Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.293/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_293/2008 /nip

Urteil vom 25. November 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Kessler Coendet.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Markus Braun,

gegen

Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich, Molkenstrasse 15/17, Postfach 2251,
8026 Zürich.

Gegenstand
Untersuchungshaft,

Beschwerde gegen die Verfügung vom 3. Oktober 2008 des Bezirksgerichts Zürich,
Haftrichter.
Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich führt eine Strafuntersuchung gegen
X.________ wegen Gewaltdelikten, die er in der Neujahrsnacht 2008 zusammen mit
weiteren Angeschuldigten verübt haben soll. Der Beschuldigte wurde am 3. Januar
2008 festgenommen; er befindet sich seit dem 5. Januar 2008 in
Untersuchungshaft. Gegen die am 8. Juli 2008 angeordnete Verlängerung der
Untersuchungshaft gelangte X.________ erfolglos an das Bundesgericht; seine
Beschwerde wurde mit Urteil 1B_203/2008 vom 15. August 2008 abgewiesen, soweit
darauf eingetreten wurde. Am 3. Oktober 2008 erstreckte der Haftrichter des
Bezirks Zürich die Untersuchungshaft ein weiteres Mal bis zum 5. Januar 2009.

B.
Gegen die Haftverfügung vom 3. Oktober 2008 erhebt X.________ mit Eingabe vom
6. November 2008 wiederum Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht. Er
beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die unverzügliche
Freilassung. Ausserdem stellt er ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung im bundesgerichtlichen Verfahren.
Die Staatsanwaltschaft spricht sich sinngemäss für die Abweisung der Beschwerde
aus. Der Haftrichter hat Verzicht auf eine Vernehmlassung erklärt. In der
Replik hält der Beschwerdeführer an seinen Begehren fest.

Erwägungen:

1.
Die Eintretensvoraussetzungen sind erfüllt und geben keinen Anlass zu weiteren
Bemerkungen.

2.
2.1 Die Untersuchungshaft darf nach Zürcher Strafverfahrensrecht nur angeordnet
bzw. fortgesetzt werden, wenn der Angeschuldigte eines Verbrechens oder
Vergehens dringend verdächtigt wird und ausserdem ein besonderer Haftgrund
vorliegt (§ 58 Abs. 1 der Strafprozessordnung des Kantons Zürich vom 4. Mai
1919 [StPO/ZH; LS 321]). Kollusionsgefahr als besonderer Haftgrund liegt vor,
wenn aufgrund bestimmter Anhaltspunkte ernsthaft befürchtet werden muss, der
Angeschuldigte werde Spuren oder Beweismittel beseitigen, Dritte zu falschen
Aussagen zu verleiten suchen oder die Abklärung des Sachverhalts auf andere
Weise gefährden (§ 58 Abs. 1 Ziff. 2 StPO/ZH).
Im vorliegenden Verfahren bestreitet der Beschwerdeführer das Vorhandensein
eines dringenden Tatverdachts nicht mehr. Er wendet sich aber erneut gegen die
Annahme von Kollusionsgefahr. Dabei macht er eine Verletzung von
verfassungsmässigen Individualrechten geltend.

2.2 Der Haftrichter hat Kollusionsgefahr unter anderem im Verhältnis zu den
Mitangeschuldigten Y.________ und Z.________ bejaht. Auch beim derzeitigen
Verfahrensstand ist es nicht zu beanstanden, wenn der Haftrichter davon
ausgeht, dass der Beschwerdeführer weiterhin ein Interesse an der Beeinflussung
der Mitangeschuldigten haben kann. Es ist richtig, dass die Staatsanwaltschaft
die vom Beschwerdeführer angesprochenen Gutachten zur Klärung des Tathergangs
in Auftrag gegeben hat. Dem Antrag der Staatsanwaltschaft vom 29. September
2008 auf Haftverlängerung lässt sich jedoch nicht entnehmen, es seien deswegen
keine weiteren Untersuchungshandlungen mehr nötig. Vielmehr ist absehbar, dass
die Einvernahmen der Angeschuldigten nicht abgeschlossen werden können, bevor
die Gutachten vorliegen. Es kommt daher im vorliegenden Zusammenhang nicht
darauf an, ob bereits vorher weitere Konfrontationseinvernahmen stattfinden.

2.3 Nach den Feststellungen des Haftrichters hat der Beschwerdeführer mit den
Mitangeschuldigten nach der Tat, aber noch vor Beginn der Strafuntersuchung
Absprachen im Sinne von Kollusionshandlungen getroffen. Dem widerspricht der
Beschwerdeführer nicht konkret. Er stellt auch nicht in Abrede, dass er ein
Näheverhältnis zu den Mitangeschuldigten aufweist. Indessen behauptet er, die
Kollusionsgefahr müsse mit seinem Verhalten während der Strafuntersuchung
begründet werden können; sein früheres Verhalten dürfe hingegen nicht
massgeblich sein. Diese Ansicht steht nicht im Einklang mit der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. dazu BGE 132 I 21 E. 3.2.1 S. 23 mit
Hinweisen). Es liegt auf der Hand, dass Kollusionshandlungen zwischen
Tatbegehung und Eröffnung des Strafverfahrens in Betracht kommen.

2.4 Ferner sind keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die
Untersuchungshaft im vorliegenden Fall dazu missbraucht würde, den
Beschwerdeführer zu Aussagen zu bewegen. Die Haft wurde zur Sicherung
bevorstehender Ermittlungsmassnahmen, namentlich der bei E. 2.2 hiervor
angesprochenen Einvernahmen, verlängert. Die Rüge des Beschwerdeführers, er
befinde sich in unzulässiger Beugehaft, geht somit fehl. Insgesamt hält es beim
derzeitigen Stand des Verfahrens vor der Verfassung stand, die
Untersuchungshaft auf Kollusionsgefahr im Verhältnis zu den Mitangeschuldigten
abzustützen. Ob dieser besondere Haftgrund beim Beschwerdeführer auch nach
Abschluss der Untersuchung bejaht werden darf, kann offen bleiben.

3.
Der Beschwerdeführer kritisiert, dass der Haftrichter keine Ersatzmassnahmen
anstelle der strafprozessualen Haft angeordnet hat. Vor Bundesgericht erwähnt
der Beschwerdeführer als seiner Meinung nach geeignete Massnahmen ein
Kontaktverbot zu bezeichneten Personen, Weisungen hinsichtlich seines
Aufenthaltsorts und eine Kontrolle mittels Fussfessel bzw. electronic
monitoring. Derartige Anordnungen vermöchten jedoch hier weder für sich allein
noch zusammen die Kollusionsgefahr wirksam zu beheben. Im Übrigen bedeutet es
keinen Verfahrensmangel, wenn im angefochtenen Entscheid die Tauglichkeit einer
Kaution als Massnahme geprüft und verworfen wurde. Die Eingabe des
Beschwerdeführers im kantonalen Haftprüfungsverfahren enthielt eine nicht
abschliessende Aufzählung möglicher Ersatzmassnahmen. Der Haftrichter war nicht
gehalten, sich auf die vom Beschwerdeführer ausdrücklich genannten Vorschläge
zu beschränken.

4.
Der Vorwurf, das Beschleunigungsgebot sei verletzt, ist ebenfalls unbegründet.
Es gibt aufgrund der Akten keinen Anlass zur Annahme, dass die
Staatsanwaltschaft das Verfahren ungebührlich verschleppen würde.

5.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Da die Voraussetzungen gemäss
Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG erfüllt sind, ist dem Beschwerdeführer die
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung
bewilligt.

2.1 Es werden keine Kosten erhoben.

2.2 Rechtsanwalt Markus Braun wird zum unentgeltlichen Rechtsbeistand ernannt
und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit Fr.
1'500.-- entschädigt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft IV des Kantons
Zürich sowie dem Bezirksgericht Zürich, Haftrichter, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 25. November 2008
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Kessler Coendet