Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 62/2007
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U 62/07

Urteil vom 9. Januar 2008

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterinnen Widmer, Leuzinger,
Gerichtsschreiber Lanz.

C. ________, 1972,  Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Jean-Louis
von Planta, Pfluggässlein 2/Freie Strasse 38, 4001 Basel,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1,
6004 Luzern, Beschwerdegegnerin.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom 14. Dezember 2006.

Sachverhalt:

A.
Der 1972 geborene C.________, dipl. Psychiatriepfleger, ist in der Klinik
P.________ tätig und dadurch bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen Unfallfolgen
versichert. Am 5. November 2001 meldete er dem Versicherer, er habe sich am
24. September 2001 bei der Arbeit an den Bandscheiben im cervicalen Bereich
verletzt. Die SUVA anerkannte ihre Leistungspflicht und erbrachte die
gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung, Taggeld). Am 17. Dezember 2001
konnte die Arbeit wieder vollumfänglich aufgenommen werden. Die
Heilbehandlung wurde Ende Januar 2002 abgeschlossen. Am 9. Mai 2005 liess
C.________ am 29. April 2005 aufgetretene cervicale Bandscheibenprobleme,
welche vom 2. Mai 2005 bis 10. Juli 2005 eine Arbeitsunfähigkeit begründeten,
als Rückfall zum Ereignis vom 24. September 2001 melden. Nach Einholung von
Arztberichten verneinte die SUVA mit Verfügung vom 26. September 2005 ihre
Leistungspflicht für die neu gemeldeten Beschwerden. Daran hielt sie auf
Einsprache des Versicherten hin fest. Sie führte dabei neu auch aus, schon
das Ereignis vom 24. September 2001 habe bei richtiger Betrachtung keinen
Unfall dargestellt. Auf eine Rückforderung der damals demnach zu Unrecht
erbrachten Leistungen werde aber verzichtet (Einspracheentscheid vom 31. März
2006).

B.
Die von C.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt mit Entscheid vom 14. Dezember 2006
ab.

C.
C.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren,
in Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheids sei die SUVA zu verpflichten,
ab 29. April 2005 Versicherungsleistungen aus Rückfall zum Ereignis vom 24.
September 2001 zu erbringen; eventuell sei die Sache zur Anordnung
medizinischer Abklärungen und zum neuen Entscheid über die
Leistungsberechtigung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Weiter wird um
Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Verbeiständung für das
letztinstanzliche Verfahren ersucht.

Die SUVA beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, ohne sich
weiter zur Sache zu äussern. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine
Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Der
angefochtene Entscheid ist indessen vorher ergangen, weshalb sich das
Verfahren noch nach dem Bundesgesetz über die Organisation der
Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943 (OG) richtet (Art. 132 Abs. 1 BGG;
BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf Leistungen der obligatorischen
Unfallversicherung aufgrund der am 9. Mai 2005 gemeldeten
Rücken-/Schulterprobleme. Dabei besteht, nach Lage der medizinischen Akten zu
Recht, Einigkeit darüber, dass diese Beschwerden in denselben cervicalen
Diskushernien begründet liegen wie schon die früheren, ab 24. September 2001
aufgetretenen Beschwerden.

Die Rechtsgrundlagen für die Beurteilung der Streitsache sind im
angefochtenen Entscheid zutreffend dargelegt. Es betrifft dies namentlich die
Bestimmungen über den Unfallbegriff (Art. 4 ATSG in Verbindung mit Art. 1
Abs. 1 UVG) und die Leistungspflicht des Unfallversicherers im Grundfall
sowie bei Rückfällen und Spätfolgen (Art. 6 Abs. 1 UVG; Art. 11 UVV) mit der
dazu ergangenen Rechtsprechung, insbesondere auch zu den sich stellenden
kausalen und beweisrechtlichen Fragen und unter besonderer Berücksichtigung
der bei Diskushernien geltenden Grundsätze. Darauf wird verwiesen.

3.
3.1 Das kantonale Gericht hat zunächst erwogen, die festgestellten
Diskushernien seien (krankheitsbedingter) degenerativer Natur und nicht durch
das Ereignis vom 24. September 2001 verursacht worden. Dieses habe lediglich
vorübergehende Beschwerden aus den Bandscheibenschäden ausgelöst. Der
Beschwerdeschub sei mit der Beendigung der Heilbehandlung Ende Januar 2002
abgeschlossen gewesen. Dass die am 9. Mai 2005 gemeldeten Beschwerden in
einem kausalen Zusammenhang zum Ereignis vom 24. September 2001 stünden, sei
nicht überwiegend wahrscheinlich, zumal in den dazwischen liegenden rund drei
Jahren keine mit der Bandscheibenproblematik begründete Arbeitsunfähigkeit
mehr bestanden habe.

3.2 Diese Beurteilung ist nach Lage der medizinischen Akten und im Lichte der
Rechtsprechung zur Leistungspflicht des Unfallversicherers bei Beschwerden
aus Diskushernien nicht zu beanstanden. Danach entspricht es im Bereich des
Unfallversicherungsrechts einer medizinischen Erfahrungstatsache, dass
praktisch alle Diskushernien bei Vorliegen degenerativer
Bandscheibenveränderungen entstehen und ein Unfallereignis nur ausnahmsweise,
unter besonderen Voraussetzungen, als eigentliche Ursache in Betracht fällt.
Wird die Diskushernie durch den Unfall lediglich ausgelöst, nicht aber
verursacht, übernimmt die Unfallversicherung den durch das Unfallereignis
ausgelösten Beschwerdeschub, spätere Rezidive dagegen nur, wenn eindeutige
Brückensymptome gegeben sind (RKUV 2000 Nr. U 379 S. 192 und Nr. U 378 S.
190; vgl. auch RKUV 2000 Nr. U 363 S. 45).

Soweit in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht wird, das
Ereignis vom 24. September 2001 habe die Diskushernien verursacht, kann ihr
nicht gefolgt werden. Dies gilt namentlich auch, soweit sich der Versicherte
auf die Aussagen des behandelnden Rheumatologen bezieht. Denn dieser
bestätigte im Bericht vom 21. November 2001 ausdrücklich, dass die
Degeneration der Bandscheiben sicher schon längere Zeit bestehe und es durch
die abrupte Belastung (am 24. September 2001) zur Auslösung von Beschwerden
gekommen sei. Das Ereignis vom 24. September 2001, welches als Auftreten
eines plötzlichen Schmerzes beim Versuch, einen Patienten zu halten resp. vor
einem Sturz zu bewahren, beschrieben wurde, erscheint im Übrigen auch
objektiv nicht von genügender Schwere, um einen solchen Bandscheibenschaden
herbeiführen zu können (vgl. RKUV 2000 Nr. U 379 S. 190; in AJP 2006 S. 877
zusammengefasstes und kommentiertes Urteil U 163/05 vom 3. Oktober 2005, E.
3.1 mit Hinweisen). Dass das weitere Ereignis vom 29. April 2005 die
Diskushernien verursacht haben solle, wird - zu Recht - nicht geltend
gemacht.

Entgegen der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Auffassung sind
auch keine Brückensymptome ausgewiesen, welche gestatten würden, die ab 29.
April 2006 aufgetretenen Beschwerden als Rezidiv des früheren
Beschwerdeschubs zu betrachten. Dies ergibt sich schon daraus, dass die
Diskushernienproblematik ab Dezember 2001 (Aufnahme der vollen
Arbeitstätigkeit) resp. Januar 2002 (Abschluss Heilbehandlung) bis Ende
April/Anfang Mai 2005 weder eine ärztlich bestätigte Arbeitsunfähigkeit noch
die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung begründete. Von den beantragten
ergänzenden medizinischen Abklärungen ist mangels eines zu erwartenden
entscheidrelevanten neuen Aufschlusses abzusehen.

4.
Das kantonale Gericht hat sodann offen gelassen, ob das Ereignis vom 24.
September 2001 überhaupt als Unfall im Rechtssinne zu betrachten wäre, und
erwogen, unabhängig von der Beantwortung dieser Fragen seien die ab Ende
April 2005 aufgetretenen Beschwerden nicht als Rückfall zum früheren Ereignis
zu betrachten.

Das ist richtig. Die Annahme eines Rückfalls oder einer Spätfolge setzt
voraus, dass ein früherer versicherter Unfall einen Gesundheitsschaden
entweder verursacht oder richtunggebend verschlimmert hat und dies zumindest
teilursächlich ist für die später erneut (Rückfall) oder neu (Spätfolge)
auftretenden Beschwerden. Dies trifft hier nicht zu, bestand doch bereits der
Grundfall lediglich in einem vorübergehenden Beschwerdeschub, ohne dass der
diesem zugrunde liegende Gesundheitsschaden durch das damalige Ereignis
verursacht oder richtunggebend beeinflusst wurde. Wiederholte vorübergehende
Verschlimmerungen desselben unveränderten Grundleidens stellen nun aber
zueinander keine Rückfälle oder Spätfolgen dar. Was in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgetragen wird, führt zu keinem anderen
Ergebnis. Namentlich muss die Verwendung des Begriffes Rückfall von
ärztlicher Seite nicht bedeuten, dass es sich tatsächlich um einen Rückfall
im Rechtssinne handelt.

5.
Liegt nach dem Gesagten weder ein Rückfall noch eine Spätfolge zu einem
früheren versicherten Unfall vor, kann sich eine Leistungspflicht der SUVA
für den Ende April 2005 eingetretenen Beschwerdeschub nur ergeben, wenn
dieser mit einem neuen, versicherten Unfallereignis zu erklären ist. Dabei
gehen die Meinungen in der Beantwortung der Frage auseinander, ob das
Ereignis vom 29. April 2005 einen Unfall im Rechtssinne darstellt. Eine - an
teilweise abweichende begriffliche Voraussetzungen gebundene - unfallähnliche
Körperverletzung (vgl. Art. 9 Abs. 2 UVV) steht zu Recht nicht zur
Diskussion.

5.1 Unfall ist die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung
eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper, die eine
Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit zur
Folge hat (Art. 4 ATSG in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung).

Das kantonale Gericht verneint den ungewöhnlichen äusseren Faktor. Es geht
dabei davon aus, dass der Beschwerdeschub vom 29. April 2005 durch das
Anheben einer Matratze ausgelöst wurde. Der Versicherte wendet ein, der
Vorgang habe sich nicht so ereignet.

Das alleinige Anheben einer Matratze stellt in der Tat namentlich für eine in
der Krankenpflege tätige Person einen alltäglichen, nicht ungewöhnlichen
Vorgang dar, welcher den Unfallbegriff nicht erfüllt (vgl. BGE 116 V 136 E.
3b und c S. 139; Urteil U 533/06 vom 27. August 2007, E. 3.2). Es gilt zu
prüfen, ob sich das Ereignis vom 29. April 2005, wie vom Beschwerdeführer
geltend gemacht, anders abgespielt hat.

5.2 Aus den Akten ergibt sich Folgendes:

Eine erste Beschreibung des Vorgangs findet sich im Arztzeugnis des
behandelnden Rheumatologen vom 17. Juni 2005. Darin ist vom Anheben einer
Matratze die Rede. Die nächste Erwähnung findet sich im Zwischenbericht
desselben Arztes vom 4. August 2005, wonach der Beschwerdeschub durch ein
Verheben ausgelöst wurde. Damit wäre noch kein ungewöhnlicher äusserer Faktor
dargetan.

Ein möglicher anderer Ablauf wird erstmals in der Einsprache des Versicherten
gegen die Verfügung der SUVA vom 26. September 2005 erwähnt. Darin wird
ausgeführt, der erneute Beschwerdeschub sei "auf ein ungeschicktes Anheben
einer Matratze zurückzuführen. Dieses Anheben muss nicht dem normalen,
üblichen Bewegungsablauf entsprochen haben, sondern ist auf eine
'unkoordinierte Bewegung' des Einsprechers zurückzuführen. Wäre dem nicht so,
hätte er bereits früher die nun von ihm beschriebenen und medizinisch
bestätigten Schulter- und Nackenschmerzen verspürt".

Diese Ausführungen zeigen, dass der Versicherte sich nicht an eine
unkoordinierte Bewegung erinnern konnte. Seine Annahme, eine solche habe sich
ereignet, beruht lediglich auf Vermutungen und einer Folgerung aufgrund der
eingetretenen Beschwerden. Dies genügt nicht, um einen solchen
Geschehensablauf als wahrscheinlich betrachten zu können, zumal auch keine
anderweitigen Indizien hiefür vorliegen.

Im kantonalen Gerichtsverfahren ging der Beschwerdeführer dann vorbehaltlos
davon aus, es habe eine unkontrollierte Bewegung stattgefunden. Daran hält er
auch letztinstanzlich fest. Überzeugende Anhaltspunkte dafür, dass sich der
Vorfall tatsächlich und nicht nur vermutungs- oder möglicherweise so
zugetragen hat, werden aber nach wie vor nicht beigebracht. Unter diesen
Umständen ist ein Unfallcharakter aufweisender Ereignisablauf mit der
Vorinstanz als nicht wahrscheinlich anzusehen. Diese hat eine
Leistungspflicht der SUVA für die ab 29. April 2005 aufgetretenen Beschwerden
somit zu Recht verneint. Weiterungen zu der in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde einlässlich diskutierten, indessen nicht
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildenden Leistungspflicht der SUVA
aus dem Unfall vom 24. September 2001 erübrigen sich.

6.
6.1 Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 134 OG). Das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten ist daher
gegenstandslos.

6.2 Die weiter beantragte Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung setzt
voraus, dass der Prozess nicht aussichtslos erscheint, die Partei bedürftig
und die anwaltliche Verbeiständung notwendig oder doch geboten ist
(Art. 152 in Verbindung mit Art. 132 OG; BGE 125 V 201 E. 4a S. und 371 E. 5b
S. 372, je mit Hinweisen). Bedürftig im Sinne von Art. 152 OG ist eine
Person, wenn sie ohne Beeinträchtigung des für sie und ihre Familie nötigen
Lebensunterhaltes nicht in der Lage ist, die Prozesskosten zu bestreiten (BGE
128 I 225 E. 2.5.1 S. 232, 127 I 202 E. 3b S. 205, 125 IV 161 E. 4a S. 164).

Der Versicherte lebt seit Jahren mit seiner Freundin zusammen. Es kann daher
- mit Blick auf die Höhe des Grundbetrages - von einer gefestigten
Haushaltsgemeinschaft ausgegangen werden. Auf der Ausgabenseite lässt er
seinen Anteil am Mietzins von Fr. 896.- sowie Krankenkassenprämien von Fr.
380.50 und Steuern von Fr. 1020.- geltend machen. Wird der Grundbetrag von
Fr. 775.- (Hälfte des Grundbetrages von gefestigten Haushaltsgemeinschaften)
hinzugerechnet, resultiert ein Gesamtbetrag von Fr. 3071.50. Dem steht auf
der Einnahmeseite der Monatslohn des Beschwerdeführers von durchschnittlich
Fr. 5000.- gegenüber. Abzuzahlende Schulden werden keine geltend gemacht. Der
monatliche Überschuss von demnach gut Fr. 1900.- genügt, um die Anwaltskosten
decken zu können. Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung ist daher, ohne
dass die weiteren Voraussetzungen für deren Gewährung noch geprüft werden
müssten, abzuweisen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt
und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 9. Januar 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

i.V. Widmer Lanz