Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.10/2008
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1B_10/2008

Urteil vom 30. Januar 2008

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Thönen.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Stefan Suter,

gegen

Besonderes Untersuchungsrichteramt des Kantons Basel-Landschaft, Rheinstrasse
12, Postfach,
4410 Liestal.

Haftentlassung, Kaution,

Beschwerde gegen die Verfügung vom 27. Dezember 2007 des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht.
Sachverhalt:

A.
Der 1967 geborene X.________ wurde mit Urteil des Strafgerichts
Basel-Landschaft vom 4. Dezember 2007 der mehrfach qualifizierten
Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie der Geldwäscherei
schuldig erklärt und zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt,
unter Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungshaft. X.________ hat am 4.
Dezember 2007 gegen das Strafgerichtsurteil appelliert.

X. ________ wurde am 27./28. Februar 2006 in Untersuchungshaft genommen und
befindet sich heute in Sicherheitshaft.

B.
Mit Eingaben vom 17./21. Dezember 2007 ersuchte X.________ um Entlassung aus
der Untersuchungshaft gegen Leistung einer Kaution von 20'000.-- Franken,
eventualiter einer vom Kantonsgericht festzusetzenden Kaution.

Das Kantonsgericht Basel-Landschaft wies mit Verfügung vom 27. Dezember 2007
den Antrag um Haftentlassung gegen Hinterlegung einer Kaution von 20'000.--
Franken, eventualiter einer vom Kantonsgericht festzusetzenden Kaution, ab
und verlängerte die Sicherheitshaft bis zur Hauptverhandlung vor dem
Kantonsgericht, maximal jedoch bis zum 1. Juli 2008.

C.
Mit Beschwerde vom 10. Januar 2008 beantragt X.________ beim Bundesgericht,
die Verfügung des Kantonsgerichts vom 27. Dezember 2007 aufzuheben und die
Vorinstanz anzuweisen, ihn gegen Auferlegung einer Kaution aus der Haft zu
entlassen. Es seien keine Kosten zu erheben und ihm eine angemessene
Parteientschädigung zuzusprechen.

Das Kantonsgericht beantragt in der Vernehmlassung, die Beschwerde
abzuweisen. Das Besondere Untersuchungsrichteramt des Kantons
Basel-Landschaft hat auf eine Stellungnahme verzichtet.

Mit Replik vom 23. Januar 2008 hält X.________ an seinem Antrag fest.

Erwägungen:

1.
Die angefochtene Verfügung vom 27. Dezember 2007 stützt sich auf kantonales
Strafprozessrecht. Letztinstanzliche Entscheide betreffend die Anordnung und
Verlängerung der Untersuchungshaft können praxisgemäss mit der Beschwerde in
Strafsachen gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG angefochten werden. Der Antrag auf
Haftentlassung ist gemäss Art. 107 Abs. 2 BGG zulässig (BGE 133 I 270 E. 1.1
S. 272 f.). Auf die rechtzeitig eingereichte Beschwerde ist einzutreten.

2.
Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft kann nach dem anwendbaren kantonalen
Recht u.a. verhängt werden, wenn neben dem allgemeinen Haftgrund des
dringenden Tatverdachts Flucht-, Kollusions- oder Fortsetzungsgefahr besteht.
Ausser dem allgemeinen Haftgrund des dringenden Tatverdachts muss einer
dieser besonderen Haftgründe bestehen (§ 77 StPO/BL). Die strafprozessuale
Haft muss überdies verhältnismässig sein. Unverhältnismässig ist die Haft
insbesondere dann, wenn Ersatzmassnahmen wie die Hinterlegung einer
Sicherheitsleistung möglich und ausreichend sind (§ 78 Abs. 2 lit. a
StPO/BL). Die Behörde kann Ersatzmassnahmen anstelle von Untersuchungshaft
anordnen. Erweist sich, dass Ersatzmassnahmen nicht ausreichen oder nicht
eingehalten werden, kann Untersuchungshaft angeordnet werden, wenn die
Voraussetzungen hierfür erfüllt sind (§ 79 Abs. 1 und 4 StPO/BL).

3.
Nach Ansicht des Kantonsgerichts ist der dringende Tatverdacht gegen den
Beschwerdeführer angesichts des erstinstanzlichen Schuldspruchs gegeben. Er
habe in der Schweiz weder Arbeitsstelle noch Wohnung und geringe soziale
Bindungen. Er sei serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger, Miteigentümer
eines Hauses im Kosovo, pflege engen Kontakt zu seiner Heimat und zu
Albanien. Aufgrund dieser Umstände sei die Wahrscheinlichkeit gross, dass er
eine Freilassung aus der Haft zur Flucht ins Ausland bzw. zum Untertauchen in
der Schweiz nutzen könnte. Daher bestehe weiterhin Fluchtgefahr. Die
Verhältnismässigkeit der Haftdauer von bisher knapp zwei Jahren sei
angesichts der erstinstanzlich ausgesprochenen Freiheitsstrafe von vier
Jahren gewahrt. Die Hinterlegung einer Sicherheitsleistung komme als
Ersatzmassnahme nicht in Betracht. Die vom Beschwerdeführer angebotene Summe
von 20'000.-- Franken stehe in keinem Verhältnis zu der ihm drohenden
Freiheitsstrafe und sei nicht geeignet, die Fluchtgefahr zu bannen. Der
Beschwerdeführer unterhalte enge Kontakte zu seinem Onkel, der selber des
Drogenhandels verdächtigt werde. Daher bestehe die Gefahr, dass die Kaution
aus illegalen Mitteln finanziert werden könnte. Auch das Eventualbegehren um
Festsetzung der Kaution durch das Kantonsgericht sei abzuweisen.

4.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Willkürverbots und des Rechts
auf persönliche Freiheit. Sein erstinstanzlicher Schuldspruch beruhe auf
einem Indizienprozess ohne Beweise im engeren Sinn. Er sei nicht vorbestraft
und habe seit seiner Einreise in die Schweiz zu Beginn der 90er Jahre immer
seriös beim gleichen Arbeitgeber gearbeitet. Mit der Anrechnung der
Untersuchungshaft auf die Strafhaft gemäss Strafgerichtsurteil sei die
Reststrafzeit deutlich verkürzt und damit die Fluchtgefahr reduziert worden.
Die Untersuchungshaft dauere mittlerweile fast 700 Tage. Unter diesen
Umständen könne nicht angehen, dass die Vorinstanz jegliche Kautionsofferte
von sich weise. Es sei verfassungswidrig, dass das Kantonsgericht das
Eventualbegehren um Festsetzung einer Kautionssumme abgelehnt habe, weil
überhaupt keine Kaution in Frage komme. Das Geld stamme aus legalen Quellen,
wie dies aus einer Bestätigung von Verwandten des Beschwerdeführers
hervorgehe. Da die Entlassung nach zwei Dritteln der Strafe ohnehin in ca.
sieben Monaten zu erwarten sei und der Beschwerdeführer das Geld seiner
Verwandten nicht aufs Spiel setzen wolle, sei nicht ersichtlich, weshalb
überhaupt keine Kautionsleistung geeignet sein soll. Überdies sei das
Strafverfahren schleppend vorangetrieben worden. Bei korrekter
Verfahrensführung wären die Strafurteile beider Instanzen - auch der
Appellationsinstanz - bereits gefallen.

5.
5.1 Gemäss Art. 10 Abs. 2 BV hat jeder Mensch das Recht auf persönliche
Freiheit, insbesondere auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf
Bewegungsfreiheit. Das Grundrecht kann unter den Voraussetzungen von Art. 36
BV eingeschränkt werden. Das Willkürverbot gemäss Art. 9 BV vermittelt im
vorliegenden Zusammenhang keine weitergehenden Garantien.

5.2 Die Ansicht des Kantonsgerichts, unter den gegebenen Umständen bestehe
weiterhin Fluchtgefahr, ist verfassungsrechtlich haltbar. Die zur Begründung
der Fluchtgefahr angeführten Umstände werden nicht substanziiert bestritten.
Ebenso darf, infolge der erstinstanzlichen Verurteilung des Beschwerdeführers
und des Fortbestehens der Anklage, von einem hinreichenden Tatverdacht
ausgegangen werden. Ob der Beschwerdeführer zu recht schuldig gesprochen
wurde ist nicht hier, sondern im Appellationsverfahren zu prüfen.

