Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.140/2008
Zurück zum Index I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008
Retour à l'indice I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 1/2}
1C_140/2008

Urteil vom 17. März 2009
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Reeb, Fonjallaz, Eusebio,
Gerichtsschreiber Steinmann.

1. Parteien
Demokratische Juristinnen und Juristen DJB, handelnd durch Gerhard Hauser,
2. Grüne Partei Bern - Demokratische Alternative GPB-DA, handelnd durch Luzius
Theiler,
3. Gewerkschaftsbund Thun, handelnd durch
Udo Michel und Adrian Durtschi,
4. Calogero Mirabile,
5. Martin von Allmen,
6. Daniel Rieder,
7. Rahel Rieder,
8. Christa Steiner-Hardegger,
9. David Steiner,
10. Tobias Steiner,
11. Gabriela Bernet-Moser,
12. Georg Meyer,
13. Adrian Durtschi,
Beschwerdeführer, alle vertreten durch Fürsprecher
Dr. Michel Heinzmann,

gegen

Stadt Thun, Abteilung Sicherheit, Hofstettenstrasse 14, Postfach 145, 3602
Thun.

Gegenstand
Teilrevision des Ortspolizeireglements der Stadt Thun,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 13. Februar 2008 des Regierungsrats des
Kantons Bern.
Sachverhalt:

A.
Der Stadtrat von Thun (Gemeindeparlament) verabschiedete am 2. November 2006
eine Teilrevision des Ortspolizeireglementes der Stadt Thun vom 27. Juli 2002
(OPR). Die Revision ergänzte das Reglement u.a. mit Bestimmungen über
Kundgebungen auf öffentlichem Grund (Art. 11b-11f OPR) und entsprechenden
Strafbestimmungen (Art. 31 Abs. 1 OPR).
Diese neuen Bestimmungen des Ortspolizeireglementes haben folgenden Wortlaut:
Art. 11b - Kundgebungen auf öffentlichem Grund, 1. Bewilligungspflicht
1 Als Kundgebungen (wie z.B. Umzüge, Demonstrationen und Versammlungen) gelten
Veranstaltungen mit ideellem Inhalt und einer Appellwirkung, welche von
mehreren Personen getragen wird.
2 Kundgebungen auf öffentlichem Grund sind nur mit einer vorgängigen
Bewilligung des zuständigen Organs erlaubt. Vorbehalten bleibt Art. 11d.
3 Eine Bewilligung wird erteilt, wenn ein geordneter Ablauf der Kundgebung
gesichert und die Beeinträchtigung von andern Benutzern und Benutzerinnen des
öffentlichen Grundes zumutbar erscheint.
4 Die Bewilligung ist mit geeigneten Auflagen wie z.B. betreffend Zeitpunkt und
Dauer, Route, Ansprechperson, Ordnungs- und Sicherheitsdienst zu verbinden.
Art. 11c - 2. Bewilligungsgesuch
1 Das Gesuch muss insbesondere folgende Angaben enthalten:
a) Datum der Kundgebung,
b) Art der Kundgebung,
c) Thema der Kundgebung,
d) Veranstaltende Organisation(en),
e) Erwartete Anzahl Teilnehmer und Teilnehmerinnen,
f) Besammlungsort,
g) Umzugsroute,
h) Zeitlicher Ablauf,
i) Infrastruktur (Mittel, Einrichtungen),
j) Personalien der verantwortlichen Person.
2 Formulare werden von der zuständigen Abteilung zur Verfügung gestellt.
Art. 11d - 3. Meldepflicht für spontane Kundgebungen
1 Kundgebungen sind spontan, wenn sie als unmittelbare Reaktion auf ein
unvorhergesehenes Ereignis spätestens am zweiten Tag nach Bekanntwerden dieses
Ereignisses durchgeführt werden.
2 Sie müssen nicht bewilligt werden, sind aber meldepflichtig. Die Meldung muss
alle Informationen nach Art. 11c Abs. 1 enthalten.
Art. 11e - 4. Pflichten der Organisierenden
1 Die Organisierenden von bewilligungspflichtigen Kundgebungen
a) holen vorgängig die Bewilligung nach Art. 11b ein und halten diese während
der Kundgebung ein,
b) sind vom Einreichen des Gesuchs bis zum Ende der Kundgebung Ansprechpersonen
für das zuständige Organ und halten den Kontakt mit diesem aufrecht,
c) stellen mit einem Organisationsdienst die Einhaltung der Bewilligung
inklusive der Auflagen sicher.
2 Die Organisierenden von spontanen Kundgebungen
a) melden diese dem zuständigen Organ gleichzeitig mit dem Aufruf zur
Kundgebung,
b) sind vom Einreichen der Meldung bis zum Ende der Kundgebung Ansprechpersonen
für das zuständige Organ und halten den Kontakt mit diesem aufrecht,
c) stellen soweit wie möglich mit dem Organisationsdienst oder auf andere Weise
einen geordneten Ablauf der Veranstaltung sicher.
Art. 11f - 5. Verhalten der teilnehmenden Personen
1 Die Teilnahme an einer unbewilligten Kundgebung nach Art. 11b ist untersagt.
Das Erscheinen am Besammlungsort gilt bereits als Teilnahme.
2 Die Teilnehmenden bleiben straffrei, wenn die Kundgebung friedlich verläuft,
wenn sie sich freiwillig von der Kundgebung entfernen oder wenn sie einer
Aufforderung nach Abs. 3 folge leisten.
3 An einer Kundgebung teilnehmende Personen haben sich unverzüglich zu
entfernen, wenn sie von den Polizeiorganen dazu aufgefordert werden.
Art. 11g - 6. Orientierung des Gemeinderates
Das für die Bewilligung zuständige Organ orientiert den Gemeinderat
insbesondere rechtzeitig
a) über nicht bewilligungspflichtige Kundgebungen,
b) über seine allfällige Absicht, eine Bewilligung zu verweigern, eine
Spontankundgebung zu verbieten oder das Kundgebungsrecht zeitlich und örtlich
zu beschränken.
Ausserdem revidierte der Stadtrat Art. 31 Abs. 1 des Ortspolizeireglementes und
ergänzte die Bestimmungen, deren Verletzung unter Strafe steht, mit den neu
beschlossenen Art. 11a, Art. 11e Abs. 1 und Abs. 2 lit. a und b sowie Art. 11f
Abs. 1 und 3.
Dieser Stadtratsbeschluss wurde im Amtsblatt vom 9. November 2006 publiziert.
Er unterstand dem fakultativen Referendum.

B.
Diesen Beschluss des Stadtrates fochten der Gewerkschaftsbund Thun und ein
Mitbeteiligter beim Regierungsstatthalter Thun mit Gemeindebeschwerde an, mit
dem Antrag auf gänzliche Aufhebung. Parallel dazu führten die Demokratischen
Juristinnen und Juristen Bern DJB und weitere Mitbeteiligte beim
Regierungsstatthalter Gemeindebeschwerde und verlangten im Wesentlichen die
Aufhebung von Art. 11f Abs. 1 und 3 des Ortspolizeireglementes. Der
Regierungsstatthalter von Thun wies die vereinigten Rechtsmittel am 23. Mai
2007 ab.
Die Beschwerdeführer gelangten mit getrennten Beschwerden und entsprechenden
Anträgen an den Regierungsrat des Kantons Bern. Dieser fasste beide Beschwerden
zusammen und wies sie mit Entscheid vom 13. Februar 2008 ab.
Er hielt im Wesentlichen fest, dass Art. 11b OPR im Einklang mit Art. 19 der
Berner Kantonsverfassung stehe und die nach Art. 11c OPR geforderten Angaben
erforderlich seien zur Beurteilung eines Ersuchens und für die Planung
allfälliger begleitender Massnahmen. Mit Art. 11d OPR würden die
Voraussetzungen für spontane Demonstrationen geschaffen. Eine Differenzierung
zwischen eigentlichen Grossdemonstrationen und kleineren Umzügen sei
entbehrlich. Unzulässig seien Demonstrationen gleichermassen, wenn eine
Bewilligung verweigert oder gar nicht um eine solche ersucht wird, was zu einem
behördlichen Handeln und zu allfälliger Verhinderung der Manifestation führen
könne. Eine Verhinderung einer Kundgebung allein wegen der Umgehung der
Bewilligungspflicht sei indes unverhältnismässig; diesfalls müssten die
Bewilligungsvoraussetzungen nachträglich geprüft werden. Dies wirke sich auf
die Strafbarkeit der Teilnehmer und Teilnehmerinnen von unbewilligten
Kundgebungen aus; die Strafbarkeit entfalle, wenn die Kundgebung tatsächlich
friedlich verläuft und sich die Teilnehmenden freiwillig oder auf Aufforderung
der Polizei hin von der Kundgebung entfernen. Zur Durchsetzung der Regelung
dürfe sich die Stadt Thun des Strafrechts bedienen. Dabei lasse sich der
Begriff der Teilnahme in hinreichender Weise von zufälliger Anwesenheit
abgrenzen. Den Kantonen und Gemeinden bleibe nach Art. 335 Abs. 1 StGB die
Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht vorbehalten. Dem stehe Art. 292
StGB nicht entgegen. Die Tatbestandsumschreibung im Ortspolizeireglement sei
hinreichend klar umschrieben und lasse eine verfassungskonforme Handhabung zu.

C.
Gegen diesen Entscheid des Regierungsrates haben die Demokratischen Juristinnen
und Juristen DJB und die weitern Mitbeteiligten sowie der Gewerkschaftsbund
Thun und ein weiterer Mitbeteiligter in einer gemeinsamen Eingabe vom 31. März
2008 beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
erhoben. Sie ersuchen um Aufhebung des angefochtenen Beschwerdeentscheides des
Regierungsrates, der Bestimmungen von Art. 11d, Art. 11e Abs. 2 und Art. 11f
des Ortspolizeireglementes sowie der entsprechenden Passagen in Art. 31 des
Ortspolizeireglementes. Sie rügen hinsichtlich der Strafbestimmungen mit Blick
auf Art. 260 StGB eine Verletzung des Vorrangs von Bundesrecht gemäss Art. 49
Abs. 1 BV. Die Gemeindeautonomie erachten sie als verletzt, weil den Gemeinden
die Kompetenz zum Erlass von Strafbestimmungen fehle. Ferner rügen sie
Verletzungen der Meinungsfreiheit gemäss Art. 19 Abs. 2 der Berner
Kantonsverfassung. Diese erblicken sie einerseits im Umstand, dass bloss
Teilnehmende in unverhältnismässiger Weise mit Strafe belegt werden könnten.
Andererseits bemängeln sie, dass mit der vorgesehenen Meldepflicht spontane
Kundgebungen verunmöglicht würden und sich die "Organisierenden" aufgrund der
unverhältnismässigen Meldepflicht strafbar machten.
Die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern für den
Regierungsrat und die Stadt Thun beantragen die Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerdeführer stellen im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle
gemäss Art. 82 lit. b BGG die Verfassungsmässigkeit der Revision des Thuner
Ortspolizeireglementes (ORP) in Frage. Soweit dieses kommunale Recht, wie im
vorliegenden Fall, einem kantonalen Rechtsmittel untersteht, werden die Kantone
nach Art. 87 Abs. 2 i.V.m. Art. 86 Abs. 2 BGG als Vorinstanz des Bundesgerichts
wohl eine obere gerichtliche Instanz einzusetzen haben. Die Voraussetzungen von
Art. 86 Abs. 3 BGG, wonach die Kantone für Entscheide mit vorwiegend
politischem Charakter anstelle eines Gerichts eine andere Behörde als
unmittelbare Vorinstanz des Bundesgerichts einsetzen können, dürften nicht
erfüllt sein (Heinz Aemisegger/Karin Scherrer, in: Basler Kommentar zum BGG,
Art. 87 N. 3 f., mit Hinweisen auf zustimmende und abweichende Lehrmeinungen;
vgl. überdies Yves Donzallaz, Loi sur le Tribunal fédéral, Bern 2008, N. 3021).
Das Bundesgerichtsgesetz räumt den Kantonen mit Art. 130 Abs. 3 eine
Übergangsfrist von zwei Jahren für den Erlass von entsprechenden Bestimmungen
ein (vgl. nunmehr Art. 74 Abs. 2 lit. b des Gesetzes über die
Verwaltungsrechtspflege des Kantons Bern in der auf den 1. Januar 2009 in Kraft
gesetzten Fassung, welcher für die Anfechtung von kommunalen Erlassen anstelle
des Regierungsrates das Verwaltungsgericht als zuständige Behörde vorsieht).
Damit erweist sich die gegen den Entscheid des Regierungsrates gerichtete
Beschwerde als zulässig.
Zur Anfechtung eines kantonalen oder kommunalen Erlasses ist gemäss Art. 89
Abs. 1 lit. b und c BGG legitimiert, wer durch den Erlass aktuell oder virtuell
besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Änderung oder
Aufhebung hat; das schutzwürdige Interesse kann rechtlicher oder tatsächlicher
Natur sein (BGE 133 I 286 E. 2.2 S. 289). Die Legitimation der
Beschwerdeführer, die am Verfahren vor dem Regierungsrat teilgenommen haben,
ist im Grundsatz zu bejahen, ohne dass sie in Bezug auf jede einzelne Partei
näher zu prüfen wäre.
Der angefochtene Entscheid des Regierungsrates ist teils am 15. Februar 2008,
teils erst später in Empfang genommen worden. Damit erweist sich die Beschwerde
vom 31. März 2008 als rechtzeitig.

1.2 Das Bundesgericht prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem
Recht nach Art. 106 Abs. 2 BGG nur insoweit, als eine solche Rüge vorgebracht
und begründet wird. Es ist im jeweiligen Sachzusammenhang zu prüfen, ob die
Beschwerdeschrift diesen Anforderungen genügt.

2.
Die Beschwerdeführer rügen hinsichtlich der im Ortspolizeireglement enthaltenen
Strafbestimmungen eine Verletzung der Gemeindeautonomie. Hierfür verweisen sie
zum einen auf Art. 19 Abs. 2 der bernischen Kantonsverfassung (KV/BE), wonach
Kundgebungen auf öffentlichem Grund durch Gesetz bewilligungspflichtig erklärt
werden können und zu gestatten sind, wenn ein geordneter Ablauf gesichert und
die Beeinträchtigung der andern Benutzer zumutbar erscheint; zum andern auf
Art. 58 Abs. 1 des bernischen Gemeindegesetzes (GG; BSV 170.11), welcher den
Gemeinden erlaubt, zur Durchsetzung ihrer Erlasse Bussen anzudrohen, soweit
nicht eidgenössische oder kantonale Strafvorschriften entgegenstehen. Mit
diesen blossen Hinweisen und mangels Auseinandersetzung mit den Erwägungen des
Regierungsrates, wonach die kommunalen Strafnormen mit Blick auf Art. 335 und
Art. 292 StGB zulässig erscheinen (E. 9), begründen die Beschwerdeführer die
Autonomierüge nicht in einer den Anforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG
genügenden Weise. Eine Verletzung der Gemeindeautonomie ist überdies nicht
ersichtlich, nachdem die im Reglement enthaltenen Strafnormen von den
kantonalen Behörden nicht beanstandet worden sind. Demnach ist die Beschwerde
in diesem Punkte abzuweisen, soweit darauf überhaupt einzutreten ist.

3.
Bei der Prüfung der Verfassungsmässigkeit eines Erlasses im Rahmen der
abstrakten Normkontrolle ist nach der Rechtsprechung massgebend, ob der
betreffenden Norm nach anerkannten Auslegungsregeln ein Sinn zugemessen werden
kann, der sie mit den angerufenen Verfassungs- oder EMRK-Garantien vereinbaren
lässt. Das Bundesgericht hebt eine kantonale (oder kommunale) Norm nur auf,
sofern sie sich jeglicher verfassungs- und konventionskonformen Auslegung
entzieht, nicht jedoch, wenn sie einer solchen in vertretbarer Weise zugänglich
bleibt. Dabei wird auf die Tragweite des Grundrechtseingriffs, die Möglichkeit,
bei einer späteren Normkontrolle einen hinreichenden verfassungsrechtlichen
Schutz zu erhalten, die konkreten Umstände, unter denen die Norm zur Anwendung
kommt, sowie die Möglichkeit einer Korrektur und die Auswirkungen auf die
Rechtssicherheit abgestellt. Der blosse Umstand, dass die angefochtene Norm in
einzelnen Fällen auf eine verfassungswidrige Weise angewendet werden könnte,
führt für sich allein noch nicht zu deren Aufhebung (BGE 133 I 77 E. 2 S. 79;
130 I 26 E. 2.1 S. 31; 128 I 327 E. 3.1 S. 334). Wie es sich damit verhält, ist
nach Prüfung der vorgebrachten Rügen zu beurteilen (vgl. BGE 109 la 273 E. 2a
S. 277).

4.
Die Beschwerdeführer rügen vorerst hinsichtlich der im Ortspolizeireglement
enthaltenen Strafbestimmungen eine Verletzung des Vorrangs von Bundesrecht nach
Art. 49 Abs. 1 BV. Sie machen geltend, der Straftatbestand des
Landfriedensbruchs gemäss Art. 260 StGB lasse der Stadt Thun keinen Raum zum
Erlass von Strafbestimmungen im Zusammenhang mit (nicht friedlichen)
Kundgebungen.
Der Grundsatz des Vorrangs von Bundesrecht nach Art. 49 Abs. 1 BV schliesst in
Sachgebieten, welche die Bundesgesetzgebung abschliessend regelt, eine
Rechtssetzung durch die Kantone aus. In Sachgebieten, die das Bundesrecht nicht
abschliessend ordnet, dürfen die Kantone nur solche Vorschriften erlassen, die
nicht gegen Sinn und Geist des Bundesrechts verstossen und dessen Zweck nicht
beeinträchtigen oder vereiteln. Der Grundsatz der derogatorischen Kraft des
Bundesrechts kann als verfassungsmässiges Individualrecht angerufen werden. Das
Bundesgericht prüft mit freier Kognition, ob die kantonale Norm mit dem
Bundesrecht in Einklang steht (BGE 134 I 125 E. 2.1 S. 128; 133 I 286 E. 3.1 S.
290, mit Hinweisen).
Gemäss Art. 123 Abs. 1 BV ist die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Strafrechts
Sache des Bundes. Der Bundesgesetzgeber ermächtigt indes die Kantone, aufgrund
von Art. 335 StGB eigene strafrechtliche Bestimmungen zu erlassen. Der
Regierungsrat hat dargelegt, dass die Stadt Thun unter dem Gesichtswinkel von
Art. 335 Ziff. 1 Abs. 2 StGB und in Anbetracht der Delegation in Art. 58 GG
grundsätzlich befugt ist, zur Durchsetzung des kommunalen Verwaltungsrechts
Strafbestimmungen zu erlassen (vgl. hierzu BGE 129 IV 276 E. 2.1 S. 279; 117 Ia
472 E. 2b S. 476; 115 Ia 234 E. 12c/cc S. 274). Die Beschwerdeführer stellen
diese Auffassung nicht in Frage. Demnach ist von der grundsätzlichen Befugnis
der Stadt Thun zum Erlass von Strafnormen auszugehen und daher einzig zu
prüfen, ob die kommunalen Strafbestimmungen spezifisch im Widerspruch zu Art.
260 StGB stehen.
Der Regierungsrat (E. 9) hat, wie auch schon der Regierungsstatthalter (E. 15),
dargelegt, dass die eidgenössische Ordnung im Strafgesetzbuch die strafbaren
Handlungen gegen die öffentliche Ordnung (Art. 258 - Art. 264) nicht
abschliessend ordnet. Dies trifft nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
auch auf Art. 260 StGB zu (BGE 117 Ia 472 E. 2b S. 475). Daher wird Bundesrecht
nicht verletzt, wenn Verstösse gegen das Ortspolizeireglement im Allgemeinen
unter Strafe gestellt werden.
Nach dem Tatbestand des Landfriedesbruchs gemäss Art. 260 StGB wird bestraft,
wer an einer öffentlichen Zusammenrottung teilnimmt, bei der mit vereinten
Kräften gegen Menschen oder Sachen Gewalttätigkeiten begangen werden; die
Teilnehmer bleiben straffrei, wenn sie sich auf behördliche Aufforderung hin
entfernen und nicht selbst Gewalt anwenden oder zur Gewaltanwendung auffordern.
Der Straftatbestand erfordert eine öffentliche Zusammenrottung und mit
vereinten Kräften gegen Menschen und Sachen begangene Gewalttätigkeiten (BGE
124 IV 269 E. 2b S. 270, mit Hinweisen).
Demgegenüber stellt Art. 31 Abs. 1 OPR zum einen Verletzungen von Art. 11e Abs.
1 und Abs. 2 lit. a und b OPR durch die Organisatoren unter Strafe. Zum andern
ahndet Art. 31 Abs. 1 OPR Missachtungen von Art. 11f Abs. 1 und 3 OPR, wonach
die Teilnahme an einer unbewilligten Kundgebung und das Erscheinen am
Besammlungsort untersagt sind sowie die Teilnehmer auf polizeiliche
Aufforderung hin zur Entfernung verpflichtet sind. Diese Pflichten und die
Ahndung von Verletzungen weisen keinen spezifischen Zusammenhang mit Art. 260
StGB auf. Sie dienen in allgemeiner Weise der Durchsetzung der im
Ortspolizeireglement enthaltenen Vorschriften über öffentliche Kundgebungen. Es
soll die Durchführung von nicht bewilligten Kundgebungen verhindert werden
(Art. 11f Abs. 1 und 3 OPR), und den Ordnungskräften soll die Möglichkeit
eingeräumt werden, mit Entferungsaufforderungen - bei unbewilligten
Kundgebungen gleichermassen wie bei bewilligten - die öffentliche Ordnung und
Sicherheit aufrechtzuerhalten. Damit greifen die entsprechenden Strafnormen des
Ortspolizeireglementes nicht in den Straftatbestand des Landfriedensbruchs
gemäss Art. 260 StGB ein.

Demnach ist die Rüge der Verletzung von Art. 49 Abs. 1 BV bzw. von Art. 260
StGB abzuweisen.

5.
Die Beschwerdeführer berufen sich in der Hauptsache in allgemeiner Weise auf
die Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit, ohne im Einzelnen darzutun,
ob sie sich auf die Garantien von Art. 16 und Art. 22 BV stützen oder aber auf
Art. 19 der Kantonsverfassung des Kantons Bern (KV/BE). Demgegenüber hat der
Regierungsrat im angefochtenen Entscheid dargelegt, dass das
Bundesverfassungsrecht mit den genannten Bestimmungen keine ausdrückliche
Garantie der Demonstrationsfreiheit enthalte, hingegen Art. 19 Abs. 2 KV/BE
einen bedingten Anspruch auf Erteilung einer Bewilligung zur Durchführung von
Kundgebungen auf öffentlichem Grund vermittle und daher gegenüber der
Bundesverfassung weiter gehe und einen eigenständigen Gehalt aufweise.
Unter dem Titel Versammlungs- und Vereinsfreiheit hält Art. 19 Abs. 2 KV/BE
fest, dass Kundgebungen auf öffentlichem Grund durch Gesetz einer
Bewilligungspflicht unterstellt werden können und dass solche zu gestatten
sind, wenn ein geordneter Ablauf gesichert und die Beeinträchtigung der anderen
Benutzerinnen und Benutzer zumutbar erscheint. Daraus folgt, dass bei gegebenen
Voraussetzungen ein Rechtsanspruch auf Bewilligung einer Kundgebung besteht.
Die Behörden haben zur effektiven Ermöglichung von Kundgebungen beizutragen und
auch für den Schutz von Demonstrationen zu sorgen (vgl. Urs Bolz, in: Kälin/
Bolz (Hrsg.), Handbuch des bernischen Verfassungsrechts, Bern 1995, S. 282 f.).
Das Bundesgericht hat sich in der neueren Rechtsprechung unter dem
Gesichtswinkel von Art. 16 und Art. 22 BV eingehend zu Kundgebungen auf
öffentlichem Grund geäussert. Es hat festgehalten, dass die Meinungs- und
Versammlungsfreiheit im Zusammenhang mit Demonstrationen einen über reine
Abwehrrechte hinausgehenden Charakter erhalten und ein gewisses
Leistungselement aufweisen. Die angesprochenen Grundrechte gebieten in Grenzen,
dass für Kundgebungen öffentlicher Grund zur Verfügung gestellt wird oder unter
Umständen anderes als das in Aussicht genommene Areal bereit gestellt wird, das
dem Publizitätsbedürfnis der Veranstalter Rechnung trägt. Ferner sind die
Behörden verpflichtet, durch geeignete Massnahmen wie etwa durch Gewährung
eines ausreichenden Polizeischutzes dafür zu sorgen, dass öffentliche
Kundgebungen tatsächlich stattfinden können und nicht durch gegnerische Kreise
gestört oder verhindert werden. Im Bewilligungsverfahren darf die Behörde die
gegen eine Kundgebung sprechenden polizeilichen Gründe, die zweckmässige
Nutzung der vorhandenen öffentlichen Anlagen im Interesse der Allgemeinheit und
der Anwohner und die mit einer Kundgebung verursachte Beeinträchtigung von
Freiheitsrechten unbeteiligter Dritter mitberücksichtigen. In diesem Sinne
besteht gestützt auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit grundsätzlich ein
bedingter Anspruch, für Kundgebungen mit Appellwirkung öffentlichen Grund zu
benützen. Im Bewilligungsverfahren sind nicht nur Zulässigkeit bzw.
Unzulässigkeit einer Kundgebung, sondern ebenso sehr die Randbedingungen,
allfällige Auflagen und eventuelle Alternativen zu prüfen (BGE 132 I 256 E. 3
S. 258; 127 I 164 E. 3b und 3c S. 168).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung mag fraglich sein, kann indessen im
vorliegenden Fall offen bleiben, ob Art. 19 Abs. 2 KV/BE tatsächlich weiter
reicht als die Meinungs- und Versammlungsfreiheit gemäss Art. 16 und Art. 22 BV
und ob die kantonale Bestimmung gegenüber dem Bundesverfassungsrecht (noch)
eine eigenständige Bedeutung entfaltet. Die von den Beschwerdeführern erhobenen
Rügen sind daher im Lichte der Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu prüfen,
wie sie sich aus Art. 19 Abs. 2 KV/BE sowie aus Art. 16 und Art. 22 BV ergeben.

6.
Die von den Beschwerdeführern erhobenen Rügen der Verletzung der Meinungs- und
Versammlungsfreiheit richten sich im Wesentlichen gegen zwei Aspekte des
Ortspolizeireglementes: Zum einen beanstanden die Beschwerdeführer die Regelung
der Durchführung von nicht bewilligten Kundgebungen und die Einführung von
entsprechenden Strafnormen. Zum andern kritisieren sie den Bereich der
spontanen Kundgebungen und rügen insbesondere die Pflicht zur Anmeldung von
Spontankundgebungen und zur Meldung der im Einzelnen vorgesehenen Informationen
sowie die entsprechenden Strafnormen. Für die Behandlung dieser beiden Bereiche
rechtfertigt es sich, vorerst die Grundzüge des Ortspolizeireglementes
nachzuzeichnen.
Das Ortspolizeireglement unterscheidet grundsätzlich zwischen
bewilligungspflichtigen Kundgebungen einerseits und Spontankundgebungen
andererseits. Damit trägt es unter dem Gesichtswinkel der Meinungs- und
Versammlungsfreiheit dem Umstand Rechnung, dass im Voraus organisierte und
einem Bewilligungsverfahren unterliegende Kundgebungen ebenso möglich sein
müssen wie spontane Kundgebungen, für die aus zeitlichen Gründen keine
Bewilligung eingeholt werden kann und muss. Die Unterscheidung führt dazu, dass
für die beiden Bereiche unterschiedliche Normen gelten.
Ausgangspunkt der Regelung im Ortspolizeireglement bilden die ordentlichen
Kundgebungen: Kundgebungen auf öffentlichem Grund unterliegen der
Bewilligungspflicht; eine Bewilligung wird unter den genannten Voraussetzungen
erteilt und unter Umständen an Auflagen geknüpft (Art. 11b). Es werden die
Anforderungen an Gesuche sowie die Pflichten der Organisatoren umschrieben
(Art. 11c und Art. 11e Abs. 1). Die Teilnahme an einer in diesem Sinne
unbewilligten Kundgebung wird verboten und unter Strafe gestellt (Art. 11f Abs.
1 und Art. 31 Abs. 1).
Spontankundgebungen unterliegen keiner eigentlichen Bewilligungspflicht,
indessen einer Meldepflicht. Die Anforderungen an die Meldung sowie die
Pflichten der Organisierenden werden im Einzelnen umschrieben (Art. 11d und
Art. 11e Abs. 2). Deren Verletzung ist unter Strafe gestellt (Art. 31 Abs. 1).
Allgemein wird festgehalten, dass die an einer Kundgebung Teilnehmenden
straffrei bleiben, wenn die Manifestation friedlich verläuft oder sich die
Teilnehmer freiwillig oder auf polizeiliche Anordnung hin entfernen; an einer
Kundgebung Teilnehmende haben sich unverzüglich zu entfernen, wenn sie von den
Polizeiorganen dazu aufgefordert werden (Art. 11f Abs. 2 und 3).

7.
Die Beschwerdeführer machen vorerst insoweit Verletzungen der Meinungs- und
Versammlungsfreiheit geltend, als die Teilnahme an nicht bewilligten
Kundgebungen unter Strafe gestellt wird. Sie bringen vor, dass die Bestimmungen
im Ortspolizeireglement zum Erfordernis einer Bewilligung für Kundgebungen
blosse Ordnungsvorschriften darstellten. Durch die blosse Tatsache, dass keine
Bewilligung vorliegt, werde keine konkrete Gefahr für die öffentliche
Sicherheit und Ordnung geschaffen, welche ein polizeiliches Eingreifen und eine
strafrechtliche Ahndung der Teilnahme an solchen rechtfertigen würde. Zudem
genüge die Umschreibung der Teilnahme an solchen Kundgebungen in den
Strafbestimmungen den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitserfordernissen (Art.
36 BV) nicht.

7.1 Ordentliche Kundgebungen unterliegen - anders als die sog.
Spontankundgebungen, die separat geregelt und nachfolgend zu prüfen sind -
einer Bewilligungspflicht, was von den Beschwerdeführern zu Recht nicht in
Frage gestellt wird. Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und
Sicherheit ist im Bewilligungsverfahren die Vereinbarkeit von Kundgebungen mit
entgegenstehenden polizeilichen Gründen und Interessen Dritter zu prüfen. Die
Durchführung und die Teilnahme an einer nicht bewilligten Kundgebung sind
deshalb untersagt und unterliegen grundsätzlich den vorgesehenen
Strafbestimmungen.
Hinsichtlich der Teilnahme an nicht bewilligten Kundgebungen unterscheidet der
Regierungsrat zu Recht zwischen solchen, die in Abweisung von entsprechenden
Gesuchen nicht bewilligt worden sind, und solchen, für die gar kein Gesuch
gestellt worden ist. In Bezug auf die Ersteren stellen die Beschwerdeführer das
Verbot der Durchführung und der Teilnahme sowie die entsprechenden
Strafbestimmungen nicht in Frage. Insoweit handelt es sich um Kundgebungen, die
- mittels anfechtbarem Entscheid in Abwägung der einander gegenüberstehenden
Interessen - als unzulässig befunden worden sind. Es ist nicht zu beanstanden,
dass diesfalls die Polizei nicht nur zum Handeln berechtigt ist, sondern dass
darüber hinaus das Verhalten der Kundgebungsteilnehmer unter Strafe gestellt
wird. Wie nachfolgend auszuführen ist, erfordern die Meinungs- und
Versammlungsfreiheit auch in dieser Hinsicht ein verhältnismässiges Vorgehen
und unterliegt die Strafbarkeit der Teilnahme gewissen Einschränkungen.

7.2 Zu prüfen sind die vorgebrachten Rügen daher in erster Linie hinsichtlich
der zweiten Konstellation, also für Kundgebungen, für welche - in Missachtung
der Bewilligungspflicht - gar nicht um Bewilligung ersucht worden ist. Mit dem
Regierungsrat kann davon ausgegangen werden, dass auch diesfalls die Kundgebung
nicht rechtmässig ist. Dabei ist nicht entscheidend, welcher Natur der
Regelverstoss ist und ob eine Widerhandlung gegen eine blosse
Ordnungsvorschrift vorliegt. Auch auf die in der Lehre geführte Kontroverse
braucht nicht näher eingegangen zu werden. Entscheidend ist vielmehr, welche
Folgerungen bei Vorliegen einer nicht bewilligten Kundgebung gestützt auf das
Ortspolizeireglement und nach der Auslegung durch den Regierungsrat vor dem
Hintergrund der Meinungs- und Versammlungsfreiheit gezogen werden dürfen.
Bei dieser Prüfung ist der Regierungsrat von der Unterscheidung zwischen
formeller und materieller Rechtswidrigkeit ausgegangen und hat Bezug genommen
auf die im Baurecht bekannte Konstellation, dass eine Baute, welche ohne
Baubewilligung erstellt wird, nur beseitigt werden muss, wenn sie sich in einem
nachträglichen Verfahren als materiell rechtswidrig erweist und die Beseitigung
vor dem Verfassungsrecht standhält. Diese Betrachtung führt dazu, dass eine
Kundgebung, für welche nicht förmlich um Bewilligung ersucht worden ist,
nunmehr nachträglich einer summarischen Prüfung unterzogen wird. Es gilt
diesfalls abzuklären, ob die Kundgebung, so wie sie durchgeführt wird, als
bewilligungsfähig betrachtet werden kann oder ob - gewissermassen im Sinne
einer Beseitigung - dagegen vorgegangen werden darf. Diese Abklärung ist vor
dem Hintergrund des Verfassungsrechts vorzunehmen. Das Ortspolizeireglement
zeigt hierfür den Weg auf. Nach Art. 11f Abs. 1 bleiben die Teilnehmer
straffrei, wenn die Kundgebung friedlich verläuft. Insoweit wird die Kundgebung
einer nachträglichen Prüfung auf deren Friedlichkeit hin unterzogen. Daraus hat
der Regierungsrat geschlossen, dass eine derartige, nicht im Voraus bewilligte,
indessen friedlich verlaufende Kundgebung sinngemäss nachträglich bewilligt
werden müsse bzw. eben nicht aufgelöst werden dürfe. Er hat das
Ortspolizeireglement verfassungsgemäss ausgelegt. Seine Auslegung bringt zum
Ausdruck, dass eine friedlich verlaufende Kundgebung nicht allein wegen des
Umstandes aufgelöst werden darf, dass hierfür keine Bewilligung eingeholt
worden ist. Zudem hat der Regierungsrat in verfassungskonformer Auslegung
festgehalten, dass die Teilnahme an derartigen Kundgebungen nicht nur im Sinne
von Art. 11f Abs. 1 OPR straffrei sei, sondern diesfalls die Strafbarkeit
grundsätzlich entfalle. Mit dieser Auslegung hat der Regierungsrat - in einer
für die Stadt Thun verbindlichen Weise - der Meinungs- und Versammlungsfreiheit
sowie dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit tatsächlich Rechnung getragen
(vgl. Urteil EGMR Bukta und Mitbeteiligte gegen Ungarn vom 17. Juli 2007, Ziff.
31 ff.). Die Kritik der Beschwerdeführer, die von der Auslegung durch den
Regierungsrat nicht Kenntnis nehmen, zielt daher ins Leere.
Dies bedeutet umgekehrt, dass eine Kundgebung, für die keine Bewilligung
eingeholt worden ist, im Falle eines unfriedlichen Verlaufs sowohl formell als
auch materiell als rechtswidrig betrachtet werden kann, mit der Folge, dass die
Polizeiorgane dagegen einschreiten können und sich die Teilnehmer grundsätzlich
strafbar machen.
Vor diesem Hintergrund lässt sich das Ortspolizeiregelement auf diese Weise
verfassungsgemäss auslegen und anwenden. Damit erweist sich die Beschwerde in
diesem Punkte als unbegründet.

7.3 Die Beschwerdeführer rügen, dass die Strafbestimmungen hinsichtlich der
Teilnahme an nicht bewilligten Kundgebungen den verfassungsmässigen
Anforderungen an die Normbestimmtheit nicht genügten. Sie beanstanden
insbesondere, dass der Begriff der Teilnahme nicht klar sei, auch zufällig
anwesende Personen einschliesse und mit dem Einbezug des Erscheinens am
Besammlungsort (Art. 11f Abs. 1 Satz 2 OPR) zu weit sei.
Das Gebot hinreichender Normenbestimmtheit ergibt sich für Einschränkungen von
Grundrechten aus Art. 36 Abs. 1 BV (vgl. BGE 132 I 49 E. 6.2 S. 58 mit
Hinweisen). Das allgemeine Legalitätsprinzip gemäss Art. 5 Abs. 1 BV findet im
Strafrecht Ausdruck im Grundsatz "nulla poena sine lege", welcher seinerseits
eine hinreichend präzise Umschreibung der Straftatbestände verlangt. Soweit
kantonales Recht in Frage steht, für das Art. 1 StGB nicht zur Anwendung kommt,
wird der genannte Grundsatz unterschiedlichen Verfassungsbestimmungen, etwa
Art. 9, 29 oder 32 BV, zugeordnet (vgl. Urteil 6B_385/2008 vom 21. Juli 2008 E.
3, mit zahlreichen Hinweisen; Häfelin/Haller/Keller, Schweizerisches
Bundesstaatsrecht, 7. Aufl. 2008, Rz. 829; Regina Kiener, ZBJV 138/2002 S. 664
f.; Popp/Levante, Basler Kommentar zum Strafgesetzbuch, Art. 1 N. 8). Die
Zuordnung im Einzelnen kann im vorliegenden Fall offen bleiben.
Der Regierungsrat hat ausführlich dargelegt, dass der Begriff der Teilnahme
eine hinreichende Bestimmtheit aufweise. Art. 11f Abs. 1 OPR untersagt die
Teilnahme an unbewilligten Kundgebungen und präzisiert in Satz 2, dass als
Teilnahme bereits das Erscheinen am Besammlungsort gelte. Der Begriff der
Teilnahme ist im Strafrecht allgemein gebräuchlich. Dass er im vorliegenden
Zusammenhang ausgelegt werden muss, ist verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden. Es kann nicht gesagt werden, Art. 11f Abs. 1 OPR lasse sich im
Einzelfall nicht verfassungskonform auslegen und verunmögliche es, die
strafwürdige Teilnahme an einer unbewilligten Kundgebung von unbeabsichtigter
und zufälliger Anwesenheit abzugrenzen. Es gilt die Bestimmung von Art. 11 Abs.
1 OPR vor dem Hintergrund von Art. 11f Abs. 2 und 3 OPR und den Ausführungen
des Regierungsrates zu verstehen. Danach ist die Teilnahme an einer Kundgebung
nicht strafbar und entfällt die Grundlage für die Anwendung der entsprechenden
Strafbestimmung, wenn die - nicht bewilligte - Kundgebung friedlich verläuft,
die Teilnehmer sich freiwillig von der Kundgebung oder auf polizeiliche
Aufforderung hin entfernen. Soweit die nicht bewilligte Kundgebung friedlich
verläuft, entfällt die Strafbarkeit von nur zufällig Anwesenden oder Zuschauern
von vornherein. Insoweit erweist sich der Hinweis der Beschwerdeführer auf
einen bei unterschiedlicher rechtlicher Grundlage getroffenen Entscheid des
Gerichtspräsidenten 16 von Bern-Laupen als unerheblich. Verläuft eine nicht
bewilligte Kundgebung indessen nicht friedlich, weshalb die Teilnahme untersagt
ist, und fordern die Polizeiorgane zur Entfernung auf, erweist sich der Begriff
der Teilnahme gemäss Art. 11f Abs. 1 OPR im Hinblick auf eine konkrete
Beurteilung im Einzelfall als hinreichend bestimmt. Diesfalls ist kaum
ersichtlich, dass die Strafnorm auf Personen angewendet werden könnte, die sich
nur ganz zufällig im Umkreis einer nicht bewilligten, nicht friedlich
verlaufenden Kundgebung aufhalten.
Im Lichte dieser Auslegung kann entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer nicht
gesagt werden, die Strafbestimmungen seien insgesamt unverhältnismässig und
daher verfassungswidrig. Der kommunale Gesetzgeber ist nicht gehalten, sich auf
die Auflösung von Kundgebungen, die entweder nicht bewilligt sind und nunmehr
nicht friedlich verlaufen oder für die eine Bewilligung verweigert worden ist,
zu beschränken und vom Erlass von Strafnormen abzusehen. Es kann entgegen der
Ansicht der Beschwerdeführer auch nicht gesagt werden, die Bestimmung von Art.
11f Abs. 3 OPR setze die Teilnehmer von Kundgebungen polizeilicher Willkür aus.
Der Regierungsrat hat dazu ausgeführt, diese Norm trage zur Beurteilung bei,
wann eine nicht bewilligte Kundgebung noch als friedlich betrachtet werden
könne und wann nicht mehr. Im Übrigen weist diese Bestimmung einen
eigenständigen Gehalt auf und ist bei jeder Kundgebung und somit auch bei
bewilligten zu beachten.
Damit erweist sich die Beschwerde auch in diesem Punkte als unbegründet.

8.
Im Weitern erheben die Beschwerdeführer verschiedene Rügen im Zusammenhang mit
den sog. Spontankundgebungen, die im Wesentlichen in Art. 11d und Art. 11e Abs.
2 OPR sowie den entsprechenden Strafnormen geregelt sind. Sie beanstanden, dass
die blosse Meldepflicht tatsächlich auf eine verfassungswidrige
Bewilligungspflicht hinauslaufe und dass die den Organisatoren auferlegten
Pflichten unverhältnismässig seien.
8.1
Wie oben dargetan (E. 5), lässt das Ortspolizeireglement sog.
Spontankundgebungen zu und trägt damit der Meinungs- und Versammlungsfreiheit
Rechnung, wonach auch unmittelbare Reaktionen auf besondere Ereignisse sollen
öffentlich zum Ausdruck gebracht werden können, ohne ein Bewilligungsverfahren
zu durchlaufen (vgl. Christoph Rohner, St. Galler Kommentar zur
Bundesverfassung, 2. Aufl. 2008, Art. 22 N. 23; Jörg P. Müller/Markus Schefer,
Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S. 433). Solche Kundgebungen
unterliegen nach Art. 11d OPR einer Meldepflicht. Die Meldung muss die gemäss
Art. 11c OPR umschriebenen Informationen enthalten und die Organisatoren haben
die Pflichten gemäss Art. 11e Abs. 2 OPR einzuhalten.

8.2 Die Beschwerdeführer machen zu Recht nicht geltend, dass die Pflicht zur
Anmeldung von Spontankundgebungen für sich gegen die Meinungs- und
Versammlungsfreiheit verstossen würde. In Anbetracht der Benützung von
öffentlichem Grund und der Möglichkeit der Beeinträchtigung von Rechten Dritter
besteht ein gewichtiges Interesse daran, dass die Behörden über die
Durchführung einer Spontankundgebung informiert werden und allenfalls
situationsbezogen entsprechende Massnahmen treffen können. Umstritten ist indes
das Ausmass von Informationen, welche gemeldet werden müssen, sowie die
Pflichten der Organisatoren von Spontankundgebungen.
Hierfür ist ein Ausgleich zu finden zwischen den behördlichen Bedürfnissen
einerseits und der Ermöglichung von Spontankundgebungen andererseits. Die
Behörden haben ein gewichtiges Interesse daran, möglichst genau über die Art
und Weise und den Ablauf einer Spontankundgebung informiert zu werden. Dies
ermöglicht es ihr, die erforderlichen polizeilichen Sicherheitsmassnahmen zum
Schutz von Drittinteressen sowie der Kundgebung selber adäquat anzuordnen.
Umgekehrt wird die Information zuhanden der Behörden umso schwieriger, je
spontaner die Kundgebung unmittelbar zustande kommt und nicht schon am Vortag
(vgl. Art. 11d Abs. 1 OPR) in die Wege geleitet wird.
Daraus folgt, dass die Informationspflicht und dessen Ausmass im Einzelfall von
den konkreten Gegebenheiten abhängt bzw. abhängig gemacht wird. Dem trägt der
Regierungsrat mit dem angefochtenen Entscheid Rechnung. Er unterscheidet
zwischen Spontankundgebungen, die in irgendeiner Weise organisiert werden, auf
der einen Seite und Spontankundgebungen, die unvermittelt als Reaktion auf ein
bestimmtes Ereignis zustande kommen, auf der andern Seite. In Bezug auf die
Ersteren ist eine Meldung der von Art. 11c Abs. 1 OPR vorgesehenen Angaben im
Grundsatz möglich und auch durchaus zumutbar. Dazu gehören namentlich die
näheren Umstände der Kundgebung (wie etwa Thema, Art oder Örtlichkeiten). Daran
ändert der Umstand nichts, dass einzelne Angaben nur vage erteilt werden und
weitere Angaben möglicherweise gar nicht erteilt werden können. Die Liste der
Angaben in Art. 11c Abs. 1 OPR, auf welche Art. 11d Abs. 2 OPR verweist, weist
insoweit keinen zwingenden Charakter auf. Dies gilt erst recht bei
Spontankundgebungen, welche ohne minimale Organisationsvorkehren unmittelbar
auf ein Ergebnis hin zustande kommen. Der Regierungsrat nennt als Beispiel
Reaktionen der Bevölkerung auf dem Bundesplatz auf Entscheidungen in den Eidg.
Räten. Diesfalls entfällt, wie der Regierungsrat festhält, von vornherein eine
Meldepflicht. Die Bestimmung von Art. 11d Abs. 2 OPR kann keine Wirkung
entfalten, wenn keine verantwortlichen Personen oder Organisatoren auftreten.
Das Ortspolizeireglement ist demnach hinsichtlich der Bestimmungen von Art. 11d
und Art. 11c wie auch in Bezug auf die Strafbestimmungen von Art. 31 Abs. 1 OPR
in diesem Sinne auszulegen und anzuwenden.

8.3 Mit dieser Sichtweise hat der Regierungsrat zum Ausdruck gebracht, wie das
Ortspolizeireglement konkret zu verstehen und anzuwenden ist, um mit Blick auf
mögliche Gegebenheiten und differenzierte Konstellationen vor der Meinungs- und
Versammlungsfreiheit standzuhalten. Es fragt sich, ob diese Betrachtungsweise
im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung vorgenommen werden kann oder aber
deren Grenzen sprengt, wie die Beschwerdeführer meinen.
Wie in E. 3 dargelegt, ist im Verfahren der abstrakten Normkontrolle
massgeblich, ob der beanstandeten Norm nach anerkannten Auslegungsregeln ein
Sinn zugemessen werden kann, der sie mit den angerufenen Verfassungs- oder
EMRK-Garantien vereinbaren lässt; eine Norm wird nur aufgehoben, wenn sie sich
jeglicher verfassungs- und konventionskonformen Auslegung entzieht, nicht
jedoch, wenn sie einer solchen in vertretbarer Weise zugänglich ist. Dabei ist
grundsätzlich vom Wortlaut der Gesetzesbestimmung auszugehen und deren Sinn
nach den überkommenen Auslegungsmethoden zu bestimmen. Eine verfassungs- und
konventionskonforme Auslegung ist namentlich zulässig, wenn der Normtext
lückenhaft, zweideutig oder unklar ist (BGE 109 Ia 273 E. 12c S. 301; 111 Ia 23
E. 2 S. 25; 123 I 112 E. 2a S. 116). Der klare und eindeutige Wortsinn darf
indes nicht durch eine verfassungskonforme Interpretation beiseite geschoben
werden (BGE 109 Ia 273 E. 12c S. 301; 123 I 112 E. 2a S. 116; 131 ll 697 E. 4.1
S. 703; vgl. zur Praxis etwa BGE 109 la 279 E. 12c S. 302 f.; 119 la 460 E. 11b
S. 497 und E. 12e S. 502; vgl. zum Ganzen Häfelin/Haller/Keller, a.a.O., Rz.
148 ff. und 154 ff.).
Das Ortspolizeireglement sieht in Art. 11d die sog. spontanen Kundgebungen vor,
welche aus zeitlichen Gründen keiner Bewilligungspflicht, sondern einer blossen
Meldepflicht unterstehen. Dazu gehören nach dem Wortlaut von Art. 11d Abs. 1
Manifestationen, die als Reaktion auf ein besonderes Ereignis innert zwei Tagen
durchgeführt werden, sich damit in bestimmtem Ausmasse organisieren lassen und
dementsprechend gemeldet werden können. Je kürzer der Zeitraum zwischen dem
Ereignis und der Kundgebung ausfällt, je weniger kann von einer
meldepflichtigen Kundgebung gesprochen werden. Wie es sich im Falle einer
unmittelbaren Spontankundgebung verhält, lässt das Ortspolizeireglement offen.
Insoweit ist daher nicht zu beanstanden, dass der Regierungsrat das
Ortspolizeireglement auf diese Konstellation ausgerichtet verfassungskonform
auslegte und damit zwischen eigentlichen Spontankundgebungen und in minimaler
Form organisierten und organisierbaren Spontankundgebungen unterschied. Die
Differenzierung ist geeignet, unter Wahrung der öffentlichen Interessen im
Sinne von Art. 16 und 22 BV sowie Art. 19 Abs. 2 KV/BE verschiedenartige Formen
von Spontankundgebungen zu ermöglichen, die Pflichten der Organisatoren
sachgerecht zu begrenzen und die Strafbarkeit einzugrenzen.

8.4 Damit erweist sich die Kritik der Beschwerdeführer als unbegründet.
Insbesondere kann in Anbetracht der dargelegten verfassungsmässigen Auslegung
nicht gesagt werden, die blosse Meldepflicht von Spontankundgebungen laufe auf
eine eigentliche Bewilligungspflicht hinaus und die allfälligen Organisatoren
unterstünden einer unverhältnismässigen Mitteilungspflicht.

9.
Demnach ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten den
Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Stadt Thun und dem Regierungsrat
des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. März 2009
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Steinmann