Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.247/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 1/2}
1C_247/2008

Urteil vom 21. Januar 2009
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Reeb, Fonjallaz, Eusebio,
Gerichtsschreiber Steinmann.

Parteien
Bündnis "Luzern Für Alle", vertreten durch
Oliver Renggli, Präsident,
Roger Marti,
Beschwerdeführer,

gegen

Regierungsrat des Kantons Luzern,
Bahnhofstrasse 15, 6002 Luzern, vertreten durch den Rechtskonsulenten Josef
Koch, Bahnhofstrasse 15,
6002 Luzern,
Kantonsrat des Kantons Luzern, vertreten durch den Rechtskonsulent des
Regierungsrates Josef Koch, Bahnhofstrasse 15, 6002 Luzern.

Gegenstand
Änderung des Übertretungsstrafgesetzes
(Art. 9 BV & Art. 34 Abs. 2 BV),

Beschwerde gegen die Änderung vom 28. April 2008
des Übertretungsstrafgesetzes.
Sachverhalt:

A.
Aufgrund von diversen parlamentarischen Vorstössen im Grossen Rat des Kantons
Luzern (nunmehr Kantonsrat) legte der Regierungsrat des Kantons Luzern am 15.
Januar 2008 die Botschaft "zum Entwurf von Änderungen des
Übertretungsstrafgesetzes und des Gesetzes über die Kantonspolizei betreffend
Einführung einer allgemeinen Wegweisungsnorm und von Massnahmen gegen Littering
sowie unbefugtes Plakatieren" vor. Zur Einführung der drei vorgeschlagenen
Bereiche - Wegweisung, Littering und Plakatieren - schlug er unter dem Titel
"Übertretungsstrafgesetz" Änderungen des Übertretungsstrafgesetzes und des
Gesetzes über die Kantonspolizei vor.
Der Kantonsrat beschloss unter dem Titel "Übertretungsstrafgesetz" am 28. April
2008 das Folgende:

I.
Das Übertretungsstrafgesetz vom 14. September 1976 wird wie folgt geändert:
§ 5 - Ordnungsbussen (neu)
1 Der Regierungsrat bestimmt, bei welchen geringfügigen Übertretungen die
Polizeiorgane Ordnungsbussen erheben dürfen, wenn der Fehlbare damit
einverstanden ist.
2 Er bestimmt, wie hoch die Bussen für die einzelnen Übertretungen sind und
welches Verfahren anzuwenden ist. Die Höchstgrenze der Ordnungsbussen
entspricht derjenigen des Ordnungsbussengesetzes vom 24. Juni 1970.
3 Die Ordnungsbussen nach dem Ordnungsbussengesetz bleiben vorbehalten.
§ 7
wird aufgehoben.
§ 8 Absatz 1
1 Wer unbefugt auf öffentlichem oder privatem Eigentum Zeichen, Inschriften
oder Plakate anbringt oder anbringen lässt,
wer öffentliches oder privates Eigentum verunreinigt oder verunstaltet,
namentlich durch das Wegwerfen, Ablagern oder Zurücklassen von Abfällen
ausserhalb von Abfallanlagen oder Sammelstellen,
wird mit Busse bestraft.
§ 16
wird aufgehoben.

II.
Das Gesetz über die Kantonspolizei vom 27. Januar 1998 wird wie folgt geändert:
§ 19 - Wegweisung und Fernhaltung
1 Die Kantonspolizei kann Personen von einem Ort wegweisen oder für längstens
24 Stunden fernhalten, wenn diese oder eine Ansammlung von Personen, der sie
angehören,
a. im begründeten Verdacht stehen, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu
gefährden oder zu stören,
b. Dritte erheblich belästigen oder unberechtigterweise an der
bestimmungsgemässen Nutzung des öffentlich zugänglichen Raumes hindern,
c. den Einsatz von Polizeikräften, Feuerwehren oder Rettungsdiensten behindern,
d. das Pietätsgefühl von Personen verletzen oder gefährden,
e. ernsthaft und unmittelbar gefährdet sind.
2 Widersetzt sich eine Person der angeordneten Wegweisung oder Fernhaltung,
verfügt die Kantonspolizei schriftlich die Wegweisung oder Fernhaltung für
höchstens einen Monat.
3 In besondern Fällen, namentlich wenn eine Person wiederholt von einem Ort
weggewiesen oder ferngehalten werden musste, kann die Kantonspolizei das Verbot
unter Androhung der Straffolgen von Artikel 292 des Schweizerischen
Strafgesetzbuches vom 21. Dezember 1937 verfügen.
4 Die Anfechtung von Entscheiden im Sinn der Absätze 2 und 3 richtet sich unter
Vorbehalt dieser Bestimmungen nach dem Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege
vom 3. Juli 1972. Der Einreichung eines Rechtsmittels kommt keine aufschiebende
Wirkung zu.
§ 25 Absatz 2
2 Die Grundausbildung erfolgt an der Interkantonalen Polizeischule Hitzkirch.
III.
Die Änderung tritt am 15. Juli 2008 in Kraft. Sie unterliegt dem fakultativen
Referendum.

B.
Das Bündnis "Luzern Für Alle" hat am 2. Juli 2008 gegen die vom Kantonsrat
verabschiedete Vorlage das (fakultative) Referendum erhoben. Die kantonale
Referendumsabstimmung steht noch aus.

C.
Noch vor Ablauf der Referendumsfrist am 2. Juli 2008 haben das Bündnis "Luzern
Für Alle" und Roger Marti am 28. Mai 2008 beim Bundesgericht Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten im Sinne von Art. 82 lit. c BGG erhoben
und die Aufhebung des Kantonsratsbeschlusses verlangt. Sie rügen Verletzungen
von Art. 9 und Art. 34 Abs. 2 BV. Im Wesentlichen machen sie eine Missachtung
des Grundsatzes der Einheit der Materie geltend, weil die Änderungen im
Übertretungsstrafgesetz und diejenigen im Gesetz über die Kantonspolizei nicht
auf derselben Ebene lägen, in keinem hinreichenden Zusammenhang zueinander
stünden und daher nicht zu einer Vorlage hätten zusammengefasst werden dürfen.
Unter dem Titel von Art. 9 BV bemängeln sie, dass die Vorlage in irreführender
Weise den Titel "Übertretungsstrafrecht" trage und das Gesetz über die
Kantonspolizei nicht erwähne. Schliesslich ersuchen die Beschwerdeführer darum,
den Kanton Luzern zu einer Entschädigung für die mit dem Referendum
entstandenen Kosten zu verpflichten.
Der Regierungsrat beantragt in eigenem Namen und im Namen des Kantonsrates die
Abweisung der Beschwerde.
Die Beschwerdeführer halten in ihrer Beschwerdeergänzung an ihrem Antrag und
ihrer Begründung fest, desgleichen der Regierungsrat in seiner Duplik.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Stimmrechtsbeschwerde im Sinne von Art. 82 lit. c BGG ist zulässig. Sie
richtet sich gegen einen Akt des Kantonsrates gemäss Art. 88 BGG und ist nach
Art. 100 Abs. 1 BGG rechtzeitig erhoben worden. Es kann mit ihr gemäss Art. 95
lit. a BGG Bundesverfassungsrecht wie namentlich die Verletzung von Art. 34
Abs. 2 BV gerügt werden.
Roger Marti ist unbestrittenermassen im Kanton Luzern stimmberechtigt und daher
im Hinblick auf die Referendumsabstimmung über die umstrittene Vorlage nach
Art. 89 Abs. 3 BGG zur Beschwerde legitimiert. Ebenfalls als legitimiert gelten
nach der Rechtsprechung die politischen Parteien, die im Gebiet des
betreffenden Gemeinwesens tätig sind, sowie politische Vereinigungen,
namentlich ad hoc gebildete, mit juristischer Persönlichkeit ausgestattete
Initiativ- und Referendumskomitees (nicht publ. E. 1b von BGE 125 I 289; 121 I
334 E. 1a S. 337). Diese Voraussetzungen sind für das Bündnis "Luzern Für Alle"
gegeben, das nach den Statuten einen Verein bildet, die Sensibilisierung für
den öffentlichen Raum bezweckt und sich u.a. gegen den Wegweisungsartikel zur
Wehr setzt.

