Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.208/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 1/2}
1C_208/2008

Urteil vom 3. Dezember 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Aeschlimann,
Gerichtsschreiber Steinmann.

Parteien
Daniel Kettiger, Beschwerdeführer,

gegen

Christoph Neuhaus, Beschwerdegegner.

Gegenstand
Wahlbeschwerde,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 31. März 2008 des Grossen Rates des Kantons
Bern.
Sachverhalt:

A.
Der bernische Regierungsrat Werner Luginbühl wurde von den Stimmberechtigten
des Kantons Bern am 21. Oktober 2007 zum Ständerat gewählt. Der Regierungsrat
des Kantons Bern setzte daraufhin als Datum der Ersatzwahl für die Vakanz im
Regierungsrat den 24. Februar 2008 und für eine allfällige Stichwahl den 16.
März 2008 fest (RRB 1805/07 vom 31. Oktober 2007, Amtsblattpublikation vom 7.
November 2007). Mit Beschluss über die Durchführung der Regierungsratswahl vom
7. November 2007 setzte er das Vorgehen fest (RRB 1866/07, Amtsblattpublikation
vom 14. November 2007). Danach waren die Wahlvorschläge - unter Beachtung der
entsprechenden formellen Bedingungen - bis zum 27. Dezember 2007 einzureichen;
Wahlvorschläge durften nur einen einzigen Namen aufweisen.

B.
Innert dieser Frist ging einzig die Kandidatur von Christoph Neuhaus ein, wie
einer Medienmitteilung der Staatskanzlei vom 27. Dezember 2007 und der
Tagespresse vom 28. Dezember 2007 entnommen werden konnte (vgl. auch Mitteilung
der Staatskanzlei im Amtsblatt vom 16. Januar 2008, worin präzisiert wurde,
dass anlässlich des Wahlgangs die Stimme nur für die genannte Person abgegeben
werden könne).

In der Folge erhob Daniel Kettiger beim Regierungsrat am 31. Dezember 2007 eine
Wahlbeschwerde. Er beantragte die Absetzung des Wahltermins vom 24. Februar
2008 und die Aufhebung der entsprechenden Anordnungen von Regierungsrat und
Staatskanzlei. Zur Begründung brachte er im Wesentlichen vor, die vorgesehene
Volkswahl vom 24. Februar 2008 werde zu einer reinen Farce. Die
Stimmberechtigten könnten nämlich vor dem Hintergrund der gesetzlichen
Bestimmungen ihre Stimme nur für den einzig angemeldeten Kandidaten Christoph
Neuhaus abgeben; andere Namen wären ungültig; für die Ermittlung des
Ergebnisses fielen die ungültigen und leeren Wahlzettel ausser Betracht; die
Wahl des einzigen Kandidaten wäre auch bei einer einzigen Stimme gesichert. Die
Stimmberechtigten könnten daher das Ergebnis der Volkswahl - unabhängig davon,
ob und wie sie an der Wahl teilnehmen - in keiner Weise beeinflussen. Dies
stehe im Widerspruch zu Art. 34 Abs. 2 BV sowie zu den Bestimmungen von Art. 56
und 85 der Berner Kantonsverfassung (KV/BE, SR 131.212, BSG 101.1). Daran
ändere auch das Dekret über die politischen Rechte (Dekret, DPR;
Gesetzessammlung 141.11) nichts, da es sich bei diesem Erlass nicht um ein
formelles Gesetz handle.
Der Regierungsrat wies die Beschwerde von Daniel Kettiger am 15. Januar 2008 ab
(Zustellung am 16. Januar 2008). Er hielt fest, dass das im Dekret über die
politischen Rechte vorgesehene Wahlvorschlagsverfahren auf einer hinreichenden
gesetzlichen Grundlage beruhe. Vor dem Hintergrund, dass die Garantie der
politischen Rechte gemäss Art. 34 BV auch stille Wahlen zulasse, sei es nicht
erforderlich, dass die Wahlberechtigten bei Regierungsratsersatzwahlen zwischen
mindestens zwei Kandidaten müssten auswählen können. Das
Wahlvorschlagsverfahren sei mit dem kantonalen Verfassungsrecht vereinbar.

In der Rechtsmittelbelehrung wies der Regierungsrat auf die Möglichkeit hin,
beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zu
erheben. Daniel Kettiger hat davon keinen Gebrauch gemacht.

C.
Anlässlich der Volkswahl vom 24. Februar 2008 wurde Christoph Neuhaus als
Regierungsrat gewählt. Die Wahl weist folgendes Ergebnis auf (RRB 0333/08 vom
5. März 2008):
Gesamtzahl der eingelangten Wahlzettel 170'912
Davon ausser Betracht fallend: leer 48'235
ungültig 19'722
In Betracht fallende Wahlzettel 102'955
Zahl der gültigen Kandidatenstimmen 102'955
Absolutes Mehr 51'478
Stimmbeteiligung 24,36 %

Gewählt ist:
Christoph Neuhaus 102'955

D.
Daniel Kettiger reichte am 27. Februar 2008 beim Grossen Rat des Kantons Bern
Wahlbeschwerde ein und beantragte die Aufhebung der Wahl von Christoph Neuhaus
vom 24. Februar 2008. Er rügte Verletzungen von Art. 34 BV sowie von Art. 56
und 85 KV/BE. Er machte geltend, die im Dekret enthaltenen Bestimmungen über
das Wahlvorschlagsverfahren beruhten nicht auf einer hinreichenden
formell-gesetzlichen Grundlage. Der Proteststimmenanteil von rund 40 % zeige,
dass bei Durchführung einer echten Volkswahl das Resultat zu Ungunsten von
Christoph Neuhaus hätte ausfallen können.

Der Grosse Rat trat auf die Beschwerde mit Entscheid vom 31. März 2008 nicht
ein. Er hielt im Wesentlichen fest, dass der Beschwerdeführer bereits die
Anordnung der Wahl beim Regierungsrat angefochten und dessen Entscheid vom 15.
Januar 2008 daraufhin nicht ans Bundesgericht weitergezogen hatte. Bei dieser
Sachlage könne er die im Wesentlichen gleichen Rügen im Anschluss an die Wahl
nicht erneut vorbringen.

E.
Gegen diesen Entscheid des Grossen Rates hat Daniel Kettiger beim Bundesgericht
am 2. Mai 2008 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben. Er
beantragt die Aufhebung des Grossratsbeschlusses sowie der Wahl von Christoph
Neuhaus vom 24. Februar 2008. Er macht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs
gemäss Art. 29 Abs. 2 BV geltend, rügt eine formelle Rechtsverweigerung im
Sinne von Art. 29 Abs. 1 BV und erblickt in der Wahl vom 24. Februar 2008 eine
Verletzung von Art. 34 BV. Auf die Begründung im Einzelnen ist in den
nachfolgenden Erwägungen einzugehen.

Im Namen des Grossen Rates beantragt der Regierungsrat die Abweisung der
Beschwerde. Christoph Neuhaus als Beschwerdegegner hat sich nicht vernehmen
lassen.

In seiner Replik hält der Beschwerdeführer an seinen Anträgen und seiner
Begründung fest. Der Beschwerdegegner verzichtete auf eine Stellungnahme zur
Vernehmlassung des Grossen Rates.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten im Sinne der
Stimmrechtsbeschwerde nach Art. 82 lit. c BGG ist zulässig. Sie richtet sich
gegen einen letztinstanzlichen Entscheid gemäss Art. 88 BGG. Der
Beschwerdeführer ist unbestrittenermassen im Kanton Bern stimmberechtigt und
nach Art. 89 Abs. 3 BGG zur Beschwerde legitimiert. Im Sinne von Art. 95 lit. a
und b BGG kann er Verletzungen der Bundesverfassung und der Kantonsverfassung
rügen.

Beschwerdegegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet einzig der
Nichteintretensentscheid des Grossen Rates. Bei dieser Sachlage ist auf die
materiellen Rügen zum Wahlverfahren im bundesgerichtlichen Verfahren nicht
einzutreten.

2.
Der Beschwerdeführer macht vorerst eine Verletzung der Garantie des rechtlichen
Gehörs gemäss Art. 29 Abs. 2 BV geltend. Diese erblickt er zum einen darin,
dass der Grosse Rat die Akten des regierungsrätlichen Verfahrens beigezogen
hat, in dem er die Absetzung des Wahlgangs verlangt hatte, ohne ihn davon in
Kenntnis zu setzen und ihm Gelegenheit einzuräumen, dazu Stellung zu nehmen.
Zum andern hätte der Grosse Rat ihn anhören müssen, wenn er seine Praxis zum
Eintreten auf Wahlbeschwerden zu ändern gedenke und sich dabei auf neue
erhebliche Tatsachen, mit denen nicht zu rechnen ist - wie den Umstand, dass er
den Regierungsratsentscheid vom 15. Januar 2008 nicht ans Bundesgericht
weitergezogen habe - stützen wolle.

Diese Rügen erweisen sich - unabhängig von der problematischen Anmerkung in der
Vernehmlassung, wonach dem rechtlichen Gehör im Verfahren vor dem Grossen Rat
nur untergeordnete Bedeutung zukomme (vgl. BGE 132 I 167 und 132 I 196; Urteil
1P.237/2002 vom 12. Dezember 2002) - von vornherein als unbegründet. Der
Beschwerdeführer hat in seiner dem Grossen Rat eingereichten Wahlbeschwerde
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er vorgängig beim Regierungsrat am 31.
Dezember 2007 Beschwerde erhoben und dieser die Beschwerde mit Entscheid vom
15. Januar 2008 abgewiesen hatte. Der Beschwerdeführer musste von vornherein
damit rechnen, dass der Grosse Rat das Dossier beiziehen werde. Dieses enthält
keine Tatsachen, die dem Beschwerdeführer unbekannt wären oder mit deren
Berücksichtigung er nicht hätte rechnen müssen. Vor diesem Hintergrund waren
eine Orientierung und das Einräumen der Möglichkeit einer Stellungnahme ohne
Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV entbehrlich. Eine Anhörung brauchte auch
deshalb nicht vorgenommen zu werden, weil der Grosse Rat aus seiner Sicht mit
dem angefochtenen Nichteintretensentscheid gar keine Praxisänderung
beabsichtigte (vgl. BGE 122 I 60). Wie es sich mit der Verfassungsmässigkeit
des Nichteintretensentscheides verhält, ist nachfolgend unter dem
Gesichtswinkel der formellen Rechtsverweigerung zu prüfen.

Demnach erweist sich die Beschwerde hinsichtlich der Rüge der Verletzung des
rechtlichen Gehörs im Sinne von Art. 29 Abs. 2 BV als unbegründet.

3.
Zur Hauptsache ficht der Beschwerdeführer das Nichteintreten des Grossen Rates
auf seine Beschwerde an. Er macht eine Verletzung der politischen Rechte sowie
eine formelle Rechtsverweigerung wegen willkürlicher Anwendung der
Verfahrensvorschriften geltend. Er bringt im Wesentlichen vor, dass die
Beschwerdeverfahren vor dem Regierungsrat und vor dem Grossen Rat zwei
getrennte, voneinander unabhängige und unterschiedliche Gegenstände aufweisende
Verfahren bildeten und ihm daher im Verfahren vor dem Grossen Rat - in Abkehr
von der bisherigen Praxis - nicht das beim Regierungsrat durchgeführte
Verfahren vorgehalten werden könne.

3.1 Das bernische Gesetz über die politischen Rechte (GPR, BSG 141.1)
unterscheidet hinsichtlich der Rechtspflege in politischen Angelegenheiten -
entsprechend Art. 77 BPR - zwischen Beschwerden wegen Verletzung des
Stimmrechts (Stimmrechtsbeschwerde), wegen Unregelmässigkeiten bei der
Vorbereitung und Durchführung von Abstimmungen (Abstimmungsbeschwerde) und
wegen Unregelmässigkeiten bei der Vorbereitung und Durchführung von Wahlen
(Wahlbeschwerde; Art. 86-88 GPR). Mit der Wahlbeschwerde im Speziellen kann
geltend gemacht werden, dass bei der Vorbereitung oder Durchführung sowie bei
der Ermittlung des Wahlergebnisses Vorschriften verletzt worden sind (Art. 88
Abs. 1 GPR). Zur Wahlbeschwerde ist jeder Stimmberechtigte befugt (Art. 89 Abs.
1 Satz 2 GPR). Sie ist innert drei Tagen seit Entdeckung des Beschwerdegrundes,
spätestens drei Tage nach der Veröffentlichung des Ergebnisses der Wahl
einzureichen (Art. 89 Abs. 3 GPR). Über Wahlbeschwerden befinden entweder der
Regierungsrat oder aber der Grosse Rat, je nachdem, ob nur die Vorbereitung
oder Durchführung der Wahl oder das Ergebnis der Wahl angefochten wird.

3.2 Der Beschwerdeführer geht von einer strikten Unterscheidung zwischen den
Wahlbeschwerden aus, die entweder vom Regierungsrat oder aber vom Grossen Rat
behandelt werden. Er stützt seine Auffassung in nachvollziehbarer Weise auf
Art. 93 Abs. 1 und 2 GPR. Nach Abs. 1 entscheidet der Regierungsrat endgültig
über Wahlbeschwerden, mit denen nur die Vorbereitung oder Durchführung einer
kantonalen Wahl, indessen nicht deren Ergebnisse angefochten werden. Gemäss
Abs. 2 ist der Grosse Rat zuständig, wenn die Ergebnisse einer kantonalen Wahl
angefochten werden.

Die Trennung der beiden Verfahren braucht indessen nicht derart absolut
verstanden zu werden. Es zeigen sich vielmehr in zweifacher Hinsicht
Berührungspunkte: Zum einen wird eine beim Regierungsrat erhobene Beschwerde
gegen Vorbereitungshandlungen vom Grossen Rat behandelt, wenn jener vor dem
Wahlgang nicht entscheiden kann; die an sich gegen Vorbereitungshandlungen
gerichtete Beschwerde wird diesfalls als auch gegen das Ergebnis des Urnengangs
gerichtet verstanden (vgl. zur Abstimmung über die sog. Aareschutz-Initiative
Urteil des Bundesgerichts 1P.141/1994 vom 26. Mai 1995, teilweise publiziert
in: ZBl 97/1996 S. 233). Umgekehrt prüft der Grosse Rat nicht nur das
eigentliche Zustandekommen des Ergebnisses von Urnengängen wie etwa
rechtswidriges Auszählen, sondern auch Vorbereitungshandlungen, die sich auf
das Ergebnis auswirken können (vgl. zur Abstimmung über das Schulmodell 6/3
Urteil des Bundesgerichts 1P.555/1990 vom 4. September 1991, teilweise
publiziert in: ZBl 93/1992 S. 312). Daraus folgt, dass unter Umständen in
beiden Verfahren Vorbereitungshandlungen zu einem Urnengang Gegenstand der
Beurteilung bilden können (vgl. Art. 88 Abs. 1 GPR). Nicht ausschlaggebend ist
der Umstand, dass die Rechtsbegehren anders ausgerichtet sind. Ebenfalls ändert
daran nichts, dass gemäss Art. 93 Abs. 1 und 2 GPR nur der Grosse Rat, hingegen
nicht der Regierungsrat das Ergebnis eines Urnengangs aufheben kann. Hierfür
ist zudem nach Art. 90 GPR erforderlich, dass glaubhaft gemacht wird, die
Unregelmässigkeiten seien nach Art und Umfang geeignet, das Ergebnis des
Urnengangs wesentlich zu beeinflussen.

Stehen insoweit zwei unterschiedliche Rechtsmittel zur Beanstandung von
Vorbereitungshandlungen zur Verfügung, so stellt sich die Frage, in welchem
Verhältnis sie zueinander stehen. Der Grosse Rat führt hierzu in der
Vernehmlassung aus, dass die beiden Rechtsmittel nicht kumulativ zur Verfügung
stünden und dass es nicht im Belieben des Stimmberechtigten stehe, den einen
oder andern Weg zu beschreiten.

Diese Erwägung erweist sich als zutreffend. Allgemein gilt für das
Verfahrensrecht, dass von einem Rechtsmittel dann Gebrauch gemacht werden muss,
wenn dessen Voraussetzungen gegeben sind, und die Beschwerde nicht erst in
einem späteren Zeitpunkt erhoben wird (vgl. z.B. Art. 92 BGG). Diese Überlegung
trifft im Besondern auf die Anfechtung von Vorbereitungshandlungen zu
Urnengängen zu. Das Bundesgericht hat allgemein festgehalten, dass Mängel
hinsichtlich von Vorbereitungshandlungen im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen
sofort und vor Durchführung des Urnenganges zu rügen sind. Diese Praxis
bezweckt, dass Mängel möglichst noch vor der Wahl oder Abstimmung behoben
werden können und der Urnengang nicht wiederholt zu werden braucht. Unterlässt
dies der Stimmberechtigte, so verwirkt er im Grundsatz das Recht zur Anfechtung
der Wahl oder Abstimmung. Es wäre mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht
vereinbar, wenn ein Mangel vorerst widerspruchslos hingenommen wird und
hinterher die Wahl oder Abstimmung, soweit deren Ergebnis nicht den Erwartungen
entspricht, wegen eben dieses Mangels angefochten würde (BGE 118 Ia 271 E. 1d
S. 274; 118 Ia 415 E. 2a S. 417; 110 Ia 176 E. 2a S. 178 ff.).

3.3 Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass der Beschwerdeführer vorerst beim
Regierungsrat Beschwerde erhoben hatte. In dieser rügte er Verletzungen von
Art. 34 BV sowie von Art. 56 und 85 KV/BE und beanstandete im Wesentlichen,
dass der Wahlgang vom 24. Februar 2008 aufgrund der im Dekret über die
politischen Rechte enthaltenen Bestimmungen über die Voranmeldung von
Kandidaturen (Art. 19a ff. DPR) sowie dem einzig vorgeschlagenen Kandidaten
Christoph Neuhaus zu einer Farce verkomme. Dieselben Überlegungen lagen der
beim Grossen Rat, im Anschluss an die Wahl erhobenen Wahlbeschwerde zugrunde.

Der Regierungsrat hat seinen abweisenden Entscheid am 15. Januar 2008 getroffen
und in der Rechtsmittelbelehrung auf die Möglichkeit der beim Bundesgericht zu
erhebenden öffentlich-rechtlichen Beschwerde hingewiesen. Der Beschwerdeführer
hat es unterlassen, dieses Rechtsmittel zu ergreifen. Entgegen seiner
Auffassung wäre eine solche Beschwerde erforderlich gewesen und - im Lichte der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung - auch nicht nutzlos gewesen. Es trifft zwar
zu, dass das Bundesgericht - hätte der Beschwerdeführer die ihm zur Verfügung
stehende 30-tätige Frist in Anspruch genommen - nicht mehr in der Lage gewesen
wäre, noch vor dem 24. Februar 2008 einen Entscheid in der Sache selbst zu
treffen. Das ist indes unerheblich. Nach der Rechtsprechung werden gegen
Vorbereitungshandlungen gerichtete Beschwerden, wenn der Urnengang während der
Hängigkeit des Verfahrens durchgeführt wird, so verstanden und behandelt, dass
sinngemäss auch der Antrag auf Aufhebung der Wahl oder Abstimmung selber
gestellt wird (BGE 105 Ia 149 E. 2 S. 150; 110 Ia 176 E. 2b S. 180; 113 Ia 46
E. 1c S. 50; 116 Ia 359 E. 2C S. 364; Urteil 1P.582/2005 vom 20. April 2006 E.
1.2, in: ZBl 108/2007 S. 275; Urteil 1P.223/2006 vom 12. September 2006 E. 1.1,
in: ZBl 108/2007 S. 332). Der Beschwerdeführer hätte es demnach in der Hand
gehabt, mit dieser Beschwerde, entsprechend dem Antrag in seiner Wahlbeschwerde
an den Grossen Rat, die Aufhebung der Wahl zu erwirken.

Insoweit durfte der Grosse Rat auf die Wahlbeschwerde des Beschwerdeführers
nicht eintreten, ohne die Bundesverfassung oder das Gesetz über die politischen
Rechte zu verletzen.

3.4 Somit bleibt die Rüge zu prüfen, der Grosse Rat habe - ohne ent-sprechende
Ankündigung - seine Praxis geändert bzw. den Beschwerdeführer - im Vergleich
zur Bearbeitung der parallel dazu eingereichten Wahlbeschwerde von Rudolf
Hausherr - rechtsungleich behandelt.
3.4.1 Der Beschwerdeführer beruft sich auf eine konstante Praxis des Grossen
Rates und verweist hierfür auf die Behandlung von Abstimmungsbeschwerden im
Zusammenhang mit der Abstimmung über die sog. Aareschutzinitiative (vgl. Urteil
des Bundesgerichts 1P.141/1994 vom 26. Mai 1995, teilweise publiziert in: ZBl
97/1996 S. 233).

In dieser Sache erhob eine erste Gruppe von Beschwerdeführern wegen Verbreitung
von unsachgemässer Propaganda im Vorfeld der Abstimmung vom 26. September 1993
Abstimmungsbeschwerde beim Regierungsrat. Nach durchgeführter Abstimmung
erhoben sie, unter Bezugnahme auf ihre frühere Beschwerde und in Anbetracht
weiterer, noch vor der Abstimmung publizierter Informationen auch beim Grossen
Rat Abstimmungsbeschwerde. Der Grosse Rat ist auf die erste Beschwerde
eingetreten, hingegen nicht auf die zweite Beschwerde, weil diese nicht innert
der 3-Tage-Frist seit Bekanntwerden der umstrittenen neueren Informationen
erhoben worden war. Das Bundesgericht kam gestützt auf die konkreten Umstände
zum Schluss, dass der Grosse Rat auch auf die zweite Beschwerde hätte eintreten
müssen (E. 2). - Eine zweite und dritte Gruppe von Beschwerdeführern erhoben
wegen ähnlicher Propaganda im Vorfeld der Abstimmung beim Regierungsrat
Abstimmungsbeschwerde, nach durchgeführter Abstimmung reichten sie eine
Beschwerdeergänzung ein. Der Grosse Rat trat auf deren Beschwerden ein.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann aus diesen Beschwerdeverfahren
nicht gefolgert werden, der Grosse Rat habe im vorliegenden Fall eine
Praxisänderung vorgenommen. Der Sache nach forderte der Grosse Rat schon
damals, dass die Beschwerde im Voraus erhoben werde. Das zeigt denn auch ein
weiteres Verfahren zur Abstimmung über das Schulmodell 6/3, in dem ein
Entscheid des Grossen Rates an das Bundesgericht weitergezogen worden war (vgl.
Urteil 1P.55 5/1990 vom 4. September 1991, teilweise publiziert in: ZBl 93/1992
S. 312). Des Weitern lässt sich das Beschwerdeverfahren betreffend die
Aareschutz-Initiative mit der vorliegenden Konstellation gerade nicht
vergleichen. Denn der Regierungsrat war damals gar nicht in der Lage, die
Abstimmungsbeschwerden vor dem Urnengang zu beurteilen, und überwies die Sache
danach an den Grossen Rat zum Entscheid.
3.4.2 Der Beschwerdeführer verweist ferner auf die Beschwerdesache von Rudolf
Hausherr, in welcher der Grosse Rat auf dessen dieselbe Wahl vom 24. Februar
2008 betreffende Beschwerde eingetreten ist, und rügt eine rechtsungleiche
Behandlung. In der Vernehmlassung wird eine diesbezügliche Ungleichbehandlung
ohne weitere Begründung in Abrede gestellt.

Die Rüge des Beschwerdeführers erscheint im Lichte der vorstehenden Erwägungen
als verständlich. Rudolf Hausherr brachte mit seiner im Anschluss an den
Urnengang eingereichten Wahlbeschwerde im Wesentlichen dieselben Rügen vor wie
der Beschwerdeführer in seinen beiden Beschwerden. Es ist schwer
nachzuvollziehen, dass Rudolf Hausherr die geltend gemachten Umstände -
nämlich, dass der Wahlgang vom 24. Februar 2008 in Anbetracht der einzigen
angemeldeten Kandidatur von Christoph Neuhaus und des im Dekret vorgesehenen
Verfahrens zu keiner echten Wahl führen würde - nicht schon Ende Dezember 2007
hätte erkennen, demnach - gleich wie der Beschwerdeführer - eine entsprechende
Beschwerde erheben und einen abschlägigen Entscheid des Regierungsrates an das
Bundesgericht weiterziehen können (vgl. Urteil 1C_217/2008 vom 3. Dezember
2008).

Die Behandlung der Wahlbeschwerde Rudolf Hausherrs durch den Grossen Rat vermag
dem Beschwerdeführer gleichwohl nicht zu helfen. Wie dargelegt, ist der Grosse
Rat in Bezug auf den Beschwerdeführer weder von seiner Praxis abgewichen noch
hat er die Verfahrensbestimmungen verfassungswidrig angewandt. Zudem vermag der
Grundsatz von Treu und Glauben kein Rechtsmittel zu begründen, das vom
Verfahrensrecht nicht vorgesehen ist (BGE 122 I 57 E. 1c/bb S. 61, mit
Hinweisen).

3.5 Bei dieser Sachlage erweist sich die Rüge der formellen Rechtsverweigerung
als unbegründet.

4.
Demnach ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG; BGE 133 I 141).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Grossen Rat des Kantons Bern
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. Dezember 2008
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Steinmann