Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.243/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_243/2008 nip

Urteil vom 16. Oktober 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Reeb,
Gerichtsschreiber Kappeler.

Parteien
Gemeinde Schönenberg, 8824 Schönenberg ZH,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Marianne Kull Baumgartner,

gegen

A.X.________ und B.X.________,
Beschwerdegegner,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. James T. Peter,
Gemeinde Hirzel, 8816 Hirzel,
Baudirektion des Kantons Zürich, Walcheplatz 2, Postfach, 8090 Zürich,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Baubewilligung und Ausnahmebewilligung nach Art. 24c und 37a RPG,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 3.
Abteilung, 3. Kammer,
vom 27. März 2008.

Sachverhalt:

A.
Die Politische Gemeinde Schönenberg ist Eigentümerin des in der
Landwirtschaftszone der Gemeinde Hirzel gelegenen Grundstücks Kat.-Nr. 1176.
Sie hat darauf im Jahr 1991 anstelle zweier baufälliger Schweinemastställe ein
Notschlachtlokal erstellt. Dieses wird heute nicht mehr benötigt, weshalb die
Politische Gemeinde Schönenberg das Gebäude in ein privat bewirtschaftetes
Schlachtlokal mit Produktion und Verkauf von Fleischwaren umnutzen will;
bauliche Massnahmen sind dabei nicht vorgesehen. Am 24. Oktober 2005 erteilte
der Gemeinderat Hirzel der Politischen Gemeinde Schönenberg die ersuchte
Baubewilligung. Gleichzeitig eröffnete er ihr die Verfügung der Baudirektion
des Kantons Zürich vom 20. September 2005, mit welcher für das Vorhaben eine
Ausnahmebewilligung nach Art. 37a des Bundesgesetzes vom 22. Juni 1979 über die
Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG; SR 700) erteilt worden war.

B.
Gegen die beiden Anordnungen erhoben unter anderem A.X.________ und
B.X.________ Rekurs beim Regierungsrat des Kantons Zürich mit dem Antrag auf
Aufhebung und auf Verweigerung der Bewilligung. Der Regierungsrat hiess den
Rekurs gut und hob die angefochtenen Entscheide auf.

Gegen diesen Rekursentscheid erhob die Politische Gemeinde Schönenberg
Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich und beantragte die
Wiederherstellung der Baubewilligung des Gemeinderats Hirzel und der Verfügung
der Baudirektion. Mit Entscheid vom 27. März 2008 wies das Verwaltungsgericht
die Beschwerde ab. Es erwog, das in der Landwirtschaftszone
unbestrittenermassen nicht zonenkonforme Vorhaben könne weder gestützt auf Art.
37a noch gestützt auf Art. 24a RPG bewilligt werden.

C.
Gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 27. März 2008 erhebt die
Politische Gemeinde Schönenberg mit Eingabe vom 26. Mai 2008 beim Bundesgericht
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt die
Aufhebung des angefochtenen Entscheids und rügt eine Verletzung von
Bestimmungen des Raumplanungsgesetzes sowie der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV),
des Willkürverbots und des Grundsatzes von Treu und Glauben (Art. 9 BV).

D.
Das Verwaltungsgericht beantragt in seiner Vernehmlassung Abweisung der
Beschwerde. Die Baudirektion des Kantons Zürich und das Bundesamt für
Raumentwicklung verzichten auf eine Stellungnahme. Die privaten
Beschwerdegegner stellen den Antrag, der angefochtene Beschluss sei zu
bestätigen. Die Gemeinde Hirzel liess sich nicht vernehmen.

Erwägungen:

1.
Gegen den kantonal letztinstanzlichen Entscheid steht grundsätzlich die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 82 ff. BGG).
Dieses Rechtsmittel steht auch auf dem Gebiet des Raumplanungs- und Baurechts
zur Verfügung; das Bundesgerichtsgesetz enthält dazu keinen Ausschlussgrund
(vgl. BGE 133 II 249 E. 1.2 S. 251; 409 E. 1.1 S. 411). Da auch die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde vorbehältlich
genügend begründeter Rügen (Art. 106 Abs. 2 i.V.m. Art. 42 Abs. 2 BGG)
einzutreten.

2.
Vorliegend ist in erster Linie streitig, ob die geplante Umnutzung des
Notschlachtlokals gestützt auf Art. 37a RPG bewilligt werden kann.

2.1 Nach Art. 37a RPG regelt der Bundesrat, unter welchen Voraussetzungen
Zweckänderungen gewerblich genutzter Bauten und Anlagen zulässig sind, die vor
dem 1. Januar 1980 erstellt wurden oder seither als Folge von Änderungen der
Nutzungspläne zonenwidrig geworden sind. Die entsprechenden
Ausführungsbestimmungen hat der Bundesrat in Art. 43 der Raumplanungsverordnung
vom 28. Juni 2000 (RPV, SR 700.1) erlassen.

Weil das in der Landwirtschaftszone gelegene Notschlachtlokal nie von einer
Zonenplanänderung betroffen war, ist vorliegend lediglich zu prüfen, ob dieses
Gebäude als vor dem 1. Januar 1980 erstellt gelten kann.

2.2 Ist ein vor dem 1. Januar 1980 bestehendes Gebäude nach dem 1. Januar 1980
baulich erheblich verändert oder durch ein anderes Gebäude ersetzt worden,
gelangt Art. 37a RPG nur zur Anwendung, wenn die Identität der Baute oder
Anlage dabei im Wesentlichen gewahrt geblieben ist. Dies ist auf der Grundlage
der im Zeitpunkt der fraglichen baulichen Umgestaltung geltenden Fassung des
RPG zu entscheiden (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1A.176/2002 vom 28. Juli
2003 E. 6.1; Urteil des Bundesgerichts 1A.216/2006 vom 23. März 2007 E. 5).

Nach der Praxis zu Art. 24 Abs. 2a RPG, der bei der Erstellung des
Notschlachtlokals im Jahr 1991 galt, war die Frage, ob die Identität einer
Baute oder Anlage bei einer Umgestaltung gewahrt blieb, auf Grund einer
Würdigung der gesamten Umstände (Umfang und Zweckbestimmung der Baute oder
Anlage, Auswirkungen auf die Nutzungsordnung, Erschliessung und Umwelt) zu
entscheiden (vgl. BGE 127 II 215 E. 3a S. 218 f., mit Hinweisen). Ein
Wiederaufbau lag dann vor, wenn die Ersatzbaute dem bisherigen Gebäude in
Grösse und Nutzungsart ungefähr entsprach. Zudem musste das alte Bauwerk im
Zeitpunkt seines Untergangs noch bestimmungsgemäss nutzbar sein und an seiner
weiteren Nutzung musste ein ununterbrochenes Interesse bestehen (Urteil des
Bundesgerichts 1A.74/1992 vom 7. März 1994 E. 3a und b in ZBl 96/1995 S. 186;
vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 1A.110/2001 vom 4. Dezember 2001 E. 8.2 und
Urteil des Bundesgerichts 1A.289/2004 vom 7. Juni 2005 E. 2.5.2). Dieser
Begriff des Wiederaufbaus ist auch noch heute massgebend, da er durch die
RPG-Revision von 1998 nicht verändert worden ist (vgl. BGE 127 II 215 E. 3b S.
219 f.).

Die Zweckbestimmung des Notschlachtlokals, das 1991 an Stelle der beiden
Schweinemastställe errichtet wurde, unterschied sich von derjenigen der
Vorgängerbauten in wesentlichen Punkten. Während diese der privatwirtschaftlich
betriebenen Schweinemast dienten, erfolgte die Errichtung des Notschlachtlokals
zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe. Die Zweckänderung hatte somit zur
Folge, dass neu eine völlig andere Art der Tätigkeit ausgeübt wurde (Schlachten
von Tieren anstelle von Schweinemast), die zudem nicht mehr als
privatwirtschaftliches, sondern als Verwaltungshandeln zu qualifizieren war.
Eine Identität zwischen den beiden Schweinemastställen und dem Notschlachtlokal
muss daher verneint werden. Ausserdem ist mit der Vorinstanz davon auszugehen,
dass die Schweinemastställe im Jahr 1991 nicht mehr bestimmungsgemäss nutzbar
waren und tatsächlich auch nicht mehr gewerblich genutzt wurden. Dieser Schluss
kann aus den Erwägungen der Verfügung der Baudirektion vom 5. April 1991
gezogen werden, mit welcher die Ausnahmebewilligung für die Erstellung des
Notschlachtlokals erteilt wurde, denn die Schweineställe wurden dort als
baufällig bezeichnet. Dass diese Sachverhaltsdarstellung nicht zutreffend wäre,
wird von der Beschwerdeführerin nicht hinreichend substanziiert dargelegt. Ihr
in diesem Zusammenhang vorgebrachter Willkürvorwurf gegenüber der Vorinstanz
erscheint daher als unbegründet. Ist somit davon auszugehen, dass die
Schweineställe im Jahr 1991 nicht mehr bestimmungsgemäss nutzbar waren, so
fehlt eine weitere Voraussetzung dafür, dass Identität mit dem Notschlachtlokal
gegeben ist und dieses als Wiederaufbau bezeichnet werden kann.

2.3 Wird die Erstellung des Notschlachtlokals heute nicht mehr als Wiederaufbau
qualifiziert, obwohl die Baudirektion das Bauvorhaben in den Erwägungen der
bereits erwähnten Verfügung vom 5. April 1991 als teilweise Änderung bzw.
Wiederaufbau bezeichnete, so wird dadurch der Grundsatz von Treu und Glauben
nicht verletzt. Die auf Grund der Verfügung getätigte Investition der
Beschwerdeführerin in das fragliche Gebäude geniesst weiterhin Bestandesschutz
und muss nicht rückgängig gemacht werden. Die Verfügung von 1991 konnte zudem
keine Zusicherung für Nutzungsmöglichkeiten enthalten, die erst später auf
Grund der RPG-Revision von 1998 zugelassen wurden. Im Übrigen ist selbst nach
Art. 37a RPG in Verbindung mit Art. 43 RPV wohl eine Erweiterung, nicht aber
ein Wiederaufbau von Gewerbebetrieben ausserhalb der Bauzone erlaubt (vgl.
Urteil des Bundesgerichts 1A.289/2004 vom 7. Juni 2005 E. 2.5).

2.4 Zusammenfassend ergibt sich somit, dass zwischen den beiden
Schweinemastställen und dem Notschlachtlokal die erforderliche Identität nicht
gewahrt geblieben ist und letzteres daher nicht im Sinne von Art. 37a RPG als
vor dem 1. Januar 1980 erstellt gelten kann. Die Voraussetzungen für die
Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach Art. 37a RPG sind somit nicht erfüllt.

3.
Zu prüfen ist im Folgenden, ob das Vorhaben gestützt auf Art. 24a RPG bewilligt
werden kann.

3.1 Nach Art. 24a Abs. 1 RPG kann die Zweckänderung von Bauten und Anlagen
ausserhalb der Bauzone bewilligt werden, wenn sie keine baulichen Massnahmen im
Sinne von Art. 22 Abs. 1 RPG erfordert, dadurch keine neuen Auswirkungen auf
Raum, Erschliessung und Umwelt entstehen (lit. a) und sie nach keinem anderen
Bundeserlass unzulässig ist (lit. b). Nach dem klaren Wortlaut von Art. 24a RPG
ist nicht massgebend, ob die neuen Auswirkungen erheblich oder bloss
geringfügig sind; sobald die Zweckänderung mit einer Mehrbelastung der
Erschliessung oder der Umwelt verbunden ist, fällt eine Bewilligung nach Art.
24a RPG ausser Betracht (Urteil des Bundesgerichts 1A.214/2002 vom 12.
September 2003 E. 5.1.1 in ZBl 106/2005 S. 152).

3.2 Die Vorinstanz hat ausgeführt, der neu vorgesehene Direktverkauf von
Fleisch und insbesondere von abportionierten Mengen aus der Eigenproduktion des
Schlachtlokals werde einen weit grösseren Kundenkreis als bisher anziehen.
Zudem sei vorgesehen, das Angebot aus der Eigenproduktion durch den Zukauf von
Fleisch und Fleischwaren abzurunden. Folge davon sei ein vermehrter Kunden- und
Zulieferverkehr, der durch den Minderverkehr infolge Aufgabe des
Notschlachtbetriebs nicht vollständig kompensiert werde. Dass diese
Ausführungen offensichtlich unrichtig seien, wird von der Beschwerdeführerin
nicht substanziiert dargetan. Das Bundesgericht hat seinem Urteil daher
gestützt auf Art. 105 BGG den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt
zugrunde zu legen. Folglich ist davon auszugehen, dass die geplante Umnutzung
des Notschlachtlokals mit einem zusätzlichen Verkehrsaufkommen verbunden wäre.
Dies würde zu einer Mehrbelastung der Erschliessung und zu zusätzlichen
Immissionen führen, womit die Voraussetzungen für die Erteilung einer
Ausnahmebewilligung nach Art. 24a RPG nicht erfüllt sind.

4.
Die Beschwerdeführerin rügt schliesslich, der angefochtene Entscheid verletzte
die Eigentumsgarantie, führt dies aber nicht näher aus. Darauf ist deshalb
nicht weiter einzugehen (Art. 106 Abs. 2 BGG).

5.
Die Beschwerde ist daher abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

Die Gerichtskosten werden der unterliegenden, in ihrem Vermögensinteresse
handelnden Politischen Gemeinde Schönenberg auferlegt (Art. 66 Abs. 1 und 4
BGG). Die Beschwerdeführerin hat den privaten Beschwerdegegnern eine
angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 BGG)

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat den privaten Beschwerdegegnern für das
bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von insgesamt Fr.
2'000.-- zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 3.
Abteilung, 3. Kammer, und dem Bundesamt für Raumentwicklung schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 16. Oktober 2008

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Kappeler