Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 19/2007
Zurück zum Index Sozialrechtliche Abteilungen 2007
Retour à l'indice Sozialrechtliche Abteilungen 2007


{T 7}
I 19/07

Urteil vom 24. April 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Z. ________, 1959, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Reeb, Hauptstrasse 11a, 8280
Kreuzlingen,

gegen

IV-Stelle des Kantons Thurgau, St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.

Invalidenversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der AHV/IV-Rekurskommission
des Kantons Thurgau vom 12. Dezember 2006.

In Erwägung,
dass die IV-Stelle des Kantons Thurgau dem 1959 geborenen Z.________ mit
Verfügungen vom 18. September und 24. Oktober 2006 rückwirkend ab 1. November
2004 bei einem Invaliditätsgrad von 44 % eine Viertelsrente der
Invalidenversicherung zusprach,
dass der Versicherte hiegegen bei der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons
Thurgau Beschwerde führen und gleichzeitig um Gewährung der unentgeltlichen
Verbeiständung ersuchen liess,
dass die kantonale Rekurskommission mit Zwischenentscheid vom 12. Dezember
2006 das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung abwies,
dass Z.________ mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen lässt, unter
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides seien ihm für das kantonale
Beschwerdeverfahren die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung zu
gewähren,
dass das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR
173.110) am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243), der
angefochtene Entscheid indessen vorher ergangen ist, sodass sich das
Verfahren noch nach OG richtet (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S.
395),
dass der kantonale Entscheid über die Verweigerung der unentgeltlichen
Rechtspflege zu den Zwischenverfügungen gehört, die einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil bewirken können, und daher selbstständig mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden kann
(Art. 5 in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 und 2 lit. h VwVG sowie Art. 97 Abs.
1 und Art. 128 OG; BGE 100 V 61 E. 1 S. 62; RKUV 2000 Nr. KV 119 S. 154 E.
1a, K 140/99),
dass der angefochtene Zwischenentscheid nur die unentgeltliche
Verbeiständung, nicht aber die unentgeltliche Prozessführung vor erster
Instanz betrifft, weshalb auf den Antrag auf Bewilligung der unentgeltlichen
Prozessführung vor der kantonalen Rekurskommission nicht einzutreten ist,
dass die strittige Verfügung nicht die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen zum Gegenstand hat, weshalb das Bundesgericht nur
prüft, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich
Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche
Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung
wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde (Art. 132 in
Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG),
dass im Rahmen von Art. 105 Abs. 2 OG die Möglichkeit, im Verfahren vor dem
Bundesgericht neue tatsächliche Behauptungen aufzustellen oder neue
Beweismittel geltend zu machen, weitgehend eingeschränkt ist und nach der
Rechtsprechung nur jene neuen Beweismittel zulässig sind, welche die
Vorinstanz von Amtes wegen hätte erheben müssen und deren Nichterheben eine
Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften darstellt (BGE 121 II 97 E. 1c
S. 99, 120 V 481 E. 1b S. 485, je mit Hinweisen),
dass diese für neue Beweismittel massgebende Rechtsprechung umso mehr gilt,
wenn vor dem Bundesgericht nicht einmal solche Beweismittel geltend gemacht,
sondern lediglich neue Behauptungen aufgestellt werden, welche die
betreffende Partei ohne weiteres schon im vorinstanzlichen Verfahren hätte
vorbringen können (BGE 121 II 97 E. 1c S. 100, 102 Ib 124 E. 2a S. 127),
dass die Vorinstanz Art. 61 lit. f ATSG betreffend den Anspruch auf
unentgeltliche Verbeiständung im kantonalen Beschwerdeverfahren richtig
wiedergegeben hat,
dass die Rekurskommission für die Familie des Beschwerdeführers ein Einkommen
von monatlich Fr. 4'399.- ermittelte, wobei in dieser Summe nebst der
Invalidenrente, dem Erwerbseinkommen der Ehefrau und den Kinderzulagen
namentlich auch ein Beitrag des erwerbstätigen Sohnes von Fr. 900.- im Monat
eingeschlossen ist, während sie die Ausgaben auf Fr. 4'327.90 bezifferte,
sodass sich aus der Differenz ein zur Deckung der Anwaltskosten
heranzuziehender Einnahmenüberschuss von rund Fr. 70.- im Monat ergab,
dass der Beschwerdeführer die vorinstanzliche Berechnung nicht beanstandet,
soweit sie die Einnahmenseite betrifft,
dass er hingegen zusätzliche, vom kantonalen Gericht nicht berücksichtigte
Ausgaben, insbesondere ungedeckte Arztkosten von rund Fr. 50.- im Monat sowie
einen Aufwand für den Arbeitsweg seiner Ehegattin von Fr. 150.- monatlich,
geltend macht,
dass Arztkosten in genannter Höhe nicht ausgewiesen sind, während die
Auslagen für Selbstbehalt und Franchise bei der Krankenversicherung nicht
separat berücksichtigt werden, sondern aus dem Grundbetrag zu decken sind,
dass Berufsauslagen der Ehefrau in der Höhe von Fr. 150.- im Monat erstmals
im letztinstanzlichen Verfahren behauptet werden, es sich somit um ein
unzulässiges neues tatsächliches Vorbringen handelt (Art. 105 Abs. 2 OG; BGE
121 II 97 E. 1c S. 100), weshalb sich das Bundesgericht nicht damit
auseinander zu setzen hat,
dass aus dem gleichen Grund die bisher aufgelaufenen Anwaltskosten von Fr.
1'100.- nicht als Argument dafür, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage
sein werde, mit einem monatlichen Einnahmenüberschuss von Fr. 70.- die
Prozesskosten innert Jahresfrist zu decken, herangezogen werden können,
dass der Beschwerdeführer für das Verfahren vor der kantonalen
Rekurskommission jedoch zusätzlich zum Anwaltshonorar einen
Gerichtskostenvorschuss von mindestens Fr. 200.- zu bezahlen haben wird (Art.
69 Abs. 1bis IVG in der Fassung gemäss Ziff. I des Bundesgesetzes vom 16.
Dezember 2005 über die Änderung des IVG, in Kraft seit 1. Juli 2006),
dass damit ausgehend von dem von der Vorinstanz ermittelten monatlichen
Einnahmenüberschuss von Fr. 70.- umgerechnet auf ein Jahr höchstens Fr. 640.-
( 12 x Fr. 70.-  - [Fr. 200.-]) verbleiben, um den Anwalt zu entschädigen,
dass es gerichtsnotorisch ist, dass ein Betrag von Fr. 640.- nicht ausreicht,
um den Rechtsanwalt für seine Bemühungen nach dem ordentlichen Tarif zu
entschädigen,
dass unter diesen Umständen die Bedürftigkeit des Beschwerdeführers zu
bejahen ist und auch die weiteren Voraussetzungen für die Bewilligung der
unentgeltlichen Verbeiständung erfüllt sind, kann doch der Prozess nicht als
aussichtslos bezeichnet werden und ist die anwaltliche Vertretung als geboten
zu erachten (vgl. RKUV 2000 Nr. KV 119 S. 155 E. 2, K 140/99),
dass in Verfahren, welche die Frage der Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege für das kantonale Gerichtsverfahren zum Gegenstand haben,
praxisgemäss keine Gerichtskosten erhoben werden (RKUV 2000 KV Nr. 119 S. 157
E. 4, K 140/99),
dass das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung für das letztinstanzliche
Verfahren insoweit gegenstandslos ist, als der Beschwerdeführer zufolge
teilweisen Obsiegens Anspruch auf eine reduzierte Parteientschädigung hat
(Art. 159 Abs. 1 und 2 OG),
dass ihm insoweit, als mangels Anfechtungsgegenstandes auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten ist, die unentgeltliche
Verbeiständung zu gewähren ist, da die entsprechenden Voraussetzungen gegeben
sind (Art. 152 OG; BGE 125 V 201 E. 4a S. 202 und 371 E. 5b S. 372),
dass indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht wird,
wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird,
wenn sie später dazu imstande ist,
erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf
einzutreten ist. Der angefochtene Entscheid vom 12. Dezember 2006 wird
aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer für das Verfahren
vor der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau Anspruch auf
unentgeltliche Verbeiständung hat.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die IV-Stelle des Kantons Thurgau hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren
vor dem Bundesgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.-
(einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt
Bernhard Reeb, Kreuzlingen, für das Verfahren vor dem Bundesgericht aus der
Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'000.- (einschliesslich
Mehrwertsteuer) ausgerichtet.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons
Thurgau, der Ausgleichskasse des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen zugestellt.

Luzern, 24. April 2007

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: