Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.131/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_131/2008 /daa

Urteil vom 1. Juli 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Reeb,
Gerichtsschreiberin Gerber.

Parteien
X.________ AG, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwältin Carmen Walker
Späh,

gegen

Gemeinde Rüschlikon, Baukommission, Pilgerweg 29, 8803 Rüschlikon, vertreten
durch Rechtsanwalt
Dr. Andreas Maag,
Baurekurskommission II des Kantons Zürich, Selnaustrasse 32, 8001 Zürich.

Gegenstand
Baubewilligung,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 13. Februar 2008 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich,
1. Abteilung, 1. Kammer.

Sachverhalt:

A.
Am 11. April 2007 verweigerte die Baukommission Rüschlikon der X.________ AG
die Baubewilligung für zwei Plakatwerbeträger auf dem Grundstück Kat.-Nr. 4603
(neu 5587) beim Kreisel Wachtstrasse/Eggstrasse mangels genügender Einordnung
im Sinn von § 238 Abs. 1 des Zürcher Planungs- und Baugesetzes vom 7. September
1975 (PBG). Gleichzeitig eröffnete sie die Verweigerung der
strassenverkehrsrechtlichen Bewilligung wegen Beeinträchtigung der
Verkehrssicherheit, welche der Sicherheitsvorstand der Gemeinde am 15. März
2007 ausgesprochen hatte.

B.
Gegen beide Verfügungen rekurrierte die X.________ AG. Die Baurekurskommission
II des Kantons Zürich vereinigte die Rekurse und hiess sie unter Aufhebung der
Bewilligungsverweigerungen gut; die kommunalen Behörden wurden eingeladen, die
Bewilligung zu erteilen, sofern das Bauvorhaben auch im Übrigen den
einschlägigen Vorschriften entspreche.

C.
Dagegen gelangte die Gemeinde Rüschlikon mit Beschwerde an das
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Dieses hiess die Beschwerde am 13.
Februar 2008 gut, soweit sie nicht wegen Gegenstandslosigkeit abgeschrieben
wurde. Das Verwaltungsgericht hob den Entscheid der Baurekurskommission auf und
stellte die Bauverweigerung der Baukommission vom 11. April 2007 wieder her.

D.
Gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid hat die X.________ AG am 25. März
2008 Beschwerde ans Bundesgericht erhoben. Sie beantragt, der angefochtene
Entscheid sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass die Plakatstellen
bewilligungsfähig seien. Eventualiter sei die Sache zu neuer Beurteilung an das
Verwaltungsgericht zurückzuweisen.

E.
Das Verwaltungsgericht und die Baukommission Rüschlikon beantragen, die
Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Auch die
Baurekurskommission schliesst auf Beschwerdeabweisung.

F.
In zwei Repliken vom 30. Mai 2008 hält die Beschwerdeführerin an ihren Anträgen
fest.

Erwägungen:

1.
Gegen den kantonal letztinstanzlichen Entscheid steht grundsätzlich die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 82 ff. BGG).
Vorbehältlich genügend begründeter und zulässiger Rügen (Art. 106 Abs. 2 i.V.m.
Art. 42 Abs. 2 BGG) ist daher auf die Beschwerde einzutreten.

2.
Das Verwaltungsgericht ging davon aus, die Baukommission habe die
Bauverweigerung wegen mangelnder Einordnung der Plakatträger aus sachlich
richtigen und unter ästhetischen Gesichtspunkten nachvollziehbaren Überlegungen
verweigert. Die Baurekurskommission habe deshalb durch die Aufhebung der
Bauverweigerung unzulässigerweise in den Beurteilungsspielraum der Gemeinde
eingegriffen. Erweise sich somit die Bauverweigerung gestützt auf § 238 Abs. 1
PBG als gerechtfertigt, könne offen bleiben, ob die Bewilligung auch aus
Gründen der Verkehrssicherheit hätte verweigert werden dürfen.

Offen liess das Verwaltungsgericht auch, ob am geplanten Standort, der gemäss
der Bau- und Zonenordnung der Gemeinde Rüschlikon vom 22. Juni 2000 nicht in
einer Bauzone, sondern in einem Strassen- und Waldgebiet liege, überhaupt eine
Reklameanlage bewilligt werden dürfe.

3.
Die Beschwerdeführerin rügt, die Abweisung des Baugesuchs beruhe auf einer
willkürlichen Anwendung von § 238 Abs. 1 PBG (Art. 9 BV) und verletze ihre
Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV).

3.1 Die Nichtbewilligung der beantragten Plakatstellen berührt die
Beschwerdeführerin als Plakatgesellschaft in ihrer Wirtschaftsfreiheit. Diese
kann unter den in Art. 36 BV genannten Voraussetzungen eingeschränkt werden.
Handelt es sich - wie im vorliegenden Fall - um einen leichten Eingriff, so
genügt als gesetzliche Grundlage ein Gesetz im materiellen Sinn oder eine
Generalklausel (BGE 131 I 333 E. 4 S. 339), deren Auslegung und Anwendung das
Bundesgericht nur auf Willkür hin überprüft (BGE 130 I 360 E. 14.2 S. 362). Im
Folgenden ist daher zu prüfen, ob § 238 PBG im angefochtenen Entscheid
willkürlich angewendet wurde.

3.2 Das Verwaltungsgericht folgte der Argumentation der städtischen
Baukommission. Diese hatte zur Begründung der Bauabweisung ausgeführt, beim
nordwestlich an den Kreisel anstossenden Wald handle es sich um ein durchwegs
intaktes Naherholungsgebiet. Die zwei Plakatstellen sollten direkt vor diesem
"Waldeingang" errichtet werden. Die Werbeanlagen bildeten an dieser exponierten
Lage einen dominanten Blickfang und einen Fremdkörper in Bezug auf das grüne
Landschaftsbild. Die Werbeträger stünden solitär und domininerten in ihrer
Erscheinung ein ganzes Erholungsgebiet. Zudem habe die Gemeinde Rüschlikon den
Kreisel mit aufwändigen und kostspieligen Massnahmen grün gestaltet und
aufgewertet. Es sei deshalb für einen neutralen Beobachter schwer verständlich,
wenn vor Waldgebieten Plakatwerbeträger errichtet würden.

3.3 Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass die Plakatwerbeträger direkt am
Waldeingang zu stehen kommen: Die Parzelle 5587 diene keineswegs als
Waldeingang; vielmehr seien die Bäume offensichtlich zur Verschönerung der
Strassen und der Kreuzung Wachtstrasse/Eggstrasse bestimmt. Das
Naherholungsgebiet und damit der Wald begönnen erst hinter diesem Stück Land,
das durch ein Strässchen abgetrennt sei.

Der fragliche Landstreifen ist mit Bäumen bestanden; er bildet insofern den
Übergang zwischen dem begrünten Kreisel und dem angrenzenden Wald und
erscheint, vom Verkehrskreisel aus gesehen, optisch als Waldrand, wie die in
den Bauakten liegenden Fotos und die Aufnahmen vom Augenschein belegen. Die
Plakatträger sollen am Rande des Fussgängerweges erstellt werden, der zum
Naherholungsgebiet führt; auch insofern erscheint die Qualifikation als
"Waldeingang" nicht willkürlich. Jedenfalls aber gehört der Wald zur
landschaftlichen Umgebung der zu beurteilenden Plakatträger. Er ist daher nach
§ 238 Abs. 1 PBG zu berücksichtigen, gleichgültig, ob er schon auf der
Bauparzelle beginnt oder erst jenseits des Strässchens. Insofern ist der
Einwand der Beschwerdeführerin nicht geeignet, eine willkürliche Anwendung von
§ 238 Abs. 1 PBG zu belegen.

3.4 Die Beschwerdeführerin rügt auch die Begründung als willkürlich, wonach ein
neutraler Beobachter nicht verstehen könne, weshalb vor Waldgebieten solche
Plakatstellen errichtet würden, wenn Kreisel mit aufwändigen und kostspieligen
Massnahmen grün gestaltet und aufgewertet worden seien: Der neutrale und damit
objektive Beobachter sei kaum geneigt, Wald mit Kreiseln zu vergleichen.

Aus dem Zusammenhang ergibt sich jedoch, dass nicht irgend ein Waldstück
gemeint ist, sondern dasjenige am Kreisel Wachtstrasse/ Eggstrasse, den die
Gemeinde mit grossem Aufwand gestaltet und begrünt hat. Für einen neutralen
Beobachter kann es durchaus als Widerspruch empfunden werden, wenn die Stadt
viel Geld für die Begrünung eines Kreisels ausgibt, damit sich dieser möglichst
gut in die vom Wald geprägte Landschaft einpasst, und anschliessend die
Aufstellung grossflächiger Plakatstellen bewilligt, die als Fremdkörper in
Bezug auf das grüne Landschaftsbild in Erscheinung treten.

3.5 Nach dem Gesagten liegt weder eine Verletzung des Willkürverbots noch der
Wirtschaftsfreiheit vor.

4.
Weiter rügt die Beschwerdeführerin, das Verwaltungsgericht habe eigene
Ermessensüberlegungen angestellt, obwohl es nur die Rechtsfrage zu beantworten
hatte, ob die Baurekurskommission willkürlich in den Beurteilungsspielraum der
Baukommission eingegriffen habe. Das Verwaltungsgericht habe somit seine
Kognition überschritten. Insbesondere habe es eigene Überlegungen zum Waldrand
als landschaftliche Umgebung und zur Zonenzugehörigkeit des Standorts gemacht.
Das Verwaltungsgericht habe sich mit den Argumenten der Baurekurskommission
nicht auseinandergesetzt, sondern diese summarisch als offenkundig nicht
geeignet und nicht nachvollziehbar bezeichnet. Dies sei umso stossender, als
das Verwaltungsgericht - im Gegensatz zur Baurekurskommission - keinen
Augenschein durchgeführt, sondern sich lediglich auf die Akten gestützt habe.

4.1 Nach ständiger Praxis der Zürcher Baurekurskommissionen und des
Verwaltungsgerichts steht der kommunalen Baubehörde bei der Anwendung von § 238
PBG ein besonderer Ermessensspielraum zu, der im Rechtsmittelverfahren zu
beachten ist. Trotz ihrer grundsätzlich umfassenden Kognition hat sich die
Baurekurskommission deshalb bei der Überprüfung solcher Entscheide
Zurückhaltung aufzuerlegen: Ist der Einordnungsentscheid einer kommunalen
Baubehörde nachvollziehbar, das heisst, beruht er auf einer vertretbaren
Würdigung der massgebenden Sachumstände, so hat die Baurekurskommission diesen
zu respektieren und darf das Ermessen der kommunalen Behörde nicht durch ihr
eigenes ersetzen (Entscheid 1P.678/2004 vom 21. Juni 2005 E. 3, publ. in ZBl
107/2006 S. 430; vgl. auch Entscheid 1C_19/2008 vom 27. Mai 2008 E. 5.3, der
ebenfalls die Parteien des vorliegenden Verfahrens betraf).
Das Verwaltungsgericht ist seinerseits auf eine Sachverhalts- und
Rechtskontrolle beschränkt (§§ 50 f. des Zürcher
Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 [VRG]). Dazu gehörte im
vorliegenden Fall auch die Prüfung der Frage, ob die Rekursinstanz
unzulässigerweise in den Beurteilungsspielraum der Gemeindebehörde eingegriffen
hatte. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kann es diese Rechtsfrage
frei prüfen und ist insofern nicht auf eine Willkürprüfung beschränkt.

4.2 Das Verwaltungsgericht prüfte, ob die Begründung der kommunalen
Baukommission aufgrund der Akten als sachlich richtig und unter ästhetischen
Gesichtspunkten als nachvollziehbar erscheine. Es bejahte dies und hob deshalb
den Rekursentscheid wegen Verletzung der Gemeindeautonomie auf. Zu dieser
Prüfung war es nach dem eben Gesagten berechtigt und verpflichtet.
Das Verwaltungsgericht setzte sich - wenn auch summarisch - mit dem Argument
der Baurekurskommission auseinander, wonach die Reklameanlage als Teil des
Kreisels bzw. der Verkehrsanlage erscheine. Es erachtete diese Begründung als
ungenügend, weil § 238 Abs. 1 PBG ausdrücklich die befriedigende Gesamtwirkung
der Baute auch "in ihrem Zusammenhang mit der baulichen und landschaftlichen
Umgebung" verlange, zu welcher der Waldrand offenkundig gehöre. Diese
Begründung hält sich im Rahmen der - auf eine Rechtskontrolle beschränkten -
Kognition des Verwaltungsgerichts und lässt keine Willkür erkennen.
Das Verwaltungsgericht liess die Frage offen, ob Plakatstellen an der
vorgesehenen Stelle, ausserhalb der Bauzone, überhaupt bewilligungsfähig seien.
Die Zonenkonformität ist eine Rechtsfrage, die vom Verwaltungsgericht von Amtes
geprüft werden kann (Kölz/Bosshart/ Röhl, VRG-Kommentar, 2. Aufl., § 50 N 4).
Im Übrigen war die Frage von der Gemeinde in ihrer Beschwerdeschrift an das
Verwaltungsgericht aufgeworfen worden.
4.2.1 Nach dem Gesagten hat das Verwaltungsgericht keine eigenen
Ermessensüberlegungen angestellt, sondern hat sich auf eine Rechtskontrolle
beschränkt.

4.3 Die Beschwerdeführerin hatte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren keinen
Augenschein beantragt. Insofern stand es im Ermessen des Verwaltungsgerichts,
ob es einen solchen durchführen wollte oder nicht. Angesichts der in den Akten
liegenden Fotos und Pläne durfte es ohne Willkür davon ausgehen, dass ein
Augenschein nicht erforderlich sei.

5.
Schliesslich rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung des
Rechtsgleichheitsgebots (Art. 8 Abs. 1 BV), weil die Gemeinde Rüschlikon
Plakatwerbeträger an vergleichbaren begrünten Kreiseln, auch entlang von
Waldrändern, bewilligt habe.

Es ist bereits fraglich, ob auf diese Rüge eingetreten werden kann, weil die
Beschwerdeführerin (vor Bundesgericht) erstmals in ihrer Replik auf das
Vergleichsobjekt an der Eggstrasse verwiesen hat. Die Frage kann jedoch offen
bleiben, weil sich die Rüge als unbegründet erweist.

Der Kreisel Eggstrasse/Spitteleggweg stösst zwar im Westen ebenfalls an ein
Waldgebiet; auf der anderen Seiten befindet sich jedoch eine Autobahnbrücke und
ein Gewerbegebiet, während im vorliegenden Fall der Kreisel am Ortseingang
Rüschlikons liegt, in der Nähe eines Wohngebiets. Der Kreisel Eggstrasse/
Spitteleggweg liegt innerhalb der Gewerbezone, während sich der vorliegend
streitige Standort ausserhalb der Bauzone in einem Waldgebiet befindet.
Insofern weisen beide Standorte wesentliche Unterschiede in tatsächlicher und
rechtlicher Hinsicht auf, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.

Im Übrigen könnte die Beschwerdeführerin aus einer allfällig rechtswidrigen
Erteilung der Bewilligung für die Plakatstelle am Kreisel Eggstrasse/
Spitteleggweg keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht ableiten

6.
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, soweit darauf
einzutreten ist.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Gemeinde Rüschlikon, die in ihrem
amtlichen Wirkungskreis obsiegt, hat keinen Anspruch auf eine
Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG; vgl. zur Veröffentlichung bestimmter
Entscheid 1C_82/2008 vom 28. Mai 2008 E. 7).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Gemeinde Rüschlikon, der
Baurekurskommission II und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 1.
Abteilung, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 1. Juli 2008
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Féraud Gerber