1.2 Dem Begehren um Feststellung einer Verletzung der freien Willensbildung
kommt neben dem Antrag um Aufhebung des Kantonsratsbeschlusses im vorliegenden
Fall keine eigenständige Bedeutung zu. Insoweit ist auf die Beschwerde nicht
einzutreten.
Mit der Beschwerdeergänzung ziehen die Beschwerdeführer ihr
Entschädigungsbegehren zurück. Es braucht darauf nicht näher eingegangen zu
werden.

2.
Die Beschwerdeführer machen zur Hauptsache eine Verletzung des Grundsatzes der
Einheit der Materie geltend. Sie beziehen sich hierfür nicht auf kantonales
Recht, sondern rufen die Garantie von Art. 34 Abs. 2 BV an. Es wird von Seiten
des Regierungsrates nicht in Frage gestellt, dass der entsprechende Grundsatz
auf die umstrittene Vorlage im Hinblick auf die Referendumsabstimmung Anwendung
findet.
Der Grundsatz der Einheit der Materie gilt von Bundesrechts wegen. Er wurde
unter der Herrschaft der alten Bundesverfassung aus dem Stimm- und Wahlrecht
abgeleitet und ist heute durch Art. 34 Abs. 2 BV gewährleistet, welcher die
freie Willensbildung und unverfälschte Stimmabgabe schützt. Er gilt
grundsätzlich bei allen Vorlagen, die den Stimmberechtigten zum Entscheid
unterbreitet werden. Der Grundsatz der Einheit der Materie verlangt, dass eine
Vorlage grundsätzlich nur einen Sachbereich zum Gegenstand haben darf bzw. dass
zwei oder mehrere Sachfragen und Materien nicht in einer Art und Weise
miteinander zu einer einzigen Abstimmungsvorlage verbunden werden, die die
Stimmberechtigten in eine Zwangslage versetzt und ihnen keine freie Wahl
zwischen den einzelnen Teilen belässt. Umfasst eine Abstimmungsvorlage mehrere
Sachfragen und Materien, ist zur Wahrung der Einheit der Materie erforderlich,
dass die einzelnen Teile einen sachlichen inneren Zusammenhang aufweisen und in
einer sachlichen Beziehung zueinander stehen und dasselbe Ziel verfolgen;
dieser sachliche Zusammenhang darf nicht bloss künstlich, subjektiv oder rein
politisch bestehen. Im Einzelnen ist der Begriff der Einheit der Materie schwer
zu fassen; er ist von relativer Natur und vor dem Hintergrund der konkreten
Verhältnisse zu beurteilen. Der sachliche Zusammenhang kann sich aus einem
einheitlichen Ziel oder gemeinsamen Zweck ergeben und ist abhängig von der
Abstraktionshöhe der Betrachtung und vom gesellschaftlich-historischen Umfeld.
Dabei ist nicht bloss auf die Absichten des Gesetzgebers abzustellen, sondern
der Normtext nach den anerkannten Interpretationsregeln auszulegen und auch der
Sicht des "aufgeklärten" politisch interessierten Stimmbürgers Rechnung zu
tragen. Da der Begriff der Einheit der Materie von relativer Natur ist und die
Gewichtung einzelner Teile einer Vorlage und ihres Verhältnisses zueinander
zudem vorab eine politische Frage ist, kommt den Behörden bei der Ausgestaltung
von Abstimmungsvorlagen ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Überdies betont die
Rechtsprechung, dass die Stimmberechtigten keinen verfassungsmässigen Anspruch
darauf haben, dass ihnen einzelne, allenfalls besonders wichtige Teile einer
Vorlage gesondert zur Abstimmung vorgelegt werden; sie müssen sich vielmehr
auch dann für die Gutheissung oder Ablehnung der ganzen Vorlage entscheiden,
wenn sie nur mit einzelnen Vorschriften einverstanden sind bzw. einzelne Teile
ablehnen (vgl. zum Ganzen hinsichtlich behördlicher Vorlagen BGE 129 I 366 E. 2
S. 369, Urteil 1P.223/2006 vom 12. September 2006 E. 2, in ZBl 108/2007 S. 332;
hinsichtlich von Initiativen BGE 130 I 185 E. 3 S. 195; 129 I 381 E. 2 S. 384;
128 I 190 E. 3.2 S. 196, je mit Hinweisen).

3.
3.1 Vor diesem Hintergrund bestreiten die Beschwerdeführer, dass die Vorlage
"Übertretungsstrafgesetz" den Grundsatz der Einheit der Materie wahrt. Sie
machen im Wesentlichen geltend, die Aufnahme von Bestimmungen über die
Wegweisung und Fernhaltung ins Gesetz über die Kantonspolizei zum einen stehe
in keinem sachlichen Zusammenhang mit den Verbotsbestimmungen über
Verunreinigungen an öffentlichem oder privatem Eigentum und über das
Hinterlassen von Abfällen im Übertretungsstrafgesetz zum andern. Die beiden
Teile hätten eine unterschiedliche Entstehungsgeschichte, würden
unterschiedlich wahrgenommen, lägen auf einer andern Ebene und seien von
unterschiedlicher Natur.
Demgegenüber bringt der Regierungsrat vor, die vorgesehenen Massnahmen
verfolgten den gemeinsamen Zweck, den öffentlichen Raum mittels Repression
sauberer und damit sicherer zu machen. Ziel sei mehr Sicherheit und Sauberkeit
im öffentlichen Raum. Sauberkeit und Sicherheit im öffentlichen Raum stünden in
einem engen Zusammenhang; die angestrebte Sauberkeit stelle einen Schlüssel zu
mehr Sicherheit dar. Die Berührungspunkte zeigten sich ferner darin, dass mit
der Wegweisung auch gegen Personengruppen vorgegangen werden könne, welche die
öffentliche Sicherheit und Ordnung durch ein hohes Mass an Littering stören
oder gefährden. Es könne daher nicht gesagt werden, die Wegweisungsbestimmung
hätte eine eigene Bedeutung und weise keinen Zusammenhang mit den Bestimmungen
über das Littering und das Plakatieren auf. Vielmehr handle es sich bei den
drei Bereichen um gleichwertige Massnahmen zum Schutz der öffentlichen Ordnung
und Sicherheit.

3.2 Für die Beurteilung, ob die umstrittene Vorlage die Einheit der Materie im
Sinne von Art. 34 Abs. 2 BV wahrt, gilt es vorerst, die Bedeutung der einzelnen
Bestimmungen und Massnahmen festzuhalten. Dabei ist insbesondere die Bestimmung
von § 8 Abs. 1 des geänderten Übertretungsstrafgesetzes derjenigen von § 19 des
Gesetzes über die Kantonspolizei gegenüberzustellen.
§ 8 Abs. 1 des Übertretungsstrafgesetzes (ÜStG) umfasst zwei Tatbestände,
nämlich das Anbringen oder Anbringenlassen von Zeichen, Inschriften und
Plakaten an öffentlichem oder privatem Eigentum einerseits, die Verunreinigung
oder Verunstaltung von öffentlichem oder privatem Eigentum durch das Wegwerfen,
Ablagern oder Zurücklassen von Abfällen ausserhalb von Abfallanlagen oder
Sammelstellen andererseits. Die Norm verbietet ein bestimmtes Verhalten und
stellt Widerhandlungen unter Strafe. Sie will den sozialen Erscheinungen der
Graffiti und des Hinterlassens von Abfällen begegnen und zielt in allgemeiner
Weise auf den Schutz von öffentlichem und privatem Eigentum vor Verunstaltungen
ab. Die Bestimmung weist eine für das Strafrecht übliche Struktur auf und
wendet sich insoweit an jegliche Einzelperson.
§ 19 des Gesetzes über die Kantonspolizei (Kantonspolizeigesetz, KPG) richtet
sich an die Kantonspolizei. Die Bestimmung räumt der Kantonspolizei eine
Handlungskompetenz ein und befugt sie, Personen von einem Ort wegzuweisen oder
fernzuhalten. Voraussetzung des polizeilichen Handelns ist das Vorliegen einer
Gefährdung oder Störung, welche unterschiedlichen Schutzbedürfnissen
entsprechen. Geschützt werden sollen in allgemeiner Weise die öffentliche
Sicherheit und Ordnung (Abs. 1 lit. a) und im Speziellen Einzelpersonen, die
erheblich belästigt oder in der Benützung des öffentlichen Raumes gehindert
(Abs. 1 lit. b) sowie in ihrem Pietätsgefühl verletzt oder gefährdet werden
(Abs. 1 lit. d). Ferner Einzelpersonen, wenn sie selber ernsthaft und
unmittelbar gefährdet sind (Abs. 1 lit. e), und schliesslich amtliche Dienste,
deren Einsatz behindert wird (Abs. 1 lit. c). Die Bestimmung bezweckt die
Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und zielt auf die
Beseitigung einer Störung und Gefährdung ab, welche im Zeitpunkt des
polizeilichen Handelns tatsächlich vorhanden bzw. für eine bestimmte Dauer
anzudauern droht. Als Handlungsanweisung richtet sich die Norm an die
Polizeiorgane.
Bei der Frage der Einhaltung des Grundsatzes der Einheit der Materie ist von
diesen beiden Sachbereichen auszugehen und zu prüfen, in welchem Verhältnis sie
zueinander stehen, was sie miteinander verbindet bzw. was sie voneinander
trennt und ob sie demnach unter dem Gesichtswinkel von Art. 34 Abs. 2 BV zu
einer einzigen, dem (fakultativen) Referendum unterstellten Vorlage
zusammengefasst werden durften.

3.3 Es ist unbestritten, dass die Vorlage des Kantonsrates auf unterschiedliche
parlamentarische Vorstösse zurückgeht. Zum einen wurden im Parlament vorerst
gesetzliche Grundlagen für die Möglichkeit der Wegweisung von Personen
gefordert, zum andern griffige Massnahmen gegen die Wegwerfmentalität und das
Littering verlangt. Während des Vernehmlassungsverfahrens zu einer Vorlage
betreffend Wegweisung und Littering verlangte ein weiterer Vorstoss zur
Verhinderung von illegalem und wildem Plakatieren eine Ergänzung des
Übertretungsstrafgesetzes. Der Regierungsrat fasste die drei Bereiche
schliesslich zusammen in seiner Botschaft an den Kantonsrat vom 15. Januar 2008
zum Entwurf von Änderungen des Übertretungsstrafgesetzes und des Gesetzes über
die Kantonspolizei betreffend Einführung einer allgemeinen Wegweisungsnorm und
von Massnahmen gegen Littering sowie unbefugtes Plakatieren (im Folgenden
Botschaft) zusammen.
Diese Entstehungsgeschichte macht deutlich, dass unterschiedliche Themen
unabhängig voneinander in den politischen Prozess eingeführt wurden und
Ausgangspunkt des Gesetzgebungsverfahrens bildeten. Sie zeigt indes auch, dass
der Regierungsrat die Bereiche zusammen betrachtete und sie - vorerst mit einer
Vernehmlassungsvorlage und hernach mit der Botschaft - in einer einheitlichen
Vorlage zur Diskussion stellte. Ein solches Vorgehen ist nicht ungewöhnlich und
im Grundsatz unter dem Gesichtswinkel von Art. 34 Abs. 2 BV nicht zu
beanstanden (vgl. BGE 129 I 366 E. 4.2 S. 376). Daran ändert nichts, dass die
umstrittene Vorlage nunmehr zwei Teile aufweist, mit denen einerseits das
Übertretungsstrafgesetz und andererseits das Kantonspolizeigesetz geändert
werden.
Die Entstehungsgeschichte zeigt des Weitern, dass im Kantonsrat die Frage
kontrovers diskutiert worden ist, ob die Vorlage als einheitlicher Erlass oder
aber in zwei Teile, das Übertretungsstrafgesetz und das Kantonspolizeigesetz
betreffend, aufzuspalten sei. Diesem Umstand kommt für sich genommen für die
vorliegend zu beurteilende Frage keine entscheidende Bedeutung zu, da im
parlamentarischen Prozess gleichermassen Aspekte der Abstimmungsfreiheit wie
auch Überlegungen politischer oder taktischer Natur mitspielen mögen (vgl. BGE
129 I 366 und Urteil 1P.223/2006 vom 12. September 2006 E. 3.3, in ZBl 108/2007
S. 332). Die Diskussion deutet immerhin darauf hin, dass die beiden Teile nicht
übereinstimmend als Gesamtvorlage mit einheitlicher Ausrichtung verstanden
worden sind. Die Beschwerdeführer zeigen denn auch auf, dass sich die
politischen Widerstände unterschiedlich nur gegen die Änderung des
Übertretungsstrafrechts oder aber des Kantonspolizeigesetzes richten.
Es ist nicht in Frage gestellt, dass sich die Vorlage des Kantonsrates -
entsprechend den ursprünglichen Motionen - tatsächlich hätte aufteilen lassen.
Allein aus diesem Umstand lässt sich indessen nach der Rechtsprechung nicht
ableiten, dass der Grundsatz der Einheit der Materie verletzt worden sei (vgl.
BGE 129 I 366 E. 4.1 S. 376). Die Möglichkeit einer Aufteilung zeigt immerhin,
dass die beiden Teile nicht in einer logischen Beziehung der Abhängigkeit oder
Unterordnung zueinander stehen. Es kann demnach nicht gesagt werden, dass der
eine Teil den andern bedingen, der eine Teil den Grundsatz und der andere die
Art und Weise der Realisierung umschreiben oder der eine Teil ohne den andern
keinen Sinn mehr ergeben würde (vgl. BGE 129 I 366 E. 4.1 S. 375).
Die Beschwerdeführer legen Wert auf die unterschiedliche Normstruktur der neuen
Bestimmungen im Übertretungsstrafgesetz und im Kantonspolizeigesetz. Es ist,
wie dargetan, nicht zu verkennen, dass erstere ein bestimmtes Verhalten
verbieten und Widerhandlungen unter Strafe stellen, während letztere der
Kantonspolizei eine Handlungskompetenz einräumen. Der unterschiedlichen
Normstruktur darf indes unter dem Gesichtswinkel der Abstimmungsfreiheit kein
allzu grosser Stellenwert eingeräumt werden. Sie kann bisweilen von der
Gesetzestechnik abhängen. § 8 Abs. 1 ÜStG ist in die übliche strafrechtliche
Form gekleidet: Wer dies und jenes macht, wird mit Busse bestraft. Im gleichen
Sinne könnte § 19 Abs. 1 KP-G in strafrechtlicher Weise folgendermassen
formuliert werden: Wer die öffentliche Sicherheit und Ordnung stört, Dritte
erheblich belästigt oder diese an der bestimmungsgemässen Nutzung des
öffentlich zugänglichen Raums hindert, wird (mit Busse) bestraft. Daraus ist zu
schliessen, dass die unterschiedlichen Formulierungen in der umstrittenen
Vorlage für die Beurteilung der Wahrung der Einheit der Materie für sich
genommen nicht ausschlaggebend sein können.

Vor diesem Hintergrund ist daher zu prüfen, ob die beiden Teile in sachlicher
Hinsicht im Sinne des Grundsatzes der Einheit der Materie in einem
hinreichenden Zusammenhang zueinander stehen.

3.4 Der Regierungsrat geht davon aus, dass sowohl § 8 Abs. 1 ÜStG wie auch § 19
KP-G der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dienten und insoweit in einem
unmittelbaren sachlichen Zusammenhang zueinander stünden. Demgegenüber machen
die Beschwerdeführer geltend, die öffentliche Sicherheit und die öffentliche
Ordnung seien auseinanderzuhalten. Da § 8 Abs. 1 ÜStG ausschliesslich im
Dienste der öffentlichen Ordnung stehe und § 19 KP-G allein auf die öffentliche
Sicherheit abziele, sei ein sachlicher Zusammenhang zwischen den beiden Teilen
nicht gegeben.
Die geänderte Bestimmung im Übertretungsstrafgesetz dient dem Schutz von
öffentlichem und privatem Eigentum vor Verunstaltungen durch Graffiti und
Abfall. Damit zielt sie klar auf die Sauberkeit des geschützten Eigentums und
des öffentlichen Raumes ab und dient vorab der öffentlichen Ordnung.
Nach dem Wortlaut der geänderten Bestimmung im Kantonspolizeigesetz soll durch
die Handlungskompetenz der Polizei die öffentliche Sicherheit und Ordnung
sichergestellt werden. Die Luzerner Norm weist eine gewisse Ähnlichkeit auf mit
Bestimmungen anderer Kantone, mit denen sich das Bundesgericht bereits
auseinandergesetzt hat. In BGE 128 I 327 stand die Bündner Polizeiverordnung
des Grossen Rates in Frage (BGE 128 I 327 Sachverhalt S. 328). Danach stehen
Wegweisungs- und Fernhaltemassnahmen im Zusammenhang mit der allgemeinen
Funktion der Polizei und sollen die öffentliche Ordnung und Sicherheit schützen
(BGE 128 I 327 E. 3.2 S. 335 f.). In BGE 132 I 49 ging es um das Polizeigesetz
des Kantons Bern, das Wegweisungen und Fernhaltungen erlaubt, wenn die
öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet oder gestört sind (BGE 132 I 49 E.
2.1 S. 51 f.). Als verfassungsrechtlich haltbar wurde eine Wegweisung gegenüber
Personen erachtet, die als Gruppe dem Alkohol zugesprochen, mit Abfall und
Unrat grosse Unordnung hinterlassen, grossen Lärm verursacht und ein Verhalten
an den Tag gelegt haben, an dem zahlreiche Passanten Anstoss nahmen. Solche
Erscheinungen seien geeignet, die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu
gefährden oder zu stören, Verunsicherung und Angstgefühle hervorzurufen und
somit Polizeigüter zu gefährden (BGE 132 I 49 E. 7.1 und 7.2 S. 61 ff.); diese
rechtfertigten daher die Wegweisungsverfügungen.
Diese Überlegungen können auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Sie
zeigen zum einen, dass Wegweisungen und Fernhaltungen nicht ausschliesslich aus
Gründen einer eng verstandenen öffentlichen Sicherheit erfolgen, sondern auch
in einem weitern Zusammenhang mit der Einhaltung von Sauberkeit im öffentlichen
Raum stehen können, welcher beeinträchtigt und verunstaltet wird, wenn
insbesondere von Gruppen Abfall und Unrat liegengelassen wird. Die
zugrundeliegenden parlamentarischen Vorstösse stehen denn auch im Zusammenhang
mit der Verunstaltung des öffentlichen Raums durch liegengelassenen Abfall und
Unrat (vgl. Botschaft S. 2 f., Ziff. I/2 und 3). An dieser Sichtweise ändert
der Umstand nichts, dass der Wegweisungsartikel nach dem Willen der Motionäre
möglicherwiese auch andere Zwecke verfolgt. Und umgekehrt steht auch das
Problem des Litterings und der Verunstaltung von öffentlichem und privatem
Eigentum in Beziehung mit der öffentlichen Sicherheit und ist geeignet,
Polizeigüter zu gefährden.
Zum andern wird ersichtlich, dass die öffentliche Sicherheit nicht streng von
der öffentlichen Ordnung getrennt werden kann. Die genannte Berner Regelung
wurde in allgemeiner Weise der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zugeordnet.
Die damals konkret umstrittene Wegweisung wies gleichermassen Elemente der mit
dem Unrat zusammenhängenden öffentlichen Ordnung wie auch solche der
öffentlichen Sicherheit auf, die durch die Anwesenheit der Gruppe und ihres
Verhaltens beeinträchtigt erschien. Auch aus der von den Beschwerdeführern
zitierten Literaturstelle (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines
Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2006, N. 2433) kann nicht geschlossen werden, dass
einzelne Massnahmen zum Schutze von Polizeigütern klar der öffentlichen Ordnung
oder der öffentlichen Sicherheit zugeordnet werden könnte. Der Ausdruck der
öffentlichen Ordnung und Sicherheit bildet vielmehr einen umfassenden offenen
Oberbegriff zum Schutz von Polizeigütern. Insoweit kann auch offen bleiben, wie
es sich mit der im vorliegenden Zusammenhang nicht klar unterscheidbaren
repressiven bzw. präventiven Natur der beiden Teile verhält.
Vor diesem Hintergrund durfte der Kantonsrat annehmen, dass beide Teile der
umstrittenen Vorlage - das Verbot der Verunstaltung durch Abfall und
Plakatieren einerseits und die der Polizei eingeräumte Kompetenz zur Wegweisung
und Fernhaltung - im Dienste der öffentlichen Ordnung und Sicherheit stehen und
insoweit in hinreichender Weise einen sachlichen innern Zusammenhang aufweisen.
Er konnte demnach die Regelung eines neueren Phänomens in einer einzigen
Vorlage verabschieden. Es kann nicht gesagt werden, dass dieser Zusammenhang
bloss künstlich geschaffen worden und lediglich subjektiv oder politisch
begründet wäre. Die von den Beschwerdeführern erwähnte Opposition, die sich
unterschiedlich und gegenläufig gegen die beiden Teile der Vorlage richtet,
lässt nicht erkennen, dass das Zusammenfassen der beiden Teile zu einer
einzigen Vorlage auf politisch-taktischem Kalkül beruhen würde. Gesamthaft kann
daher dem Kantonsrat nicht vorgeworfen werden, seinen Gestaltungsspielraum
überschritten und mit der Koppelung der beiden Teile den Grundsatz der Einheit
der Materie verletzt zu haben.
An diesem Ergebnis ändert der Umstand nichts, dass die Vorlage auch hätte
aufgeteilt werden können und die beiden Teile in der politischen
Auseinandersetzung unterschiedlich beurteilt und teils nur einzeln bekämpft
werden. Wie dargetan, haben die Stimmberechtigten gestützt auf Art. 34 Abs. 2
BV keinen verfassungsmässigen Anspruch darauf, dass ihnen einzelne Teile einer
Vorlage gesondert zur Abstimmung vorgelegt werden.
Damit erweist sich die Beschwerde in der Hauptsache als unbegründet.

3.5 Über die Frage der Einheit der Materie hinaus machen die Beschwerdeführer
geltend, dass die vom Kantonsrat verabschiedete Vorlage in irreführender Weise
den Titel "Übertretungsstrafrecht" trage und im Titel das Gesetz über die
Kantonspolizei nicht erwähne. Darin erblicken sie eine Verletzung von Art. 9 BV
i.V.m. Art. 34 Abs. 2 BV.
Der Regierungsrat brachte in seiner Vernehmlassung vor, dass bei Änderungen von
mehreren Erlassen in einer einzigen Vorlage im amtlichen Titel des
Änderungserlasses nur ein einziger Erlass erwähnt werde, nämlich derjenige mit
dem grössten Gewicht und im vorliegenden Fall das Gesetz mit der tiefsten
Nummer in der Systematischen Rechtssammlung. Die Beschwerdeführer stellen eine
solche Praxis in Frage.
Wie es sich mit der Titelgestaltung des Änderungserlasses verhält, kann im
vorliegenden Verfahren offen bleiben. Der beanstandete Titel stellte kein
Hindernis dar, das Referendum erfolgreich zu ergreifen. Wie es sich im Hinblick
auf die noch bevorstehende Referendumsabstimmung verhält, kann zurzeit nicht
beurteilt werden. Die Abstimmungsfreiheit verlangt eine klare und korrekte
Fragestellung und verbietet suggestive und irreführende Formulierungen (BGE 133
I 110 E. 8.1 S. 127, mit Hinweisen). Ob den Anforderungen von Art. 34 Abs. 2 BV
genügt wird, hängt im Wesentlichen von der Abstimmungsfrage, von den
Erläuterungen und deren Gestaltung sowie den gesamten Umständen ab; dem Titel
des der Abstimmung unterliegenden Änderungserlasses kommt keine allein
ausschlaggebende Bedeutung zu. Es kann lediglich davon Vormerk genommen werden,
dass der Regierungsrat beabsichtigte, die beiden zu ändernden Gesetze und die
drei Massnahmen im Titel der Abstimmungsbroschüre zu erwähnen und allenfalls in
die Abstimmungsfrage aufzunehmen.

4.
Demnach ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten den
Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG; BGE 133 I 141).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern sowie dem Regierungsrat und dem
Kantonsrat des Kantons Luzern schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. Januar 2009
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Steinmann