Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.162/2008
Zurück zum Index I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008
Retour à l'indice I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_162/2008 /nip

Urteil vom 24. Oktober 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger,
nebenamtlicher Bundesrichter Rohner,
Gerichtsschreiber Kappeler.

Parteien
A.X.________,
B.X.________,
Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Heer,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Beat Ries,
Stadtrat Lenzburg, 5600 Lenzburg,
Departement Bau, Verkehr und Umwelt des
Kantons Aargau, Abteilung für Baubewilligungen, Entfelderstrasse 22, 5001
Aarau.

Gegenstand
Baubewilligung,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 18. Februar 2008 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Aargau,
3. Kammer.
Sachverhalt:

A.
Der Stadtrat Lenzburg legte vom 16. September bis zum 5. Oktober 2005 ein
Baugesuch der Y.________, Lenzburg, für den Abbruch der Gebäude Nr. 575 und 576
sowie den Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses auf Parz. Nr. 284
(Ziegelackerweg 13) und eines Mehrfamilienhauses auf den Parz. Nr. 284, 3339,
289 bzw. 1898, 2395 und 3352 (Ziegelackerweg 16) in der Ringzone R der Stadt
Lenzburg öffentlich auf. Die Ringzone ist mit einer Umgebungsschutzzone
überlagert. Zudem besteht für das fragliche Gebiet ein sog. Strukturplan
(Strukturplan Altstadt und Umgebung), der das anzustrebende städtebauliche
Grundmuster aufzeigt.

Gegen das Bauvorhaben erhoben unter anderem A.X.________ und B.X.________ als
Eigentümer der Parz. Nr. 566 Einsprache.

B.
Gegen die am 12. April 2006 unter Bedingungen und Auflagen erteilte
Baubewilligung erhoben A.X.________ und B.X.________ Verwaltungsbeschwerde beim
Regierungsrat des Kantons Aargau, der die Beschwerde bezüglich der Liegenschaft
Ziegelackerweg 13 teilweise guthiess und die Sache an den Stadtrat Lenzburg zum
Neuentscheid zurückwies.

Gegen den Entscheid des Regierungsrates erhoben A.X.________ und B.X.________
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau.

C.
Am 31. Oktober 2007 erteilte der Stadtrat Lenzburg die Baubewilligung für das
geänderte Projekt betreffend das Gebäude Ziegelackerweg 13. Diese Bewilligung
blieb unangefochten.

D.
Mit Urteil vom 18. Februar 2008 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau
die bei ihm erhobene Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat.

E.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts erheben A.X.________ und B.X.________
mit Eingabe vom 14. April 2008 beim Bundesgericht Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie stellen die folgenden Anträge:
"1 a) Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom
18. Februar 2008 sei aufzuheben.

Die Baubewilligung des Stadtrates Lenzburg vom 12. April 2006 sei
aufzuheben.

b) Die Kosten des Verfahrens vor den Vorinstanzen seien der
Beschwerdegegnerin aufzuerlegen.

c) Den Beschwerdeführenden sei für das Verfahren vor den Vorinstanzen
eine Parteientschädigung zuzusprechen.
2 Eventuell sei die Angelegenheit zur Neuentscheidung an das
Verwaltungsgericht des Kantons Aargau zurückzuweisen.
3 Unter gesetzlichen Kosten- und Entschädigungsfolgen."

F.
Die Beschwerdegegnerin beantragt in ihrer Stellungnahme, die Beschwerde
abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Verwaltungsgericht des Kantons
Aargau schliesst in seiner Vernehmlassung auf Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit der Beschwerden von Amtes wegen (Art.
29 Abs. 1 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.1 S. 251).

1.1 Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts ist ein Entscheid einer
letzten kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Ihm liegt ein
Beschwerdeverfahren über eine baurechtliche Bewilligung und damit eine
öffentlich-rechtliche Angelegenheit zu Grunde. Das Bundesgerichtsgesetz enthält
auf dem Gebiet des Raumplanungs- und Baurechts keinen Ausschlussgrund von der
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 lit. a und Art.
83 BGG). Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82
lit. a BGG steht somit grundsätzlich zur Verfügung (vgl. BGE 133 II 249 E. 1.2
S. 251; 409 E. 1.1 S. 411).
1.2
1.2.1 Zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist nach Art. 89
Abs. 1 BGG berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder
keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (lit. a), durch den angefochtenen
Entscheid besonders berührt ist (lit. b) und ein schutzwürdiges Interesse an
dessen Aufhebung oder Änderung besitzt (lit. c). Verlangt ist somit neben der
formellen Beschwer, dass der Beschwerdeführer über eine spezifische
Beziehungsnähe zur Streitsache verfügt und einen praktischen Nutzen aus der
Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids zieht. Die Nähe der
Beziehung zum Streitgegenstand muss bei Bauprojekten insbesondere in räumlicher
Hinsicht gegeben sein. Ein schutzwürdiges Interesse liegt vor, wenn die
tatsächliche oder rechtliche Situation des Beschwerdeführers durch den Ausgang
des Verfahrens beeinflusst werden kann (BGE 133 II 409 E. 1.3 S. 413, 400 E.
2.2 S. 404 f., je mit Hinweisen).
1.2.2 Die Beschwerdeführer haben am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen.
Ihre Liegenschaft und das rund 20 m entfernte Baugrundstück stehen in
Sichtverbindung. Vom fraglichen Bauvorhaben und dessen vorhersehbaren
Auswirkungen sind sie in eigenen schutzwürdigen Interessen faktisch betroffen
(Lärmimmissionen, erhöhte Einsehbarkeit des Grundstücks der Beschwerdeführer,
Lichtentzug durch den Baukörper) und zwar in einem erheblich höheren Mass, als
es für die Allgemeinheit zutrifft. Dass der Verzicht auf das Bauvorhaben für
die Beschwerdeführer einen praktischen Nutzen zur Folge hätte, ist
offensichtlich. Sie sind somit gestützt auf Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde
befugt.

1.3 Der angefochtene Entscheid stützt sich in der Sache auf kantonales bzw.
kommunales Planungs- und Baurecht. Da dessen Verletzung keinen Beschwerdegrund
nach Art. 95 BGG darstellt, kann der Entscheid nur darauf überprüft werden, ob
er auf willkürlicher Gesetzesanwendung beruht oder sonst wie gegen
übergeordnetes Recht verstösst (vgl. BGE 133 II 249 E. 1.2.1 S. 251 f.).

Die Beschwerdeführer machen geltend, der angefochtene Entscheid verletze das
Willkürverbot (Art. 9 BV) sowie ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29
Abs. 2 BV, § 22 Abs. 1 KV/AG). Sie bringen somit zulässige Beschwerdegründe
vor.

1.4 Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die
Beschwerde vorbehältlich genügend begründeter Rügen (Art. 106 Abs. 2 i.V.m.
Art. 42 Abs. 2 BGG) einzutreten.

2.
Die Beschwerdeführer rügen in verschiedenen Zusammenhängen, die Vorinstanz sei
nicht ernsthaft auf ihre Argumente eingegangen und habe in ihrer
Entscheidbegründung wesentliche Vorbringen ausser Acht gelassen.

2.1 Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör leitet das Bundesgericht in
ständiger Rechtsprechung die Pflicht der Behörden ab, ihre Verfügungen und
Entscheide zu begründen (BGE 126 I 97 E. 2b S. 102; zu Art. 4 aBV grundlegend
BGE 112 la 107 E. 2b S. 109 f.; vgl. auch Botschaft des Bundesrates über eine
neue Bundesverfassung vom 20. November 1996, BBl 1997 I 182 zu Art. 25). Der
Grundsatz des rechtlichen Gehörs als persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht
verlangt, dass die Behörde die Vorbringen des vom Entscheid in seiner
Rechtsstellung Betroffenen auch tatsächlich hört, sorgfältig und ernsthaft
prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt. In diesem Sinne müssen
wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde
leiten liess und auf welche sich ihr Entscheid stützt (BGE 129 I 232 E. 3.2 S.
236, 126 I 97 E. 2b S. 102, je mit Hinweisen). Was in diesem Sinne
entscheiderheblich ist, ergibt sich aus der Begründung des angefochtenen
Entscheids oder aus einer davon abweichenden Auffassung der Rechtsmittelinstanz
(BGE 121 III 331 E. 3b S. 334). Nicht erforderlich ist jedoch, dass sich die
entscheidende Instanz mit sämtlichen Parteivorbringen, zumal wenn diese
unerheblich oder unzureichend substanziiert sind, auseinandersetzt.

2.2 Die Rüge, die Vorinstanz sei über wesentliche Beschwerdevorbringen zu
Tragweite und Bindungswirkung des Strukturplans hinweggegangen (insbesondere
Beschwerde, Ziff. II.2c, S. 7 ff.), ist unbegründet. Die Vorinstanz hat sich,
insbesondere in E. 2.2 ff., mit den entsprechenden Vorbringen, soweit es diese
als wesentlich erachtete, durchaus befasst; ihrem Urteil sind die massgeblichen
Erwägungen hinreichend deutlich zu entnehmen. In Wirklichkeit bezieht sich die
in der Beschwerde diesbezüglich erhobene Kritik auf die Erwägungen der
Vorinstanz zur Sache selbst und ist in jenem Zusammenhang zu behandeln (vgl. E.
3 nachfolgend). Gleiches gilt, soweit die Beschwerdeführer diese Rüge auch im
Zusammenhang mit dem in der Baubewilligung gewährten Grenzabstand zur Parzelle
Nr. 1912 von einem Meter erheben. Die Vorinstanz hat sich mit den Vorbringen
der Beschwerdeführer zu diesem Thema in E. 3 sinngemäss auseinandergesetzt.
Aufgrund verständlich dargelegter und nachvollziehbarer Erwägungen ist sie
jedoch zum Ergebnis gelangt, dass in der Ringzone die schematische Anwendung
eines bestimmten Grenzabstandes untypisch und rechtsungleich wäre. Damit ist
dem Anspruch auf rechtliches Gehör Genüge getan. Auf die materielle Tragweite
dieser Rügen wird in E. 4 nachfolgend nachgegangen.

2.3 Ferner rügen die Beschwerdeführer als Gehörsverweigerung, dass das
Verwaltungsgericht nicht auf ihr Vorbringen eingegangen sei, der Eigentümer der
Parzelle Nr. 1912 müsse die Freiheit haben, sein Grundstück mit einer 1,8 m
hohen Mauer zu umgeben (gemäss § 19 Abs. 1 lit. a der aargauischen Allgemeinen
Verordnung zum Baugesetz [ABauV/AG]), in einem Grenzabstand von 2 m eine 3 m
hohe Kleinbaute zu erstellen (gemäss § 18 ABauV/AG) oder Obstbäume in einer
Entfernung von 3 m zur Grenze anzupflanzen (gemäss § 88 Abs. 2 des aargauischen
Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch und
Partnerschaftsgesetz vom 27. März 1911 [EG ZGB/AG]). Die Erstellung solcher
Bauten bzw. die Anpflanzung von Obstbäumen auf dem zwischen der Parzelle der
Beschwerdeführer und dem Baugrundstück gelegenen Teil der Parzelle Nr. 1912
steht in keiner Weise zur Diskussion. Die Vorinstanz hat daher keine
Gehörsverletzung begangen, als sie auf die diesbezüglichen Vorbringen der
Beschwerdeführer nicht ausdrücklich eingegangen ist.

2.4 Unbehelflich ist der appellatorische Hinweis, dass die Vorinstanz entgegen
ihrer Praxis keinen Augenschein durchgeführt habe, zumal die Beschwerdeführer
einen solchen Antrag vor der Vorinstanz nicht gestellt haben.

3.
Die Beschwerdeführer werfen dem Verwaltungsgericht vor, die Verbindlichkeit des
Strukturplans und den Umstand verkannt zu haben, dass der Stadtrat seine
Kompetenz, bei Vorliegen anders gearteter Lösungen von der im Strukturplan
vorgesehenen Grundstruktur des Wechsels von Bau- und Freiflächen abzuweichen,
überschritten habe. Indem das Verwaltungsgericht zulasse, dass das Vorhaben von
diesem Grundmuster abweiche und eine im Strukturplan vorgesehene Freifläche
überbaut werde, verfalle es in Willkür.

3.1 Nach bundesgerichtlicher Praxis liegt Willkür vor, wenn der angefochtene
Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in
klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz
krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken
zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht
bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist; dass eine andere
Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht
(BGE 134 I 140 E. 5.4 S. 149, 134 II 124 E. 4.1 S. 133, je mit Hinweisen).

3.2 Im Abschnitt "Planungsinstrumente" bestimmt § 7 der Bauordnung der Stadt
Lenzburg vom 22. Mai 1997 (BO) unter dem Randtitel "Strukturpläne" folgendes:
"1 Für die im Bauzonenplan mit schwarzen Punkten umrahmten zwei Gebiete
"Altstadt und Umgebung" und "Bahnhof - Bahnhofstrasse - Malagarain" bestehen
Strukturpläne im Massstab 1:1000. Es können weitere Strukturpläne erlassen
werden.
2 Die Strukturpläne zeigen das anzustrebende städtebauliche Grundmuster auf,
insbesondere die erhaltenswerten Bauten, die Standorte für Neubauten und die
Freiräume.
3 Von der im Plan vorgesehenen Struktur kann abgewichen werden, sofern eine
städtebaulich gleichwertige Lösung aufgezeigt wird. Der Gemeinderat entscheidet
in der Regel aufgrund von Anträgen der zuständigen Kommissionen."
Zudem nimmt die Bauordnung auch im Zusammenhang mit einzelnen Zonenvorschriften
auf die Strukturpläne Bezug. So lautet der die hier massgebliche Ringzone
betreffende § 20 Abs. 2 BO (Randtitel "Bauweise") wie folgt:
"2 Bauliche Erneuerungen und die Schliessung von Baulücken haben sich gut in
das bestehende, historische Ortsbild einzuordnen und dürfen insbesondere den
Charakter der Altstadt und der weiteren Schutzzonen nicht beeinträchtigen. Die
gewünschte Struktur ist im Strukturplan "Altstadt und Umgebung" festgehalten."

3.3 Die Beschwerdeführer machen geltend, dass dem Strukturplan eine gegenüber
sonstigen Richtplänen erhöhte Verbindlichkeit zukomme. Sie begründen dies
damit, dass die vom Einwohnerrat festgesetzte Bauordnung verschiedentlich auf
den vom Stadtrat (damals: Gemeinderat) beschlossenen Strukturplan verweise und
diesen somit gleichsam zu deren Teilinhalt mache, sowie auch damit, dass die
Bauordnung etwas später (22. Mai 1997) erlassen wurde als der am 30. April 1997
beschlossene Strukturplan.

Strukturpläne haben unbestrittenermassen Richtplancharakter, sind also
behörden-, aber nicht grundeigentümerverbindlich; insbesondere sind sie keine
Sondernutzungspläne. § 7 Abs. 3 BO gibt dem Stadtrat die Kompetenz, bei
"städtebaulich gleichwertigen" Lösungen vom Strukturplan abzuweichen. Es ist
daher nicht willkürlich, wenn das Verwaltungsgericht das Kriterium der
städtebaulichen Gleichwertigkeit als massgeblich für die Zulässigkeit von
Abweichungen gegenüber den im Strukturplan enthaltenen Festlegungen erachtet
und demzufolge die als "Richtplaninhalt" ausgewiesenen Bauoptionen und
Freiflächen lediglich als nicht zwingende Möglichkeiten ansieht, von denen
abgewichen werden kann, solange gewährleistet bleibt, dass der vom Strukturplan
angestrebte Wechsel zwischen Bauten und Freiräumen als städtebauliches
Grundmuster erhalten bleibt.

Das Verwaltungsgericht hält unwidersprochen fest, dass das vorliegende Projekt
aus einem Architekturwettbewerb hervorgegangen ist und unter Mitwirkung der
Stadtbildkommission und des kantonalen Ortsbildpflegers entwickelt wurde, nach
dem Urteil dieser Stellen urbanistische Qualität aufweist und sich gut in das
vorhandene städtebauliche Muster einfügt. Es ist daher nicht willkürlich, wenn
das Verwaltungsgericht sich der Beurteilung seiner Vorinstanzen anschliesst,
welche die städtebauliche Gleichwertigkeit mit den Vorgaben des Strukturplans
bejaht haben. Die einschränkende Auffassung der Beschwerdeführer, den
expliziten Festlegungen des Strukturplans komme, zumal angesichts der bereits
in erheblichem Ausmass vorhandenen Bauten, eine weitergehende Verbindlichkeit
zu, so dass von einzelnen im Plan festgehaltenen "Bauoptionen" und "Freiräumen"
höchstens in untergeordnetem Ausmass abgewichen werden könne, ist zumindest
nicht zwingend. Sie findet weder in der Bauordnung noch im Wortlaut der
Richtplanfestlegungen eine Stütze und lässt die Auffassung des
Verwaltungsgerichts, welches unter Beachtung der Planungsautonomie der Stadt
Lenzburg im fraglichen Bauvorhaben und den ihm zugrunde liegenden,
nachvollziehbaren Erwägungen keinen Verstoss gegen die Bauordnung der Stadt
Lenzburg erblickt, nicht als willkürlich erscheinen.

3.4 Die Beschwerdeführer werfen dem Verwaltungsgericht und den kantonalen
Vorinstanzen einen Verstoss gegen Treu und Glauben vor, indem sie die Erwartung
der "Bewohner und Eigentümer der andern angrenzenden Liegenschaften", die auf
das Fortbestehen der bestehenden Freifläche hätten vertrauen dürfen, enttäuscht
hätten.

Da der Strukturplan nach § 6 Abs. 1 BO nicht grundeigentümerverbindlich ist und
§ 7 Abs. 3 BO zudem ein Abweichen von der im Plan aufgezeigten Struktur
zulässt, sofern eine städtebaulich gleichwertige Lösung aufgezeigt wird, stellt
er gegenüber den Grundeigentümern keine behördliche Zusicherung bestimmter
konkreter Zustände (Fortbestehen der bestehenden Freifläche) oder
Nutzungsmöglichkeiten dar. Die Vorinstanz hat daher mit ihrem Entscheid, mit
welchem sie die angefochtene Baubewilligung des Stadtrates Lenzburg betreffend
Liegenschaft Ziegelackerweg 16 geschützt hat, keine aus der Bundesverfassung
ableitbaren Ansprüche der Beschwerdeführer auf Behandlung nach Treu und Glauben
verletzt.

4.
Die Beschwerdeführer erblicken Willkür und Rechtsungleichheit im Umstand, dass
das Verwaltungsgericht den im Bauprojekt vorgesehenen Grenzabstand des
südlichen Teils des projektierten Gebäudes von der Westgrenze der Parzelle Nr.
1912 unbeanstandet gelassen hat. Das Grundstück der Beschwerdeführer grenzt
zwar nicht unmittelbar an das Baugrundstück an, liegt aber doch in erheblicher
Nähe (vgl. oben E. 1.2.2), und die Frage des Grenzabstandes wirkt sich im
Ergebnis auch auf den Abstand der projektierten Baute zum Grundstück und zum
Gebäude der Beschwerdeführer aus.

4.1 Die Gemeinden haben nach § 47 Abs. 1 des aargauischen Gesetzes über
Raumplanung, Umweltschutz und Bauwesen vom 19. Januar 1993 (Baugesetz, BauG/AG)
Grenz- und Gebäudeabstände vorzuschreiben. Die Bauordnung der Stadt Lenzburg
enthält in § 10 entsprechende Vorschriften; für verschiedene Zonen
(Altstadtzone [§ 11 ff.], übrige sog. Schutzzonen [§ 18 f.], Ringzone [§ 20]
und Spezialzone [§ 21 BO]) werden die Grenzabstände laut § 10 BO aber nicht
generell-abstrakt, sondern im Einzelfall durch den Gemeinderat (heute:
Stadtrat) festgelegt, was § 20 Abs. 3 BO für die Ringzone eigens wiederholt.
Die Beschwerdeführer rügen diese Regelung nicht als gesetzwidrig.

4.2 Der Stadtrat hat erwogen, dass die analoge Anwendung der
Grenzabstandsregelung einzelner anderer Zonen - so insbesondere der von den
Beschwerdeführern postulierte Grenzabstand von 4 Metern der Zone WG 11.5 -
angesichts der besonderen urbanistischen Aufgabenstellung in der Ringzone nicht
zu befriedigenden Lösungen führe. Die vorliegende Lösung habe er angesichts des
hier vorherrschenden unregelmässigen Überbauungsmusters und der bei bestehenden
Gebäuden gegebenen geringen oder sogar fehlenden Grenzabstände getroffen.
4.2.1 Die Beschwerdeführer erachten einen Grenzabstand von weniger als 4 Metern
als ungerechtfertigt. Sie legen dar, dass diejenigen bestehenden Bauten, welche
einen geringeren oder keinen Grenzabstand aufwiesen, entweder lange vor dem
Erlass der Bauordnung von 1997 erstellt worden seien oder sich sonst an die
Bauoptionen des Strukturplans hielten. Nach ihrer Auffassung verfällt das
Verwaltungsgericht in Willkür und Rechtsungleichheit, wenn es geringere
Grenzabstände auch bei Bauvorhaben ausserhalb der im Strukturplan enthaltenen
Bauoptionen zulässt.
4.2.2 Wie in E. 3 hiervor dargelegt wurde, durfte das Verwaltungsgericht ohne
Willkür erwägen, dass die Bauoptionen des Strukturplans nicht zwingende
Vorgaben sind und auch abweichende bzw. andere Lösungen zulassen, die mit
vertretbaren Gründen als städtebaulich gleichwertig angesehen werden können.
Diese Erwägungen gelten auch im vorliegenden Zusammenhang. Insoweit ist den
Rügen der Willkür und der Rechtsungleichheit, soweit sie überhaupt als
hinreichend belegt anzusehen sind, der Boden entzogen. - Eine städtebaulich
gleichwertige Abweichung von den Baubereichen des Strukturplans bildet auch
nicht per se eine Verletzung der Rechtsgleichheit. Vielmehr ist nach diesem
Grundrecht Gleiches nach Massgabe seiner Gleichheit gleich, Ungleiches aber
ungleich zu behandeln. Wie das Verwaltungsgericht darlegt, hat der kommunale
Gesetzgeber die Grenzabstandsregelung für die Ringzone und andere besondere
Zonen gerade im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse des Einzelfalls
getroffen, damit der Stadtrat hier jeweils die von der Rechtsgleichheit
gebotenen Differenzierungen vornehmen kann. Die Beschwerdeführer bringen gegen
diese Argumentation nichts Durchschlagendes vor. Wenn das Verwaltungsgericht
bei dieser Sachlage die Erwägungen des Stadtrates sachlich und auch mit
Rücksicht auf die Gemeindeautonomie unbeanstandet gelassen hat, liegt darin
kein Verstoss gegen die Rechtsgleichheit.

4.3 Dass Grenz- und Gebäudeabstände unterschiedliche Funktionen haben können,
geht aus dem angefochtenen Entscheid selber hervor. Die Beschwerdeführer rügen
nicht, dass bestimmte Vorschriften über Gebäudeabstände verletzt seien. Sie
deuten indes an, es würde zu Rechtsungleichheiten führen, wenn der früher
Bauwillige seine Bauten bis an die Grenze setzen könnte, während der später
bauwillige Nachbar seine Bauten dann über den vorgeschriebenen Grenzabstand
hinaus zurücksetzen müsste, um den Gebäudeabstand einzuhalten.

Die sehr kleine Parzelle Nr. 566 der Beschwerdeführer ist praktisch vollständig
überbaut; nach Westen hin ist lediglich ein sehr schmaler Landstreifen noch
frei. Die Beschwerdeführer machen nicht geltend, dass eine Überbauung dieses
Streifens wegen des Gebäudeabstandes zur projektierten Baute verunmöglicht
werde. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit erscheint es daher nicht
als verfassungswidrig, wenn für den südlichen Teil des strittigen Bauvorhabens
gegenüber der Westgrenze der Parzelle Nr. 1912 ein Grenzabstand von lediglich
einem Meter vorgesehen ist.

5.
Die Beschwerdeführer rügen als willkürlich, dass die Vorinstanz zwar zu Recht
festhalte, der Regierungsrat des Kantons Aargau hätte nach dem Grundsatz der
Einheit der Baubewilligung die bei ihm angefochtene Baubewilligung
richtigerweise als Ganzes aufheben müssen, dann aber ohne Begründung ausführe,
dass dieses gebotene Vorgehen keine Auswirkungen auf den Kostenentscheid gehabt
hätte. Richtigerweise hätten bei diesem Sachausgang der Bauherrschaft die
Kosten und eine Parteientschädigung auferlegt werden müssen (§ 33 Abs. 2 und §
36 des aargauischen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 9. Juli 1968
[Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRPG/AG]). Der Entscheid des
Verwaltungsgerichts sei insoweit willkürlich und verstosse mangels
hinreichender Begründung auch gegen den Anspruch der Beschwerdeführer auf
rechtliches Gehör.

5.1 Die Regelung des Verfahrens in kantonalen Verwaltungssachen ist Sache des
kantonalen Rechts. Das Bundesgericht kann dessen Anwendung nur im Rahmen der
Beschwerdegründe nach Art. 95 f. BGG überprüfen; im vorliegenden Zusammenhang
wird in der Sache denn auch nur der Beschwerdegrund des Verstosses gegen das
Willkürverbot angerufen.

5.2 Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts hätte der Regierungsrat in seinem
Entscheiddispositiv die Beschwerde teilweise gutheissen, aber den angefochtenen
Entscheid (in vollem Umfang) aufheben müssen. Es leuchtet ein, dass - soweit
der Grundsatz der Einheit der Baubewilligung gilt - die Gutheissung eines
Rechtsmittels zur Aufhebung der Bewilligung insgesamt führen muss; dies auch
dann, wenn die Gutheissung nur in einem Teilaspekt erfolgt ist. Hievon zu
unterscheiden ist die Frage nach den Kosten- und Entschädigungsfolgen eines
solchen Entscheides. Es handelt sich um eine Folgefrage, bei der
Differenzierungen nicht zum Vornherein ausgeschlossen sind.

Nach § 33 Abs. 2 VRPG/AG sind in Beschwerdeverfahren die Kosten in der Regel
dem Unterliegenden aufzuerlegen (Satz 1). Bei teilweiser Gutheissung der
Beschwerde sind die Kosten anteilmässig zu verlegen (Satz 2). Die
Beschwerdeführer treten der Auffassung der Vorinstanz, dass nach aargauischem
Recht eine teilweise Gutheissung der Beschwerde, wenn auch mit vollständiger
Aufhebung der angefochtenen Baubewilligung, angebracht war, nicht entgegen. Ist
demnach eine Teilgutheissung eines Rechtsmittels in Verbindung mit
vollständiger Aufhebung des angefochtenen Entscheids möglich, so steht die
darauf aufbauende Erwägung der Vorinstanz, dass ein solcher Entscheid an der
vom Regierungsrat getroffenen Kostenregelung nichts geändert hätte, zumindest
nicht in offenkundigem Widerspruch zur einschlägigen Verfahrensordnung. Da die
Beschwerdeführer diesbezüglich keine weiteren Argumente gegen die Auffassung
der Vorinstanz vorbringen, dringen ihre Rügen nicht durch. - Im Zusammenhang
mit der Parteientschädigung gilt sinngemäss dasselbe. Zwar verweist § 36 Abs. 1
VRPG/AG nicht explizit auf § 33 Abs. 2 VRPG/AG, geht aber von vergleichbaren
Grundsätzen aus, indem der obsiegenden Partei eine angemessene Entschädigung
zuzusprechen (Satz 1) und diese den Umständen entsprechend dem Unterliegenden
oder dem interessierten Gemeinwesen oder beiden anteilweise aufzuerlegen ist
(Satz 2). Es kann daher auf die vorstehenden Erwägungen verwiesen werden.

5.3 Unbegründet ist die auch in diesem Zusammenhang erhobene Rüge mangelnder
Begründung des angefochtenen Entscheides. Es kann diesbezüglich auf die
allgemeinen Überlegungen in E. 2 hiervor verwiesen werden. Die Erwägungen im
angefochtenen Urteil sind diesbezüglich zwar knapp, lassen aber die leitenden
Gedanken des Verwaltungsgerichts durchaus erkennen, so dass auch eine
sachgerechte Anfechtung möglich war.

6.
Die Beschwerde ist daher abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

Dem Ausgang des vorliegenden Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten
den unterliegenden Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese
haben die private Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren
angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1, 2 und 4 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführer haben der privaten Beschwerdegegnerin für das
bundesgerichtliche Verfahren unter solidarischer Haftung eine
Parteientschädigung von insgesamt Fr. 3'000.-- zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Stadtrat Lenzburg, dem Departement Bau,
Verkehr und Umwelt und dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 3. Kammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. Oktober 2008
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Kappeler