Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.345/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_345/2008

Urteil vom 29. Januar 2009
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Reeb,
Gerichtsschreiber Haag.

1. Parteien
A.________,
2. B.________,
3. C.________,
4. D.________,
5. E.________,
6. F.________,
7. G.________,
8. H.________,
9. I.________,
10. J.________,
11. K.________,
12. L.________,
13. M.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Swisscom Broadcast AG, Ostermundigenstrasse 99, 3050 Bern, Beschwerdegegnerin,
Munizipalgemeinde Fieschertal, 3984 Fieschertal,
Kantonale Baukommission des Kantons Wallis,
Rue des Creusets 5, 1951 Sitten,
Staatsrat des Kantons Wallis, Place de la Planta,
1951 Sitten.

Gegenstand
Antenne für Richtfunk und digitales Fernsehen,

Beschwerde gegen das Urteil vom 4. Juli 2008 des Kantonsgerichts Wallis,
Öffentlichrechtliche Abteilung.
Sachverhalt:

A.
Die Swisscom Broadcast AG stellte am 20. April 2007 bei der Munizipalgemeinde
Fieschertal ein Baugesuch für einen Richtfunkspiegel für die Schweizerische
Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG SSR idée suisse) auf der bestehenden
Rundfunk-Basisstation sowie die Installation neuer Antennen für die Versorgung
mit digitalem Fernsehen der SRG. Das Vorhaben sah zudem den Ersatz der
bestehenden Kabine auf der Parzelle Nr. 745 ausserhalb der Bauzone vor. Das
Gesuch wurde mit dem Grundversorgungsauftrag der SRG SSR idée suisse begründet.
Der Standort Fieschertal sei für die Versorgung der umliegenden Gemeindegebiete
mit "Digital Video Broadcasting Terrestrial" (DVB-T) notwendig. Das Baugesuch
wurde im kantonalen Amtsblatt vom 27. April 2007 ausgeschrieben. Dagegen
erhoben A.________ und verschiedene weitere Personen Einsprache. Die Gemeinde
überwies die Akten der kantonalen Baukommission, welche die Baubewilligung am
21. August 2007 erteilte und die Einsprachen abwies, soweit sie darauf eintrat.

A.________ und die weiteren Einsprecher beschwerten sich gegen diese Verfügung
der kantonalen Baukommission beim Staatsrat des Kantons Wallis. Dabei wurde
kein Gesuch um aufschiebende Wirkung gestellt. Die Baugesuchstellerin begann
mit den Bauarbeiten. Der Staatsrat wies die Beschwerde am 2. April 2008 ab und
entzog einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung. A.________ und
weitere Mitbeteiligte zogen diesen Entscheid an das Kantonsgericht Wallis
weiter. welches die Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit Urteil vom 4. Juli 2008
abwies, soweit es darauf eintrat.

B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 5. August 2008
beantragen A.________ und zahlreiche Mitbeteiligte, das Urteil des
Kantonsgerichts sei aufzuheben, die Baubewilligung sei zu widerrufen und der
Sendebetrieb auf der Sendeanlage Fieschertal mittels den nachgerüsteten Sendern
und Antennen sei unverzüglich einzustellen. Die Anlage sei überdies auf ihren
Ursprungszustand zurückzubauen oder eventuell ganz abzubrechen.

C.
Die Swisscom Broadcast AG und die kantonale Baukommission beantragen, die
Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Kantonsgericht
und der Staatsrat schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Raumentwicklung (ARE) und das Bundesamt für Umwelt (BAFU) haben sich zur
Beschwerde geäussert, ohne einen Antrag zum Ausgang des Verfahrens zu stellen.
Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit, sich zu den verschiedenen
Eingaben zu äussern und haben davon teilweise Gebrauch gemacht. Sie halten an
ihren Anträgen und Rechtsauffassungen fest.

Erwägungen:

1.
1.1 Der angefochtene Entscheid betrifft eine Ausnahmebewilligung im Sinne von
Art. 24 RPG (SR 700) für eine Antennenanlage ausserhalb der Bauzone. Er
unterliegt der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82
lit. a BGG). Die Beschwerdeführer sind Eigentümer bzw. Mieter von
Liegenschaften, welche sich innerhalb des praxisgemäss (BGE 128 II 168)
berechneten Einspracheradius befinden. Sie sind als Adressaten des
angefochtenen Entscheids vom umstrittenen Vorhaben besonders berührt und haben
ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung des Urteils des
Kantonsgerichts (Art. 89 Abs. 1 BGG, BGE 133 II 249 E. 1.3 S. 252 f.). Da auch
die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde
einzutreten.

2.
Die Beschwerdeführer werfen dem Kantonsgericht in erster Linie vor, es habe das
Erfordernis der Standortgebundenheit, wie es in Art. 24 lit. a RPG für nicht
zonenkonforme Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen vorausgesetzt wird, in
bundesrechtswidriger Weise bejaht.

2.1 Das Kantonsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, das umstrittene
Bauvorhaben stelle keine Änderung einer bestehenden Baute im Sinne von Art. 24c
RPG dar (vgl. BGE 133 II 409 E. 3 S. 416). Es hat deshalb Art. 24 RPG seiner
Beurteilung zu Grunde gelegt. Nach dieser Bestimmung können nicht zonenkonforme
Bauten und Anlagen und deren Zweckänderungen ausserhalb der Bauzonen bewilligt
werden, wenn ihr Zweck einen Standort ausserhalb der Bauzonen erfordert und
keine überwiegenden Interessen entgegenstehen. Das Kantonsgericht hat das
umstrittene Antennenbauprojekt unter Hinweis auf die Rechtsprechung des
Bundesgerichts zu den Mobilfunkantennen als standortgebunden im Sinne von Art.
24 lit. a RPG bezeichnet.

2.2 Die Standortgebundenheit im Sinne von Art. 24 lit. a RPG ist nach ständiger
bundesgerichtlicher Praxis zu bejahen, wenn eine Anlage aus technischen oder
betriebswirtschaftlichen Gründen oder wegen der Bodenbeschaffenheit auf einen
Standort ausserhalb der Bauzone angewiesen ist, oder wenn ein Werk aus
bestimmten Gründen in einer Bauzone ausgeschlossen ist (vgl. BGE 129 II 63 E.
3.1 S. 68; 124 II 252 E. 4a S. 255; 123 II 256 E. 5a S. 261). Dabei genügt eine
relative Standortgebundenheit: Es ist nicht erforderlich, dass überhaupt kein
anderer Standort in Betracht fällt; es müssen jedoch besonders wichtige und
objektive Gründe vorliegen, die den vorgesehenen Standort gegenüber anderen
Standorten innerhalb der Bauzone als viel vorteilhafter erscheinen lassen
(Urteil des Bundesgerichts 1A.186/2002 vom 23. Mai 2003 in: ZBl 105/2004 S. 103
E. 3; BGE 108 Ib 359 E. 4a S. 362; Walter Haller/Peter Karlen, Raumplanungs-,
Bau- und Umweltrecht, 3. Aufl., 1999, S. 195 Rz. 711; Bernhard Waldmann/Peter
Hänni, Raumplanungsgesetz, 2006, Art. 24 Rz. 10).

2.3 Antennen für den Mobilfunk (Mobiltelephonie) können nach der Rechtsprechung
ausnahmsweise auf einen Standort ausserhalb der Bauzonen angewiesen sein, wenn
eine Deckungs- oder Kapazitätslücke aus funktechnischen Gründen mit einem oder
mehreren Standorten innerhalb der Bauzonen nicht in genügender Weise beseitigt
werden kann bzw. es bei einem Standort innerhalb der Bauzonen zu einer nicht
vertretbaren Störung der in anderen Funkzellen des Netzes verwendeten
Frequenzen kommen würde. Nicht ausreichend sind dagegen wirtschaftliche
Vorteile des gewählten Standorts (z.B. geringere Landerwerbskosten;
voraussichtlich geringere Zahl von Einsprachen) oder zivilrechtliche Gründe für
die Standortwahl, wie z.B. die Weigerung von Eigentümern, einer
Mobilfunkantenne auf ihren Grundstücken innerhalb der Bauzonen zuzustimmen (BGE
133 II 321 E. 4.3.3 S. 325 f., 409 E. 4.2 S. 417 mit Hinweisen).

