Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 23/2007
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U 23/07

Urteil vom 6. September 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Ersatzrichter Maeschi,
Gerichtsschreiberin Weber Peter.

K. ________, 1958, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Beat
Müller-Roulet, Schwarztorstrasse 28, 3007 Bern,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1,
6004 Luzern, Beschwerdegegnerin.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Graubünden vom 10. Oktober 2006.

Sachverhalt:

A.
K. ________, geboren 1958, war als Hilfsarbeiter bei der Firma X.________
angestellt und bei der Schweiz. Unfallversicherungsanstalt (SUVA)
obligatorisch für Berufs- und Nichtberufsunfälle sowie Berufskrankheiten
versichert. Im Dezember 1989 verunfallte er mit dem eigenen Personenwagen im
ehemaligen Jugoslawien und zog sich dabei eine Kopfverletzung zu. Am 26. Juli
1990 wurde im Kantonsspital Y.________ eine Exhärese des Nervus frontalis
rechts durchgeführt. Am 30. Januar 1991 stellte die SUVA die
Versicherungsleistungen (Heilbehandlung, Taggeld) ein.
Im März/April 2001 suchte K.________ gestützt auf Arztberichte, welche u.a.
eine posttraumatische Epilepsie erwähnten, erneut um Versicherungsleistungen
nach. Die SUVA holte beim Schweiz. Epilepsie-Zentrum EPI ein Gutachten ein
und lehnte einen Leistungsanspruch mit der Begründung ab, dass die
Beschwerden psychischer Natur seien und nicht in einem rechtserheblichen
(adäquaten) Kausalzusammenhang mit dem versicherten Unfall stünden (Verfügung
vom 17. Dezember 2002). Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 28. März
2003 fest. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Graubünden mit Entscheid vom 3. Juli 2003 ab. Auf eine weitere
Eingabe vom 28. Dezember 2003 trat das Gericht nicht ein (Entscheid vom 9.
März 2004).

B.
Mit Eingabe vom 6. Februar 2006 an das Verwaltungsgericht des Kantons
Graubünden liess K.________ beantragen, die kantonalen Entscheide vom 3. Juli
2003 und 9. März 2004 seien revisions- bzw. wiedererwägungsweise aufzuheben
und es sei die SUVA zu verpflichten, ihm weiterhin die gesetzlichen
Leistungen, zuzüglich Zins von 5 %, auszurichten. Das Verfahren sei zu
sistieren bis die SUVA über das bei ihr eingereichte Gesuch um Revision bzw.
Wiedererwägung vom 6. Februar 2006 entschieden habe. Ferner sei ihm die
unentgeltliche Verbeiständung zu gewähren.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden entsprach dem
Sistierungsbegehren und nahm das Verfahren nach Vorliegen des
Einspracheentscheids der SUVA vom 8. Juni 2006 wieder auf. Mit Entscheid vom
10. Oktober 2006 wies es die Beschwerde (recte: das Gesuch um Revision bzw.
Wiedererwägung) ab, soweit darauf eingetreten wurde. Das Begehren um
unentgeltliche Verbeiständung wies es ebenfalls ab.

C.
Mit Beschwerde an das Bundesgericht lässt K.________ sinngemäss beantragen,
in Aufhebung des angefochtenen Entscheids seien die kantonalen Entscheide vom
3. Juli 2003 und 9. März 2004 revisions- bzw. wiedererwägungsweise aufzuheben
und es sei die SUVA zu verpflichten, ihm aus dem Unfall vom 23. Dezember 1989
weiterhin die gesetzlichen Leistungen, zuzüglich Zins von 5 %, zu erbringen.
Eventuell sei die Sache zu ergänzender Abklärung und Neubeurteilung an die
Vorinstanz oder die SUVA zurückzuweisen, andernfalls sei vom Bundesgericht
eine medizinische Expertise insbesondere zum Gesundheitszustand und zum
adäquaten Kausalzusammenhang einzuholen. Ferner sei ihm für das Verfahren vor
der SUVA, dem kantonalen Verwaltungsgericht und dem Bundesgericht die
unentgeltliche Verbeiständung zu gewähren.
Die SUVA beantragt Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) verzichtet auf Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Dieses Gesetz
ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des
Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn
auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes
ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). Da der kantonale Gerichtsentscheid vor
dem 1. Januar 2007 erlassen wurde, richtet sich das Verfahren nach dem bis
31. Dezember 2006 in Kraft gestandenen Bundesgesetz über die Organisation der
Bundesrechtspflege (OG) vom 16. Dezember 1943 (vgl. BGE 132 V 393 E. 1.2 S.
395).

2.
Auf rechtskräftige Gerichtsentscheide kann nur im Verfahren der Revision bei
Vorliegen eines gesetzlich anerkannten Revisionsgrundes zurückgekommen
werden. Soweit der Gesuchsteller ein wiedererwägungsweises Zurückkommen auf
die in Rechtskraft getretenen kantonalen Entscheide vom 3. Juli 2003 und 9.
März 2004 beantragte, war darauf nicht einzutreten. Näher zu prüfen ist
lediglich, ob die Vorinstanz ein revisionsweises Zurückkommen auf die
früheren Entscheide zu Recht abgelehnt hat. Gegenstand des Verfahrens bildet
ferner der Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung.

3.
3.1 Gemäss Art. 61 lit. i ATSG muss im Verfahren vor dem kantonalen
Versicherungsgericht die Revision von Entscheiden wegen Entdeckung neuer
Tatsachen oder Beweismittel oder wegen Einwirkung durch Verbrechen oder
Vergehen gewährleistet sein. Als neu gelten nach der auch im Rahmen dieser
Bestimmung massgebenden Rechtsprechung zu Art. 137 lit. b OG Tatsachen,
welche sich zwar vor Erlass der formell rechtskräftigen Verfügung oder des
Einspracheentscheids verwirklicht haben, dem Gesuchsteller trotz
hinreichender Sorgfalt jedoch nicht bekannt waren. Die Tatsachen müssen zudem
entscheidend sein, d.h. sie müssen geeignet sein, die tatbeständliche
Grundlage des Urteils zu verändern und bei zutreffender Würdigung zu einer
anderen Entscheidung zu führen. Neue Beweismittel haben entweder dem Beweis
der die Revision begründenden neuen entscheidenden Tatsachen oder dem Beweis
von Tatsachen zu dienen, die zwar bekannt gewesen, zum Nachteil des
Gesuchstellers aber unbewiesen geblieben sind. Sollen bereits vorgebrachte
Tatsachen mit neuen Mitteln bewiesen werden, hat der Gesuchsteller auch
darzutun, dass er die Beweismittel im früheren Verfahren nicht beibringen
konnte. Entscheidend ist ein neues Beweismittel, wenn anzunehmen ist, es
hätte zu einem andern Urteil geführt, wenn hievon bereits im Hauptverfahren
Kenntnis bestanden hätte. Ausschlaggebend ist, dass das Beweismittel nicht
bloss der Sachverhaltswürdigung, sondern der Sachverhaltsfeststellung dient.
Es genügt daher nicht, dass ein neues Gutachten den Sachverhalt anders
wertet; vielmehr bedarf es neuer Elemente tatsächlicher Natur, welche die
Entscheidungsgrundlagen als objektiv mangelhaft erscheinen lassen (BGE 127 V
353 E. 5b S. 358 mit Hinweisen; Kieser, ATSG-Kommentar, N 113 zu Art. 61 und
N 10 ff. zu Art. 53).

3.2 Im Revisionsgesuch vom 6. Februar 2006 hat der Beschwerdeführer die
IV-Verfügung vom 24. November 2005 als neue Tatsache und neues Beweismittel
bezeichnet und geltend gemacht, damit seien seine gesundheitlichen Leiden und
der adäquate Kausalzusammenhang mit dem Unfall bestätigt worden. Die
Verfügung vom 24. November 2005, mit welcher dem Beschwerdeführer ab 1.
Oktober 2005 eine ganze Rente aufgrund eines Invaliditätsgrades von 100 %
zugesprochen wurde, beinhaltet indessen keine neue Tatsache, welche geeignet
ist, die tatbeständliche Grundlage der kantonalen Entscheide vom 3. Juli 2003
und 9. März 2004 zu verändern. Zum einen ist der geltend gemachte Sachverhalt
nicht neu, weil die Rentenzusprechung der Invalidenversicherung erst für die
Zeit ab 1. Oktober 2005 erfolgte. Zum anderen ist er insofern nicht
erheblich, als Unfallversicherer und Vorinstanz weitere Leistungen mit der
Begründung abgelehnt haben, dass ein rechtserheblicher Kausalzusammenhang
zwischen den geklagten Beschwerden und dem versicherten Unfallereignis zu
verneinen ist. Dazu hat sich die IV-Stelle für Versicherte im Ausland in der
Verfügung nicht geäussert und es bestand hiezu auch kein Anlass, weil die
Frage der Unfallkausalität der Beschwerden für den Leistungsanspruch in der
Invalidenversicherung ohne Belang ist. Im Übrigen bringt der Gesuchsteller
keine revisionsweisen neuen Tatsachen oder Beweismittel vor. Die in den
Berichten der Poliklinik A.________ vom 28. Juli 2005 und des Dr. med.
S.________, Facharzt für Neuropsychiatrie, vom 29. Juli 2005 erwähnte
posttraumatische epileptische Erkrankung bildete Gegenstand des von der SUVA
vor Erlass des Einspracheentscheids vom 28. März 2003 in Auftrag gegebenen
fachärztlichen Gutachtens vom 15. März 2002, worin die untersuchenden Ärzte
zum Schluss gelangten, dass das Vorliegen einer posttraumatischen Epilepsie
unwahrscheinlich sei. Aus den nicht näher begründeten neuen ärztlichen
Attesten ergeben sich keine neuen Tatsachen, welche zu einer andern
Beurteilung zu führen vermöchten. Soweit an der bereits früher gestellten
Diagnose einer posttraumatischen Epilepsie festgehalten wird, handelt es sich
um eine abweichende Beurteilung des schon früher bekannten Sachverhaltes, was
für sich allein eine Revision nicht zu begründen vermag. Es bedürfte hiezu
neuer Elemente tatsächlicher Natur, welche die Entscheidungsgrundlagen als
objektiv mangelhaft erscheinen liessen (vgl. BGE 110 V 138 E. 2 S. 141).
Daran fehlt es indessen.

4.
4.1 Zu bestätigen ist der kantonale Entscheid auch, soweit damit das Begehren
um unentgeltliche Verbeiständung abgewiesen wurde. Sowohl im
Verwaltungsverfahren (Art. 37 Abs. 4 ATSG) als auch im Beschwerdeverfahren
(Art. 61 lit. f ATSG) setzt der Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung
u.a. voraus, dass das Verfahren nicht als aussichtslos erscheint. Als
aussichtslos sind nach der Rechtsprechung zu Art. 4 aBV und Art. 152 OG
Begehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind
als die Verlustgefahren und praktisch auszuschliessen ist, dass ihnen auch
nur teilweise entsprochen werden kann (BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135 mit
Hinweisen). Davon ist auch im Rahmen von Art. 37 Abs. 4 ATSG und Art. 61 lit.
f. ATSG auszugehen (BGE 132 V 200 E. 4.1 S. 201; Kieser, a.a.O., N 21 zu Art.
37, N 90 zu Art. 61). Wenn die Vorinstanz das Begehren im Lichte dieser
Rechtsprechung als aussichtslos beurteilt hat, so verstösst dies nicht gegen
Bundesrecht.

4.2 Wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerdebegehren kann dem Gesuch um
unentgeltliche Verbeiständung auch für das letztinstanzliche Verfahren nicht
entsprochen werden (Art. 152 Abs. 2 OG; BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135, 128 I
225 E. 2.5.3 S. 236 mit Hinweis).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Begehren um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons
Graubünden, 2. Kammer als Versicherungsgericht, und dem Bundesamt für
Gesundheit zugestellt.

Luzern, 6. September 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: