Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.122/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_122/2008 /fun

Beschluss vom 30. Mai 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Reeb,
Gerichtsschreiber Härri.

Parteien
X.________ AG, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ulrich
Glättli,

gegen

Schweizerische Bundesanwaltschaft, Taubenstrasse 16, 3003 Bern.

Gegenstand
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Deutschland; Herausgabe von
Beweismitteln,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 4. März 2008
des Bundesstrafgerichts, II. Beschwerdekammer.

Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart führte ein Strafverfahren gegen Y.________ und
Z.________ u.a. wegen des Verdachts der Bestechung ausländischer Amtsträger.
Mit Rechtshilfeersuchen vom 24. März 2004, ergänzt am 11. Oktober 2005, bat sie
die schweizerischen Behörden um die Erhebung von Kontounterlagen bei
verschiedenen Banken.

Mit Schlussverfügung vom 26. Juli 2007 entsprach die Bundesanwaltschaft dem
Rechtshilfeersuchen (Ziff. 1) und ordnete die Herausgabe von Unterlagen zu
Konten der X.________ AG an die ersuchende Behörde an (Ziff. 2).

Die von der X.________ AG dagegen erhobene Beschwerde wies das
Bundesstrafgericht (II. Beschwerdekammer) am 4. März 2008 ab.

B.
Gegen den Entscheid des Bundesstrafgerichts erhob die X.________ AG am 17. März
2008 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten.

C.
Mit Eingaben je vom 16. April 2008 beantragen die Bundesanwaltschaft und das
Bundesamt für Justiz, die Beschwerde sei als gegenstandslos geworden
abzuschreiben. Die Bundesanwaltschaft hält dafür, die Eintretensvoraussetzung
des besonders bedeutenden Falles nach Art. 84 BGG wäre nicht erfüllt gewesen,
weshalb der Beschwerdeführerin die Kosten zu auferlegen seien.

D.
Am 18. April 2008 gab das Bundesgericht der X.________ AG Gelegenheit, zur
Gegenstandslosigkeit und zur Kosten- und Entschädigungsregelung Stellung zu
nehmen.

Mit Eingabe vom 19. Mai 2008 beantragt die X.________ AG, das
Rechtshilfeverfahren unter Einschluss des am 17. März 2008 anhängig gemachten
Beschwerdeverfahrens in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sei als
gegenstandslos zu erklären und abzuschreiben; der Entscheid des
Bundesstrafgerichts vom 4. März 2008 sei aufzuheben und es seien der
Beschwerdeführerin keine Verfahrens- bzw. Gerichtskosten aus den Verfahren vor
der Bundesanwaltschaft, vor dem Bundesstrafgericht und dem Bundesgericht
aufzuerlegen; der Beschwerdeführerin seien durch die Schweizerische
Eidgenossenschaft folgende Parteientschädigungen zu entrichten:
- für das Verfahren vor der Bundesanwaltschaft Fr. 9'900.-- zuzüglich 7,6 %
Mehrwertsteuer;
- für das Verfahren vor Bundesstrafgericht Fr. 7'650.-- zuzüglich 7,6 %
Mehrwertsteuer;
- für das Verfahren vor Bundesgericht Fr. 21'000.-- zuzüglich 7,6 %
Mehrwertsteuer.
Eventualiter sei das Verfahren zur Beurteilung der erst- und vorinstanzlichen
Kosten- und Entschädigungsfrage im Sinne der bundesgerichtlichen Erwägungen an
die erste bzw. die Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.
Wie sich aus der Eingabe der Bundesanwaltschaft vom 16. April 2008 ergibt, hält
die ersuchende Behörde am Rechtshilfeersuchen nicht mehr fest. Die Dokumente
gemäss Ziffer 2 der Schlussverfügung werden deshalb nicht nach Deutschland
übermittelt.

Bei dieser Sachlage hat die Beschwerdeführerin unstreitig kein Interesse mehr
an der Behandlung der Beschwerde. Diese ist gegenstandslos geworden und am
Geschäftsverzeichnis abzuschreiben.

2.
2.1 Gemäss Art. 71 BGG in Verbindung mit Art. 72 BZP ist mit summarischer
Begründung über die Prozesskosten aufgrund der Sachlage vor Eintritt des
Erledigungsgrundes zu entscheiden.

Bei der Beurteilung der Kosten- und Entschädigungsfolgen ist somit in erster
Linie auf den mutmasslichen Ausgang des Prozesses abzustellen. Die Regelung
bezweckt, denjenigen, der in guten Treuen Beschwerde erhoben hat, nicht im
Kostenpunkt dafür zu bestrafen, dass die Beschwerde infolge nachträglicher
Änderung der Umstände abzuschreiben ist, ohne dass ihm dies anzulasten wäre.
Bei der summarischen Prüfung des mutmasslichen Prozessausgangs ist nicht auf
alle Rügen einzeln und detailliert einzugehen (BGE 118 Ia 488 E. 4a 494 f.).

2.2 Gemäss Art. 84 BGG ist gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der
internationalen Rechtshilfe in Strafsachen die Beschwerde nur zulässig, wenn er
unter anderem eine Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich
betrifft und es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt (Abs. 1). Ein
besonders bedeutender Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme
bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das
Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist (Abs. 2).

Art. 84 BGG bezweckt die starke Begrenzung des Zugangs zum Bundesgericht im
Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen (BGE 133 IV 131 E. 3 S.
132; 133 IV 132 E. 1.3 S. 134; 133 IV 271 E. 2.2.2 S. 274).

Bei der Beantwortung der Frage, ob ein besonders bedeutender Fall gegeben ist,
steht dem Bundesgericht ein weiter Ermessensspielraum zu (BGE 1C_205/2007 vom
18. Dezember 2007 E. 1.3.1, mit Hinweis).

2.3 Die Beschwerdeführerin macht (S. 4 ff.) geltend, im vorliegenden Fall
stellten sich grundsätzliche Fragen in Bezug auf die beidseitige Strafbarkeit
und die zeitliche Ausdehnung der Rechtshilfe. Was sie dazu vorbringt, hätte bei
summarischer Prüfung nicht zur Annahme eines besonders bedeutenden Falles
geführt. Die Vorinstanz hat sich zur Frage der beidseitigen Strafbarkeit und
der zeitlichen Ausdehnung der Rechtshilfe geäussert. Ihre Ausführungen lassen
bei summarischer Prüfung keine Bundesrechtsverletzung erkennen.

Es ist deshalb davon auszugehen, dass das Bundesgericht - im Lichte seiner
diesbezüglichen restriktiven Praxis - die vorliegende Beschwerde im Verfahren
nach Art. 109 Abs. 1 und 3 BGG als unzulässig beurteilt hätte.

Damit rechtfertigt es sich, der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren die Kosten zu auferlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG) und ihr keine
Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

3.
3.1 Die Beschwerdeführerin beantragt, der vorinstanzliche Entscheid vom 4. März
2008 sei aufzuheben und es seien ihr keine Verfahrens- bzw. Gerichtskosten aus
den Verfahren vor der Bundesanwaltschaft und der Vorinstanz aufzuerlegen;
ausserdem sei ihr für das Verfahren vor der Bundesanwaltschaft und der
Vorinstanz eine im Einzelnen bezifferte Parteientschädigung zu entrichten.

3.2 Wird der angefochtene Entscheid geändert, so kann das Bundesgericht gemäss
Art. 67 BGG die Kosten des vorangegangenen Verfahrens anders verteilen. Der
Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird gemäss Art. 68 Abs.
5 BGG vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben
oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des
anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die
Festsetzung der Vorinstanz übertragen.

Die Regelung über die Kosten nach Art. 67 BGG entspricht jener über die
Parteientschädigung nach Art. 68 Abs. 5 BGG. Diese Bestimmungen wurden aus dem
bisherigen Recht übernommen (Thomas Geiser, in: Niggli/Uebersax/Wiprächtiger
[Hrsg.], Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, 2008, Art. 67 N. 1 und Art.
68 N. 24).

Den Entscheid über die Kosten und Parteientschädigung im vorangegangenen
Verfahren kann das Bundesgericht nach Art. 67 und 68 Abs. 5 BGG nur abändern,
wenn es auch den Entscheid in der Sache selbst ändert (vgl. BGE 91 II 146 E. 3
S. 150). Das ist hier, wo die Sache gegenstandslos geworden ist, nicht der
Fall. Auf den Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und das
Bundesgericht solle über die Kosten- und Entschädigungsfolgen für das
vorangegangene Verfahren entscheiden, kann somit nicht eingetreten werden.

Allerdings ist mit dem Rückzug des Rechtshilfeersuchens auch der
vorinstanzliche Entscheid gegenstandslos geworden. Das Bundesgericht hat unter
der Herrschaft des Bundesrechtspflegegesetzes vom 16. Dezember 1943 (OG; SR
173.110) in einer derartigen Konstellation die Sache jeweils zur Überprüfung
und allfälligen Neuregelung der Kostenfolgen der Vorinstanz übermittelt (vgl.
Beschlüsse 1A.164/2005 vom 15. November 2005 E. 5; 1A.192/1994 vom 24. Juni
1998 E. 3; 2A.135/1996 vom 24. Oktober 1996 E. 4). Davon unter der Herrschaft
des Bundesgerichtsgesetzes abzuweichen, besteht kein Anlass. Die Sache wird
deshalb in Gutheissung des Eventualantrags der Vorinstanz übermittelt, damit
sie prüfe, ob die Kosten- und Entschädigungsregelung des dem
bundesgerichtlichen vorangegangenen Verfahrens mit Blick auf die inzwischen
eingetretene Gegenstandslosigkeit zu bestätigen oder allenfalls zu ändern sei.

Demnach beschliesst das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden am Geschäftsverzeichnis
abgeschrieben.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Sache wird zur Überprüfung der Kosten- und Entschädigungsregelung für das
vorangegangene Verfahren dem Bundesstrafgericht, II. Beschwerdekammer,
übermittelt.

4.
Dieser Beschluss wird der Beschwerdeführerin, der Schweizerischen
Bundesanwaltschaft, dem Bundesstrafgericht, II. Beschwerdekammer, und dem
Bundesamt für Justiz, Abteilung internationale Rechtshilfe, Sektion
Rechtshilfe, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 30. Mai 2008
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Härri