Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.209/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_209/2008 /daa

Urteil vom 22. Juli 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Aemisegger, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Reeb, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Gerber.

Parteien
Einwohnergemeinde Muttenz, Kirchplatz 3,
Postfach 332, 4132 Muttenz 1, Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokat
Michel de Roche,

gegen

- X.________,
- Y.________,
Beschwerdegegner, beide vertreten durch Advokat
Dr. Claude Janiak,
Bau- und Umweltschutzdirektion des Kantons
Basel-Landschaft, Bauinspektorat, Rheinstrasse 29, Postfach, 4410 Liestal,
Baurekurskommission des Kantons
Basel-Landschaft, Rheinstrasse 29, Postfach,
4410 Liestal.

Gegenstand
Baugesuch für Dachaufstockung und Anbau Windfang; Gemeindeautonomie,

Beschwerde gegen das Urteil vom 13. Februar 2008
des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und
Verwaltungsrecht.

Sachverhalt:

A.
X.________ und Y.________ reichten am 3. April 2006 ein Baugesuch für eine
Dachaufstockung und den Anbau eines Windfangs an ihrem Haus an der
Thiersteinerstrasse 24 in Muttenz (Parzelle Nr. 3943) ein. Dabei handelt es
sich um das letzte Haus einer aus fünf Häusern bestehenden Reihenhauszeile. An
der Thiersteinerstrasse befinden sich sieben weitere Reihenhauszeilen, die
anfangs der Sechzigerjahre gebaut wurden. Sie weisen alle die gleiche Höhe und
die gleiche Dachneigung auf. Durch die geplante Aufstockung des Dachs mit
beidseitigen Dachaufbauten würde der First drei Meter höher und das Dach viel
steiler als diejenigen der übrigen Reihenhäuser sein.

B.
Die Gemeinde Muttenz erhob Einsprache gegen das Baugesuch, weil die
Dachaufstockung Ziff. 25.1 des geltenden Zonenreglements Siedlung der Gemeinde
Muttenz (ZRS) vom 1. März 1997 widerspreche. Danach sind alle Bauten derart in
ihre bauliche und landschaftliche Umgebung einzugliedern, dass eine
befriedigende Gesamtwirkung erreicht wird.

C.
Am 7. September 2006 wies das Bauinspektorat des Kantons Basel-Landschaft das
Baugesuch ab und hiess die Einsprache der Gemeinde gut, weil das Bauvorhaben
das Eingliederungsgebot gemäss Ziff. 25.1 ZRS verletze.
Dagegen erhoben X.________ und Y.________ Beschwerde an die Baurekurskommission
des Kantons Basel-Landschaft. Diese wies die Beschwerde am 24. April 2007 ab.

D.
Gegen diesen Entscheid erhoben X.________ und Y.________ am 1. Juni 2007
Beschwerde beim Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und
Verwaltungsrecht. Dieses führte einen Augenschein durch und hiess die
Beschwerde am 13. Februar 2008 teilweise gut. Es hob die Entscheide der
Baurekurskommission und des Bauinspektorats auf und wies die Sache zur
Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an das Bauinspektorat zurück.

E.
Gegen diesen Entscheid hat die Einwohnergemeinde Muttenz am 6. Mai 2008
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht
erhoben. Sie beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache
zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen.

F.
Die privaten Beschwerdegegner beantragen Abweisung der Beschwerde und
Bestätigung des kantonsgerichtlichen Entscheids. Die kantonalen Instanzen haben
auf eine Vernehmlassung verzichtet.

G.
Mit Verfügung vom 28. Mai 2008 wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung
erteilt.

Erwägungen:

1.
Das Kantonsgericht hiess die Beschwerde teilweise gut, weil kein öffentliches
Interesse an der Beibehaltung des Daches der Liegenschaft der Beschwerdeführer
in der heutigen Form bzw. an der Verweigerung der geplanten Dachaufstockung
bestehe. Es wies die Sache an das Bauinspektorat zurück, weil unklar sei, ob
allenfalls Vereinbarungen über Näher- bzw. Grenzbaurechte und grundbuchliche
Eintragungen derselben gemäss § 94 RBG des Raumplanungs- und Baugesetzes des
Kantons Basel-Landschaft vom 8. Januar 1998 (RBG) notwendig seien und vorlägen
(E. 9.3 S. 16 des angefochtenen Entscheids).

Damit schliesst der angefochtene Entscheid das Verfahren nicht ab und es steht
noch nicht fest, ob die Baubewilligung erteilt werden kann. Der
Rückweisungsentscheid ist deshalb als Zwischenentscheid zu qualifizieren.

1.1 Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide, die nicht die
Zuständigkeit oder den Ausstand betreffen, ist die Beschwerde nach Art. 93 Abs.
1 BGG nur zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil
bewirken können (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen
Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder
Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b).

1.2 Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, dass eine dieser Voraussetzungen
erfüllt sei; dies ist auch nicht ersichtlich.

Nach der Praxis des Bundesgerichts kann ein nicht wiedergutzumachender Nachteil
für eine Gemeinde dann vorliegen, wenn sie verpflichtet wird, im Sinne des
Entscheids der kantonalen Behörde direkt eine neue, ihrer Auffassung
wiedersprechende Anordnung zu treffen (BGE 133 II 409 E. 1.2 S. 412 mit
Hinweisen). Im vorliegenden Fall ist jedoch nicht die Gemeinde, sondern das
Bauinspektorat Baubewilligungsbehörde. Gegen die Erteilung der Baubewilligung
durch das Bauinspektorat kann die Gemeinde unmittelbar Beschwerde an das
Bundesgericht erheben, sofern nur noch die - vom Kantonsgericht im
Rückweisungsurteil bejahte - Eingliederung des Bauvorhabens streitig ist.
Andernfalls muss nochmals der kantonale Instanzenzug durchlaufen werden. So
oder so liegt jedoch kein nicht wiedergutzumachender Nachteil i.S.v. Art. 93
Abs. 1 lit. a BGG vor.

Die Frage, ob für das umstrittene Bauvorhaben ein Näher- oder Grenzbaurecht
erforderlich ist und, wenn ja, ob ein solches beigebracht worden ist, muss zwar
vom Bauinspektorat noch entschieden werden. Hierzu bedarf es jedoch keines
weitläufigen Beweisverfahrens, weshalb auch Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG nicht
einschlägig ist. Im Übrigen ist die Gemeinde ihrer diesbezüglichen
Begründungspflicht nicht nachgekommen (BGE 133 III 629 E. 2.4.2 S. 633).

2.
Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang
des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Die Gemeinde
ist jedoch verpflichtet, die privaten Beschwerdegegner für die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens zu entschädigen (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Die Einwohnergemeinde Muttenz hat die privaten Beschwerdegegner für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Bau und Umweltschutzdirektion,
Bauinspektorat, und der Baurekurskommission des Kantons Basel-Landschaft sowie
dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und
Verwaltungsrecht, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 22. Juli 2008
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin:

Aemisegger Gerber