Nach dem angefochtenen Urteil lässt sich die Fluchtgefahr im vorliegenden
Fall generell nicht bannen. Auch eine höhere Kautionssumme kommt nach Ansicht
des Kantonsgerichts dafür nicht in Frage. Prüft das Kantonsgericht, ob
Ersatzmassnahmen möglich und ausreichend sind, kommt ihm ein gewisses
Ermessen zu. Es hat im vorliegenden Fall entschieden, die Kaution sei eine
untaugliche Ersatzmassnahme und die Haftentlassung gegen Hinterlegung einer
Geldsumme sei absolut ausgeschlossen. Diese Ermessensausübung ist
verfassungsrechtlich haltbar. Der durch die strafprozessuale Haft bewirkte
Eingriff in die persönliche Freiheit ist gesetzlich vorgesehen (§ 77
StPO/BL). Der Beschwerdeführer verfügt über schwache Bindungen zur Schweiz,
dafür familiäre Kontakte im Ausland. Überdies sind die ihm zur Last gelegten
Delikte mit grenzüberschreitenden Transporten und mit hohen Geldsummen
verbunden. Beides deutet darauf hin, dass die Hinterlegung eines Geldbetrags
anstelle der Inhaftierung kein geeignetes Mittel ist, um zu verhindern, dass
sich der Beschwerdeführer dem Strafverfahren vor Kantonsgericht und - im
Falle einer rechtskräftigen Verurteilung - der Strafe durch Flucht entzieht.
Die Verfassungsrüge ist unbegründet.

6.
Der Beschwerdeführer macht geltend, das Besondere Untersuchungsrichteramt
habe das Verfahren in nicht unerheblicher Weise verzögert und das
Beschleunigungsgebot verletzt. Es könne nicht angehen, dass er in Anbetracht
dieser Verfahrensverschleppung in Sicherheitshaft bleiben müsse.

6.1 Untersuchungs- und Sicherheitshaft ist nicht Strafhaft. Sie bezweckt die
Sicherung des Strafverfahrens und der allfälligen Strafvollstreckung (Niklaus
Schmid, Strafprozessrecht, 4. Auflage, Zürich 2004, Rz. 690 f.; Robert
Hauser/Erhard Schweri/Karl Hartmann, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6.
Auflage, Basel 2005, § 68 Rz. 1) und nicht die Bestrafung des
Tatverdächtigen. Dieser gilt bis zur rechtskräftigen Verurteilung
vermutungsweise als unschuldig (Art. 32 Abs. 1 BV) und hat Anspruch auf ein
Urteil (gemeint: Sachurteil) innert angemessener Frist (Art. 29 Abs. 1 und
Art. 31 Abs. 3 Satz 2 BV). Nach der Rechtsprechung ist jedoch die Rüge, das
Beschleunigungsgebot sei verletzt, im Haftprüfungsverfahren nur soweit zu
beurteilen, als die Verfahrensverzögerung geeignet ist, die Rechtmässigkeit
der Untersuchungshaft in Frage zu stellen und zu einer Haftentlassung zu
führen. Dies trifft nur in bestimmten, besonders schwerwiegenden Fällen zu.
In weniger gravierenden Fällen ist der Vorwurf nicht durch den Haftrichter,
sondern gegebenenfalls durch den Sachrichter unter der gebotenen
Gesamtwürdigung zu beurteilen (BGE 128 I 149 E. 2.2 S. 151 f.).
6.2 Angesichts der Dauer der strafprozessualen Haft von rund zwei Jahren und
der erstinstanzlichen Verurteilung zu vier Jahren Freiheitsstrafe kann nicht
gesagt werden, die bisherige Dauer der strafprozessualen Haft übersteige die
mutmassliche Dauer der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden
Freiheitsstrafe bzw. rücke dazu in grosse zeitliche Nähe. Zudem sind keine
Hinweise dafür ersichtlich, dass das Appellationsverfahren nicht mit der
gebotenen Beschleunigung geführt und abgeschlossen wird. Bei dieser Sachlage
liegt kein schwerer Fall im Sinne der Rechtsprechung vor. Demnach hat sich
das Bundesgericht zum Vorwurf der Verschleppung des Strafverfahrens nicht
weiter zu äussern.

7.
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit darauf einzutreten
ist. Bei diesem Ausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig; für die
Bewilligung seines Antrags auf Kostenbefreiung besteht kein Anlass (Art. 66
Abs. 1 BGG) und er wäre infolge fehlender Begründung abzuweisen, wenn damit
sinngemäss die unentgeltliche Rechtspflege gemäss Art. 64 Abs. 1 BGG gemeint
wäre. Es sind keine Parteientschädigungen zuzusprechen (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Besonderen
Untersuchungsrichteramt des Kantons Basel-Landschaft und dem Kantonsgericht
Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. Januar 2008

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Thönen