Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 124/2007
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I 124/07

Urteil vom 22. Februar 2008

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiber Flückiger.

K. ________, 1959, Beschwerdeführer,
vertreten durch Advokat Dr. Nicolas Roulet,
Rebgasse 1, 4058 Basel,

gegen

IV-Stelle Basel-Landschaft, Hauptstrasse 109, 4102 Binningen,
Beschwerdegegnerin.

Invalidenversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft
vom 1. November 2006.

Sachverhalt:

A.
Der 1959 geborene K.________ meldete sich am 18. August 2003 bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Basel-Landschaft
holte Berichte des Dr. med. O.________, Innere Medizin FMH, vom 21. August
2003, des Spitals X.________, Orthopädische Klinik, vom 2. September 2003
sowie der Arbeitgeberin Q.________ AG vom 15. September 2003 ein. Zunächst in
Aussicht genommene berufliche Massnahmen wurden mit Verfügung vom 30. Januar
2004 abgeschlossen, nachdem sich der Versicherte als nicht arbeits- und
leistungsfähig bezeichnet hatte. In der Folge gab die IV-Stelle bei Dr. med.
F.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH, ein Gutachten in Auftrag,
welches am 18. Mai 2004 erstattet wurde, und zog Berichte der psychiatrischen
Klinik Y.________ vom 15. April 2004 sowie der psychiatrischen Dienste
Z.________ vom 19. Februar 2004 bei. Ausserdem liess sie in der Rehaklinik
A.________ eine Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit (EFL)
durchführen (Bericht vom 8. September 2004). Nach einer neuerlichen
Begutachtung durch Dr. med. F.________ vom 13. Juni 2005 lehnte es die
Verwaltung mit Verfügung vom 25. Juli 2005 ab, dem Versicherten eine Rente
auszurichten. Daran wurde mit Einspracheentscheid vom 17. Mai 2006
festgehalten.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft ab
(Entscheid vom 1. November 2006, eröffnet am 18. Januar 2007).

C.
K.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren,
es sei der kantonale Entscheid aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung im
Sinne der Erwägungen an das kantonale Gericht oder die IV-Stelle
zurückzuweisen.
Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine
Vernehmlassung.

D.
Mit Verfügung vom 17. Januar 2008 wurde dem Beschwerdeführer - in
Wiedererwägung eines ablehnenden Entscheids vom 11. Oktober 2007 - die
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gewährt.
Erwägungen:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach dem Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom
16. Dezember 1943, OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).
Zuständig für die Behandlung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist das
Bundesgericht.

2.
Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung. Das
Bundesgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht
verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder
ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig
oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde
(Art. 132 Abs. 2 OG [in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom
16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG, in Kraft gewesen vom 1. Juli bis
31. Dezember 2006] in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105
Abs. 2 OG).

3.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über das
intertemporale Recht (BGE 127 V 466 E. 1 S. 467; vgl. auch BGE 130 V 445
E. 1.2.1 S. 447), die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs
(Art. 28 Abs. 1 IVG), die Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen
Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG in
Verbindung mit Art. 16 ATSG; BGE 130 V 343 E. 3.4 S. 348, 128 V 29 E. 1
S. 30, 104 V 135 E. 2a und b S. 136), den Untersuchungsgrundsatz (Art. 61
lit. c ATSG), den Rentenbeginn bei langdauernder Krankheit (Art. 29 Abs. 1
lit. b IVG), die Aufgabe des Arztes oder der Ärztin im Rahmen der
Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 256 E. 4 S. 261) sowie den Beweiswert und
die Würdigung medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3a
S. 352) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

4.
4.1 Die Vorinstanz gelangte zum Ergebnis, der Beschwerdeführer sei aus
invalidenversicherungsrechtlicher Sicht in einer dem Leiden angepassten
Tätigkeit zu 100 % arbeitsfähig. Diese Feststellung ist tatsächlicher Natur
(BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 398) und kann durch das Bundesgericht nur im
vorstehend (E. 2) umschriebenen Rahmen überprüft werden. Der Beschwerdeführer
lässt geltend machen, das kantonale Gericht habe seinen Entscheid unter
Missachtung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung und der daraus
fliessenden Pflicht zur umfassenden, sorgfältigen, objektiven und
inhaltsbezogenen Beweiswürdigung gefällt. Es habe nicht in nachvollziehbarer
Weise dargelegt, warum es in psychiatrischer Hinsicht einzig der Auffassung
von Dr. med. F.________ folge und weitere, divergierende medizinische
Auffassungen zur psychischen Situation des Beschwerdeführers für nicht
schlüssig erkläre. Insbesondere habe der Bericht der  psychiatrischen Dienste
Z.________ vom 19. Februar 2004 bei der vorinstanzlichen Würdigung der
psychischen Gesundheit des Beschwerdeführers keine Berücksichtigung gefunden.

4.2
4.2.1 Nach Lage der Akten ist dem Beschwerdeführer aus Sicht der somatisch
begründeten Einschränkungen eine körperlich leichtere, angepasste Tätigkeit
zu 100 % zumutbar. In dieser Aussage stimmen die Berichte des Dr. med.
O.________ vom 21. August 2003, des Spitals X.________, Orthopädische Klinik,
vom 2. September 2003 und auch die Ergebnisse der in der Rehaklinik
A.________ durchgeführten EFL (Bericht vom 8. September 2004) überein. Sie
wird denn auch in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht bestritten.

4.2.2 Was den psychiatrischen Aspekt anbelangt, stellte die Vorinstanz
vollumfänglich auf die beiden Gutachten von Dr. med. F.________ ab. Dem
kantonalen Gericht ist darin zuzustimmen, dass diese Expertisen den
rechtsprechungsgemässen Anforderungen an eine beweiskräftige medizinische
Stellungnahme (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352) grundsätzlich gerecht werden,
weshalb ihnen volle Beweiskraft zuzuerkennen ist, solange nicht konkrete
Indizien gegen ihre Zuverlässigkeit sprechen (BGE 125 V 351 E. 3b/bb; Urteil
I 437/99 vom 9. August 2000, E. 4b/bb). Wenn die Vorinstanz weiter festhält,
der Bericht über die Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit vom
8. September 2004 vermöge die Zuverlässigkeit des psychiatrischen Gutachtens
nicht in Frage zu stellen, zumal die dort postulierte Einschränkung von
50-70 % aus psychischen Gründen nicht näher begründet werde, liegt darin kein
Verstoss gegen das Prinzip der freien Beweiswürdigung. Insbesondere trifft es
zu, dass die Rehaklinik die von ihr angegebene schwere Depression einzig mit
einer beobachteten ausgeprägten depressiven Stimmung begründet, wobei im
beteiligten Ärzteteam die Fachrichtung der Psychiatrie nicht vertreten war.
Der vom Beschwerdeführer ausserdem angerufene Bericht der psychiatrischen
Dienste Z.________ der psychiatrischen Klinik Y.________ vom 19. Februar 2004
wird im vorinstanzlichen Entscheid ebenfalls erwähnt. Wenn das kantonale
Gericht weiter festhält, dieser Bericht und jener der psychiatrischen Klinik
Y.________, Ärztlicher Dienst, vom 15. April 2004 brächten "nichts Neues vor,
was von Dr. F.________ nicht bereits thematisiert worden ist", nimmt es eine
Würdigung der medizinischen Unterlagen vor. Diese ist inhaltlich und
sprachlich knapp ausgefallen, vermag aber in Verbindung mit dem Gesichtspunkt
der Verschiedenheit von Behandlungs- und Begutachtungsauftrag (BGE 124 I 170
E. 4 S. 175; Urteil I 701/05 vom 5. Januar 2007, E. 2, mit Hinweisen),
welchen die IV-Stelle im Einspracheentscheid vom 17. Mai 2006 betont, sowie
angesichts der bereits durch den Gutachter Dr. med. F.________ selbst
vorgenommenen Auseinandersetzung mit den Vorakten den bundesrechtlichen
Anforderungen zu genügen. Von einer Rechtsverletzung oder einer in Verletzung
wesentlicher Verfahrensbestimmungen erfolgten Sachverhaltsfeststellung kann
unter diesen Umständen nicht gesprochen werden. Ebenso wenig hat die
vorinstanzliche Beurteilung der Arbeitsfähigkeit als offensichtlich unrichtig
zu gelten.

4.2.3 Die Feststellung des kantonalen Gerichts, der Beschwerdeführer sei in
einer einfach strukturierten Tätigkeit mit leichterer körperlicher Belastung
zu 100 % arbeitsfähig, ist nach dem Gesagten für das Bundesgericht
verbindlich. Sie ist der Invaliditätsbemessung zugrunde zu legen.

5.
Der auf der Basis des vorstehend umschriebenen Zumutbarkeitsprofils
durchgeführte, korrekterweise (BGE 129 V 222 ff.) auf das Jahr 2004 bezogene
Einkommensvergleich, welcher unter Berücksichtigung des - im Rahmen der engen
Kognition (E. 2) nicht zu beanstandenden - maximalen prozentualen Abzugs von
25 % (BGE 126 V 75 E. 5b S. 80) einen Invaliditätsgrad von 38 % ergab, wird
in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu Recht nicht beanstandet. Sowohl die
Bezifferung des Valideneinkommens (ausgehend von den Angaben der
Arbeitgeberin vom 15. September 2003) mit Fr. 69'782.45 als auch jene des
Invalideneinkommens (ausgehend von den Werten der Schweizerischen
Lohnstrukturerhebung [LSE] 2002) mit Fr. 43'047.- sind nach den durch die
Gerichtspraxis entwickelten Regeln erfolgt. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
ist abzuweisen.

6.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 Satz 2 OG, in Kraft gewesen vom
1. Juli bis 31. Dezember 2006). Zufolge der bewilligten unentgeltlichen
Rechtspflege sind die Gerichtskosten einstweilen auf die Gerichtskasse zu
nehmen, und dem unentgeltlichen Rechtsbeistand ist aus der Gerichtskasse eine
Entschädigung auszurichten. Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3
OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz
zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten für das bundesgerichtliche Verfahren von Fr. 500.- werden
dem Beschwerdeführer auferlegt. Auf Grund der gewährten unentgeltlichen
Rechtspflege werden sie vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

3.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Advokat Dr. Nicolas
Roulet, Basel, für das Verfahren vor dem Bundesgericht aus der Gerichtskasse
eine Entschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer)
ausgerichtet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Sozialversicherungsrecht, der Ausgleichskasse Basler Arbeitgeber
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 22. Februar 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Flückiger