Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.130/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_130/2008 /fun

Urteil vom 6. Juni 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Fonjallaz,
Gerichtsschreiberin Schoder.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich, Gewaltdelikte, Molkenstrasse 15/17,
Postfach 1233, 8026 Zürich.

Gegenstand
Haftentlassung,

Beschwerde gegen die Verfügung vom 16. April 2008 des Bezirksgerichts Zürich,
Haftrichter.

Sachverhalt:

A.
X.________ befindet sich seit dem 15. Januar 2007 in Untersuchungshaft. Es wird
ihm vorgeworfen, Raubüberfälle auf mehrere Bankfilialen in den Kantonen Zürich
und Bern begangen zu haben.

Mit Urteil 1B_260/2007 vom 18. Dezember 2007 wies das Bundesgericht eine von
X.________ gegen die Verlängerung der Untersuchungshaft gerichtete Beschwerde
ab.

Am 16. April 2008 verlängerte der Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich die
Untersuchungshaft abermals bis zum 15. Juli 2008.

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, die Verfügung des
Haftrichters vom 16. Oktober 2007 (recte: vom 16. April 2008) sei aufzuheben,
und er sei aus der Untersuchungshaft unverzüglich zu entlassen. Ferner ersucht
er um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege im bundesgerichtlichen
Verfahren.

C.
Der Haftrichter hat auf Vernehmlassung verzichtet. Der zuständige Staatsanwalt
der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich beantragt Beschwerdeabweisung. Der
Beschwerdeführer hat nicht repliziert.

Erwägungen:

1.
Die Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen
Anlass. Auf die Beschwerde ist somit einzutreten.

2.
2.1 Gemäss § 58 Abs. 1 und 2 des Gesetzes des Kantons Zürich betreffend den
Strafprozess vom 4. Mai 1919 (StPO/ZH) ist die Anordnung und Fortdauer der
Untersuchungshaft zulässig, wenn der Angeschuldigte eines Verbrechens oder
Vergehens dringend verdächtigt wird und aufgrund bestimmter Anhaltspunkte
Flucht-, Kollusions-, Wiederholungs- oder Ausführungsgefahr ernsthaft zu
befürchten ist. Vorliegend bestreitet der Beschwerdeführer den Tatverdacht. Er
rügt eine Verletzung der persönlichen Freiheit (Art. 10 Abs. 2, Art. 31 Abs. 1
BV, Art. 5 Ziff. 1 lit. c EMRK) und des Willkürverbots (Art. 9 BV).

2.2 Im Urteil 1B_260/2007 vom 18. Dezember 2007 (E. 2.2) hat das Bundesgericht
die Voraussetzungen, unter denen ein dringender Tatverdacht zu bejahen ist,
bereits dargelegt. Es wird darauf verwiesen.

2.3 Dem Beschwerdeführer wird konkret vorgeworfen, sich an je einem
Raubüberfall auf die Filiale Y.________ der Bank A.________ und auf die Filiale
Z.________ der Bank B.________ beteiligt zu haben. Der Haftrichter ist der
Ansicht, dass sich aufgrund der eingegangenen Gutachten über die DNA-Spuren der
dringende Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer weiter erhärtet habe. Zur
Begründung des dringenden Tatverdachts verweist er insbesondere auf den
Haftverlängerungsantrag der Staatsanwaltschaft vom 9. April 2008. Gemäss diesem
Antrag ist der dringende Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer bezüglich des
Raubüberfalls auf die Filiale Y.________ der Bank A.________ aufgrund folgender
Umstände gegeben: Der Mitangeschuldigte C.________ habe am Tatort seine DNA
hinterlassen. Ein weiterer Mitangeschuldigter D.________ sowie eine täterische
Jacke seien wiedererkannt worden. Der Raub in der Filiale Y.________ der Bank
A.________ sei von drei Männern ausgeführt worden und alsdann seien die drei
Angeschuldigten C.________, D.________ und der Beschwerdeführer gemeinsam
verhaftet worden. Die Männer hätten anscheinend einen Teil der Beute auf sich
gehabt. Ausserdem hätten präparierte Sturmmasken sichergestellt werden können.
Auch seien die drei Angeschuldigten zusammen mit einem weiteren Angeschuldigten
E.________ vorgängig beim Auskundschaften der Lokalität observiert worden.
Anhand der abgehörten Telefongespräche und Antennenstandorte hätten sich klare
Indizien für einen in Y.________ geplanten Raub ergeben. Bezüglich des
Raubüberfalls auf die Filiale Z.________ der Bank B.________ ergebe sich der
dringende Tatverdacht aufgrund der am Tatort sichergestellten DNA-Spuren des
Beschwerdeführers und des Mitangeschuldigten C.________, aufgrund der
Auswertung der sichergestellten Mobiltelefone der Angeschuldigten sowie auch
aufgrund der Passeinträge, wonach der Beschwerdeführer sein Heimatland zu jener
Zeit verlassen gehabt habe.

Was der Beschwerdeführer vorbringt, reicht nicht aus, die Annahme des
dringenden Tatverdachts in Frage zu stellen. Der Beschwerdeführer verkennt,
dass es nicht Sache des Haftrichters, sondern des Strafgerichts ist, den
Beweiswert der einzelnen DNA-Spuren zu würdigen. Jedenfalls ist der Standpunkt
des Haftrichters, die Schwierigkeiten bei der Berechnung des Beweiswerts der
DNA-Spuren würden nicht gegen einen dringenden Tatverdacht sprechen, ohne
weiteres vertretbar. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, die DNA-Spuren auf
der sichergestellten Sturmhaube seien entgegen der aktenwidrigen Feststellung
des Haftrichters nicht verdachtserhärtend, da diese Spuren längstens bekannt
seien, hat auf die zur Diskussion stehende Frage des dringenden Tatverdachts
keinen Einfluss. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers können die gegen
die Mitangeschuldigten vorliegenden Indizien sehr wohl auch gegen ihn verwendet
werden, da sich der Verdacht eben gerade darauf richtet, dass die einzelnen
Raubüberfälle von mehreren Tätern, allenfalls sogar bandenmässig durchgeführt
wurden. Ob die Behauptungen des Beschwerdeführers, er könne die Herkunft des
sichergestellten Geldes erklären, er habe sich zur Tatzeit in einem Café namens
"Jasmin" aufgehalten und sein Mobiltelefon weiteren Personen zur Verfügung
gestellt, so dass die Ermittlung der Antennenstandorte für die Begründung des
dringenden Tatverdachts nichts hergeben würden, glaubwürdig sind, wird das
Strafgericht zu entscheiden haben. Mit den genannten Behauptungen vermag der
Beschwerdeführer den von der Staatsanwaltschaft eingehend dargelegten
Tatverdacht der Begehung der Raubüberfälle jedenfalls nicht zu zerstreuen. Seit
dem Bundesgerichtsurteil 1B_260/2007 vom 18. Dezember 2007 hat sich die
Beweislage insgesamt nicht zugunsten des Beschwerdeführers geändert; der
Haftrichter hat den dringenden Tatverdacht bezüglich der genannten Straftaten
erneut bejahen dürfen. Es liegt somit weder eine Verletzung der persönlichen
Freiheit noch des Willkürverbots vor.

3.
3.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, es bestehe die Gefahr der Überhaft.
Insbesondere habe der Haftrichter nicht geprüft, ob eine bedingte oder
teilbedingte Strafe in Frage kommen könnte.

3.2 Nach § 58 Abs. 3 StPO/ZH darf die Untersuchungshaft nicht länger dauern als
die zu erwartende Freiheitsstrafe. Diese Bestimmung, die mit der Rechtsprechung
des Bundesgerichts zu Art. 5 Ziff. 3 EMRK und Art. 31 Abs. 3 Satz 2 BV
übereinstimmt, verbietet es dem Haftrichter, die Untersuchungshaft zu
verlängern, wenn ihre Dauer in grosse Nähe der konkret zu erwartenden
Freiheitsstrafe rückt (BGE 126 I 172 E. 5a S. 176). Nach der Rechtsprechung
wird bei der Prüfung, ob die Gefahr von Überhaft droht, die Möglichkeit der
Ausfällung einer lediglich bedingt vollziehbaren Freiheitsstrafe grundsätzlich
nicht berücksichtigt (BGE 124 I 208 E. 6 S. 215).

3.3 Der Beschwerdeführer befindet sich seit rund 16 Monaten in
Untersuchungshaft. Die ihm zur Last gelegten Straftaten wiegen schwer. Raub
kann mit bis zu zehn Jahren dauernder Freiheitsstrafe geahndet werden (Art. 140
Ziff. 1 Abs. 1 StGB). Zudem wird dem Beschwerdeführer mehrfache Tatbgehung
vorgeworfen, was sich straferhöhend auswirken könnte. Der Beschwerdeführer muss
deshalb mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe rechnen. Die Gefahr von
Überhaft ist somit offensichtlich nicht gegeben. Wie dargetan, ist dabei die
Möglichkeit einer lediglich bedingt vollziehbaren Freiheitsstrafe im
Haftprüfungsverfahren nicht von Bedeutung. Die Fortdauer des Freiheitsentzugs
ist damit nach wie vor verhältnismässig.

4.
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet und ist
demzufolge abzuweisen. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen
offensichtlicher Aussichtslosigkeit der Begehren ebenfalls abzuweisen (vgl.
Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Umständehalber wird auf die Erhebung von
Gerichtskosten aber verzichtet.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft IV des Kantons
Zürich, Gewaltdelikte, und dem Bezirksgericht Zürich, Haftrichter, schriftlich
mitgeteilt.
Lausanne, 6. Juni 2008
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Féraud Schoder