Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 10/2007
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I 10/07

Urteil vom 11. Dezember 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Frésard,
Gerichtsschreiberin Durizzo.

G. ________, 1971, Beschwerdeführer,
vertreten durch den Rechtsdienst Integration Handicap, Schützenweg 10, 3014
Bern,

gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin.

Invalidenversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern
vom 15. November 2006.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 24. Oktober 2005 und Einspracheentscheid vom 11. Mai 2006
lehnte die IV-Stelle Bern den Anspruch des G.________, geboren 1971, auf
berufliche Massnahmen gestützt auf ein Gutachten des Spitals X.________ vom
20. September 2005 ab mit der Begründung, dass der Versicherte in einer
leidensangepassten Tätigkeit zu 100 % arbeitsfähig wäre.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
mit Entscheid vom 15. November 2006 ab.

C.
G.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, unter
Aufhebung des angefochtenen Entscheides seien ihm berufliche Massnahmen
(Umschulung) zuzusprechen. Des Weiteren ersucht er um unentgeltliche
Rechtspflege.

Erwägungen:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Damit wurden
das Eidgenössische Versicherungsgericht und das Bundesgericht in Lausanne zu
einem einheitlichen Bundesgericht (an zwei Standorten) zusammengefügt
(Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, S. 10
Rz. 75) und es wurde die Organisation und das Verfahren des obersten Gerichts
umfassend neu geregelt. Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten
eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein
Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid
nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). Da
der kantonale Gerichtsentscheid am 15. November 2006 und somit vor dem
1. Januar 2007 erlassen wurde, richtet sich das Verfahren nach dem bis
31. Dezember 2006 in Kraft gestandenen Bundesgesetz über die Organisation der
Bundesrechtspflege (OG) vom 16. Dezember 1943 (vgl. BGE 132 V 393 E. 1.2
S. 395).

2.
Gemäss Art. 132 Abs. 2 OG in der seit 1. Juli 2006 in Kraft stehenden Fassung
(Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des
IVG, AS 2006 2003) in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105
Abs. 2 OG ist in Streitigkeiten, die Leistungen der Invalidenversicherung
betreffen, nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt
hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob
der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder
unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde.

3.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Anspruch
auf Eingliederungsmassnahmen im Allgemeinen (Art. 8 Abs. 1 IVG) und auf
Umschulung im Besonderen (Art. 17 IVG; BGE 130 V 488 E. 4.2 S. 489 f. sowie
S. 491 unten; 124 V 108 E. 2b S. 110 f.; AHI 2000 S. 61, je mit Hinweisen; zu
den bis 31. Dezember 2003 bzw. ab 1. Januar 2004 gültigen Fassungen von
Art. 17 IVG: Urteil D. vom 10. November 2005, I 210/05, E. 3.3.1) zutreffend
dargelegt. Darauf wird verwiesen.

4.
Der Beschwerdeführer rügt zunächst die Würdigung der ärztlichen Berichte
durch die Vorinstanz.
Die Feststellung des Gesundheitsschadens, d.h. die Befunderhebung, die
gestützt darauf gestellte Diagnose, die ärztliche Stellungnahme zu dem noch
vorhandenen Leistungsvermögen oder (bei psychischen Gesundheitsschäden) zur
Verfügbarkeit von Ressourcen der versicherten Person sowie die aufgrund der
medizinischen Untersuchungen gerichtlich festgestellte Arbeits(un)fähigkeit
betreffen Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 398), welche sich nach der in
Erwägung 2 dargelegten Regelung der Kognition einer Überprüfung durch das
Bundesgericht weitgehend entziehen.
Nach einlässlicher und sorgfältiger Würdigung der medizinischen Akten hat das
kantonale Gericht festgestellt, dass dem Beschwerdeführer - gemäss
übereinstimmender Einschätzung der Ärzte des Spitals X.________ als auch des
Hausarztes Dr. med. V.________ - eine leidensangepasste (sitzende) Tätigkeit
zu 100 % zumutbar ist. Es bestehen keine Anhaltspunkte für eine
diesbezügliche offensichtliche Unrichtigkeit, weshalb auf die Vorbringen in
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht weiter einzugehen ist.

5.
Des Weiteren macht der Beschwerdeführer geltend, die Vorinstanz habe das
Valideneinkommen unrichtig festgestellt.
Dieser Einwand ist zutreffend, geht doch aus den Angaben des vormaligen
Arbeitgebers (Restaurant Y.________) vom 15. Juni 2004 hervor, dass das
Einkommen von Fr 3'060.70 monatlich bzw. Fr. 36'728.40 pro Jahr, welches das
kantonale Gericht beim Einkommensvergleich eingesetzt hat, nicht einem
100 %-Pensum entspricht, sondern der Beschwerdeführer lediglich 6-9 Stunden
an jeweils 3-4 Tagen pro Woche gearbeitet hat.
Der Beschwerdeführer errechnet für eine 100 %-Anstellung ein Jahreseinkommen
von Fr. 57'760.- (Fr. 4'000.- Grundlohn plus Fr. 480.- Trinkgelder pro
Monat). Dieser Lohn ist nur unbedeutend höher als das von der Vorinstanz
gestützt auf die Lohnstrukturerhebung des Bundesamts für Statistik ermittelte
Invalideneinkommen von Fr. 57'008.-, sodass der Versicherte verglichen mit
dem geltend gemachten Valideneinkommen kaum eine Erwerbseinbusse erleidet.
Selbst bei Kürzung des Tabellenlohns um einen leidensbedingten Abzug wird die
für eine Umschulung massgebliche Erheblichkeitsschwelle eines
Invaliditätsgrades von etwa 20 % nicht erreicht: Da der Versicherte in einer
sitzenden Tätigkeit gemäss ärztlichen Angaben nicht weiter eingeschränkt,
noch keine 40 Jahre alt und Schweizer Bürger ist, rechtfertigt sich eine
Reduktion um höchstens 15 % (BGE 126 V 75 E. 5 S. 78 ff.). Damit besteht kein
Anspruch auf Umschulung, weshalb der angefochtene Entscheid diesbezüglich im
Ergebnis ebenfalls zu bestätigen ist.

6.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG in der seit 1. Juli 2006 in
Kraft stehenden Fassung; Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005
über die Änderung des IVG, AS 2006 2003). Die unentgeltliche Rechtspflege (im
Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten) kann gewährt werden, weil die
Bedürftigkeit aktenkundig und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht als
aussichtslos zu bezeichnen ist (BGE 125 V 371 E. 5b S. 372 mit Hinweisen).
Der Beschwerdeführer wird indessen darauf aufmerksam gemacht, dass er gemäss
Art. 152 Abs. 3 OG der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn er
später dazu im Stande ist. Eine Parteientschädigung zugunsten der obsiegenden
Beschwerdegegnerin wird gemäss Art. 159 Abs. 2 OG nicht zugesprochen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der GastroSocial Ausgleichskasse und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 11. Dezember 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Durizzo