Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.212/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_212/2008 /nip

Urteil vom 17. November 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Haag.

Parteien
Erbengemeinschaft A.X.________, nämlich:
B.X.________,
C.X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Marianne Kull Baumgartner,

gegen

Gemeinderat der Stadt Zürich,
vertreten durch den Stadtrat von Zürich,
p.A. Tiefbau- und Entsorgungsdepartement, Werdmühleplatz 3, Postfach, 8021
Zürich.

Gegenstand
Neufestsetzung der Baulinien,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 19. März 2008 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich,
4. Abteilung, 4. Kammer.
Sachverhalt:

A.
Der Gemeinderat der Stadt Zürich beschloss am 23. August 2006 die
Neufestsetzung von Baulinien am Zielweg unterhalb des Üetlibergs im Kreis 3 der
Stadt Zürich. Dieser Beschluss wurde am 1. September 2006 im Amtsblatt des
Kantons Zürich publiziert. B.X.________ und C.X.________ (Erbengemeinschaft
A.X.________) fochten diesen Beschluss als betroffene Grundeigentümer bei der
kantonalen Baurekurskommission I an. Diese hiess den Rekurs am 27. Juli 2007
insoweit gut, als das Grundstück der Rekurrenten durch die Baulinie "im
vorgenommenen Ausmass" angeschnitten wurde.

Der Gemeinderat der Stadt Zürich zog diesen Entscheid an das Verwaltungsgericht
des Kantons Zürich weiter. Mit Entscheid vom 19. März 2008 hiess dieses Gericht
die Beschwerde gut und hob den Entscheid der Baurekurskommission I auf.
Überdies stellte es den Beschluss des Gemeinderats der Stadt Zürich vom 23.
August 2006 wieder her, soweit er die Verkehrsbaulinie auf dem Grundstück
Kat.-Nr. WD6024 betrifft.

B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 2. Mai 2008
beantragen B.X.________ und C.X.________ beim Bundesgericht die Aufhebung des
Entscheids des Verwaltungsgerichts. Sie rügen insbesondere eine Verletzung der
Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) und des Verhältnismässigkeitsprinzips.

C.
Die Stadt Zürich stellt den Antrag, die Beschwerde sei abzuweisen. Das
Verwaltungsgericht verzichtet auf eine Vernehmlassung. Die Parteien halten in
weiteren Eingaben an ihren Standpunkten fest.

Mit Schreiben vom 17. Oktober 2008 teilt die Stadt Zürich mit, das
Bundesgericht sei mit Urteil 1C_50/2008 vom 10. Juni 2008 auf eine Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten betreffend Baulinien an der
Turbinenstrasse eingetreten, obwohl diese praxisgemäss noch nicht von der
zuständigen kantonalen Direktion genehmigt gewesen sei. Die heute zur
Genehmigung zuständige Volkswirtschaftsdirektion prüfe jede Baulinienvorlage
vor der Festsetzung durch den Gemeinderat und nehme dazu Stellung.

Die Beschwerdeführer haben von der ihnen gebotenen Gelegenheit, sich zum
Schreiben der Stadt Zürich zu äussern, keinen Gebrauch gemacht.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die Zulässigkeit der Beschwerde
von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.1 S. 251).

2.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid, mit dem eine
Beschwerde gegen einen Baulinienplan und damit einen (Sonder-)Nutzungsplan im
Sinne von Art. 14 ff. des Bundesgesetzes vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung
(Raumplanungsgesetz, RPG, SR 700) abgewiesen wurde. Dagegen steht grundsätzlich
die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 82 ff.
BGG).

2.1 Die erforderliche Genehmigung des strittigen Baulinienplans durch die
zuständige kantonale Behörde (Art. 26 RPG; § 109 i.V.m. § 2 des Zürcher
Planungs- und Baugesetzes vom 7. September 1975 [PBG]) ist noch nicht erfolgt.

2.2 Das Bundesgericht tritt auf Beschwerden gegen Rechtsmittelentscheide über
die Festsetzung von Nutzungsplänen grundsätzlich nur ein, wenn ein
Genehmigungsentscheid im Sinne von Art. 26 Abs. 1 RPG vorliegt. Diese Praxis
galt bereits für die staatsrechtliche Beschwerde nach dem OG (BGE 120 Ia 19 E.
2a S. 22; 118 Ia 165 E. 2a S. 168; 116 Ia 221 E. 1e S. 226; Urteil des
Bundesgerichts 1P.68/1998 vom 31. März 1998, publ. in ZBl 100/1999 S. 70, E. 1b
/bb) und wird auch unter der Geltung des BGG weitergeführt (vgl. Urteile des
Bundesgerichts 1C_190/2007 vom 7. Dezember 2007 E. 2.2 und 1C_39/2008 vom 28.
August 2008 E. 1.1.1, je mit Hinweisen).

Die Koordinationsgrundsätze gemäss Art. 25a RPG erfordern eine Abstimmung des
Rechtsmittel- und des Genehmigungsentscheids (Urteil des Bundesgerichts 1C_190/
2007 vom 7. Dezember 2007 E. 2.2.2.2 mit Hinweisen). Auf welche Weise diese
Koordination hergestellt wird, bleibt grundsätzlich den Kantonen überlassen
(Art. 25 Abs. 1 RPG; Urteil 1P.222/2000 vom 22. November 2000, publ. in ZBl 102
/2001 S. 383 ff. E. 3b mit Hinweisen). Der Genehmigungsentscheid muss jedoch
spätestens im Rahmen des Verfahrens vor der letzten kantonalen
Rechtsmittelinstanz eingeholt werden; die gebotene Koordination kann nicht erst
vor Bundesgericht erfolgen (Entscheid 1C_190/2007 vom 7. Dezember 2007 E.
2.2.2.2 und 2.2.3 mit Hinweisen).

2.3 Genehmigungsbedürftige Erlasse und Verfügungen werden nach § 5 Abs. 1 PBG
von der Genehmigungsbehörde auf Rechtmässigkeit, Zweckmässigkeit und
Angemessenheit überprüft. Die Genehmigung hat rechtsbegründende Wirkung (§ 5
Abs. 2 PBG). Im Unterschied zu den Rechtsmittelinstanzen, welche sich auf
umstrittene Teile des bei ihnen angefochtenen Nutzungsplans zu konzentrieren
haben, erfolgt im kantonalen Genehmigungsverfahren eine ganzheitliche
Überprüfung des gesamten zu genehmigenden Plans. Würde das Bundesgericht vor
der kantonalen Plangenehmigung über einzelne umstrittene Teile des
Nutzungsplans entscheiden, so läge in der Regel ein unzulässiger Eingriff in
die von grosser Autonomie geprägte Aufgabe der kantonalen Genehmigungs- und
Rechtsmittelbehörden vor (vgl. Art. 75 BV). Von gewissen Ausnahmen abgesehen,
darf es sich daher mit einem Planungsentscheid einer letzten kantonalen Instanz
nur befassen, wenn diesem ein genehmigter Nutzungsplan zu Grunde liegt. Eine
Ausnahme davon wurde bei einem mit Rechtsverweigerungsbeschwerde angefochtenen
letztinstanzlichen kantonalen Entscheid angenommen, in welchem die Legitimation
betroffener Grundeigentümer verneint worden war (Urteil des Bundesgerichts
1C_39/2008 vom 28. August 2008 E. 1.2).

2.4 Gemäss § 329 Abs. 4 PBG veranlasst das Verwaltungsgericht vor der
Behandlung von Beschwerden gegen "Entscheide über Bau- und Zonenordnungen,
Sonderbauvorschriften, Gestaltungspläne oder Erschliessungspläne" die
Baudirektion, für den Genehmigungsentscheid zu sorgen. Dass in dieser
Bestimmung die Baulinienpläne nicht aufgeführt sind, ändert nichts daran, dass
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu den Art. 25a und 26 RPG in
Verbindung mit den Art. 90 ff. BGG die Koordination von Genehmigungs- und
Rechtsmittelentscheid gestützt auf Bundesrecht für alle Nutzungspläne, mit
Einschluss der Baulinienpläne, spätestens im Verfahren vor der letzten
kantonalen Rechtsmittelinstanz erfolgen muss (Urteile des Bundesgerichts 1C_39/
2008 vom 28. August 2008 E. 1.1.3 und 1C_190/2007 vom 7. Dezember 2007 E. 2.2,
je mit Hinweisen). Ist die Koordination nicht schon in einem früheren
Verfahrensstadium erfolgt, muss deshalb das Verwaltungsgericht den
Genehmigungsentscheid einholen, sei es analog zu § 329 Abs. 4 PBG, sei es in
unmittelbarer Anwendung von § 25a RPG. Die Vorschriften von § 5 Abs. 1 PBG in
Verbindung mit Art. 26 Abs. 3 RPG verpflichten die kantonale
Genehmigungsinstanz bei Rechtswidrigkeit, Unzweckmässigkeit und
Unangemessenheit im Genehmigungsentscheid die rechtlich gebotenen Anordnungen
treffen. Diese müssen von der letzten kantonalen Instanz überprüft werden
können. Da die Genehmigung nach § 5 Abs. 2 PBG in Verbindung mit Art. 26 Abs. 3
RPG rechtsbegründende Wirkung entfaltet, liegt vor ihrer Erteilung kein vor
Bundesgericht anfechtbarer Entscheid vor (Art. 82 lit. a in Verbindung mit Art.
86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 ff. BGG).

Soweit die Stadt Zürich in ihrem Schreiben vom 17. Oktober 2008 darauf
hinweist, dass die heute zur Genehmigung zuständige Volkswirtschaftsdirektion
jede Baulinienvorlage vor der Festsetzung durch den Gemeinderat prüfe und dazu
Stellung nehme, ist zu beachten, dass die vorgängige Prüfung durch die
Genehmigungsbehörde zwar die Koordination erleichtert, indessen nicht den
Genehmigungsentscheid nach § 5 Abs. 2 PBG und Art. 26 Abs. 3 RPG zu ersetzen
vermag. Auch der Hinweis der Stadt Zürich auf das Urteil des Bundesgerichts
1C_50/2008 vom 10. Juni 2008 führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Frage des
Zwischenentscheids wurde in diesem Urteil nicht erörtert, weil darin unter
anderem die Frage der Tragweite der kantonalen Baulinien im Verhältnis zum
Nationalstrassenrecht des Bundes zu prüfen war. Dem Urteil kommt somit keine
präjudizielle Bedeutung für die vorliegende Angelegenheit zu.

3.
Es ergibt sich, dass auf die vorliegende Beschwerde nicht eingetreten werden
kann, weil die für die Verbindlichkeit eines Nutzungsplans erforderliche
Genehmigung im Sinne von Art. 26 Abs. 3 RPG und § 109 PBG i.V.m. den §§ 2 und 5
PBG fehlt. Damit liegt noch kein letztinstanzlicher kantonaler Endentscheid
über die Nutzungsplanung vor, welcher die Rechte und Pflichten der betroffenen
Personen verbindlich regelt. Das Bundesgericht tritt auf Beschwerden gegen
Nutzungsplaninhalte grundsätzlich nur ein, wenn die erforderliche kantonale
Genehmigung vorliegt. Dass dies mitunter dazu führen kann, dass genehmigte
Nutzungspläne auf Grund von späteren Rechtsmittelentscheiden im Rahmen eines
weiteren Planfestsetzungsverfahrens wieder geändert werden müssen, vermag an
dieser Beurteilung nichts zu ändern.

4.
Unter Berücksichtigung der Umstände der vorliegenden Angelegenheit erscheint es
gerechtfertigt, auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs.
1 BGG). Die Stadt Zürich hat den Beschwerdeführern eine angemessene
Parteientschädigung zu entrichten (Art. 68 Abs. 2 BGG). Dabei ist zu
berücksichtigen, dass sich die Beschwerdeführer nicht zu der für das
vorliegende Verfahren entscheidenden Eintretensfrage geäussert haben.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3. Die Stadt Zürich hat die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Gemeinderat der Stadt Zürich und
dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, 4. Kammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 17. November 2008
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Haag