Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 72/2007
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I 72/07

Urteil vom 25. Oktober 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiber Lanz.

K. ________, 1962, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Peter von
Moos, Kasernenplatz 2, 6003 Luzern,

gegen

IV-Stelle Nidwalden, Stansstaderstrasse 54, 6371 Stans, Beschwerdegegnerin.

Invalidenversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Nidwalden vom 19. Juni 2006.

Sachverhalt:

A.
Die 1962 geborene K.________ war nach Tätigkeiten im Gastgewerbe ab Oktober
1997 vollzeitlich als Rayonleiterin Verkauf in der Firma X.________
angestellt. Im April 2004 meldete sie sich unter Hinweis auf seit einem
Unfall im Dezember 2002 bestehende Beschwerden am linken Vorderarm bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Nidwalden zog die
Akten des Unfallversicherers bei, holte Arztberichte, worunter ein
polydisziplinäres Gutachten der Begutachtungsstelle Z.________ vom 2.
September 2005, ein und traf erwerbliche Abklärungen. Gestützt auf diese
Unterlagen verneinte sie mit Verfügung vom 21. Oktober 2005 einen
Rentenanspruch mangels eines leistungsbegründenden Invaliditätsgrades. Daran
hielt die Verwaltung mit Einspracheentscheid vom 31. Januar 2006 fest.

B.
Die von K.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht
(Versicherungsgericht) des Kantons Nidwalden mit Entscheid vom 19. Juni 2006
ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt K.________ beantragen, es sei der
kantonale Entscheid aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

Mit Eingabe vom 23. Februar 2007 lässt sich K.________ nochmals vernehmen und
weitere Unterlagen auflegen.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17.
Juni 2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Der
angefochtene Entscheid ist indessen vorher ergangen, weshalb sich das
Verfahren noch nach dem Bundesgesetz über die Organisation der
Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943 (OG) richtet (Art. 132 Abs. 1 BGG;
BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

1.2 Da die Verwaltungsgerichtsbeschwerde am 1. Juli 2006 noch nicht hängig
war, sind hingegen die auf diesen Zeitpunkt in Kraft getretenen, für
Streitigkeiten um Leistungen der Invalidenversicherung geltenden Anpassungen
von Art. 132 und Art. 134 OG anwendbar (Ziff. III des Bundesgesetzes vom
16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).
Geprüft wird daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte,
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der
rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder
unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde
(Art. 132 Abs. 2 OG, in Kraft gestanden ab 1. Juli 2006, in Verbindung mit
Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). Ausserdem ist das Verfahren
kostenpflichtig (Art. 134 OG in der ab 1. Juli 2006 gültig gewesenen
Fassung).

2.
Die Rechtsgrundlagen für den streitigen Anspruch auf eine Rente der
Invalidenversicherung sind im angefochtenen Entscheid zutreffend dargelegt.
Es betrifft dies namentlich die Bestimmungen über die Begriffe
Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) und Invalidität (Art. 8 Abs. 1 IVG), die
Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs  (Art. 28 Abs. 1 IVG)
sowie die Invaliditätsbemessung bei Erwerbstätigen mittels
Einkommensvergleich (Art. 16 ATSG in Verbindung mit Art. 28 Abs. 2 IVG) mit
der dazu ergangenen Rechtsprechung. Darauf wird verwiesen.

3.
Das kantonale Gericht ist gestützt auf das medizinische Gutachten vom 2.
September 2005 zum Ergebnis gelangt, die Arbeitsfähigkeit der Versicherten
werde durch Handgelenksschmerzen am adominanten linken Arm eingeschränkt. Die
Ausübung der bisherigen Tätigkeit sei deshalb nicht mehr zumutbar. Hingegen
bestehe für alle beruflichen Tätigkeiten, die mit dem Gebrauch nur eines
Armes möglich seien, keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit.

3.1 Die Vorinstanz hat dargelegt, weshalb sie die fachärztlichen Aussagen der
Gutachter für verlässlich erachtet und daraus die genannten Schlüsse zu
Gesundheitszustand und Arbeitsfähigkeit zieht. Sie hat auch ausgeführt, warum
sie sich durch die übrigen, teilweise abweichenden medizinischen Berichte
namentlich auch der behandelnden Ärzte nicht zu anderen Folgerungen
veranlasst sieht.
Was in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgetragen wird, lässt diese
Sachverhaltsfeststellung nicht als offensichtlich unrichtig, unvollständig
oder in anderer Weise bundesrechtswidrig erscheinen.

3.2 Geltend gemacht wird in formeller Hinsicht, die Verwaltung habe bei der
Anordnung und Durchführung des medizinischen Gutachtens den Anspruch der
Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör verletzt. Ein solcher
Verfahrensmängel wäre indessen, sofern er überhaupt vorgelegen hätte, als im
Einspracheverfahren geheilt zu betrachten. Die Frage der Gehörsverletzung
wurde denn auch im vorinstanzlichen Verfahren von keiner Seite mehr
aufgegriffen.

Im gleichen Zusammenhang zu erwähnen ist, dass die Beweiskraft des
medizinischen Gutachtens nicht durch den Umstand geschmälert wird, dass es
durch die Verwaltung in Auftrag gegeben wurde (BGE 125 V 351 E. 3 S. 352
ff.). Entgegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde liegt sodann keine
willkürliche Beweiswürdigung durch die Vorinstanz vor. Dass diese keine
Veranlassung für weitere medizinische Abklärungen gesehen hat, beruht denn
auch auf einer vertretbaren antizipierten Beweiswürdigung.

3.3 Die weiteren Beanstandungen am medizinischen Gutachten sind inhaltlicher
Natur und vermögen, soweit sie nicht ohnehin schon beschwerdeweise
vorgetragen und im angefochtenen Entscheid in nicht zu beanstandender Weise
entkräftet wurden, weder im Einzelnen noch gesamthaft zu einer anderen
Betrachtungsweise zu führen. Es betrifft dies namentlich auch die Einwände
hinsichtlich der Fachkompetenz der begutachtenden Ärzte und der Frage,
inwieweit diese zur Begründung ihrer Folgerungen auf medizinische
Publikationen verwiesen haben. Nichts anderes gilt, soweit beanstandet wird,
die Gutachter hätten keine Rückfragen bei den behandelnden oder sonstwie
involvierten Ärzten getätigt, lagen doch deren Berichte bei der Begutachtung
vor.

3.4 Geltend gemacht wird sodann, das kantonale Gericht habe zu Unrecht das
Vorliegen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung verneint. Die
Vorinstanz hat indessen in einer innerhalb der kognitionsrechtlichen
Schranken nicht zu beanstandenden Weise dargelegt, weshalb es auch
diesbezüglich auf das medizinische Gutachten, in welchem eine solche
Schmerzstörung ausdrücklich ausgeschlossen wird, abstellt. Entgegen der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher auch nicht zu beanstanden, wenn sich
die Vorinstanz mit den weiteren Voraussetzungen, die bei einer gegebenen
anhaltenden somatoformen Schmerzstörung für die Annahme eines
invalidisierenden psychischen Gesundheitsschadens erfüllt sein müssten (vgl.
BGE 130 V 352), nicht näher befasst hat.

Vorgebracht wird weiter, aufgrund Schmerzmittelkonsums durch die Versicherte
sei eine höhere als die von der Vorinstanz genannten Arbeitsunfähigkeit
anzunehmen. Mit der Vorinstanz ist indessen davon auszugehen, dass eine
entsprechende Beeinträchtigung in den Akten keine Stütze findet. Nicht
gefolgt werden kann der Beschwerdeführerin schliesslich auch, soweit sie
geltend machen lässt, rechtsprechungsgemäss werde bei einer funktionellen
Einarmigkeit eine mindestens hälftige Arbeitsunfähigkeit angenommen.

3.5 Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde und der nachträglichen Eingabe vom
23. Februar 2007 wurden teils neue Arztberichte aufgelegt. Diese äussern sich
aber nicht zum Sachverhalt, wie er sich bis zum - die zeitliche Grenze der
richterlichen Überprüfung bildenden (BGE 131 V 9 E. 1 S. 11, 129 V 1 E. 1.2
S. 4 mit Hinweis) - Erlass des Einsprachentscheides am 31. Januar 2006
verwirklicht hat. Sie sind daher, ohne dass auf die Frage ihrer prozessualen
Zulässigkeit noch einzugehen wäre, nicht entscheidsrelevant.

4.
Nach dem Gesagten bleibt es bei einer gesundheitsbedingten Beschränkung auf
vollzeitlich auszuübende Tätigkeiten, welche nicht den Gebrauch des linken,
adominanten Armes voraussetzen. Ob sich diese Beeinträchtigung
rentenbegründend auswirkt, ist mit Verwaltung und Vorinstanz durch
Einkommensvergleich (Art. 16 ATSG) zu bestimmen, da die Versicherte im
Gesundheitsfalle mit überwiegender Wahrscheinlichkeit weiter voll
erwerbstätig wäre. Dies wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch nicht
bestritten.

4.1 Das ohne gesundheitliche Beeinträchtigung im Jahr 2004 mutmasslich
erzielte Erwerbseinkommen (Valideneinkommen) setzte die Verwaltung gestützt
auf die Angaben der letzten Arbeitgeberin auf Fr. 49'400.- fest. Die
Vorinstanz hat dies bestätigt. Hiegegen werden keine Einwendungen erhoben.

4.2 Bei der Bestimmung des trotz Gesundheitsschadens zumutbarerweise noch
erzielbaren Erwerbseinkommens (Invalideneinkommen) gingen kantonales Gericht
und IV-Stelle gestützt auf das medizinische Gutachten vom 2. September 2005
davon aus, dass bei dem gegebenen Zumutbarkeitsprofil eine Tätigkeit als
Kassierin an einer Kasse mit Barcodeleser, Maschinistin, Kontrolleurin oder
Montagearbeiterin in Frage komme. Als weitere mögliche Verweistätigkeit wird
im angefochtenen Entscheid diejenige einer Telefonistin genannt. Ausgehend
von diesen Verweistätigkeiten hat die Vorinstanz das von der Verwaltung unter
Verwendung von Tabellenlöhnen und unter Anrechnung eines leidensbedingten
Abzuges von 25 % auf Fr. 36'634.- festgesetzte Invalideneinkommen bestätigt.
Im Vergleich mit dem Valideneinkommen von Fr. 49'400.- ergibt sich eine
gesundheitsbedingte Erwerbseinbusse von (gerundet) 26 %, womit der für einen
Rentenanspruch mindestens erforderliche Invaliditätsgrad von 40 % (Art. 28
Abs. 1 IVG) nicht erreicht wird.

Die Versicherte lässt wie schon beschwerdeweise vor dem kantonalen Gericht
einwenden, auf dem freien Arbeitsmarkt fänden sich keine Stellen für
einarmige Arbeitnehmer. Tabellenlöhne seien daher nicht anwendbar. Zudem sei
dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das Arbeitstempo bei Einarmigkeit
geringer sei als bei Gebrauchsfähigkeit beider Arme.

Mit der Vorinstanz ist indessen davon ausgehen, das der - für die
Invaliditätsbemessung massgebende (Art. 16 ATSG) - ausgeglichene Arbeitsmarkt
geeignete Stellen bietet, zumal das Einsatzspektrum der Beschwerdeführerin
aufgrund der verschiedenartigen Verweistätigkeiten recht weit gefächert ist.
Was sodann ein gegebenenfalls langsameres Arbeitstempo angeht, kann dieser
Faktor als im Rahmen des leidensbedingten Abzugs berücksichtigt gelten.
Dieser wurde mit 25 % auf den unter Anrechnung aller bei der Kürzung von
Tabellenlöhnen in Betracht fallenden Merkmale maximal möglichen Prozentsatz
festgesetzt (BGE 126 V 75). Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit auch
diesbezüglich unbegründet.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons
Nidwalden, Abteilung Versicherungsgericht, der Ausgleichskasse Nidwalden und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.

Luzern, 25. Oktober 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: