Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.58/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_58/2008

Urteil vom 27. März 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Reeb,
Gerichtsschreiber Kessler Coendet.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Stefan Suter,

gegen

Besonderes Untersuchungsrichteramt des Kantons Basel-Landschaft, Rheinstrasse
12, Postfach,
4410 Liestal.

Gegenstand
Untersuchungshaft,

Beschwerde gegen den Beschluss vom 29. Februar 2008 des Verfahrensgerichts in
Strafsachen des Kantons Basel-Landschaft.

Sachverhalt:
A.
Das Besondere Untersuchungsrichteramt des Kantons Basel-Landschaft (im
Folgenden: BUR) führt ein Strafverfahren gegen X.________ wegen qualifizierter
Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (SR 812.121). Der Beschuldigte
wurde am 3. September 2007 festgenommen und tags darauf in Untersuchungshaft
versetzt. Das Präsidium des Verfahrensgerichts in Strafsachen des Kantons
Basel-Landschaft verlängerte die Haft in der Folge wiederholt, letztmals am 29.
Februar 2008 um acht Wochen bis zum 28. April 2008.
B.
Mit Eingabe vom 6. März 2008 legt X.________ gegen den Entscheid vom 29.
Februar 2008 beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen ein. Er beantragt die
Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die sofortige Haftentlassung.
Ausserdem stellt er ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung im bundesgerichtlichen Verfahren.

Das BUR und das Präsidium des Verfahrensgerichts in Strafsachen ersuchen um
Abweisung der Beschwerde. In der Replik hält der Beschwerdeführer an seinen
Begehren fest.

Erwägungen:
1.
Die Eintretensvoraussetzungen sind erfüllt und geben zu keinen weiteren
Bemerkungen Anlass.
2.
Nach der Vorinstanz besteht gegen den Beschwerdeführer der dringende
Tatverdacht, er habe, teilweise zusammen mit Y.________, durch diverse
Drittpersonen Hanf-Indooranlagen aufbauen und betreiben lassen; dabei seien die
beiden in erheblichem Umfang am Erlös beteiligt gewesen. Der Tatverdacht
betreffe gewerbs- und bandenmässigen Betäubungsmittelhandel.

Als besonderen Haftgrund nimmt die Vorinstanz zur Hauptsache Kollusionsgefahr
an, und zwar namentlich im Verhältnis zu Y.________. Dieser befindet sich
offenbar in Deutschland im Strafvollzug. Nach der Vorinstanz ist folgendes
konkretes Indiz für die Bereitschaft zu Kollusionshandlungen gegeben: In einem
abgehörten Telefongespräch vom 18. Februar 2007 habe Y.________ aus einem
Gefängnis in Deutschland dem Beschwerdeführer gesagt, die Aussagen müssten
übereinstimmen.

Wie im angefochtenen Entscheid dargelegt wird, hätten zwar inzwischen, nach
Angaben des BUR, in Deutschland Einvernahmen mit Y.________ stattgefunden, bei
denen ein Mitarbeiter der Drogenfahndung des Kantons Basel-Landschaft anwesend
gewesen sei. Es gelte aber vorerst das Eintreffen der Originalprotokolle dieser
Einvernahmen auf dem Rechtshilfeweg abzuwarten. Gestützt darauf sei es möglich,
dem Beschwerdeführer die Aussagen von Y.________ vorzuhalten. Erst dann könne
festgestellt werden, ob dessen Aussagen den Beschwerdeführer belasten bzw. von
diesem bestritten würden und eine Konfrontation nötig sei. Bis dahin bestehe
naturgemäss eine grundsätzliche Kollusionsgefahr, zumal die Aussagen von
Y.________ aufgrund seiner Stellung als mutmasslicher Geschäftspartner des
Beschwerdeführers als wesentliche Beweismittel zu qualifizieren seien. Im
angefochtenen Entscheid ersucht die Vorinstanz das BUR, eine allfällige
Konfrontation des Beschwerdeführers mit Y.________ zu prüfen bzw. in die Wege
zu leiten; sie hält es für denkbar, dass der letztere aus dem deutschen
Strafvollzug zwecks Einvernahme in der Schweiz zugeführt würde.
3.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht beklagt der Beschwerdeführer eine Verletzung
seines Gehörsanspruchs, des Akteneinsichtsrechts und des Gebots der
Waffengleichheit. Seiner Meinung nach kann es nicht angehen, dass der
angefochtene Entscheid angeblich erfolgte Einvernahmen mit Y.________ erwähne,
obwohl diese nicht aktenkundig gemacht worden seien.
3.1 Das BUR gab im Antrag vom 18. Februar 2008 auf Haftverlängerung bekannt,
dass ein Mitarbeiter der kantonalen Drogenfahndung mit Y.________ in
Deutschland in der Zeit zwischen dem 22. Januar und dem 12. Februar 2008
insgesamt vier Einvernahmen habe durchführen können. Diese Einvernahmen seien
noch nicht verwertbar, weil die Originale der Einvernahmeprotokolle aus
Deutschland noch nicht eingetroffen seien. Es könne jedoch bereits gesagt
werden, dass der Beschwerdeführer von Y.________ massiv des Handelns mit
Betäubungsmitteln beschuldigt werde.
In der Vernehmlassung an das Bundesgericht präzisiert das BUR, es habe die
Einvernahmeprotokolle inzwischen am 13. März 2008 erhalten. Zuvor habe es keine
Kopien dieser Protokolle besessen. Es habe lediglich von dem bei diesen
Einvernahmen anwesenden Mitarbeiter der kantonalen Polizei mündliche
Informationen erhalten.
3.2 Der Beschwerdeführer behauptet nicht, die Vorinstanz habe ihm Akten
vorenthalten, von denen sie selbst Kenntnis gehabt hätte. Ausserdem sind,
entgegen seiner Mutmassung, keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass das BUR im
Zeitpunkt des angefochtenen Entscheids über Kopien der Einvernahmeprotokolle
verfügte. Die Verfassungsrüge betreffend Akteneinsicht (Art. 29 Abs. 2 BV)
erweist sich als unbegründet.
3.3 Eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Gehörsanspruchs (Art. 29 Abs. 2
BV) liegt auch nicht in Verbindung mit dem zusätzlich angerufenen Grundsatz der
Waffengleichheit (Art. 31 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV bzw. Art. 5 Ziff. 4
EMRK) vor.

Im betreffenden Haftverlängerungsantrag hat das BUR über den Stand des
Rechtshilfeverfahrens Bericht erstattet. Dabei handelte es sich im Wesentlichen
bloss um Angaben über den äusseren Ablauf des Verfahrens. Der darin enthaltene,
pauschale Hinweis, dass Y.________ den Beschwerdeführer strafrechtlich belastet
habe, führt zu keiner anderen Beurteilung. Wie aus der bei E. 3.1 hiervor
wiedergegebenen Passage des Haftverlängerungsantrags folgt, ging das BUR selbst
davon aus, dass dessen Aussagen im Haftprüfungsverfahren noch nicht verwertbar
waren. Die Vorinstanz hat denn auch den dringenden Tatverdacht gegen den
Beschwerdeführer in keiner Weise mit belastenden Aussagen von Y.________
begründet, sondern gestützt auf Belastungen durch weitere Beteiligte.

Mit den Ausführungen im Haftverlängerungsantrag waren die Tatsachen zum Stand
des Rechtshilfeverfahrens verfassungsrechtlich hinreichend aktenkundig gemacht
worden. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer die Richtigkeit dieser
Darstellung mit Nichtwissen bestritt, verpflichtete die Vorinstanz nicht,
diesen Punkt weiter abzuklären.
4.
In der Sache selbst geht der Beschwerdeführer auf die Voraussetzung des
dringenden Tatverdachts nicht konkret ein. Es ist davon auszugehen, dass er
diesen nicht bestreitet. Hingegen stellt der Beschwerdeführer das Vorliegen
besonderer Haftgründe in Abrede. Insbesondere wendet er sich gegen die Annahme
von Kollusionsgefahr im Verhältnis zu Y.________.
4.1 Der besondere Haftgrund der Kollusionsgefahr ist erfüllt, wenn aufgrund
konkreter Indizien ernsthaft zu befürchten ist, der Beschuldigte werde die
Freiheit zur Erschwerung oder Vereitelung der Untersuchung benützen, namentlich
durch Beeinflussung anderer Personen oder durch Beseitigung von Beweismitteln
(§ 77 Abs. 1 lit. b der Strafprozessordnung des Kantons Basel-Landschaft vom 3.
Juni 1999 (StPO/BL; SGS 251).

Bei Beschwerden, die gestützt auf das Recht der persönlichen Freiheit (Art. 10
Abs. 2, Art. 31 BV) gegen die Anordnung oder Fortdauer von strafprozessualer
Haft erhoben werden, prüft das Bundesgericht im Hinblick auf die Schwere des
Eingriffs die Auslegung und Anwendung des entsprechenden kantonalen Rechts frei
(vgl. BGE 132 I 21 E. 3.2.3 S. 24 mit Hinweisen). Dem zusätzlich angerufenen
Willkürverbot (Art. 9 BV) kommt keine eigenständige Bedeutung zu.
4.2 Die theoretische Möglichkeit, dass der Angeschuldigte in Freiheit
kolludieren könnte, genügt nicht, um die Fortsetzung der Haft unter diesem
Titel zu rechtfertigen. Es müssen vielmehr konkrete Indizien für die Annahme
von Verdunkelungsgefahr sprechen (BGE 132 I 21 E. 3.2 S. 23; 128 I 149 E. 2.1
S. 151, je mit Hinweisen). Konkrete Anhaltspunkte für Kollusion können sich
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts namentlich ergeben aus dem
bisherigen Verhalten des Angeschuldigten im Strafprozess, aus seinen
persönlichen Merkmalen, aus seiner Stellung und seinen Tatbeiträgen im Rahmen
des untersuchten Sachverhalts sowie aus den persönlichen Beziehungen zwischen
ihm und den ihn belastenden Personen. Bei der Frage, ob im konkreten Fall eine
massgebliche Beeinträchtigung des Strafverfahrens wegen Verdunkelungsgefahr
droht, ist auch der Art und Bedeutung der von Beeinflussung bedrohten Aussagen
bzw. Beweismittel, der Schwere der untersuchten Straftaten sowie dem Stand des
Verfahrens Rechnung zu tragen (BGE 132 I 21 E. 3.2.1 S. 23 mit Hinweisen).
4.3 Wie bei E. 2 hiervor angesprochen, hat die Vorinstanz eine besondere,
geschäftliche Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und Y.________ im
Hinblick auf die untersuchten Straftaten bejaht. Diese Feststellung kritisiert
der Beschwerdeführer in keiner Weise. Angesichts des von der Vorinstanz
erwähnten, abgehörten Telefongesprächs zwischen den beiden vom 18. Februar 2007
ist zudem erstellt, dass zumindest von Seiten von Y.________ Versuche zu
Kollusionshandlungen unternommen worden sind. Dabei war Y.________ nach der
unbestrittenen Darstellung der Vorinstanz bereits in Deutschland inhaftiert.
Dem Beschwerdeführer kann somit nicht gefolgt werden, wenn er
Kollusionshandlungen deswegen ausschliesst, weil sich Y.________ offenbar in
Deutschland im Strafvollzug befindet. Der Beschwerdeführer hat nach wie vor ein
konkretes Interesse daran, die Aussagen von Y.________ zu den untersuchten
Delikten zu beeinflussen und diese mit seinen eigenen Angaben in Einklang zu
bringen. Ob ein solches Unterfangen aussichtsreich erscheint, ist nicht
entscheidend, weil auch eine Gefährdung der Wahrheitsfindung genügt.
4.4 Der Beschwerdeführer wendet ein, eine Gegenüberstellung zwischen ihm und
Y.________ könne innert nützlicher Frist nicht stattfinden. Dabei macht er
geltend, der von der Vorinstanz aufgezeigte Weg einer Zuführung von Y.________
werde vermutlich aus auslieferungsrechtlichen Gründen am Widerstand der
deutschen Behörden scheitern, denn dieser besitze das Schweizer Bürgerrecht.
Andere Wege, wie eine solche Konfrontation durchgeführt werden könne, seien
nicht aufgezeigt worden. Diese Einwände sind jedoch nicht geeignet, um die
Annahme von konkreter Kollusionsgefahr zu entkräften. Es hält vor der
Verfassung stand, wenn sich die Vorinstanz beim jetzigen Verfahrensstand damit
begnügt hat, dass eine Gegenüberstellung nicht von vornherein als rechtlich
ausgeschlossen erscheint. Derartige Hindernisse führt der Beschwerdeführer
nicht ins Feld.
4.5 Insgesamt durfte die Vorinstanz unter den gegebenen Umständen davon
ausgehen, dass Kollusionsgefahr bestehe. Der Vorinstanz ist ebenso zuzustimmen,
wenn sie erwogen hat, dass keine mildere Massnahme als die Aufrechterhaltung
der Haft ersichtlich ist, um der Verdunkelungsgefahr hinreichend zu begegnen.
Unter diesen Umständen müssen andere besondere Haftgründe im vorliegenden
Verfahren nicht geprüft werden.
5.
Schliesslich bestreitet der Beschwerdeführer die Verhältnismässigkeit der
Haftdauer.
5.1 Soweit der Beschwerdeführer Überhaft behauptet, kann ihm nicht gefolgt
werden. Zusammen mit der angefochtenen Haftverlängerung beträgt die Haftdauer
rund acht Monate. Nach der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer eine
Mindeststrafe von einem Jahr zu gewärtigen, weil der gegen ihn gerichtete
Tatverdacht qualifizierte Betäubungsmitteldelikte betrifft. Hinzu komme der
allfällige Widerruf bedingt ausgesprochener, einschlägiger Vorstrafen, so unter
anderem einer Gefängnisstrafe von 15 Monaten. Der Beschwerdeführer hält einzig
dagegen, dass es sich bei Hanfkraut bzw. Cannabis um weiche Drogen handle. Mit
diesem Argument vermag er aber nicht erfolgreich infrage zu stellen, dass in
seinem Fall angenommen wurde, eine Haftdauer von acht Monaten rücke noch nicht
in grosse Nähe der mutmasslich zu erwartenden freiheitsentziehenden Sanktion.
5.2 Ebenso wenig sind konkrete Anhaltspunkte vorhanden, wonach die kantonalen
Behörden das Strafverfahren ungebührlich verschleppen würden. Aus den Akten
ergibt sich, dass die Untersuchung betreffend den Beschwerdeführer ausreichend
vorangetrieben worden ist. Dies gilt ebenfalls im Hinblick auf das
Rechtshilfeverfahren mit Bezug auf die Einvernahme von Y.________. Von einer
ins Gewicht fallenden Verfahrensverzögerung ist bis anhin nicht auszugehen.
6.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang wird der
Beschwerdeführer an sich kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat indessen
ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gestellt. Dieses
ist gutzuheissen, weil seine Bedürftigkeit ausgewiesen erscheint und die
Beschwerde nicht von vornherein aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen.
2.1 Es werden keine Kosten erhoben.
2.2 Advokat Dr. Stefan Suter wird zum unentgeltlichen Rechtsbeistand ernannt
und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit Fr.
1'500.-- entschädigt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Besonderen Untersuchungsrichteramt
und dem Verfahrensgericht in Strafsachen des Kantons Basel-Landschaft
schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 27. März 2008
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Kessler Coendet