Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 141/2007
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I 141/07

Urteil vom 19. Juni 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

R. ________, 1977, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Claudio
Allenspach, Poststrasse 43, 7002 Chur,

gegen

IV-Stelle des Kantons Graubünden,
Ottostrasse 24, 7000 Chur, Beschwerdegegnerin.

Invalidenversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Graubünden vom 7. November 2006.

Sachverhalt:

A.
Der 1977 geborene R.________ war von März bis Dezember 2001 als
Gartenarbeiter bei der X.________ AG und von April 2002 bis Mai 2003 als
Hilfsmonteur bei der A.________ tätig. Nachdem er am 19. Januar 2003 mit
seinem Personenwagen einen Verkehrsunfall erlitten hatte, in dessen Folge er
laut Austrittsbericht der Klinik Y.________ vom 17. Oktober 2003 nur noch für
eine leichte, wechselbelastende Tätigkeit hälftig arbeitsfähig war, meldete
er sich am 10. November 2003 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug
an. Gestützt auf die beigezogenen Unterlagen sprach die IV-Stelle des Kantons
Graubünden R.________ mit Verfügung vom 9. Februar 2005 rückwirkend ab 1.
Januar 2004 bei einem Invaliditätsgrad von 43 % eine Viertelsrente der
Invalidenversicherung zu, woran sie auf Einsprache hin mit Entscheid vom 21.
Juli 2006 festhielt.

B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde, mit welcher R.________ die Zusprechung
einer höheren Invalidenrente hatte beantragen lassen, wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden ab (Entscheid vom 7. November
2006).

C.
R.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Anträgen, unter
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei ihm rückwirkend ab 1. Januar
2004 bis 31. August 2004 und wiederum ab 1. November 2004 eine Dreiviertels-,
eventuell eine halbe Rente der Invalidenversicherung zuzusprechen;
subeventuell sei die Sache zu neuer Abklärung und Beurteilung an das
kantonale Gericht zurückzuweisen.

Während die IV-Stelle auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine
Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung. Das
Bundesgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht
verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder
ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig
oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde
(Art. 132 Abs. 2 OG [in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom
16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG, in Kraft seit 1. Juli 2006] in
Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

3.
Streitig und zu prüfen ist die Höhe des Invaliditätsgrades als Voraussetzung
für den Anspruch auf eine höhere als die zugesprochene Viertelsrente der
Invalidenversicherung.

3.1 In medizinischer Hinsicht hat das kantonale Gericht in Würdigung der
Arztberichte und des von der Verwaltung veranlassten Gutachtens verbindlich
(E. 2 hievor) festgestellt, dass dem Beschwerdeführer eine leidensangepasste
Erwerbstätigkeit im Ausmass von 50 % einer Vollzeitbeschäftigung zumutbar
wäre. Davon geht offenbar auch der Versicherte selbst aus.

3.2 Das hypothetische Einkommen ohne Invalidität (Valideneinkommen) setzte
die Vorinstanz für das Jahr 2004 auf Fr. 45'818.50 fest, entsprechend einem
Monatslohn von Fr. 3500.- (x 13) nach Aufrechnung der Nominallohnentwicklung
2004 von 0,7 %. Dieses Einkommen sei unterdurchschnittlich. In den Akten
fänden sich jedoch keinerlei Hinweise dafür, dass der Beschwerdeführer eine
besser entlöhnte Tätigkeit angestrebt hätte; es sei daher davon auszugehen,
dass er sich aus freien Stücken mit einem bescheidenen Einkommen begnügte,
weshalb darauf abzustellen sei. Verglichen mit dem anhand der Tabellenlöhne
gemäss Lohnstrukturerhebung 2004 ermittelten, zufolge Teilzeitbeschäftigung
um 10 % gekürzten Invalideneinkommen von Fr. 25'766.- bei einer
Arbeitsfähigkeit von 50 % resultierte in Übereinstimmung mit der Verwaltung
ein Invaliditätsgrad von 44 %.

3.3 Der Beschwerdeführer wendet im Wesentlichen ein, weil sein Einkommen
bereits vor Eintritt des Gesundheitsschadens deutlich unter dem Durchschnitt
der Löhne, wie sie für eine vergleichbare Tätigkeit bezahlt werden, gelegen
habe, und nichts dafür spreche, dass er sich aus freien Stücken mit einem
bescheidenen Einkommen begnügen wollte, sei entweder das Valideneinkommen zu
erhöhen oder das auf Grund der Tabellenlöhne festgesetzte Invalideneinkommen
zusätzlich zu reduzieren. Auf diese Weise könne dem Umstand, dass die
gleichen invaliditätsfremden Faktoren sowohl das Validen- wie auch das
Invalideneinkommen beeinflussten, Rechnung getragen werden, müssten doch
diese Faktoren gleichmässig bei beiden Einkommen oder gar nicht
berücksichtigt werden. Des Weiteren stellt der Versicherte die von der
Vorinstanz vorgenommene Beweislastverteilung bezüglich der Aussage, er habe
sich freiwillig mit einem tiefen Einkommen begnügt, in Frage. Diese Annahme
zu treffen, bloss weil sich in den Akten keine Hinweise für ein Bestreben des
Beschwerdeführers finden, eine besser entlöhnte Arbeit anzunehmen, sei
willkürlich.

3.4 Im Sozialversicherungsprozess, welcher von der Untersuchungsmaxime
beherrscht wird, tragen die Parteien in der Regel eine objektive Beweislast
nur insofern, als im Falle der Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten
jener Partei ausfällt, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Recht
ableiten wollte (BGE 125 V 193 E. 2 S. 195). Es handelt sich dabei nicht um
die Beweisführungslast, sondern um die Beweislast. Diese Beweisregel greift
allerdings erst Platz, wenn es unmöglich ist, im Rahmen des
Untersuchungsgrundsatzes auf Grund einer Beweiswürdigung den Sachverhalt zu
ermitteln, der zumindest die Wahrscheinlichkeit für sich hat, der
Wirklichkeit zu entsprechen (BGE 117 V 261 E. 3b S. 263; Urteile des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts C 193/96 vom 7. November 2006 und C
97/05 vom 27. April 2006).

3.5 Für ihre Aussage, der Beschwerdeführer habe sich aus freien Stücken mit
einem tiefen Einkommen begnügt, stützt sich die Vorinstanz auf keinerlei von
ihr selbst beigezogene Unterlagen. Sie verweist in dieser Beziehung einzig
auf die von der Verwaltung eingeholte Auskunft der A.________ vom 5. Januar
2004. Daraus lässt sich indessen keinesfalls ableiten, dass der
Beschwerdeführer sich freiwillig mit einem Monatslohn von Fr. 3500.- (x 13)
begnügte. Ebenso könnte aus diesen Angaben und den Ausführungen in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde geschlossen werden, dass der Versicherte zwar
ein höheres Einkommen erzielen möchte, invaliditätsfremde Faktoren einem
solchen Vorhaben jedoch entgegenstehen. Wie es sich damit verhält, hat die
Vorinstanz nicht ausreichend abgeklärt. Sie hat damit die Untersuchungsmaxime
verletzt, indem sie den rechtserheblichen Sachverhalt unvollständig (Art. 105
Abs. 2 OG) festgestellt hat, hängt doch von der Beantwortung dieser Frage die
Höhe des hypothetischen Valideneinkommens und damit des Invaliditätsgrades
ab. Fehlt es indessen an Feststellungen tatsächlicher Natur, auf Grund
welcher sich ein Sachverhalt ermitteln liesse, der mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit als richtig betrachtet werden könnte, besteht keine
Grundlage für die Anwendung der Regeln zur objektiven Beweislast. Erst wenn
sich nach Durchführung der in Betracht fallenden Beweismassnahmen (Abklärung
der erzielten Einkommen an früheren Arbeitsplätzen, Befragung von
Vorgesetzten, Mitarbeitern usw.) ergibt, dass der Beschwerdeführer freiwillig
auf einen höheren Lohn verzichtet hat, ist es zulässig, das tatsächlich
erzielte Einkommen als Valideneinkommen heranzuziehen und dem auf Grund der
Lohnstrukturerhebung 2004 ermittelten Invalideneinkommen gegenüberzustellen.
Nur wenn sich trotz der durchgeführten Beweismassnahmen Beweislosigkeit
ergibt, greifen die entsprechenden Regeln (E. 3.4 hievor) Platz. Führen die
weiteren Abklärungen, zu deren Vornahme die Sache an das kantonale Gericht
zurückzuweisen ist, zum Schluss, dass der Beschwerdeführer, wie von ihm
geltend gemacht, vor Eintritt des Gesundheitsschadens aus invaliditätsfremden
Gründen (Nationalität, fehlende Ausbildung, jugendliches Alter) nur ein
deutlich unterdurchschnittliches Einkommen erzielt hat, wäre beim
Invalideneinkommen ein Abzug vorzunehmen. Dabei wären die invaliditätsfremden
Faktoren nicht losgelöst von der leidensbedingten Einschränkung zu
berücksichtigen, sondern es wäre im Sinne von BGE 126 V 75 ein gesamthafter
Abzug vom statistischen Durchschnittslohn von maximal 25 % vorzunehmen
(Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts U 231/05 vom 13. März
2006).

4.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden
IV-Stelle aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Diese hat dem Beschwerdeführer
überdies eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der
angefochtene Entscheid vom 7. November 2006 aufgehoben, und die Sache wird an
das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden zurückgewiesen, damit es, nach
erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über die Beschwerde neu
entscheide.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der IV-Stelle des Kantons Graubünden
auferlegt.

3.
Der vom Beschwerdeführer geleistete Kostenvorschuss von Fr. 500.- wird
zurückerstattet.

4.
Die IV-Stelle des Kantons Graubünden hat dem Beschwerdeführer für das
Verfahren vor dem Bundesgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.-
(einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons
Graubünden, der Ausgleichskasse für Gewerbe, Handel und Industrie in
Graubünden und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.

Luzern, 19. Juni 2007

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: