Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen C 9/2007
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C 9/07

Urteil vom 7. August 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn, Untere Sternengasse 2,
4500 Solothurn, Beschwerdeführerin,

gegen

R.________, 1978, Beschwerdegegnerin.

Arbeitslosenversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts
des Kantons Solothurn
vom 12. Dezember 2006.

Sachverhalt:

A.
Die 1978 geborene R.________ war seit dem 1. November 2000 als
Reisedisponentin bei der Firma X.________ AG tätig. Sie kündigte das
Arbeitsverhältnis am 27. September 2005 auf den 31. Dezember 2005. Nach
Rückkehr von einem Sprachaufenthalt meldete sich R.________ zur
Arbeitsvermittlung an und stellte Antrag auf Leistungen der
Arbeitslosenversicherung ab 6. März 2006. Mit Verfügung vom 23. Mai 2006
teilte die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn der
Versicherten mit, sie werde wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit für
32 Tage in der Anspruchsberechtigung für Taggelder der
Arbeitslosenversicherung eingestellt. R.________ machte in ihrer dagegen
geführten Einsprache insbesondere geltend, sie habe sich vor der Auflösung
des Arbeitsverhältnisses beim Gemeindearbeitsamt erkundigt, ob eine
Arbeitslosigkeit nach Absolvierung einer Sprachschule im Ausland als
"selbstverschuldet" qualifiziert und mit Einstelltagen sanktioniert würde,
was verneint worden sei. Sie habe ihr Budget für den Auslandaufenthalt auf
Grund dieser Abklärungen erstellt, weshalb sie die Verfügung nicht
akzeptiere. Das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn (AWA)
hielt mit Entscheid vom 16. Juni 2006 an seiner Verfügung fest.

B.
Das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn befragte in einer Verhandlung
vom 27. November 2006 den Kanzleisekretär der Gemeinde, K.________, als
Zeugen, hiess die gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde mit
Entscheid vom 12. Dezember 2006 gut und hob diesen auf.

C.
Die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn führt
Verwaltungsgerichtsbeschwerde und stellt den Antrag, der Entscheid des
Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn sei aufzuheben.

R. ________ schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde und das
Staatssekretariat für Wirtschaft verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der angefochtene
Entscheid vor dem 1. Januar 2007 ergangen ist, richtet sich das Verfahren
noch nach dem bis zum 31. Dezember 2006 in Kraft gewesenen Bundesgesetz vom
16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG; Art. 131
Abs. 1 und Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
2.1 Die Erwägungen der Vorinstanz über die massgebenden Grundsätze und
Bestimmungen zur Einstellung in der Anspruchsberechtigung wegen
Arbeitslosigkeit aus eigenem Verschulden (Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG, Art. 44
Abs. 1 lit. a AVIV, Art. 20 Abs. 1 lit. b und c des Übereinkommens Nr. 168
der Internationalen Arbeitsorganisation über Beschäftigungsförderung und den
Schutz gegen Arbeitslosigkeit vom 21. Juni 1988 [SR 0.822.726.8]) sind
korrekt. Richtig sind auch die Erwägungen zum Grundsatz von Treu und Glauben
(Art. 9 BV; BGE 127 I 36 E. 3a, 127 V 258 E. 4b, je mit Hinweisen) und zu den
nach der Rechtsprechung erforderlichen fünf Voraussetzungen für eine
erfolgreiche Berufung auf eine unrichtige Auskunft einer Verwaltungsbehörde
(BGE 121 V 66 E. 2a). Darauf wird verwiesen.

2.2 Zu ergänzen ist, dass gemäss Art. 27 ATSG die Versicherungsträger und
Durchführungsorgane der einzelnen Sozialversicherungen verpflichtet sind, im
Rahmen ihres Zuständigkeitsbereiches die interessierten Personen über ihre
Rechte und Pflichten aufzuklären (Abs. 1). Jede Person hat Anspruch auf
grundsätzlich unentgeltliche Beratung über ihre Rechte und Pflichten. Dafür
zuständig sind die Versicherungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu
machen oder die Pflichten zu erfüllen sind. Nach der gleichzeitig mit dem
ATSG am 1. Januar 2003 in Kraft gesetzten Ausführungsbestimmung des
Artikels 19a AVIV klären die in Art. 76 Abs. 1 lit. a-d AVIG genannten
Durchführungsstellen die Versicherten über ihre Rechte und Pflichten auf,
insbesondere über das Verfahren der Anmeldung und über die Pflicht,
Arbeitslosigkeit zu vermeiden und zu verkürzen (Abs. 1).
Rechtsprechungsgemäss gilt die Gleichstellung von pflichtwidrig
unterbliebener Beratung und unrichtiger Auskunftserteilung auch nach der
Regelung der Beratungspflicht gemäss Art. 27 ATSG. Demgemäss finden die aus
dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleiteten Voraussetzungen, welche bei
unrichtiger Auskunftserteilung eine vom materiellen Recht abweichende
Behandlung des Rechtsuchenden gebieten, auf die entgegen gesetzlicher
Vorschrift unterbliebene Auskunft analoge Anwendung (BGE 131 V 472 E. 5 mit
Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur).

3.
Das kantonale Gericht gelangte in Würdigung der Akten und nach Anhörung des
K.________ vom Gemeindearbeitsamt zur Erkenntnis, auf eine klar formulierte
Frage im Hinblick auf ihre künftige Anspruchsberechtigung auf
Arbeitslosenentschädigung, welche vom Gemeindemitarbeiter auch klar
verstanden worden sei, habe die Versicherte eine Antwort erhalten, aus der
sie schliessen konnte, sie habe nicht mit Einstelltagen zu rechnen.
Das Beschwerde führende Amt rügt, die Versicherte habe die Auskunft des
Mitarbeiters des Gemeindearbeitsamtes nicht in dem Sinne verstehen dürfen,
dass nach ihrer Rückkehr aus dem Ausland keine Einstelltage verfügt würden.
Zudem sei das Gemeindearbeitsamt für die Erteilung der betreffenden Auskunft
nicht zuständig gewesen.

4.
4.1 Die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geführten Argumente können nicht
überzeugen. Insbesondere steht unwidersprochen fest, dass die Versicherte
sich vor ihrer Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausdrücklich an das
Gemeindearbeitsamt wandte, um sich zu erkundigen, ob sie bei einer
Arbeitslosigkeit nach der Rückkehr von einem Auslandaufenthalt mit
Einstelltagen zu rechnen habe. Wenn nun der Zeuge K.________ selber nicht
sagen konnte, wie die Versicherte seine Antwort auf diese klare Frage
verstehen musste, weil er ohne Nachfragen eindeutig ausgeführt hatte, dass
die Arbeitslosenversicherung einen Sprachaufenthalt als Weiterbildung
anerkenne, ist dies als falsche Auskunft zu werten. Im angefochtenen
Entscheid - auf welchen verwiesen wird - wird dies ausführlich dargelegt.
Zudem ist erstellt, dass sich der Befragte - obwohl relevant - nicht darüber
erkundigte, wie lange der Sprachaufenthalt dauern werde. Ebenso wenig hatte
er die Beschwerdegegnerin für eine konkrete Auskunft an die Arbeitslosenkasse
weiterverwiesen.

4.2 Auch die Rüge, das Gemeindearbeitsamt sei für die Erteilung der Auskunft
nicht zuständig gewesen, was die Versicherte hätte wissen müssen, ist
unzutreffend. Gemäss § 6 der Vollzugsverordnung zum Einführungsgesetz des
Kantons Solothurn zum AVIG (EG AVIG/AVG) sind die Gemeindearbeitsämter für
die - möglichst frühzeitige -  Anmeldung der in der Gemeinde wohnhaften
Versicherten zur Arbeitsvermittlung gemäss Art. 17 Abs. 2 AVIG zuständig. Sie
haben diese über ihre wesentlichsten Rechte und Pflichten gegenüber der
Arbeitslosenversicherung zu orientieren. Damit sind sie die erste
Anlaufstelle für die Versicherten. Dies in einem Zeitpunkt, in dem die für
eine allfällige Einstellung wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit
zuständige Arbeitslosenkasse (Art. 30 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 sowie Art. 1
Abs. 1 lit. b AVIG) noch nicht feststeht. Der von der  Beschwerdegegnerin
angefragte Gemeindeschreiber war damit für die Erteilung der Auskunft
zuständig.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn und dem
Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
Luzern, 7. August 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: