Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.216/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_216/2008 /daa

Urteil vom 15. August 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Fonjallaz,
Gerichtsschreiberin Scherrer.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Lisa Zaugg,

gegen

Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, Stauffacherstrasse 55, Postfach, 8026 Zürich.

Gegenstand
Fortsetzung Untersuchungshaft,

Beschwerde gegen die Verfügung vom 28. Juli 2008
des Bezirksgerichts Zürich, Haftrichter.

Sachverhalt:

A.
X.________ wird des Verstosses gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie
verschiedener Vermögensdelikte (darunter zwei Einbruchdiebstähle) und des
Fahrens in angetrunkenem Zustand verdächtigt. Nachdem er ein erstes Mal am 23.
März 2007 aus der Untersuchungshaft entlassen worden war, wurde er am 20. Juni
2007 wieder in diese versetzt, da ihm neue Tatvorwürfe zur Last gelegt wurden.
Die dem Haftrichter seither beantragten Haftverlängerungen wurden von Seiten
der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl jeweils mit Kollusionsgefahr begründet.

Der Antrag des Staatsanwaltes vom 23. Juni 2008 um eine weitere dreimonatige
Haftverlängerung wurde vom Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich am 26. Juni
2008 nur beschränkt gutgeheissen: Angesichts der drohenden Verletzung des
Beschleunigungsgebots wurde die Untersuchungshaft lediglich um einen Monat
verlängert, um der Untersuchungsbehörde Gelegenheit zu geben, innert dieser
Frist die noch notwendigen Einvernahmen durchzuführen.

B.
Am 24. Juli 2008 stellte die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl ein weiteres
Haftverlängerungsgesuch. Begründet wurde die Aufrechterhaltung der
Untersuchungshaft mit andauernder Kollusionsgefahr zwischen der Ehefrau und dem
Angeschuldigten.

Mit Verfügung vom 28. Juli 2008 gab die Haftrichterin des Bezirksgerichts
Zürich dem Antrag der Staatsanwaltschaft statt und verlängerte die
Untersuchungshaft bis 28. Oktober 2008.

C.
X.________ erhebt mit Eingabe vom 4. August 2008 Beschwerde in Strafsachen beim
Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen
Haftrichter-Entscheides und seine sofortige Entlassung aus der
Untersuchungshaft. Gleichzeitig ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege und Verbeiständung.

Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl verzichtet ausdrücklich auf eine
Stellungnahme, während sich die Haftrichterin des Bezirksgerichts Zürich nicht
hat vernehmen lassen.

Erwägungen:

1.
Die Eintretensvoraussetzungen sind erfüllt und geben zu keinen weiteren
Bemerkungen Anlass.

2.
2.1 Der Beschwerdeführer bestreitet den dringenden Tatverdacht nicht, macht
jedoch geltend, der von den kantonalen Behörden angeführte besondere Haftgrund
der Kollusionsgefahr bestehe nicht. Gleichzeitig stellt er auch eine allfällige
Flucht- oder eine etwaige Wiederholungsgefahr in Abrede, um die sofortige
Haftentlassung zu rechtfertigen.

2.2 Gemäss Art. 112 Abs. 1 BGG müssen Entscheide, die der Beschwerde an das
Bundesgericht unterliegen, unter anderem die massgebenden Gründe tatsächlicher
und rechtlicher Art enthalten, insbesondere die Angabe der angewendeten
Gesetzesbestimmungen (lit. b). Das Bundesgericht kann nach Art. 112 Abs. 3 BGG
einen Entscheid, der den Anforderungen von Absatz 1 nicht genügt, an die
kantonale Behörde zur Verbesserung zurückweisen oder aufheben.

Aus Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG folgt, dass Entscheide, die der Beschwerde an
das Bundesgericht unterliegen, klar den massgeblichen Sachverhalt und die
rechtlichen Schlüsse, die daraus gezogen werden, angeben müssen. Dies ist von
Bedeutung im Hinblick auf die unterschiedliche Überprüfungsbefugnis des
Bundesgerichts bei Sachverhalts- und Rechtsfragen (Art. 95 und 97 BGG). Genügt
der angefochtene Entscheid diesen Anforderungen nicht und ist deshalb das
Bundesgericht nicht in der Lage, über die Sache zu befinden, ist er nach Art.
112 Abs. 3 BGG aufzuheben und die Angelegenheit an die kantonale Behörde
zurückzuweisen, damit diese einen Entscheid treffe, der Art. 112 Abs. 1 BGG
entspricht (Urteile 1B_61/2008 vom 3. April 2008 E. 2.2; 4A_252/2007 vom 15.
November 2007 E. 3.2; 9C_423/2007 vom 29. August 2007; 9C_306/2007 vom 22. Juni
2007).

2.3 Der angefochtene Entscheid verweist hinsichtlich des dringenden
Tatverdachts auf die bisherigen haftrichterlichen Verfügungen, die seit dem 24.
September 2007 ergangen sind. Mit der Argumentation des Beschwerdeführers zur
Kollusionsgefahr im kantonalen Verfahren setzt sich die Haftrichterin jedoch
nicht auseinander; sie hält lediglich in allgemeiner Weise fest, der
Angeschuldigte könnte - auf freien Fuss gesetzt - versucht sein, ihn belastende
Personen und andere Mitbeteiligte unter Druck zu setzen oder sie zu falschen
Aussagen zu verleiten, beziehungsweise sich mit diesen Personen abzusprechen.
Deshalb sei Kollusionsgefahr nach wie vor zu bejahen. Es wird weder dargetan,
um welche "Mitbeteiligten" oder Belastungszeugen es sich handeln könnte, noch
werden konkrete Anhaltspunkte genannt, die eine Kollusionsgefahr zu begründen
vermöchten. Gestützt auf die vagen, allgemein gehaltenen Erwägungen der
Haftrichterin zum besonderen Haftgrund erscheint eine verfassungsrechtliche
Überprüfung der Untersuchungshaft durch das Bundesgericht nicht möglich.

Im Lichte der angeführten Rechtsprechung ist die angefochtene Verfügung deshalb
in Anwendung von Art. 112 Abs. 3 BGG aufzuheben und die Sache an die
Haftrichterin zurückzuweisen, damit sie einen Entscheid treffe, der den
Anforderungen von Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG genügt.

2.4 Da der Mangel des angefochtenen Entscheids besonders schwer wiegt, kommt
eine Heilung im bundesgerichtlichen Verfahren nicht in Betracht (vgl. BGE 126 I
68 E. 2 S. 72 mit Hinweisen).

3.
3.1 Die Haftrichterin wird unter Beachtung des besonderen
Beschleunigungsprinzips in Haftsachen (Art. 31 Abs. 4 BV, Art. 5 Ziff. 4 EMRK)
unverzüglich neu zu verfügen haben. Da Haftgründe nicht offensichtlich fehlen,
kommt die Haftentlassung durch das Bundesgericht nicht in Betracht. Der
entsprechende Antrag ist abzuweisen.

3.2 Gerichtskosten sind nicht zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Hingegen hat der
Kanton Zürich dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer eine angemessene
Parteientschädigung zu entrichten (Art. 68 Abs. 4 i.V. mit Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid der Haftrichterin
des Bezirksgerichts Zürich vom 28. Juli 2008 aufgehoben und die Sache zu neuem
Entscheid an die Haftrichterin zurückgewiesen.

2.
Der Antrag auf Haftentlassung wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Der Kanton Zürich hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren
mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl und
dem Bezirksgericht Zürich, Haftrichter, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 15. August 2008
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Féraud Scherrer