Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.221/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_221/2008

Urteil vom 8. Dezember 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Reeb, Eusebio,
Gerichtsschreiber Forster.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Manuel Rohrer,

gegen

Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern, Schermenweg 5, 3001
Bern.

Gegenstand
Aberkennung des Rechts, von einem ausländischen Führerschein in der Schweiz
Gebrauch zu machen; Verweigerung der Abgabe eines schweizerischen
Führerausweises ohne Prüfung,

Beschwerde gegen den Entscheid vom
19. Dezember 2007 der Rekurskommission
des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern.
Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 11. Juli 2007 aberkannte das Strassenverkehrs- und
Schifffahrtsamt des Kantons Bern dem nigerianischen Staatsangehörigen
X.________ das Recht, von seinem ausländischen Führerausweis in der Schweiz
Gebrauch zu machen. Gleichzeitig verweigerte es ihm die beantragte
prüfungsfreie Erteilung eines schweizerischen Führerausweises. Eine dagegen
gerichtete Einsprache wies das kantonale Strassenverkehrsamt am 24. August 2007
ab. Die dagegen erhobene Beschwerde entschied die Rekurskommission für
Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern des Kantons Bern am 19. Dezember 2007
ebenfalls abschlägig.

B.
Gegen den Entscheid der Rekurskommission gelangte X.________ mit Beschwerde vom
8. Mai 2008 an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen
Entscheides und die Rückweisung der Streitsache zur Neubeurteilung.

Am 30. Mai 2008 reichte der Beschwerdeführer eine ergänzende Eingabe ein. Die
Rekurskommission beantragt mit Stellungnahme vom 17. Juni 2008 die Abweisung
der Beschwerde. Das kantonale Strassenverkehrsamt und das Bundesamt für
Strassen haben am 26. Mai bzw. 13. August 2008 auf Vernehmlassungen je
ausdrücklich verzichtet. Der Beschwerdeführer replizierte am 28. August 2008.

Erwägungen:

1.
Die Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 82 ff. BGG sind grundsätzlich erfüllt.
Mit der Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt
werden (Art. 95 lit. a BGG).

1.1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat. Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt
werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den
Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 105
Abs. 1-2 BGG).

1.2 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen, und es kann
eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden
Begründung abweisen (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254 mit Hinweisen). Immerhin
prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen
Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur
die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu
untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE
133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).

2.
Im angefochtenen Entscheid wird Folgendes erwogen: Gemäss Art. 41 des Wiener
Übereinkommens vom 8. November 1968 über den Strassenverkehr sei die Behörde am
Wohnsitz des Fahrzeugführers nicht verpflichtet, einen ausländischen
Führerausweis anzuerkennen. Wer seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt, müsse
daher in Kauf nehmen, dass seine Eignung zum Führen von Motorfahrzeugen künftig
nach den Kriterien des neuen Wohnsitzstaates beurteilt werde. Der
Beschwerdeführer habe am 15. Juni 2007 beim kantonalen Strassenverkehrsamt
beantragt, seinen am 23. Juni 2006 ausgestellten nigerianischen Führerausweis
gegen einen schweizerischen umzutauschen. Gemäss dem eingeholten Bericht vom 4.
Juli 2007 des Kriminal-Technischen Dienstes der Kantonspolizei Bern sei jedoch
davon auszugehen, dass es sich bei diesem Dokument um eine Nachahmung eines
nigerianischen Führerausweises handle. Die in Nigeria (seit 2003) verwendeten
neuen Kartenkörper und Sicherheitsfolien fehlten. Zudem sei die Typographie des
UV-Aufdruckes fehlerhaft, der Strichcode nicht lesbar und der
Kontroll-Fingerabdruck nicht als solcher erkennbar. Der Ausweis sei vermutlich
aus alten Kartenelementen zusammengestellt worden und eindeutig gefälscht.

Auf die gegen den Beschwerdeführer erhobene Strafanzeige wegen Ausweisfälschung
sei das Untersuchungsrichteramt Bern-Mittelland zwar mit rechtskräftigem
Beschluss vom 7. September 2007 nicht eingetreten. Darin sei jedoch
festgestellt worden, dass es sich objektiv um eine Fälschung handle und der
Ausweis einzuziehen sei. Die Strafanzeige sei von der Untersuchungsbehörde
nicht weiter verfolgt worden, weil dem Beschwerdeführer in subjektiver Hinsicht
nicht nachzuweisen gewesen sei, dass er sich der Fälschung bewusst gewesen
wäre.
Am 2. Juli 2007 hätten die bernischen Behörden (über das Bundesamt für Polizei
und der schweizerischen Botschaft) zusätzlich eine Amtsauskunft in Nigeria
eingeholt. Gemäss Schreiben vom 12. September 2007 der Federal Road Safety
Commission (in der nigerianischen Hauptstadt Abuja) sei der fragliche
Führerausweis behördlich nicht registriert. Auch dies lege nahe, dass das
Dokument nicht auf rechtmässigem Weg erlangt worden sei. Daran vermöchten auch
die vom Beschwerdeführer eingereichten anderslautenden Bescheinigungen der
nigerianischen Botschaft bzw. eines nigerianischen Rechtsvertreters nichts zu
ändern. Ein gefälschter ausländischer Führerausweis sei abzuerkennen und bilde
keine Grundlage für die Ausstellung eines schweizerischen Ausweises ohne
Ablegung der Führerprüfung.

3.
Der Beschwerdeführer rügt eine unrichtige Feststellung des Sachverhalts (i.S.v.
Art. 97 Abs. 1 BGG) sowie die Verletzung von Bundesrecht (Art. 44 VZV) und des
rechtlichen Gehörs. Die kantonalen Instanzen hätten verkannt, dass sich
regionale Behörden in Nigeria nicht immer an die Vorgaben der Zentralregierung
hielten. Sein Führerschein sei am 23. Juni 2006 von der zuständigen regionalen
Behörde (in Lagos) ausgestellt worden. Aus einer angeblich mangelhaften
Qualität des Ausweises dürfe nicht der Schluss gezogen werden, dass es sich um
eine Fälschung und damit um ein ungültiges Dokument handeln würde. Die
nigerianische Botschaft in Bern habe schriftlich bestätigt, dass der fragliche
Ausweis den nigerianischen Vorschriften entspreche und in Nigeria nach
Anwesenheit des Beschwerdeführers ausgestellt worden sei. Bis Mitte März 2007
habe es zwar genügt, dass der Bewerber (nach Bestehen der Fahrprüfung) der
nigerianischen Zulassungsbehörde ein Passphoto einreichte; erst seither müsse
der Bewerber bei der Ausstellung des Führerausweises physisch anwesend sein.
Die vor Mitte März 2007 ausgestellten Dokumente blieben jedoch gültig. Der
angefochtene Entscheid verletze ausserdem das rechtliche Gehör. Es werde dort
eine schriftliche Auskunft einer nigerianischen Behörde (mit Sitz in Abuja)
erwähnt, aus der hervorgehe, dass der fragliche Führerausweis dort nicht
registriert sei. Er, der Beschwerdeführer, habe keine Kenntnis von diesem
Schreiben gehabt und darin nicht Einsicht nehmen können. Unterdessen habe er
selber Abklärungen in Nigeria getroffen und am 8. Mai 2008 (vorab mündlich) die
Bestätigung erhalten, dass sein Führerausweis sehr wohl bei der zuständigen
regionalen Behörde (in Lagos) registriert sei. Die schriftliche Bestätigung
dieser Behörde sei unterwegs und werde noch nachgereicht.

4.
Wer ein Motorfahrzeug führt, bedarf des Führerausweises (Art. 10 Abs. 2 SVG).
Dieser wird von den kantonalen Verwaltungsbehörden am Wohnsitz des
Fahrzeugführers erteilt und entzogen (Art. 22 Abs. 1 SVG). Zwar dürfen Personen
aus dem Ausland in der Schweiz Motorfahrzeuge führen, falls sie einen gültigen
nationalen Führerausweis besitzen (Art. 42 Abs. 1 lit. a VZV). Ausländische
Fahrzeugführer, die seit zwölf Monaten in der Schweiz wohnen und sich in dieser
Zeit nicht länger als drei Monate ununterbrochen im Ausland aufgehalten haben,
benötigen jedoch einen schweizerischen Führerausweis (Art. 42 Abs. 3bis lit. a
VZV). Dem Inhaber eines gültigen nationalen ausländischen Ausweises wird der
schweizerische Führerausweis der entsprechenden Kategorie erteilt, wenn er auf
einer Kontrollfahrt nachweist, dass er die Verkehrsregeln kennt und Fahrzeuge
der Kategorien, für die der Ausweis gelten soll, sicher zu führen versteht
(Art. 44 Abs. 1 VZV). Mangels eines gültigen ausländischen Ausweises hat der
Bewerber eine Führerprüfung abzulegen (Art. 44 Abs. 2 VZV).

5.
Zu prüfen ist zunächst, ob die Vorinstanz den entscheiderheblichen Sachverhalt
rechtsgenüglich festgestellt hat.

5.1 Am 30. Mai 2008 reichte der Beschwerdeführer eine auf englisch verfasste
Bescheinigung ("Confirmation") vom 12. Mai 2008 einer weiteren nigerianischen
Behörde nach (Federal Road Safety Commission, Lagos State Sector Command). In
seinem Begleitschreiben macht er geltend, aus der Bescheinigung ergebe sich,
dass sein nigerianischer Führerausweis echt sei. In seiner Replik vom 28.
August 2008 stellt er sich auf den Standpunkt, er besitze einen "gültigen"
Führerausweis. Dass dieser allenfalls nicht echt sei bzw. gewisse formelle
Fehler aufweise, sei irrelevant bzw. nicht ihm, dem Beschwerdeführer,
anzulasten.

5.2 Es kann offen bleiben, ob die vom Beschwerdeführer nachgereichte
Bestätigung vom 12. Mai 2008 authentisch und verlässlich ist und ob sie ein
zulässiges Novum (im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG) darstellt. Es braucht auch
nicht vertieft zu werden, inwiefern und weshalb sich die Bestätigungen der
beiden nigerianischen Behörden (aus Lagos bzw. der Hauptstadt Abuja) offenbar
inhaltlich widersprechen. Das nachgereichte Schreiben vom 12. Mai 2008 befasst
sich nicht mit der Frage, ob das vom Beschwerdeführer in der Schweiz vorgelegte
Dokument gefälscht ist oder nicht. Darin wird lediglich bestätigt, dass dem
Beschwerdeführer am 23. Juni 2006 in Nigeria ein gültiger Führerausweis
ausgestellt worden sei. Gestützt auf den Bericht vom 4. Juli 2007 des
Kriminal-Technischen Dienstes der Kantonspolizei Bern legen die kantonalen
Instanzen hingegen sachlich nachvollziehbar dar, dass es sich bei dem vom
Beschwerdeführer am 15. Juni 2007 eingereichten Führerschein um eine Fälschung
handle.

5.3 Zwar macht der Beschwerdeführer geltend, er habe erst im angefochtenen
Entscheid von einem Schreiben vom 12. September 2007 der Federal Road Safety
Commission (Abuja) erfahren. Anfechtbar sind aber grundsätzlich nur
entscheiderhebliche Sachverhaltsfeststellungen (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG). Zudem
hatte der Beschwerdeführer im Verfahren vor Bundesgericht ausreichend
Gelegenheit, Akteneinsichtsgesuche zu stellen und sich auch zum fraglichen
Dokument zu äussern. Wie sich aus den obigen Erwägungen ergibt, sind die (sich
teilweise widersprechenden) Erklärungen der beiden nigerianischen Behörden
nicht entscheidrelevant. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob und bei
welcher nigerianischen Amtsstelle ein 2006 ausgestellter nigerianischer
Führerausweis registriert war. Wie die kantonalen Instanzen zutreffend
darlegen, hat weder die eine noch die andere nigerianische Behörde das vom
Beschwerdeführer im Juni 2007 in der Schweiz vorgelegte konkrete Dokument auf
dessen Echtheit hin überprüft.

5.4 Aufgrund der vorliegenden Akten ist es nicht offensichtlich unrichtig oder
willkürlich, wenn die kantonalen Instanzen den fraglichen ausländischen
Führerausweis als gefälscht ansehen.

6.
Bei dieser Sachlage halten auch die materiellrechtlichen Erwägungen des
angefochtenen Entscheides vor dem Bundesrecht stand. Ein gefälschter
ausländischer Führerausweis ist abzuerkennen und bildet keine Grundlage für die
Ausstellung eines schweizerischen Ausweises ohne Ablegung der Führerprüfung
(Art. 44 Abs. 1-2 VZV).

Der Beschwerdeführer bestreitet im Übrigen die Darstellung des angefochtenen
Entscheides nicht, wonach der fragliche ausländische Ausweis mit
rechtskräftigem Beschluss des Untersuchungsrichteramtes Bern-Mittelland vom 7.
September 2007 strafrechtlich eingezogen worden sei. Soweit der
Beschwerdeführer sinngemäss den Standpunkt vertritt, die Strafbehörden hätten
zu Unrecht seinen ausländischen Führerausweis eingezogen, kann auf die
Beschwerde nicht eingetreten werden (Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 78 und Art. 82
lit. a BGG).

7.
Damit ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht
zuzusprechen (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strassenverkehrs- und
Schifffahrtsamt sowie der Rekurskommission für Massnahmen gegenüber
Fahrzeugführern des Kantons Bern und dem Bundesamt für Strassen schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 8. Dezember 2008
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Forster