Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.200/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_200/2008 /nip

Urteil vom 28. November 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Reeb,
Gerichtsschreiber Kappeler.

1. Parteien
Ehepaar Aa.________,
2. Ehepaar Ab.________,
3. Ehepaar Ac.________,
4. Ad.________,
5. Ehepaar Ae.________,
6. Ehepaar Af.________,
7. Ehepaar Ag.________,
8. Ehepaar Ah.________,
9. Ai.________ und Aj.________,
10. Ak.________,
11. Ehepaar Al.________,
12. Ehepaar Am.________,
13. Ehepaar An.________,
14. Ehepaar Ao.________,
15. Ehepaar Ap.________,
16. Ehepaar Aq.________,
17. Ehepaar Ar.________,
18. Ehepaar As.________,
19. Ehepaar At.________,
20. Au.________,
21. Ehepaar Av.________,
22. Ehepaar Aw.________,
23. Ehepaar Ax.________,
24. Ehepaar Ay.________,
25. Ehepaar Az.________,
26. Ehepaar Ba.________,
27. Ehepaar Bb.________,
28. Ehepaar Bc.________,
29. Ehepaar Bd.________,
30. Be.________,
31. Bf.________,
32. Ehepaar Bg.________,
33. Ehepaar Bh.________,
Beschwerdeführer, alle vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Mike Gessner,

gegen

Orange Communications SA, Beschwerdegegnerin,
Politische Gemeinde Roggwil, handelnd durch den Gemeinderat, und dieser
vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Markus Möhr,
Politische Gemeinde Berg, vertreten durch den Gemeinderat, Dorfstrasse 17, 9305
Berg,
Departement für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau, Promenade, Postfach, 8510
Frauenfeld.

Gegenstand
Mobilfunkantenne,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 23. Januar 2008 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Thurgau.
Sachverhalt:

A.
Am 4. Dezember 2006 reichte die Orange Communications SA bei der Politischen
Gemeinde Roggwil ein Baugesuch ein für die Erstellung einer Mobilfunkantenne in
der Ortschaft Freidorf auf der Parzelle Nr. 61, Grundbuch Arbon. Das
Baugrundstück liegt in der Gewerbezone G. Der vorgesehene Standort der Antenne
befindet sich an der Ostseite der bestehenden Gewerbebaute. Die Orange
Communications SA ist Inhaberin einer vom Bund erteilten Konzession für den
Betrieb und Unterhalt eines landesweiten Mobilfunknetzes.
Gegen das vom 15. Januar bis zum 5. Februar 2007 öffentlich aufgelegte
Baugesuch gingen zahlreiche Einsprachen ein. Mit Entscheid vom 27. März 2007
hiess der Gemeinderat Roggwil die Einsprachen teilweise gut und verweigerte die
Erteilung der Baubewilligung.

B.
Gegen diesen Entscheid erhob die Orange Communications SA Rekurs beim
Departement für Bau und Umwelt (DBU) des Kantons Thurgau. Dieses hiess den
Rekurs mit Entscheid vom 23. Juli 2007 gut und wies die Gemeinde an, die
nachgesuchte Baubewilligung zu erteilen. Das Departement erwog, die
vorgebrachte Beeinträchtigung des Schlosses Freidorf sei nicht in dem Sinne
feststellbar, dass die am vorgesehenen Standort zonenkonforme Antenne
rechtswidrig wäre.
Gegen diesen Rekursentscheid erhoben (unter anderem) das Ehepaar Aa.________
sowie 34 mitunterzeichnende Parteien Beschwerde beim Verwaltungsgericht des
Kantons Thurgau. Sie beantragten, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und
die Verweigerung der Baubewilligung durch die Politische Gemeinde Roggwil sei
zu bestätigen. Mit Entscheid vom 23. Januar 2008 wies das Verwaltungsgericht
die Beschwerde ab. Es erwog, der nähere Sichtbereich des Schlosses Freidorf
werde durch die geplante Antenne nicht gestört und das Schutzobjekt werde daher
nicht beeinträchtigt.

C.
Gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 23. Januar 2008 erheben das
Ehepaar Aa.________ sowie 34 mitunterzeichnende Parteien mit Eingabe vom 25.
April 2008 beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten. Sie beantragen im Wesentlichen die Aufhebung des angefochtenen
Entscheids und die Bestätigung der Verweigerung der Baubewilligung durch die
Politische Gemeinde Roggwil. Eventualiter sei die Angelegenheit zum erneuten
Entscheid im Sinne der Erwägungen an die Gemeinde zurückzuweisen. Die
Beschwerdeführer rügen eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung des
rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) sowie von Art. 3 des Bundesgesetzes vom
1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz (NHG; SR 451).

D.
Das Verwaltungsgericht und das Departement beantragen in ihren
Vernehmlassungen, die Beschwerde sei abzuweisen. Die Beschwerdegegnerin stellt
in ihrer Eingabe vom 9. Juni 2008 den Antrag auf Abweisung der Beschwerde. Das
Bundesamt für Kultur und die Politische Gemeinde Roggwil verzichten auf eine
Stellungnahme. Die Politische Gemeinde Berg SG liess sich nicht vernehmen.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit der Beschwerden von Amtes wegen (Art.
29 Abs. 1 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.1 S. 251).

1.1 Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts ist ein Entscheid einer
letzten kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Ihm liegt ein
Beschwerdeverfahren über eine baurechtliche Bewilligung und damit eine
öffentlich-rechtliche Angelegenheit im Sinne von Art. 82 lit. a BGG zu Grunde.
Ein Ausschlussgrund nach Art. 83 BGG liegt nicht vor.
1.2
1.2.1 Mit dem angefochtenen Entscheid des Verwaltungsgerichts wurde eine
Beschwerde gegen einen Rekursentscheid des Departements abgewiesen, mit welchem
der Entscheid des Gemeinderates Roggwil, die nachgesuchte Baubewilligung zu
verweigern, aufgehoben und der Gemeinderat angewiesen worden war, die
Baubewilligung zu erteilen. Falls der Entscheid des Verwaltungsgerichts vom
Bundesgericht bestätigt wird, ist das von der Beschwerdegegnerin bei der
Politischen Gemeinde Roggwil mit Baugesuch vom 4. Dezember 2006 eingeleitete
Baubewilligungsverfahren demnach wieder aufzunehmen. Das
Baubewilligungsverfahren ist somit noch nicht abgeschlossen. Es liegt deshalb
nicht ein Endentscheid über die Baubewilligung im Sinne von Art. 90 BGG vor,
sondern ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 Abs. 1 BGG.
1.2.2 Gegen Zwischenentscheide der vorliegenden Art ist nach Art. 93 Abs. 1
lit. a BGG die Beschwerde zulässig, wenn der angefochtene Entscheid einen nicht
wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann. Dass den Beschwerdeführern durch
den angefochtenen Entscheid ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne
von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG entstehen könnte, wird nicht geltend gemacht und
ist auch nicht ersichtlich (vgl. BGE 134 II 137 E. 1.3.1 S. 139 f. mit
Hinweisen). Allfällige Nachteile für die Beschwerdeführer können auch noch mit
einer bundesgerichtlichen Beurteilung des Endentscheids behoben werden.
1.2.3 Gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG ist gegen (andere) selbständig eröffnete
Vor- und Zwischenentscheide die Beschwerde zulässig, wenn die Gutheissung der
Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden
Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen
würde. Diese Bestimmung gibt die früher in Art. 50 Abs. 1 OG verankerte
Regelung wieder, die für das zivilrechtliche Verfahren vor Bundesgericht galt
(vgl. Botschaft zum BGG in BBl 2001 S. 4334; BGE 133 II 409 E. 1.2 S. 411 f.,
629 E. 2.4 S. 633; 133 IV 288 E. 3.2 S. 292). Ob die Voraussetzungen von Art.
93 Abs. 1 lit. b BGG erfüllt sind, prüft das Bundesgericht frei (vgl. BGE 133
II 409 E. 1.2 S. 411 f.; 133 IV 288 E. 3.2 S. 292; 118 II 91 E. 1a S. 92).
Würde das Bundesgericht vorliegend in Gutheissung der Beschwerde zum Schluss
gelangen, die geplante Mobilfunkantenne verstosse gegen Art. 3 Abs. 1 NHG und
könne daher nicht bewilligt werden, wäre das Verfahren endgültig abgeschlossen.
Damit ist die erste Voraussetzung von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG erfüllt.
Als zweite kumulative Voraussetzung verlangt Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG, dass
mit der Behandlung der Beschwerde gegen den Zwischenentscheid ein bedeutender
Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erspart würde.
Falls die Politische Gemeinde Roggwil das von der Beschwerdegegnerin
eingeleitete Baubewilligungsverfahren wieder aufzunehmen hätte, hätte sie
gemäss Erwägung 3 des Rekursentscheids des Departements vom 23. Juli 2007
insbesondere noch Fragen betreffend Ausgestaltung der strittigen Antenne zu
regeln. Da diese Infrastrukturanlage jedoch weitgehend nach technischen
Vorgaben auszugestalten ist, können dabei gemäss Rekursentscheid keine hohen
ästhetischen Anforderungen gestellt werden. Zudem sind die zu treffenden
Massnahmen mit der Beschwerdegegnerin bereits im Wesentlichen besprochen worden
(Farbgebung, Begrünung). Somit bestehen keine Anhaltspunkte, dass in Bezug auf
die Ausgestaltung der strittigen Mobilfunkantenne noch ein aufwendiges
Beweisverfahren durchgeführt werden müsste. Die rein theoretische Möglichkeit,
dass im weiteren Verfahren neue Beweisanträge gestellt werden, genügt für die
Anerkennung der Voraussetzungen gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG nicht, zumal
nicht vorgebracht wird, dass noch kostspielige Abklärungen erforderlich wären
(vgl. BGE 133 III 629 E. 2.4.2 S. 634).

2.
Auf die Beschwerde kann daher nicht eingetreten werden.
Dem Ausgang des vorliegenden Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten
den Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG). Gemäss Art. 68
Abs. 2 BGG hat die unterliegende Partei in der Regel der obsiegenden alle durch
den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen. Nach der
bundesgerichtlichen Praxis haben obsiegende Parteien grundsätzlich nur dann
Anspruch auf eine Parteientschädigung, wenn sie durch einen externen Anwalt
vertreten sind, und deshalb tatsächlich Anwaltskosten anfallen. Parteien, die
sich wie die Beschwerdegegnerin durch ihren Rechtsdienst vertreten lassen, wird
daher regelmässig keine Parteientschädigung zugesprochen (vgl. Urteil des
Bundesgerichts 1P.68/2007 vom 17. August 2007 E. 5). Da die private
Beschwerdegegnerin nicht durch einen externen Anwalt vertreten wurde, ist ihr
deshalb keine Parteientschädigung zuzusprechen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Beschwerdegegnerin, den
Politischen Gemeinden Roggwil und Berg, dem Departement für Bau und Umwelt
sowie dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Kultur
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. November 2008
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Kappeler