Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.64/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_64/2008 /fun

Urteil vom 9. Juni 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Eusebio,
Gerichtsschreiber Thönen.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Friedrich Kramer,

gegen

Y.________, Beschwerdegegner,
Untersuchungsrichteramt III Bern-Mittelland, Untersuchungsrichter 3,
Hodlerstrasse 7, 3011 Bern.

Gegenstand
Strafverfahren, Ablehnung,

Beschwerde gegen den Beschluss vom 5. Februar 2008 des Obergerichts des Kantons
Bern, Anklagekammer.

Sachverhalt:

A.
X.________ erstattete am 15. September 2005 Strafanzeige und Strafantrag gegen
einen Dritten wegen diverser Delikte und konstituierte sich gleichzeitig als
Privatkläger. Gegen den Angezeigten wurde eine gerichtliche Strafverfolgung
wegen versuchter Erpressung (evtl. Nötigung), Sachentziehung (evtl. unbefugter
Datenbeschaffung) und übler Nachrede (evtl. Verleumdung) eröffnet.

Aufgrund der mit der Strafanzeige eingereichten Belege geriet X.________ selber
in Verdacht der ungetreuen Geschäftsbesorgung und Urkundenfälschung. Anlässlich
der Einvernahme vom 13. November 2007 war neben dem Untersuchungsrichter auch
der Polizeibeamte Y.________ anwesend. X.________ stellte gegen beide Beamte
ein Ablehnungsgesuch, da sie bereits mit dem Strafverfahren gegen den
angezeigten Dritten befasst seien. Wegen des Zusammenhangs zwischen den beiden
Strafverfahren, an denen X.________ einmal als Anzeiger bzw. Privatkläger,
einmal als Angeschuldigter beteiligt ist, dürften die Beamten im Verfahren
gegen X.________ nicht mitwirken.

B.
Mit Beschluss vom 5. Februar 2008 trat die Anklagekammer des Obergerichts des
Kantons Bern auf das Ablehnungsgesuch nicht ein. Zur Begründung wurde
ausgeführt, das Ablehnungsbegehren werde mit Umständen begründet, die
X.________ bereits seit längerer Zeit bekannt seien. Die Ablehnung sei
verspätet; überdies müsse ihr die juristische Ernsthaftigkeit abgesprochen
werden.

C.
X.________ führt mit Eingabe vom 10. März 2008 Beschwerde an das Bundesgericht.
Er beantragt, der Nichteintretensentscheid der Anklagekammer sei aufzuheben und
die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventuell
sei das Ausstandsbegehren gegen die beiden abgelehnten Beamten gutzuheissen.
Zur Begründung wird ausgeführt, an der Einvernahme vom 13. November 2007 sei
X.________ von der Anwesenheit des Polizeibeamten überrascht worden, der
beabsichtigt habe, X.________ zu befragen. Damit hätten die Beamten die
Vorschrift umgehen wollen, wonach die Befragten bei polizeilichen Befragungen
erklären können, dass sie nur bereit sind, vor der Untersuchungsbehörde
auszusagen (Art. 208 Abs. 2 kantonales Gesetz über das Strafverfahren, StrV/
BE). Im Zusammenwirken der beiden Beamten anlässlich der Einvernahme vom 13.
November 2007 liege der eigentliche Ausstandsgrund. Daher hätte die
Anklagekammer auf das Ablehnungsbegehren eintreten müssen.

D.
Die beiden abgelehnten Beamten haben je auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die
Anklagekammer beantragt Beschwerdeabweisung.

Erwägungen:

1.
Gemäss Art. 109 BGG entscheiden die Abteilungen des Bundesgerichts in
Dreierbesetzung bei Einstimmigkeit über die Abweisung offensichtlich
unbegründeter Beschwerden (Abs. 2 lit. a). Der Entscheid wird summarisch
begründet. Es kann ganz oder teilweise auf den angefochtenen Entscheid
verwiesen werden (Abs. 3).

2.
Die Anklagekammer ist auf das Ablehnungsbegehren nicht eingetreten, weil der
Beschwerdeführer die Ablehnung verspätet geltend gemacht habe. Der
Beschwerdeführer hat das Ablehnungsbegehren anlässlich der Einvernahme vom 13.
November 2007 gestellt. Vor Bundesgericht behauptet er, die Anklagekammer hätte
das Gesuch jedenfalls wegen der Vorgänge vom 13. November 2007 nicht als
verspätet bezeichnen dürfen. Im Zusammenwirken der beiden Beamten anlässlich
der Einvernahme liege ein Verstoss kantonalen Prozessrechts. Der Polizeibeamte
hätte anlässlich dieser Einvernahme nicht anwesend sein bzw. keine Fragen
stellen dürfen (Art. 208 Abs. 2 StrV/BE).

3.
Nach der Rechtsprechung beurteilt sich das Ausstandsgesuch wegen der
Verfahrensführung des Untersuchungsrichters nach Art. 29 Abs. 1 BV. Die
Erwägungen zur Garantie des unabhängigen Richters gemäss Art. 30 Abs. 1 BV
können allenfalls sinngemäss herangezogen werden (BGE 112 Ia 142 E. 2b S. 145
f.; 127 I 196 E. 2b S. 198).

Verfahrens- und Einschätzungsfehler und falsche Sachentscheide sind für sich
allein nicht Ausdruck einer Voreingenommenheit. Für eine Ausstandspflicht
müssen objektiv gerechtfertigte Gründe dafür bestehen, dass sich in Fachfehlern
gleichzeitig eine Haltung zeigt, die auf fehlender Distanz und Neutralität
beruht (Regina Kiener, Richterliche Unabhängigkeit, Bern 2001, S. 105 f.). Dies
ist nur dann anzunehmen, wenn besonders krasse und wiederholte Irrtümer
vorliegen, die einer schweren Amtspflichtverletzung gleichkommen und sich
einseitig zu Lasten einer der Prozessparteien auswirken können (BGE 125 I 119
E. 3e S. 124; 116 Ia 135 E. 3a S. 138).

4.
Es ist eine Frage der Auslegung des kantonalen Rechts, ob der Polizeibeamte bei
der untersuchungsrichterlichen Einvernahme anwesend sein darf. Die vom
Beschwerdeführer angerufene kantonale Norm schliesst dies nicht ausdrücklich
aus. Würde ein solcher Ausschluss per Auslegung begründet, kann in der
Anwesenheit bzw. Mitwirkung des Polizeibeamten allenfalls ein Verfahrensfehler
liegen. Isolierte Verfahrensfehler genügen nach der zitierten Rechtsprechung
jedoch nicht, um einen Ausstand zu begründen. Im vorliegenden Fall kann offen
bleiben, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, denn es läge jedenfalls kein
besonders krasser und wiederholter Irrtum vor. Da diese Voraussetzung fehlt,
wäre das Ausstandsgesuch selbst dann abzuweisen, wenn darauf einzutreten wäre.
Demnach sind die Vorbringen des Beschwerdeführers unbegründet.

5.
Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen. Da er unterliegt,
hat der Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Untersuchungsrichteramt III
Bern-Mittelland, Untersuchungsrichter 3, und dem Obergericht des Kantons Bern,
Anklagekammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 9. Juni 2008
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Thönen