Unter besonderen qualifizierten Umständen kann sich allerdings ein Standort
ausserhalb der Bauzonen unter Beachtung aller massgebenden Interessen als
derart vorteilhaft erweisen, dass er ausnahmsweise in weiteren als den vorne
genannten Fällen als standortgebunden im Sinne von Art. 24 lit. a RPG anerkannt
werden kann. Im Unterschied zu anderen Bauten und Anlagen (wie Strassen,
Parkplätzen, Deponien, Materialgewinnungsanlagen, Sportanlagen usw.) können
Mobilfunkantennen ausserhalb der Bauzonen angebracht werden, ohne dafür
zwingend neues unüberbautes Nichtbauzonenland in Anspruch zu nehmen. Dies ist
der Fall, soweit sie auf bestehende Bauten und Anlagen, wie hier dem
bestehenden Antennenmast, montiert werden. Diesem Umstand ist bei der im Rahmen
der Standortevaluation vorzunehmenden Interessenabwägung, in welche namentlich
Standorte innerhalb aber auch solche ausserhalb der Bauzonen einzubeziehen
sind, Rechnung zu tragen. Bei den Standorten ausserhalb der Bauzonen können
nicht nur solche ausgewählt werden, die für eine angemessene Abdeckung für die
Mobiltelefonie aus technischen Gründen unentbehrlich sind. Vielmehr können sich
bei der genannten Abwägung auch Standorte ausserhalb der Bauzonen gegenüber
solchen innerhalb der Bauzonen als wesentlich geeigneter erweisen, soweit sie
auf bestehenden Bauten und Anlagen angebracht werden können.

Eine entsprechende auf die speziellen Verhältnisse der Mobilfunktechnik
zugeschnittene Bejahung der Standortgebundenheit ist jedoch an die folgenden,
streng zu beachtenden Bedingungen geknüpft: Grundvoraussetzung einer solchen
erweiterten ausnahmsweisen Bejahung der Standortgebundenheit ist, dass die
Mobilfunkanlage ausserhalb der Bauzonen keine erhebliche Zweckentfremdung von
Nichtbauzonenland bewirkt und nicht störend in Erscheinung tritt. Ein positiver
Ausgang der genannten Interessenabwägung reduziert sich somit wie erwähnt
grundsätzlich auf Örtlichkeiten, an welchen sich bereits zonenkonforme oder
zonenwidrige Bauten und Anlagen befinden. Auch wenn sich ein bereits baulich
genutzter Standort im Rahmen der Standortabklärung als klarerweise besser
geeignet erweist als ein Standort innerhalb der Bauzonen, so darf eine
Ausnahmebewilligung für eine Mobilfunkantenne nur erteilt werden, wenn als
zusätzliche Voraussetzung gewährleistet ist, dass dem Vorhaben keine
überwiegenden Interessen entgegenstehen (Art. 24 lit. b RPG; BGE 133 II 321 E.
4.3.3 S. 325 ff.; 133 II 409 E. 4.2 S. 417 f.).

Diese Rechtsprechung kann grundsätzlich trotz gewisser technischer Unterschiede
bei der Netzplanung und der Verwendung der vorhandenen Frequenzen auf die
Beurteilung der Standortgebundenheit von Richtfunkantennen und von Sendeanlagen
für die Verbreitung von digitalem Fernsehen übertragen werden (vgl. zur
analogen Anwendung der Rechtsprechung auf UKW-Sendeanlagen: Urteil des
Bundesgerichts 1C_228/2007 vom 28. November 2008 E. 5.4).

2.4 Das Kantonsgericht führt im angefochtenen Urteil aus, am vorgesehenen
Baustandort ausserhalb der Bauzone befinde sich bereits eine
Rundfunkbasisstation, welche bis November 2007 zur regionalen flächendeckenden
Erfüllung des Grundversorgungsauftrags der SRG idée suisse mit analogem
Fernsehen gedient habe. Im Zuge des Wechsels vom analogen Fernsehen zum DVB-T
sei das analoge Fernsehen abgeschaltet worden und durch DVB-T ersetzt worden,
was mit einer Umrüstung der bestehenden Anlagen verbunden gewesen sei. Aus den
Planunterlagen ergebe sich, dass dabei am bestehenden Mast lediglich einige
neue, kleinere Installationen angefügt worden seien. Das vorbestehende, am Mast
befestigte Kabinenhäuschen sei abgerissen und durch ein nur unwesentlich
grösseres auf dem Boden angebrachtes Häuschen ersetzt worden. Diese Umrüstung
an der bestehenden Basisstation bewirke keine erhebliche Zweckentfremdung von
Nichtbauzonenland und trete nicht störender in Erscheinung als dies bisher der
Fall gewesen sei. Die Vorteile wögen derart schwer, dass der gewählte Standort
ausserhalb der Bauzone im Vergleich zu einem solchen innerhalb der Bauzone als
klarerweise besser geeignet erscheine. Die Standortgebundenheit der Anlage sei
deshalb zu bejahen.

2.5 Diese Ausführungen, mit welchen die Vorinstanz die Standortgebundenheit des
umstrittenen Antennenprojekts bejaht, stehen mit der vorn (E. 2.3)
wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesgerichts in verschiedenen Punkten
nicht im Einklang. Das Bundesgericht hält die Bejahung der Standortgebundenheit
nur für zulässig, wenn sich ein Standort ausserhalb der Bauzonen im Vergleich
zu Standorten innerhalb der Bauzonen im Rahmen einer konkreten
Interessenabwägung als wesentlich geeigneter erweisen. An einer solchen auf die
konkreten Verhältnisse des für das Antennenprojekt in Frage kommenden
Einzugsgebiets ausgerichtete Interessenabwägung fehlt es im angefochtenen
Urteil. Um überwiegende Interessen in Bezug auf den gutgeheissenen Standort
bejahen zu können, muss ein konkreter Vergleich mit möglichen Standorten
innerhalb der Bauzonen angestellt werden. Nur wenn sich im Rahmen eines solchen
Vergleichs ein Standort ausserhalb der Bauzonen als wesentlich geeigneter
erweist als die möglichen Antennenstandorte innerhalb der Bauzonen, kann die
Standortgebundenheit bejaht werden. Im vorliegenden Fall ist dabei zu beachten,
dass die bisherige Anlage sehr wenig Nichtbauzonenland zweckentfremdet hatte.
Das neue Kabinenhäuschen beansprucht mit seiner Grundfläche von 15.5 m²
wesentlich mehr Nichtbauzonenland. Ausserdem sind Gehwegplatten und ein
Kabelschacht vorgesehen, die weiteres Nichtbauzonenland versiegeln. All dies
ist ebenfalls in die Interessenabwägung der konkreten Standortevaluation
einzubeziehen und kann überdies dazu führen, dass dem umstrittenen Vorhaben
überwiegende Interessen gemäss Art. 24 lit. b RPG entgegenstehen. Dadurch, dass
das Kantonsgericht die Standortevaluation nicht nach den Vorgaben der erwähnten
bundesgerichtlichen Rechtsprechung vorgenommen hat, hat es Art. 24 RPG
verletzt.

3.
Die Beschwerde erweist sich aufgrund der vorstehenden Erwägungen als begründet.
Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung
an das Kantonsgericht zurückzuweisen. Auf die weiteren Rügen der
Beschwerdeführer ist unter diesen Umständen nicht weiter einzugehen.

Dem Ausgang des vorliegenden Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten
des bundesgerichtlichen Verfahrens der unterliegenden Beschwerdegegnerin
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Den nicht anwaltlich vertretenen
Beschwerdeführern wird praxisgemäss keine Parteientschädigung zugesprochen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons
Wallis vom 4. Juli 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Beurteilung an das
Kantonsgericht zurückgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der privaten Beschwerdegegnerin
auferlegt.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Munizipalgemeinde Fieschertal, der
Kantonalen Baukommission und dem Staatsrat des Kantons Wallis, dem
Kantonsgericht Wallis, Öffentlichrechtliche Abteilung, sowie dem Bundesamt für
Raumentwicklung und dem Bundesamt für Umwelt schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 29. Januar 2009

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Haag