Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen C 4/2007
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{T 7}
C 4/07

Urteil vom 1. Mai 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Leuzinger,
Gerichtsschreiberin Heine.

T. ________, 1970, Beschwerdeführerin,
vertreten durch S.________,

gegen

Arbeitslosenkasse Comedia, Regionalsekretariat Zürich/Ostschweiz,
Stauffacherstrasse 60, 8004 Zürich, Beschwerdegegnerin.

Arbeitslosenversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 18. Oktober 2006.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 12. Januar und Einspracheentscheid vom 23. Februar 2006
verneinte die Arbeitslosenkasse Comedia einen Taggeldanspruch der T.________
auf Arbeitslosenentschädigung ab 18. Dezember 2005 wegen Nichterfüllung der
Beitragszeit und mangels Vorliegen eines Befreiungstatbestands.

B.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die gegen den
Einspracheentscheid erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 18. Oktober 2006
ab, soweit darauf eingetreten wurde.

C.
T.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, es
seien ihr ab 12. Oktober 2005 Taggelder der Arbeitslosenversicherung
zuzusprechen, abzüglich der bis 31. Januar 2004 ausgerichteten 22 Taggelder;
eventualiter sei festzustellen, dass ein Befreiungstatbestand vorliege und
die Rahmenfrist für den Leistungsbezug ab 18. Dezember 2005 zu eröffnen sei.
Die Arbeitslosenkasse und das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichten auf
eine Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Damit wurden
das Eidgenössische Versicherungsgericht und das Bundesgericht in Lausanne zu
einem einheitlichen Bundesgericht (an zwei Standorten) zusammengefügt
(Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, S. 10
Rz 75) und es wurde die Organisation und das Verfahren des obersten Gerichts
umfassend neu geregelt. Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten
eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein
Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid
nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). Da
der kantonale Entscheid am 18. Oktober 2006 und somit vor dem 1. Januar 2007
erlassen wurde, richtet sich das Verfahren nach dem bis 31. Dezember 2006 in
Kraft gestandenen Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege
(OG) vom 16. Dezember 1943 (vgl. BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Nach Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG hat Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung,
wer die Beitragszeit erfüllt hat oder von der Erfüllung der Beitragszeit
befreit ist. Die Beitragszeit hat laut Art. 13 Abs. 1 AVIG erfüllt, wer
innerhalb der dafür vorgesehenen Rahmenfrist für die Beitragszeit während
mindestens zwölf Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat.
Von der Erfüllung der Beitragszeit befreit sind Personen, die innerhalb der
Rahmenfrist während insgesamt mehr als zwölf Monaten nicht in einem
Arbeitsverhältnis standen und die Beitragszeit nicht erfüllen konnten wegen
Krankheit, sofern sie während dieser Zeit Wohnsitz in der Schweiz hatten
(Art. 14 Abs. 1 lit. b AVIG).

3.
3.1 In tatsächlicher Hinsicht steht fest und ist unbestritten, dass die
Beschwerdeführerin am 15. Dezember 2003 das Lizenziat der Fakultät der
X.________ erwarb. Gestützt auf Art. 14 Abs. 1 lit. a AVIG meldete sie sich
zum Bezug von Arbeitslosentaggeldern an und es wurde ihr eine Rahmenfrist zum
Leistungsbezug vom 18. Dezember 2003 bis zum 17. Dezember 2005 eröffnet. Vom
18. Dezember 2003 bis 31. Januar 2004 bezog sie 32 Taggelder. Nach Erhalt
eines Regierungsstipendiums verbrachte sie ab Februar 2004 fünf Monate an der
Universität Y.________. Darauf folgte ein dreimonatiger Aufenthalt in der
Schweiz, bevor sie als Austauschstudentin an die University Z.________ ging.
Im Oktober 2005 kehrte sie in die Schweiz zurück und meldete sich ab
12. Oktober 2005 erneut zum Leistungsbezug an. Vom 13. Oktober bis
17. Dezember 2005 bezog sie weitere 47 Taggelder. Nach Ablauf der Rahmenfrist
vom 18. Dezember 2003 bis 17. Dezember 2005 verneinte die Arbeitslosenkasse
am 12. Januar 2006 die Anspruchsberechtigung auf die Eröffnung einer zweiten
Rahmenfrist wegen Nichterfüllung der Beitragszeit und mangels Vorliegen eines
Befreiungstatbestands. Gestützt auf diese Sachverhaltsdarstellung wies die
Vorinstanz die Beschwerde ab.

3.2 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird geltend gemacht, die
Rahmenfrist hätte am 18. Dezember 2003 wegen fehlender Vermittlungsfähigkeit
nicht eröffnet werden dürfen. So hätte das Amt für Wirtschaft und Arbeit des
Kantons Zürich (AWA) die Vermittlungsfähigkeit prüfen müssen und das
zuständige Regionale Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) hätte gemäss ihrer
Informationspflicht und dem Grundsatz von Treu und Glauben die
Beschwerdeführerin über die Rechtsfolgen einer Rahmenfristeröffnung
orientieren müssen. Ferner wird beantragt, eine zweite Rahmenfrist sei ab
18. Dezember 2005 zu eröffnen, da durch die im Ausland absolvierten Semester
ein Befreiungstatbestand erfüllt sei.

4.
Vorab ist zu prüfen, ob auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Bezug auf
die Eröffnung der Rahmenfrist für den Leistungsbezug vom 18. Dezember 2003
bis 17. Dezember 2005 einzutreten ist.

4.1 Die Vorinstanz ging richtigerweise davon aus, dass Streitgegenstand des
erstinstanzlichen Beschwerdeverfahrens die mit angefochtenem
Einspracheentscheid vom 23. Februar 2006 verneinte Anspruchsberechtigung auf
eine neue Rahmenfrist ab dem 18. Dezember 2005 bildet (zum Ganzen: BGE 125 V
413 ff.; Meyer-Blaser, Der Streitgegenstand im Streit - Erläuterungen zu BGE
125 V 413, in: Schaffhauser/Schlauri [Hrsg.], Aktuelle Rechtsfragen der
Sozialversicherungspraxis, St. Gallen 2001, S. 31 f.).
4.2 Nach dem Wortlaut des Rechtsbegehrens der Beschwerdeführerin ist nicht
bloss die Verneinung der Anspruchsvoraussetzungen ab dem 18. Dezember 2005
strittig, sondern auch die Rahmenfrist vom 18. Dezember 2003 bis 17. Dezember
2005. Mit Blick darauf, dass die Beschwerdeführerin laut Anmeldung zur
Arbeitsvermittlung vom 19. Dezember 2003 die Zusprechung von
Arbeitslosentaggelder beantragte, ihr ab 18. Dezember 2003 eine Rahmenfrist
zum Leistungsbezug eröffnet wurde, im Rahmen des Einspracheverfahrens einzig
die Anspruchsberechtigung ab 18. Dezember 2005 strittig war und erst im
kantonalen Prozess die Aufhebung der Rahmenfrist vom 18. Dezember 2003 bis
17. Dezember 2005 beantragt wurde, ist es nicht zu beanstanden, dass die
Vorinstanz auf die Frage der Vermittlungsfähigkeit während der ersten
Rahmenfrist nicht eingetreten ist. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist
insoweit unbegründet.

5.
Soweit letztinstanzlich der Studienaufenthalt im Ausland als
Befreiungstatbestand für die Eröffnung einer Rahmenfrist für den
Leistungsbezug ab 18. Dezember 2005 geltend gemacht wird, ist entgegen der
Vorinstanz auf den Grundsatz zu verweisen, wonach der Versicherungsschutz
gegenüber demjenigen der Beitragspflicht Vorrang geniesst. Mit BGE 130 V 229
wurde festgehalten, nichts stehe der Eröffnung einer neuen Rahmenfrist unter
Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit zufolge Krankheit entgegen,
nachdem mit derselben Begründung bereits eine vorangegangene Rahmenfrist
eröffnet worden war. Die Rahmenfrist vom 18. Dezember 2003 wurde auf Grund
des Befreiungstatbestands des Lizenziats eröffnet. Während der Dauer dieser
Rahmenfrist war die Versicherte teilweise vermittlungsfähig und war
unbestrittenermassen drei Semester im Ausland. Gestützt auf obige
Rechtsprechung kann nicht schon im vornherein ein Befreiungstatbestand
ausgeschlossen werden, weil die vorangegangene Rahmenfrist für den
Leistungsbezug ebenfalls auf Grund eines Befreiungstatbestands eröffnet
wurde. Inwieweit der Studienaufenthalt im Ausland für die Ausfertigung der
Dissertation einen Befreiungstatbestand nach Art. 14 AVIG darstellt, wird die
Arbeitslosenkasse anhand der einzufordernden Unterlagen zu überprüfen haben.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird, soweit darauf einzutreten ist, in dem
Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des
Kantons Zürich vom 18. Oktober 2006 und der Einspracheentscheid der
Arbeitslosenkasse Comedia, Regionalsekretariat Zürich/Ostschweiz, vom
23. Februar 2006 aufgehoben werden und die Sache an die Arbeitslosenkasse
Comedia, Regionalsekretariat Zürich/Ostschweiz, zurückgewiesen wird, damit
sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Anspruch ab
18. Dezember 2005 neu verfüge.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin für das letztinstanzliche
Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2000.- (einschliesslich
Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wird über eine
Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des
letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich und dem
Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
Luzern, 1. Mai 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: