Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 59/2007
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I 59/07

Urteil vom 7. Dezember 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

G. ________, 1959, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Alain Pfulg,
Aarbergergasse 21, 3011 Bern,

gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin.

Invalidenversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern vom 29. November 2006.

Sachverhalt:

A.
Der 1959 geborene selbstständig erwerbstätige G.________ betreibt seit 1993
als gelernter Koch ein Cafe/Restaurant. Er meldete sich am 19. August 2002
unter Hinweis auf einen seit Jahren bestehenden juvenilen Diabetes mellitus
sowie Rückenbeschwerden bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an.
Die IV-Stelle Bern klärte die medizinischen und beruflich-erwerblichen
Verhältnisse ab und verneinte einen Leistungsanspruch (Verfügung vom 17.
November 2003). Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht
des Kantons Bern ab (Entscheid vom 9. August 2004). In Gutheissung der
dagegen eingereichten Verwaltungsgerichtsbeschwerde hob das Eidgenössische
Versicherungsgericht den kantonalen Gerichtsentscheid sowie die
Verwaltungsverfügung auf und wies die Sache zu weiterer Abklärung und
Feststellung des Invaliditätsgrades mittels ausserordentlicher
Bemessungsmethode an die IV-Stelle zurück (Urteil vom 28. Februar 2005,
Dispositiv-Ziffer 1). Diese holte einen neuen Arztbericht ein und liess von
ihrem Abklärungsdienst für Selbstständigerwerbende einen weiteren Bericht
erstellen. Nach Ermittlung eines Invaliditätsgrades von 36 % wies die
IV-Stelle das Leistungsbegehren mit Verfügung vom 17. März 2006 wiederum ab.
Daran hielt sie auch auf Einsprache hin fest (Entscheid vom 9. Juni 2006).

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
mit Entscheid vom 29. November 2006 ab.

C.
G.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es sei
ihm in Aufhebung des kantonalen Entscheides eine halbe Rente der
Invalidenversicherung zuzusprechen.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Dieses Gesetz
ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des
Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn
auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes
ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). Da der kantonale Gerichtsentscheid vor
dem 1. Januar 2007 erlassen wurde, richtet sich das Verfahren nach dem bis
31. Dezember 2006 in Kraft gestandenen Bundesgesetz über die Organisation der
Bundesrechtspflege (OG) vom 16. Dezember 1943 (vgl. BGE 132 V 393 E. 1.2 S.
395).

2.
2.1 Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung.
Das Bundesgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht
verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder
ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig
oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde
(Art. 132 Abs. 2 OG [in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom
16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG, in Kraft gewesen von 1. Juli
2006 bis 31. Dezember 2006] in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie
Art. 105 Abs. 2 OG).

2.2 Mit Blick auf diese neue Kognitionsregelung im Bereich der
Invalidenversicherung ist aufgrund der Vorbringen in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu prüfen, ob der angefochtene
Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell- und
beweisrechtlichen Grundlagen Bundesrecht verletzt (Art. 104 lit. a OG),
einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften Tatsachenfeststellung
(Art. 105 Abs. 2 OG). Hingegen hat eine freie Überprüfung des
vorinstanzlichen Entscheides in tatsächlicher Hinsicht (aArt. 132 lit. b OG)
ebenso zu unterbleiben wie eine Prüfung der Ermessensbetätigung (aArt. 132
lit. a OG) nach den Grundsätzen zur Angemessenheitskontrolle (BGE 126 V 75 E.
6 S. 81). Auch besteht (entgegen aArt. 132 lit. c OG) Bindung an die
Parteianträge, handelt es sich doch nicht um eine Abgabestreitigkeit (Art.
114 Abs. 1 OG; zum Ganzen: BGE 132 V 393).

3.
Die auf einen den Anforderungen genügenden Abklärungsbericht an Ort und
Stelle (Art. 69 Abs. 2 IVV; vgl. E. 5.3 hienach) gestützten Feststellungen
einer gerichtlichen Vorinstanz über das Ausmass der Arbeitsfähigkeit für
bestimmte Tätigkeiten sowie deren prozentuale und wirtschaftliche Gewichtung
im Rahmen der gesamten Erwerbstätigkeit sind - analog zu den medizinischen
Angaben über gesundheitliche Beeinträchtigungen bzw. über das noch vorhandene
funktionelle Leistungsvermögen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 398) oder über das
Vorliegen von Einschränkungen im Haushalt (Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts I 693/06 vom 20. Dezember 2006, E. 6.3) -
Sachverhaltsfeststellungen. Rechtsfrage ist hingegen die Beachtung des
Untersuchungsgrundsatzes (BGE 130 V 64 E. 5.2.5 S. 68 f. mit Hinweisen) und
der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG (BGE 132 V 393 E. 3.2 S.
397 und E. 4 S. 399). Rechtsfrage ist auch, ob die ausserordentliche
Bemessungsmethode zur Bestimmung des Invaliditätsgrades richtig angewendet
worden ist.

4.
Im angefochtenen Entscheid sind die gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze
über den Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG; ab 1. Januar 2003 Art. 8
Abs. 1 ATSG), die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28
Abs. 1 [in den vor und ab 1. Januar 2004 geltenden Fassungen] und Abs. 1bis
IVG [in Kraft gestanden bis 31. Dezember 2003]) und die Invaliditätsbemessung
bei Erwerbstätigen nach der Einkommensvergleichsmethode sowie der
ausserordentlichen Bemessungsmethode (bis Ende 2002: Art. 28 Abs. 2 IVG;
während des Jahres 2003: Art. 16 ATSG; seit 1. Januar 2004: Art. 28 Abs. 2
IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG) zutreffend dargelegt. Darauf kann
verwiesen werden.

5.
5.1 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtet sich gegen die vorinstanzliche
Feststellung des Invaliditätsgrades. Es wird geltend gemacht, das kantonale
Gericht habe die Mitarbeit von Familienangehörigen, allen voran der Ehefrau
und der Mutter des Beschwerdeführers, zu wenig berücksichtigt. In der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden insbesondere Feststellungen im
Abklärungsbericht über das Ausmass der Behinderung in den einzelnen
Tätigkeiten bemängelt.

5.2 Die gerichtliche Feststellung der (Rest-)Arbeitsfähigkeit (vgl. Art. 6
und Art. 16 ATSG) ist, soweit sie sich auf konkrete ärztliche Stellungnahmen
zum Gesundheitszustand stützt, eine Tatfrage und als solche letztinstanzlich
nur unter dem eingeschränkten Blickwinkel von Art. 105 Abs. 2 OG überprüfbar
(vgl. E. 1.2); Entsprechendes gilt für die erwerblich-praktische Auswirkung
der gesundheitlich bedingten Einschränkungen und die Frage nach der
prozentualen Gewichtung der einzelnen verschiedenen Verrichtungen im Rahmen
der gesamten Erwerbstätigkeit als Selbstständigerwerbender.

5.3 Die vorinstanzliche Feststellung, dass auf den Bericht der Dr. med.
U.________, Fachärztin FMH für Chirurgie und leitende Ärztin am Spital
X.________, vom 20. Juni 2005 abzustellen ist, wonach sich seit ihrem Bericht
vom Mai 2003 keine gesundheitlichen Veränderungen ergeben hätten, und dass
die IV-Stelle diese medizinische Einschätzung zu Recht in ihren
Abklärungsbericht vom 21. Februar 2006 übernommen hat, ist im Lichte der
Akten weder als offensichtlich unrichtig noch als unvollständig oder sonstwie
mangelhaft im Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG zu qualifizieren. Das Gleiche gilt
hinsichtlich der vorinstanzlichen Würdigung des Abklärungsberichts für
Selbstständigerwerbende vom 21. Februar 2006. Dieser beruht auf Kenntnis der
Akten, inklusive der ärztlichen Zumutbarkeitsbeurteilung, auf einer im Jahre
des möglichen Rentenbeginns (2003) gemachten Abklärung vor Ort hinsichtlich
der prozentualen Gewichtung der Tätigkeiten im eigenen Betrieb und auf einer
nachvollziehbaren finanziellen Bewertung dieser einzelnen Aufgabenbereiche.
Dem Abklärungsbericht ist mit der Vorinstanz voller Beweiswert zu
attestieren. Die Einwände hinsichtlich des Ausmasses der Beeinträchtigungen
in den einzelnen Teilaufgaben betreffen Tatfragen und geben im Rahmen der
eingeschränkten Kognition zu keinerlei richterlicher Korrektur Anlass.

5.4 Der Beschwerdeführer rügt bei der kantonalen Sachverhaltsfeststellung
weder Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, noch offensichtliche
Unrichtigkeit, Unvollständigkeit oder eine Verletzung wesentlicher
Verfahrensbestimmungen (E. 2 hievor). Seine Einwände richten sich primär
gegen die Nichtberücksichtigung der zum Teil unentgeltlichen Mehrarbeit von
Familienangehörigen. Dem ist entgegenzuhalten, dass diese bei der Anwendung
der ausserordentlichen Bemessungsmethode, wie sie das Eidgenössische
Versicherungsgericht in seinem Rückweisungsurteil vom 28. Februar 2005
angeordnet hatte, keine Rolle spielt, da nur noch die wirtschaftlich
gewichtete prozentuale Beeinträchtigung in den einzelnen Tätigkeiten gewertet
wird und kein Einkommensvergleich erfolgt. Das kantonale Gericht hat diese
Methode richtig angewendet, was als Rechtsfrage der uneingeschränkten
Überprüfung des Bundesgerichts unterliegt. Soweit der Beschwerdeführer
vorbringt, bei der Gewichtung der Behinderung im Betätigungsvergleich sei die
Mitarbeit zu wenig berücksichtigt worden, rügt er hingegen wiederum eine
Tatsachenfeststellung, die unter dem hier anwendbaren Recht nur eingeschränkt
überprüfbar ist und, wie dargelegt, dieser Überprüfung standhält. Die von der
Vorinstanz vorgenommene Invaliditätsbemessung gibt daher nach Lage der Akten
und der Parteivorbringen zu keinen Beanstandungen tatsächlicher (Art. 105
Abs. 2 OG) oder rechtlicher (Art. 104 lit. a OG) Art Anlass.

6.
Bei diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer die gestützt auf Art.
134 OG (in der von 1. Juli bis 31. Dezember 2006 in Kraft gestandenen
Fassung; vgl. E. 2 hievor) zu erhebenden Gerichtskosten zu tragen (Art. 135
in Verbindung mit Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse des Kantons Bern
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 7. Dezember 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Schüpfer