Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.236/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_236/2008 /daa

Urteil vom 27. August 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Kappeler.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Raess,

gegen

Bundesamt für Migration, Quellenweg 6, 3003 Bern.

Gegenstand
Nichtigerklärung der Einbürgerung,

Beschwerde gegen das Urteil vom 16. April 2008
des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung III.

Sachverhalt:
-
X.________ wurde am 4. September 1971 geboren und stammt aus Jordanien. Er
heiratete am 5. Juli 1998 eine Schweizer Bürgerin und stellte am 7. Januar 2004
das Gesuch um erleichterte Einbürgerung. Im anschliessenden Verfahren
unterzeichneten er und seine Ehefrau am 20. September 2005 eine Erklärung,
wonach sie in einer tatsächlichen, ungetrennten, stabilen ehelichen
Gemeinschaft an derselben Adresse zusammenlebten und weder Trennungs- noch
Scheidungsabsichten bestünden. Sie nahmen überdies unterschriftlich zur
Kenntnis, dass eine erleichterte Einbürgerung nicht möglich sei, wenn vor oder
während des Einbürgerungsverfahrens einer der Ehegatten die Trennung oder
Scheidung beantrage oder keine tatsächliche eheliche Gemeinschaft mehr bestehe.
Bestätigt wurde mit der schriftlichen Erklärung überdies die Kenntnisnahme
davon, dass die Verheimlichung solcher Umstände zur Nichtigerklärung der
Einbürgerung führen könne.

Am 31. Oktober 2005 wurde X.________ erleichtert eingebürgert und erhielt das
Bürgerrecht der Gemeinde Kirchberg, Kanton St. Gallen. Am 18. Januar 2006 zog
er aus der gemeinsamen Wohnung aus und meldete sich ohne seine Ehefrau an einer
neuen Adresse in Winterthur an. Am 26. Januar 2006 richteten er und seine
Ehefrau ein gemeinsames Scheidungsbegehren an das Bezirksgericht Winterthur,
das am 4. Juli 2006 die Scheidung aussprach. Das Urteil ist am 30. August 2006
in Rechtskraft erwachsen.
-
Diese Umstände veranlassten das Bundesamt für Migration, am 18. September 2006
gegen X.________ ein Verfahren betreffend Nichtigerklärung der Einbürgerung
einzuleiten. In diesem Verfahren konnte er zwei Mal schriftlich Stellung
nehmen. Nachdem das Amt für Bürgerrecht und Zivilstand des Kantons St. Gallen
am 7. Februar 2007 die entsprechende Zustimmung erteilt hatte, erklärte das
Bundesamt die Einbürgerung von X.________ mit Verfügung vom 9. März 2007 für
nichtig.
-
Mit Urteil vom 16. April 2008 wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen die
erstinstanzliche Verfügung eingereichte Beschwerde von X.________ ab. Zur
Begründung führte es im Wesentlichen aus, X.________ habe die erleichterte
Einbürgerung aufgrund falscher Angaben bzw. durch Verschweigen wesentlicher
Tatsachen erschlichen und damit den Tatbestand von Art. 41 Abs. 1 des
Bundesgesetzes vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizer
Bürgerrechts (BüG; SR 141.0) erfüllt.
-
Mit Eingabe vom 20. Mai 2008 führt X.________ Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Er beantragt im Wesentlichen, das
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sei aufzuheben.
-
Das Bundesamt für Migration und das Bundesverwaltungsgericht verzichten auf
eine Vernehmlassung.

Erwägungen:
-
Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen Entscheid in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten des Bundesverwaltungsgerichts (Art. 82
lit. a und Art. 86 Abs. 1 lit. a BGG). Die Ausnahme der ordentlichen
Einbürgerungen gemäss Art. 83 lit. b BGG erstreckt sich nicht auf die
Nichtigerklärung der Einbürgerung. Es sind auch keine weiteren Ausnahmen vom
Beschwerderecht gemäss Art. 83 BGG gegeben. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
-
- Die erleichterte Einbürgerung setzt gemäss Art. 27 Abs. 1 lit. c BüG u.a.
voraus, dass der Gesuchsteller seit drei Jahren in ehelicher Gemeinschaft mit
einem Schweizer Bürger bzw. einer Schweizer Bürgerin lebt. Die Rechtsprechung
des Bundesgerichts geht davon aus, dass eine eheliche Gemeinschaft im Sinne von
Art. 27 BüG nicht nur das formelle Bestehen einer Ehe, sondern das Vorliegen
einer tatsächlichen Lebensgemeinschaft voraussetzt. Eine solche Gemeinschaft
kann nur bejaht werden, wenn der gemeinsame Wille zu einer stabilen ehelichen
Gemeinschaft intakt ist. Gemäss konstanter Praxis muss sowohl im Zeitpunkt der
Gesuchseinreichung als auch im Zeitpunkt des Einbürgerungsentscheids eine
tatsächliche Lebensgemeinschaft bestehen, die Gewähr für die Stabilität der Ehe
bietet. Zweifel bezüglich eines solchen Willens sind angebracht, wenn kurze
Zeit nach der erleichterten Einbürgerung die Trennung erfolgt oder ein
Scheidungsantrag gestellt wird. Der Gesetzgeber wollte dem ausländischen
Ehegatten einer Schweizer Bürgerin oder eines Schweizer Bürgers die
erleichterte Einbürgerung ermöglichen, um die Einheit des Bürgerrechts der
Ehegatten im Hinblick auf ihre gemeinsame Zukunft zu fördern (BGE 130 II 482 E.
2 S. 483 f., mit Hinweisen).

Gemäss Art. 41 Abs. 1 BüG kann die Einbürgerung vom zuständigen Bundesamt mit
Zustimmung der Behörde des Heimatkantons innert fünf Jahren nichtig erklärt
werden, wenn sie durch falsche Angaben oder Verheimlichung erheblicher
Tatsachen erschlichen worden ist. Nach der Rechtsprechung genügt das blosse
Fehlen der Einbürgerungsvoraussetzungen nicht. Die Nichtigerklärung der
Einbürgerung setzt vielmehr voraus, dass diese "erschlichen", d.h. mit einem
unlauteren und täuschenden Verhalten erwirkt worden ist. Arglist im Sinne des
strafrechtlichen Betrugstatbestands ist nicht erforderlich, wohl aber dass der
Betroffene bewusst falsche Angaben macht bzw. die Behörde bewusst in einem
falschen Glauben lässt und so den Vorwurf auf sich zieht, es unterlassen zu
haben, die Behörde über eine erhebliche Tatsache zu informieren (BGE 132 II 113
E. 3.1 S. 114 f.; 130 II 482 E. 2 S. 483 f., mit Hinweisen). Besteht aufgrund
des Ereignisablaufs die tatsächliche Vermutung, die Einbürgerung sei
erschlichen worden, obliegt es dem Betroffenen, die Vermutung durch den
Gegenbeweis bzw. erhebliche Zweifel umzustürzen, indem er Gründe bzw.
Sachumstände aufzeigt, die es als überzeugend (nachvollziehbar) erscheinen
lassen, dass eine angeblich noch wenige Monate zuvor bestehende tatsächliche,
ungetrennte eheliche Gemeinschaft in der Zwischenzeit dergestalt in die Brüche
gegangen ist, dass es zur Scheidung kam (BGE 130 II 482 E. 3.2 S. 485 f.).
Weiss die Partei, dass die Voraussetzungen für die erleichterte Einbürgerung im
Zeitpunkt der Verfügung erfüllt sein müssen, und erklärt sie, in einer stabilen
Ehe zu leben, so hat sie die Behörde unaufgefordert über eine nachträgliche
Änderung der Verhältnisse zu orientieren, von der sie weiss oder wissen muss,
dass sie einer erleichterten Einbürgerung entgegensteht (BGE 132 II 113 E. 3.2
S. 115 f.).
- Die Vorinstanz hält fest, in der ehelichen Beziehung des Beschwerdeführers
habe es bereits vom Mai 2000 bis zum Sommer 2001 und vom Januar bis zum März
2003 zwei Phasen der Trennung gegeben, was ein Indiz dafür sei, dass die Ehe
schon vor der Erklärung vom 20. September 2005 zur ehelichen Gemeinschaft nicht
mehr intakt gewesen sei. Die Darlegungen des Beschwerdeführers, wie es zur
zweiten Trennung kam, überzeugten nicht. Gerade in Zeiten gesundheitlicher
Probleme eines Partners sei nach dem allgemeinen Verständnis davon auszugehen,
dass Ehegatten, die in einer intakten Ehe lebten, einander beistünden. Aufgrund
der Haltung des Beschwerdeführers bezüglich der finanziellen Abhängigkeit von
seiner Frau, wonach es unmoralisch sei, dass der Mann von der Frau Geld nehme,
sei zudem davon auszugehen, dass seine finanzielle Situation die Beziehung
bereits seit längerer Zeit stark belastet habe und nicht erst seit Januar 2006.
Dass die Trennungs- bzw. Scheidungsabsicht nicht spontan im Januar 2006
entstanden sei, werde zudem durch die Aussagen der Ehefrau im Rahmen des
Scheidungsverfahrens bestätigt. Sie habe dort gesagt, der Entscheid für die
Scheidung sei langsam gewachsen und nicht überstürzt erfolgt.

Die Vorinstanz fährt fort, der nahe zeitliche Zusammenhang zwischen der
erleichterten Einbürgerung und dem endgültigen Scheitern der Ehe des
Beschwerdeführers lege aufgrund der allgemeinen Erfahrung den Schluss nahe,
dass die Ehe bereits seit längerer Zeit nicht mehr intakt und stabil gewesen
sei. Selbst wenn vor Januar 2006 nie von Trennung oder Scheidung die Rede
gewesen sein sollte, könne daraus allein nicht der Schluss auf eine intakte,
tragfähige Ehegemeinschaft gezogen werden. Wäre die Ehe am 31. Oktober 2005
noch stabil gewesen, hätte der Beschwerdeführer auf Ereignisse nach diesem
Datum hinweisen müssen, die ein Scheitern der Ehe innert kürzester Zeit
nachvollziehbar erscheinen liessen. Solche Gründe seien von ihm aber weder
geltend gemacht worden noch seien sie ersichtlich. Es ergebe sich somit, dass
die Stabilität der ehelichen Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers bereits
in den letzten Monaten des Einbürgerungsverfahrens erheblich erschüttert
gewesen sei, was nach der erfolgten Einbürgerung binnen zweier Monate zur
Trennung geführt habe. Mit der unzutreffenden Erklärung vom 20. September 2005
habe der Beschwerdeführer somit bewusst falsche Angaben über den Zustand seiner
Ehe gemacht. Zudem habe er es unterlassen, die Einbürgerungsbehörde über die
schwerwiegenden Probleme in seiner Ehe zu informieren. Es stehe somit fest,
dass er die erleichterte Einbürgerung erschlichen habe.
- Der Beschwerdeführer macht vor Bundesgericht geltend, die Auffassung der
Vorinstanz sei nicht haltbar, dass die beiden früheren Phasen der Trennung (Mai
2000 bis Sommer 2001, Januar bis März 2003) Indizien dafür seien, dass die Ehe
bereits vor der Erklärung vom 20. September 2005 zur ehelichen Gemeinschaft
nicht mehr intakt gewesen sei. Wenn ein Ehepaar zwei Mal eine kürzere oder
längere Trennungsphase überwinde und danach wieder Jahre lang zusammen lebe,
sei dies vielmehr ein Indiz dafür, dass der gemeinsame Ehewille relativ stark
sei und auch Krisen überstehe. Im Übrigen sage der Zustand der Ehe im Jahr 2000
und 2003 nichts über den Zustand in den Jahren 2005/2006 aus. Hinsichtlich der
zweiten Trennung von Januar bis März 2003 gehe es zudem nicht an, dass die
Vorinstanz die Rücksichtnahme des Beschwerdeführers auf den Wunsch seiner
Ehefrau, eine Phase mit gesundheitlichen Schwierigkeiten alleine verbringen zu
wollen, als Indiz für eine nicht mehr intakte Ehe deute. Indem der
Beschwerdeführer diesen Wunsch seiner Ehefrau respektiert habe, sei er ihr
beigestanden. Sodann gebe es keinen Nachweis, dass der Beschwerdeführer am 20.
September 2005 bewusst falsche Angaben über den Zustand der Ehe gemacht habe.
Zwar möge es sein, dass die Ehe im massgeblichen Zeitpunkt zerrütteter gewesen
sei, als von ihm angenommen, dass er sich dessen aber bewusst gewesen sei, sei
nicht erstellt. Es könne von einem Ehegatten nicht verlangt werden, dass er
seine eheliche Situation richtig einschätze. Die subjektive Wahrnehmung der
Ehefrau, wonach der Entscheid für die Scheidung langsam gewachsen und nicht
überstürzt erfolgt sei, müsse sich überdies nicht mit derjenigen des
Beschwerdeführers decken.
- Zwischen der erleichterten Einbürgerung des Beschwerdeführers am 31. Oktober
2005 und seinem Wegzug aus der gemeinsamen ehelichen Wohnung am 18. Januar 2006
bzw. der Einreichung des Scheidungsbegehrens am 26. Januar 2006 liegt ein
Zeitraum von lediglich knapp drei Monaten. Nach der bundesgerichtlichen Praxis
(oben E. 2.1) besteht daher die Vermutung, dass beim Beschwerdeführer und
seiner Ehefrau der gemeinsame Wille zu einer stabilen ehelichen Gemeinschaft
bereits im Zeitpunkt der gemeinsamen Erklärung (20. September 2005) nicht mehr
intakt gewesen war. Will der Beschwerdeführer diese Vermutung umstossen, müsste
er Gründe bzw. Sachumstände aufzeigen, die es als nachvollziehbar erscheinen
lassen, weshalb eine angeblich noch wenige Monate zuvor bestehende
tatsächliche, ungetrennte eheliche Gemeinschaft in der Zwischenzeit dergestalt
in die Brüche gehen konnte, dass es zur Scheidung kam.

Der Beschwerdeführer zeigt keine Gründe oder Sachumstände auf, die geeignet
sind, die genannte Vermutung umzustossen. Sich allein darauf zu berufen, die
Ehe sei objektiv vielleicht zerrütteter gewesen, als er angenommen habe, und
das nahe bevorstehende Scheitern der Ehe sei für ihn im September/Oktober 2005
nicht voraussehbar gewesen, genügt hiefür nicht. Die Vermutung bleibt somit
bestehen, dass das Scheidungsbegehren den Endpunkt einer längeren
(Entfremdungs-)Entwicklung zwischen den beiden Ehegatten bedeutete, die im
massgebenden Zeitpunkt nicht nur bereits im Gange, sondern schon weit
fortgeschritten gewesen sein musste. Demzufolge bleibt auch die Vermutung
bestehen, dass der gemeinsame Wille zu einer stabilen ehelichen Gemeinschaft
insbesondere auch im Zeitpunkt der gemeinsamen Erklärung (20. September 2005)
nicht mehr intakt war, weshalb auf eine Erschleichung der Einbürgerung im Sinne
von Art. 41 Abs. 1 BüG zu schliessen ist. Der angefochtene Entscheid verstösst
somit nicht gegen Bundesrecht.
-
Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

Die Gerichtskosten werden dem Beschwerdeführer als unterliegender Partei
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es ist keine Parteientschädigung zuzusprechen
(Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:
-
Die Beschwerde wird abgewiesen.
-
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
-
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bundesamt für Migration und dem
Bundesverwaltungsgericht, Abteilung III, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 27. August 2008
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Kappeler