Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 1/2007
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I 1/07

Urteil vom 28. August 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber Scartazzini.

C. ________, 1946, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwältin
Evalotta Samuelsson, Seefeldstrasse 45, 8008 Zürich,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Invalidenversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 2. November 2006.

Sachverhalt:

A.
Die 1946 geborene C.________ arbeitete bis zum 30. April 2004 im Rahmen eines
80 %igen Pensums bei der Firma G.________ als Mitarbeiterin im Lager und in
der Qualitätskontrolle. Wegen Status nach zweimaliger Brustkrebsoperation,
Fibromyalgie, Asthenie und  Schmerzen an beiden Armen meldete sie sich am 2.
April 2005 bei der Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Mit Verfügung
vom 25. August 2005 verneinte die IV-Stelle des Kantons Zürich bei einem
Invaliditätsgrad von 37 % den Rentenanspruch der Versicherten und bestätigte
dies mit Einspracheentscheid vom 1. Dezember 2005.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde, womit beantragt wurde, es sei eine Rente
gestützt auf einen Invaliditätsgrad von mindestens 70 % zuzusprechen,
eventualiter sei die Sache zwecks Einholen eines medizinischen Gutachtens an
die IV-Stelle zurückzuweisen, wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich aufgrund eines Invaliditätsgrades von 25,2 % mit Entscheid vom 2.
November 2006 ab.

C.
C.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, in
Aufhebung des kantonalen Entscheides unter Kosten- und Entschädigungsfolgen
sei die Sache zur Einholung eines medizinischen Gutachtens und zur Vornahme
eines neuen, darauf gestützten Einkommensvergleichs an die Beschwerdegegnerin
zurückzuweisen.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
während das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung
verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung. Das
Bundesgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht
verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder
ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig
oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde
(Art. 132 Abs. 2 OG [in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom
16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG, in Kraft seit 1. Juli 2006] in
Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

3.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zur streitigen
Frage, ob die Beschwerdeführerin einen rentenbegründenden Invaliditätsgrad
aufweist (Art. 5 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 und 2 IVG, Art. 28 Abs. 2bis IVG in
Verbindung mit Art. 27 IVV), zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

4.
4.1 Die Vorinstanz hat insbesondere gestützt auf das Gutachten der
Rheumatologin Frau Dr. med. T.________ vom 24. Juni 2005 festgestellt, dass
die Versicherte an einem cervico- und lumbospondylogenen Syndrom rechts
erheblicher als links bei leichten degenerativen Veränderungen und
Wirbelsäulenfehlhaltung (leicht abgeflachte LWS-Lordose) sowie
Haltungsinsuffizienz, an einem Fibromyalgie-Syndrom, einem Status nach
Mammakarzinom rechts 1994 mit Status nach Lymphektomie und Axillarevision,
Status nach perkutaner Radiotherapie und Status nach Novadextherapie bis
02/05, an einem Status nach Sentinel-LK-Biopsie und Segmentektomie Mamma
links am 4.5.04 bei Status nach adjuvanter Radiotherapie des
Restdrüsenkörpers links vom 29.6. bis 2.8.04 sowie an einer substituierten
Hypothyreose leidet. Im Unterschied zur IV-Stelle, welche
vernehmlassungsweise eine Arbeitsunfähigkeit von 50 % anerkannt hatte, ging
die Vorinstanz allerdings von einer Arbeitsfähigkeit von 100 % aus und
ermittelte einen Gesamtinvaliditätsgrad von lediglich 25,2 %. Dabei
berücksichtigte sie wie die Verwaltung die Ergebnisse eines
Abklärungsberichts vom 25. August 2005, wonach im 20 %igen haushältlichen
Betätigungsbereich von einer Einschränkung von 36,2 % auszugehen sei.

In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird die Tauglichkeit des Gutachtens von
Frau Dr. med. T.________ als Beweismittel in Frage gestellt und in Anlehnung
an einen Arztbericht von Dr. med. D.________ vom 18. April 2005, welcher in
der angestammten Tätigkeit seit dem 1. Mai 2004 eine 100 %ige
Arbeitsunfähigkeit attestiert, hauptsächlich geltend gemacht, die Vorinstanz
habe das Vorliegen einer psychischen Erkrankung und somit das Kriterium der
Komorbidität verneint, ohne dass eine psychiatrische Begutachtung
stattgefunden hätte, was den Untersuchungsgrundsatz verletze. Bei
festgestellter Fibromyalgie sei dem Untersuchungsgrundsatz nur dann Genüge
getan, wenn die Behörde auch tatsächlich untersuche, ob die
rechtsprechungsgemäss geltenden Kriterien gegeben sind, womit in der Regel
auch eine psychiatrische Begutachtung einher gehe.

4.2 Diesen Einwendungen ist zunächst entgegenzuhalten, dass die Feststellung
des Gesundheitsschadens, d.h. die Befunderhebung, die gestützt darauf
gestellte Diagnose, die ärztliche Stellungnahme zu dem noch vorhandenen
Leistungsvermögen oder (bei psychischen Gesundheitsschäden) zur Verfügbarkeit
von Ressourcen der versicherten Person sowie die aufgrund der medizinischen
Untersuchungen gerichtlich festgestellte Arbeits(un)fähigkeit Tatfragen
betreffen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 398), die sich nach der dargelegten
Regelung der Kognition (E. 2) einer Überprüfung durch das Bundesgericht
weitgehend entziehen. Ausser bei offensichtlich unrichtiger
Sachverhaltsfeststellung oder Verletzung von Bundesrecht ist daher auf den
kantonalen Entscheid zu verweisen.

4.3 Im angefochtenen Entscheid wurde dargelegt, das cervico- und
lumbospondylogene Syndrom schränke die Beschwerdeführerin zwar in gewissem
Masse ein, wobei aber lediglich leichte degenerative Veränderungen
festgestellt werden konnten. Die Röntgenbilder hätten eine diskrete
Osteochondrose C6/7 sowie beginnende Spondylarthrose im gleichen Segment,
eine intakte Knochenstruktur sowie eine leichte Spondylose L4/5 gezeigt.
Allein wegen dieser geringfügigen Gesundheitsstörungen lasse sich eine
Einschränkung der Arbeitsfähigkeit im Umfang von 50 % nicht begründen, sodass
offensichtlich sei, dass die Gutachterin bei dieser Einschätzung die
Fibromyalgie als ausschlaggebend miteinbezogen habe, welche indessen nicht
invalidisierend sei. Damit hat das kantonale Gericht allerdings nicht
begründet, weshalb es in Bezug auf die Arbeitsfähigkeit der Versicherten vom
Gutachten von Frau Dr. med. T.________ abgewichen ist. Zwar weisen auch die
anderen Arztberichte darauf hin, dass bezüglich der Arbeitsunfähigkeit einzig
die Fibromyalgie eine erhebliche Rolle spielt. Zudem ist dieses Leiden nach
der zutreffend dargestellten Rechtsprechung (BGE 130 V 352 E. 2.2.3 S. 353
f.; 132 V 65 E. 4 S. 70 ff.) nur ausnahmsweise invalidisierend, wobei die
Vorinstanz befand, die zur Annahme einer invalidisierenden Wirkung
erforderlichen Kriterien lägen nicht vor. Indessen gibt es in den Akten
keinen Arztbericht, der eine 100 %ige Arbeitsfähigkeit attestiert.

4.4 Die Vorbringen der Beschwerdeführerin sind nach dem Gesagten insofern
stichhaltig, als die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung unvollständig
ist. In der Tat enthalten die Akten gewisse Hinweise auf psychische
Belastungen wegen des beidseitigen Brustkarzinoms, indem Frau Dr. med.
T.________ von schwerer psychischer Überlastung spricht, was nach allgemeiner
Lebenserfahrung nachvollziehbar ist. Dies ist im Rahmen einer psychiatrischen
Begutachtung näher abzuklären, weshalb die vorinstanzlich angenommene 100%ige
Arbeitsfähigkeit vorerst aktenmässig nicht belegt ist. Ob eine erhebliche
psychische Komorbidität vorliegt, lässt sich aufgrund der bisherigen
Aktenlage somit weder zuverlässig bejahen noch verneinen. Nachdem eine
psychische Komorbidität nicht rechtsgenüglich ausgeschlossen werden kann und
der Sachverhalt diesbezüglich unvollständig festgestellt wurde, ist die
beantragte Rückweisung der Sache an die IV-Stelle zwecks Einholung eines
psychiatrischen Gutachtens begründet.

5.
Ausgangsgemäss hat die IV-Stelle des Kantons Zürich als unterliegende
Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 134 OG e contrario).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der
Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 2. November
2006 und der Einspracheentscheid vom 1. Dezember 2005 aufgehoben werden und
die Sache an die IV-Stelle des Kantons Zürich zurückgewiesen wird, damit sie,
nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über die
Versicherungsleistungen neu verfüge.

2.
Die Gerichtskosten in der Höhe von Fr. 500.- werden der IV-Stelle des Kantons
Zürich auferlegt.

3.
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 500.- wird der Beschwerdeführerin
zurückerstattet.

4.
Die IV-Stelle des Kantons Zürich hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren
vor dem Bundesgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.-
(einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

5.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wird über eine Neuverlegung
der Parteikosten für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des
letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben.

6.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der Ausgleichskasse des Schweizerischen Gewerbes, Bern, und dem
Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.

Luzern, 28. August 2007
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: