondere in den
Festlegungen des Generellen Gestaltungsplans (GGP) sowie in Art. 14 Abs. 3 lit.
c des damaligen wie auch des heutigen Gemeindebaugesetzes (BG). Im
Gestaltungsplan sei der für die geplante Autoabstellfläche vorgesehene Teil der
Parzelle Nr. 2448 dem Bereich "wertvolle Gärten/Freiflächen" zuwiesen. Für
diesen Bereich bestehe ein generelles Hochbauverbot. In engem Rahmen seien
Kleinbauten zulässig, soweit sie für die Gärten charakteristisch seien.
Gestützt auf die genannten Grundlagen zieht die Vorinstanz den Schluss, es sei
statthaft, im Bereich "wertvolle Gärten/Freiflächen" die Anlage einer
Dauerparkfläche zu untersagen.
Art. 14 Abs. 3 lit. c BG lautet wie folgt:
"Im Bereich geschützter und erhaltenswerter Bauten werden Neubauten und
Änderungen an der Gestaltung der Umgebung nur gestattet, wenn der Charakter des
Ortsteiles erhalten und der Bestand sinnvoll ergänzt wird. Dazugehörende Gärten
und Plätze sind nach Möglichkeit zu erhalten."
2.2.2 Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass sich der für die geplante
Autoabstellfläche vorgesehene Standort im Bereich "wertvolle Gärten/
Freiflächen" befindet. Sie führt jedoch aus, in diesem Bereich seien nicht nur
Pflanzgärten und ähnliche Grünflächen zugelassen. Geschützt würden auch
Freiflächen und darunter seien auch Abstell- und Verkehrsflächen zu verstehen.
Die Gemeinde möge zwar die Befugnis haben, für die Gestaltung der
Aussenbereiche Regeln zu erlassen. Für eine Beschränkung der Nutzung dieser
Bereiche fehle ihr dagegen eine gesetzliche Grundlage.
2.2.3 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind bei der Beurteilung
baulicher Massnahmen hinsichtlich deren Übereinstimmung mit der
raumplanerischen Nutzungsordnung und der übrigen einschlägigen Gesetzgebung
auch die räumlichen Folgen zu berücksichtigen, die mit der Realisierung der
Baute oder Anlage im Allgemeinen, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge
verbunden sind (vgl. BGE 123 II 256 E. 3 S. 259 f.; 120 Ib 379 E. 3c S. 383 f.;
119 Ib 222 E. 3a S. 226). Vorliegend bedeutet dies, dass bei der Beurteilung
der fraglichen Autoabstellfläche neben rein baulichen Aspekten auch die Folgen
ihres bestimmungsgemässen Gebrauchs zu beachten sind. Wenn die Vorinstanz dabei
im Ergebnis zum Schluss gelangt, durch die Nutzung der im Schutzbereich
"wertvolle Gärten/Freifläche" gelegenen Parkfläche, d.h. durch hier abgestellte
Motorfahrzeuge, könne das durch den Generellen Gestaltungsplan geschützte
Silser Ortsbild gestört werden, so erscheint dies nicht als willkürlich.
Abgestellte Motorfahrzeuge können ohne Willkür als nicht dem Charakter des
betreffenden Ortsteils und daher als Art. 14 Abs. 3 lit. c BG nicht
entsprechend qualifiziert werden. Es ist daher verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht Art. 14 Abs. 3 lit. c BG zusammen mit
dem Generellen Gestaltungsplan (GGP) als hinreichende gesetzliche Grundlage für
die Anordnung der strittigen Parkzeitbeschränkung erachtet hat.

2.3 Die Gemeinde Sils i.E. verfolgt mit der strittigen Auflage das öffentliche
Interesse des Ortsbildschutzes. Wie aus Art. 14 Abs. 3 BG ersichtlich ist, geht
sie dabei von einem weiten Begriff des Ortsbildschutzes aus, der neben
Schutzobjekten wie Bauten und Gebäudeteilen auch Aussenräume wie Gärten und
Plätze umfasst. Dass unmittelbar neben dem Grundstück der Beschwerdeführerin
Fahrzeuge sowohl dauernd als auch zeitweilig parkiert würden, wie die
Beschwerdeführerin geltend macht, vermag das öffentliche Interesse am Schutz
der fraglichen Garten-/Freifläche nicht in Frage zu stellen. Im detailliert
ausgearbeiteten Gestaltungsplan wurden diese benachbarten Flächen nicht dem
Bereich "wertvolle Gärten/Freiflächen" zugewiesen, ihre Bedeutung für den
Ortsbildschutz mithin als geringer eingestuft als der betreffende Schutzbereich
auf der Parzelle Nr. 2448. Zwischen den beiden benachbarten Grundstücken
besteht in dieser Hinsicht somit ein erheblicher Unterschied. Die Vorinstanz
konnte daher in antizipierter Beweiswürdigung davon absehen, die Akten für die
auf dem Nachbargrundstück angeblich bewilligten Autoabstellflächen, wie von der
Beschwerdeführerin verlangt, beizuziehen. Eine Gehörsverletzung liegt
diesbezüglich nicht vor.

2.4 Die Festlegung einer Parkzeitbeschränkung stellt ein wirksames und damit
geeignetes Mittel dar, um die durch das Abstellen von Motorfahrzeugen im
Bereich "wertvolle Gärten/Freiflächen" verursachte Beeinträchtigung des
Ortsbildes zu minimieren. Nach der Beurteilung des Verwaltungsgerichts nimmt in
diesem empfindlichen Dorfkernbereich die Störwirkung des Parkierens mit dessen
Dauer zu. Dass auf dem angrenzenden Grundstück sowohl dauernd als auch
zeitweilig parkiert werde, stellt die Eignung der strittigen
Parkzeitbeschränkung nicht in Frage. Wie bereits ausgeführt (E. 2.3) sind die
betreffenden Flächen nicht dem Bereich "wertvolle Gärten/Freiflächen"
zugewiesen worden und damit für den Ortsbildschutz von geringerer Bedeutung als
der Schutzbereich auf Parzelle Nr. 2448. Für die Dauerparkierung wird die
strittige Abstellfläche ferner nicht benötigt, denn die zur Parzelle Nr. 2448
gehörenden Pflichtparkplätze befinden sich in einer nahegelegenen Tiefgarage
und die zentrale kommunale Parkierungsanlage ist zu Fuss in kurzer Zeit
erreichbar. Die getroffene Regelung ist auch erforderlich, weil die
Vollzugstauglichkeit nur bei Festlegung einer klaren zeitlichen Limitierung der
zulässigen Parkdauer gewährleistet ist.
Mit der strittigen Parkzeitbeschränkung kann den von der Beschwerdeführerin
geltend gemachten Parkierungsbedürfnissen hinreichend Rechnung getragen werden.
Sie führt selber aus, es handle sich bei der fraglichen Autoabstellfläche um
eine Abstellmöglichkeit für einen temporären Halt und es sei kein dauerhaftes
und längeres Abstellen von Fahrzeugen beabsichtigt. Gleichzeitig kann mit der
Vorinstanz davon ausgegangen werden, dass die Anliegen des Ortsbildschutzes
durch die strittige Regelung nicht in Frage gestellt werden. Allerdings gelangt
die Vorinstanz auch zum Schluss, die Bewilligung eines Kurzzeitparkplatzes
müsse am fraglichen Standort aufgrund der bau- und gestaltungsplanerischen
Vorgaben als äusserst grosszügig bezeichnet werden und es wäre auch eine
Bewilligungsverweigerung vertretbar gewesen.
Zusammenfassend erweist sich die strittige Parkzeitbeschränkung somit als
verhältnismässig.

2.5 Die Kritik der Beschwerdeführerin am angefochtenen Entscheid, er setze sich
nicht mit den Voraussetzungen der Anordnung von Nebenbestimmungen gemäss Art.
90 des Raumplanungsgesetzes vom 6. Dezember 2004 für den Kanton Graubünden
(KGR; BR 801.100) auseinander (Beschwerdeschrift S. 14), ist nicht hinreichend
begründet (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG). Darauf ist deshalb nicht einzutreten.

3.
Inwiefern die Vorinstanz einen sich aus der Bundesverfassung ableitbaren
Anspruch der Beschwerdeführerin auf Behandlung nach Treu und Glauben verletzt
haben soll, legt diese nicht mit hinreichender Klarheit dar (vgl. Art. 106 Abs.
2 BGG). Auf die entsprechende Rüge ist daher nicht einzutreten.

4.
Zur Begründung der Rügen der Verletzung der Grundsätze rechtsstaatlichen
Handelns (Art. 5 Abs. 1 bis 3 BV, Art. 5 KV/GR) und des Willkürverbots (Art. 9
BV) bringt die Beschwerdeführerin nichts vor, was sie nicht auch zur Begründung
der Verletzung der Eigentumsgarantie geltend gemacht hat. Es erübrigt sich
somit, auf diese Rügen näher einzugehen.

5.
Die Beschwerde ist daher abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

Dem Ausgang des vorliegenden Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten
der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine
Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 Art. 1 und 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Gemeinde Sils i.E./Segl und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 4. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 15. Dezember 2008
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Kappeler