Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen P 3/2007
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Urteil vom 2. Mai 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiber Jancar.

1. S._________,

2. M.________, Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roland Ilg, Rämistrasse 5, 8024
Zürich,

gegen

Amt für Sozialbeiträge Basel-Stadt, Grenzacherstrasse 62, 4005 Basel,
Beschwerdegegner.

Ergänzungsleistung zur AHV/IV,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom 9. November 2006.

Sachverhalt:

A.
A.a Mit Verfügungen vom 11. März 2002 sprach die IV-Stelle Basel-Stadt
(nachfolgend IV-Stelle) dem 1965 geborenen S._________ ab 1. Januar 1999 eine
ganze Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 90 %, eine Zusatzrente
für seine Ehegattin M.________ sowie Kinderrenten zu. Mit Verfügung vom 25.
Mai 2005, ergänzt durch Verfügungen vom 8. und 28. Juni 2005, setzte sie die
Invalidenrente mit Wirkung ab 1. August 2005 bei einem Invaliditätsgrad von
43 % auf eine Viertelsrente herab mit entsprechender Zusatzrente für die
Ehefrau und Kinderrenten. Hiegegen erhob S._________ am 17. Juni und 11. Juli
2005 Einsprache.

A.b Mit Verfügung 14. Oktober 2002 sprach das Amt für Sozialbeiträge des
Kantons Basel-Stadt (nachfolgend Amt) S._________ und M.________ ab 1.
Oktober 1999 Kantonale Beihilfen bzw. ab 1. April 2000 Ergänzungsleistungen
zur IV zu, ohne dem Ersteren Einkünfte aus einer zumutbaren Erwerbstätigkeit
bei Teilinvaliden anzurechnen. Mit Verfügung vom 14. Juli 2005 betreffend die
Ergänzungsleistung ersuchte das Amt - unter Verweis auf die Verfügung der
IV-Stelle vom 25. Mai 2005 - S._________, ihm monatlich mindestens acht
Bewerbungsbelege mit den entsprechenden Absagen zu senden. Sollte es keine
Nachweise betreffend Arbeitsbemühungen erhalten, werde es ab 1. Januar 2006
ein hypothetisches Einkommen von Fr. 23'520.- anrechnen, was eine Kürzung der
Ergänzungsleistung um Fr. 1233.- bedeute. Mit Schreiben vom 30. Dezember 2005
an S._________ und M.________ verwies das Amt auf seine Verfügung vom 14.
Juli 2005 und eröffnete ihnen, es werde, wie angekündigt, ab Januar 2006 ein
Erwerbseinkommen von Fr. 23'520. anrechnen, da es bis heute keine
Arbeitsbemühungen erhalten habe. Zudem sandte es ihnen die Berechnungsblätter
der Ergänzungsleistung und der Kantonalen Beihilfe zur IV vom 30. Dezember
2005 für die Zeit ab Januar 2006 zu, worin ein zumutbares Erwerbseinkommen
von Fr. 23'520.- berücksichtigt wurde. Mit Entscheid vom 12. Mai 2006 wies
das Amt die von S._________ und M.________ hiegegen erhobene Einsprache vom
30. Januar 2006 ab, insoweit diese sich nicht durch seine am 12. Mai 2006
erlassenen Neuverfügungen betreffend Ergänzungsleistung und Kantonale
Beihilfe zur IV als gegenstandslos erwiesen habe; einer allfälligen
Beschwerde entzog das Amt die aufschiebende Wirkung. In den letztgenannten
Verfügungen wurde das hypothetische Einkommen von Fr. 23'520.- erst ab
Februar 2006 angerechnet.

B.
Die gegen den Einspracheentscheid des Amtes vom 12. Mai 2006 eingereichte
Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt mit Entscheid vom
9. November 2006 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen S._________ und M.________, in
Aufhebung des kantonalen Entscheides seien die Ergänzungsleistungen und
Beihilfen unter Berücksichtigung der ausgewiesenen 100%igen
Arbeitsunfähigkeit ordnungs- und praxisgemäss zu belassen; im Sinne einer
vorsorglichen Massnahme sei das Amt anzuweisen, sofort die mit seiner
Verfügung offensichtlich zu Unrecht gekürzten Ergänzungsleistungen in vollem
Umfang nachzuzahlen. Ferner verlangen sie die Gewährung der unentgeltlichen
Verbeiständung für das letztinstanzliche Verfahren.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Mit diesem
Gesetz ist die bisherige organisatorische Selbstständigkeit des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts aufgehoben und dieses mit dem
Bundesgericht fusioniert worden (Seiler in: Seiler/ von Werdt/Güngerich,
Kommentar zum BGG, Art. 1 N 4 und Art. 132 N 15). Das vorliegende Urteil wird
daher durch das Bundesgericht gefällt. Weil der angefochtene Entscheid jedoch
vor dem 1. Januar 2007 ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach dem
bis zum 31. Dezember 2006 in Kraft gewesenen Bundesgesetz vom 16. Dezember
1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG; Art. 131 Abs. 1 und
132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 395 E. 1.2).

2.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann gemäss Art. 128 OG in Verbindung
mit Art. 97 OG und Art. 5 Abs. 1 VwVG nur insoweit eingetreten werden, als
sie sich auf bundesrechtliche Ergänzungsleistungen im Sinne des ELG und nicht
auf kantonale Beihilfen bezieht (BGE 122 V 221 f. E. 1 mit Hinweis; Urteil
des Eidg. Versicherungsgerichts P 13/06 vom 24. Juli 2006, E. 2).

3.
Die Vorinstanz hat die rechtlichen Grundlagen für die Anrechnung eines
Erwerbseinkommens von Teilinvaliden (Art. 3a Abs. 7 lit. c ELG in Verbindung
mit Art. 14a Abs. 2 lit. a ELV und Art. 3b Abs. 1 lit. a ELG) sowie die
Vermutung der möglichen und zumutbaren Einkommenserzielung und deren
Widerlegung durch den Beweis des Gegenteils (BGE 117 V 202, 115 V 88; ZAK
1989 S. 568, 1984 S. 97, 1983 S. 459; vgl. auch BGE 117 V 153) zutreffend
dargelegt. Darauf wird verwiesen.

Zu ergänzen ist, dass die Herabsetzung einer laufenden Ergänzungsleistung
infolge der Anwendung eines Mindesteinkommens nach den Art. 14a Abs. 2 und
14b ELV erst sechs Monate nach Zustellung der entsprechenden Verfügung
wirksam wird (Art. 25 Abs. 4 ELV).

4.
4.1 Mit Verfügung vom 25. Mai 2005 (ergänzt durch Verfügungen vom 8. und 28.
Juni 2005) setzte die IV-Stelle die dem Beschwerdeführer 1 bis anhin
ausgerichtete ganze Invalidenrente mit Wirkung ab 1. August 2005 auf eine
Viertelsrente bei einem Invaliditätsgrad von 43 % herab. Mit Verfügung
betreffend Ergänzungsleistung zur IV vom 14. Juli 2005 drohte das Amt den
Beschwerdeführern die Anrechnung eines hypothetischen Einkommens ab 1. Januar
2006 an, falls der Beschwerdeführer 1 keine Arbeitsbemühungen nachweise.
Unbestritten ist, dass dieser keine Arbeitsbemühungen belegt hat.

Das kantonale Gericht hat in Würdigung der Aktenlage mit einlässlicher
Begründung, auf die verwiesen wird, zutreffend erwogen, dass bei der
Berechnung der Ergänzungsleistung ab Februar 2006 im Sinne von Art. 14a Abs.
2 lit. a und Art. 25 Abs. 4 ELV ein hypothetisches Einkommen in Höhe von Fr.
23'520.- (Art. 3b Abs. 1 lit. a Ziff. 1 ELG: Fr. 17'640.- plus ein Drittel)
anzurechnen ist.

4.2
4.2.1 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist weitgehend eine Wiederholung
dessen, was die Beschwerdeführer schon vorinstanzlich vorgetragen haben.
Soweit sich das kantonale Gericht mit den entsprechenden Rügen
auseinandergesetzt und diese in nicht zu beanstandender Weise verworfen hat,
brauchen diese nicht nochmals erörtert zu werden.

4.2.2 Unbehelflich ist der Einwand, die IV-Stelle habe das Valideneinkommen
des Beschwerdeführers 1 zu tief und sein Invalideneinkommen zu hoch bemessen.

Bei der Festsetzung der anrechenbaren Einkommen Teilinvalider haben sich die
EL-Organe grundsätzlich an die Invaliditätsbemessung durch die IV-Stelle zu
halten und eigene Abklärungen nur bezüglich invaliditätsfremder
Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit vorzunehmen. Anhaltspunkte für eine
erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes und der damit
einhergehenden Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers 1 seit der Verfügung
der IV-Stelle vom 25. Mai 2005 bestehen nicht, wie die Vorinstanz richtig
erkannt hat (BGE 117 V 202 E. 2b S. 205).

4.2.3 Eingewendet wird weiter, es sei unmöglich, dass der Beschwerdeführer 1
trotz mehrjähriger Arbeitsabstinenz bereits ein halbes Jahr nach dem 1.
August 2005 eine Stelle hätte finden müssen, um einer Herabsetzung der
Ergänzungsleistung bzw. der Anrechnung eines hypothetischen Einkommens zu
entgehen. Eingliederungsmassnahmen habe die IV-Stelle nicht durchgeführt.
Pendente sozialversicherungsrechtliche Verfahren hätten lediglich bezüglich
der Rentenzahlungen keine aufschiebende Wirkung; in keiner Weise habe dies
Einfluss auf die festgestellte Erwerbsunfähigkeit, so dass die Ausrichtung
der Ergänzungsleistung davon unberührt bleiben müsse.

Diese Vorbringen sind nicht stichhaltig. Mit der in Art. 25 Abs. 4 ELV bei
der Herabsetzung einer laufenden Ergänzungsleistung geregelten Frist von
sechs Monaten wird die Frage, innerhalb welchem Zeitrahmen von der
versicherten Person verlangt werden kann, dass sie ihr verbliebenes
Arbeitsvermögen verwertet, abschliessend geregelt. Die von den
Beschwerdeführern vertretene Meinung widerspricht offensichtlich dem
Grundsatz der Schadenminderungspflicht der versicherten Person (BGE 130 V 97
E. 3.2 S. 99). Art. 14a Abs. 2 ELV würde seines Sinnes entleert, wenn diese
sich darauf berufen könnte, während eines hängigen
invalidenversicherungsrechtlichen Verfahrens sei es ihr nicht zumutbar, sich
im Rahmen ihres von den Invalidenversicherungs-Organen festgestellten
verbliebenen Leistungsvermögens um eine Anstellung zu bewerben (Urteil des
Eidg. Versicherungsgerichts P 43/05 vom 25. Oktober 2006, E. 3.2.3, zitiert
in SZS 2007 S. 65).

4.2.4 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ist schliesslich eine
Verletzung von Art. 9 BV (Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und
Glauben) nicht ersichtlich.

5.
Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um Anordnung einer
vorsorglichen Massnahme gegenstandslos.

6.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend
steht den Beschwerdeführern keine Parteientschädigung zu (Art. 159 Abs. 2 OG
in Verbindung mit Art. 135 OG).

Die Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung fällt zufolge
Aussichtslosigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht in Betracht (Art.
152 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG; BGE 125 V 201 f. E. 4a und 371 f.
E. 5b).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.

Luzern, 2. Mai 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: