Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen C 2/2007
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{T 7}
C 2/07

Urteil vom 6. März 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterinnen Widmer und Leuzinger,
Gerichtsschreiber Krähenbühl.

Kantonale Amtsstelle für Arbeitslosenversicherung Basel-Stadt, Hochstrasse
37, 4053 Basel, Beschwerdeführerin,

gegen

Y.________, 1977, Beschwerdegegnerin.

Arbeitslosenversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom 21. November 2006.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 2. Mai 2005 forderte die Unia Arbeitslosenkasse von
Y.________ zu Unrecht ausbezahlte Arbeitslosenentschädigung in Höhe von Fr.
10'624.55 zurück. Ein daraufhin gestelltes Erlassgesuch hiess die Kantonale
Amtsstelle für Arbeitslosenversicherung (KAST) Basel-Stadt mit Verfügung vom
6. Juni 2006 insoweit gut, als sie die Rückerstattungsforderung auf
Fr. 9'447.60 reduzierte. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 5. Juli
2006 fest.

B.
In Gutheissung der hiegegen erhobenen Beschwerde hob das
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt den Einspracheentscheid vom 5. Juli
2006 unter Bejahung der Gutgläubigkeit beim Leistungsbezug auf und wies die
Sache mit Entscheid vom 21. November 2006 an die Verwaltung zurück, damit
diese prüfe, ob die Rückerstattung eine grosse Härte bedeuten würde.

C.
Die KAST führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren um Aufhebung
des kantonalen Entscheids.

Y. ________ schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Staatssekretariat für Wirtschaft verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach dem bis Ende 2006 in Kraft gestandenen Bundesgesetz vom 16. Dezember
1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE
132 V 393 Erw 1.2).

2.
2.1 Die Frage nach dem Erlass der Rückerstattung zu viel ausbezahlter
Taggelder der Arbeitslosenversicherung hat rechtsprechungsgemäss nicht die
Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen im Sinne von
Art. 132 Abs. 1 OG (in der ab 1. Juli bis 31. Dezember 2006 gültig gewesenen
Fassung) zum Gegenstand (vgl. BGE 122 V 134 E. 1 S. 136). Das Gericht prüft
daher nur, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, einschliesslich
Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche
Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung
wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde (Art. 132 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

2.2 Die gesetzlichen Grundlagen für den Erlass der Rückerstattung
unrechtmässig bezogener Arbeitslosenentschädigungen (Art. 95 Abs. 1 AVIG in
Verbindung mit Art. 25 Abs. 1 Satz 2 ATSG und Art. 4 f. ATSV) sind im
kantonalen Entscheid zutreffend dargelegt worden, worauf verwiesen wird.
Dasselbe gilt hinsichtlich der - noch nach altem Recht ergangenen, unter der
Herrschaft des ATSG indessen weiterhin geltenden (vgl. BGE 130 V 318 E. 5.2
S. 319) - Rechtsprechung zu den beiden kumulativ zu erfüllenden
Erlassvoraussetzungen der Gutgläubigkeit beim Leistungsbezug und der grossen
Härte der Rückerstattung.

3.
3.1 Bezüglich der Erlassvoraussetzungen ist nach der Rechtsprechung zu
unterscheiden zwischen dem guten Glauben als fehlendem Unrechtsbewusstsein
und der Frage, ob sich jemand unter den gegebenen Umständen auf den guten
Glauben berufen kann oder ob er bei zumutbarer Aufmerksamkeit den bestehenden
Rechtsmangel hätte erkennen sollen. Die Frage nach dem Unrechtsbewusstsein
gehört zum inneren Tatbestand und ist daher Tatfrage, die nach Massgabe von
Art. 105 Abs. 2 OG von der Vorinstanz verbindlich beantwortet wird.
Demgegenüber gilt die Frage nach der Anwendung der gebotenen Aufmerksamkeit
als frei überprüfbare Rechtsfrage, soweit es darum geht, festzustellen, ob
sich jemand angesichts der jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse auf den
guten Glauben berufen kann (BGE 122 V 221 E. 3 S. 223 mit Hinweisen).

3.2 In für das Gericht verbindlicher Weise (E. 3.1 hievor) hat die Vorinstanz
die auch in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde noch vertretene Auffassung der
Beschwerde führenden Amtsstelle, wonach sich die Beschwerdegegnerin beim
Bezug der nunmehr zurückgeforderten Arbeitslosentaggelder der
Unrechtmässigkeit bewusst gewesen sei, verworfen. Unbestritten ist, dass sie
der ihr obliegenden Meldepflicht korrekt nachgekommen ist, hatte sie der
Arbeitslosenkasse doch schon am 23. August 2004 bekannt gegeben, dass sie ab
19. August 2004 nur zu 50 % vermittlungsfähig sei und der Arbeitsvermittlung
nur noch in diesem Umfang zur Verfügung stehe, weil sie gleichzeitig eine
kaufmännische Ausbildung am Institut X.________ aufgenommen habe. Als sie in
der Folge jedoch über Monate hinweg (bis Ende März 2005) weiterhin
Arbeitslosenentschädigung in der bisher ausgerichteten Grössenordnung
erhielt, hätte sie bei zumutbarer Aufmerksamkeit ohne weiteres erkennen
müssen, dass ihr diese nicht oder zumindest nicht in voller Höhe zustand.
Entgegen der vorinstanzlichen Argumentation vermögen die Beschwerdegegnerin
weder der Tod ihres Vaters noch die darauf notwendig gewordene Betreuung
ihrer Mutter und ihres Bruders vom Vorwurf, nicht die den Umständen
entsprechend gebotene Aufmerksamkeit aufgewendet zu haben, zu befreien.
Dasselbe gilt hinsichtlich der schulischen Belastung im Zusammenhang mit dem
absolvierten kaufmännischen Ausbildungsgang. Wenn die Beschwerdegegnerin den
ihr regelmässig ausgerichteten Zahlungen keine weitere Beachtung schenkte und
- wie sie selbst ausführt - ihre Post und Abrechnungen nicht kontrollierte,
kann ihr Verhalten nicht als entschuldbare, bloss leichte Nachlässigkeit
gewertet werden. Der vorinstanzliche Entscheid verletzt insoweit Bundesrecht
und ist daher aufzuheben. Der Beschwerdegegnerin ist die Gutgläubigkeit beim
Taggeldbezug und damit eine für den Erlass der gestellten
Rückerstattungsforderung unerlässliche Voraussetzung abzusprechen.

4.
Da der Erlass einer Rückerstattungsschuld nicht die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen betrifft (E. 2.1 hievor), ist das
Verfahren kostenpflichtig (Umkehrschluss aus Art. 134 Satz 1 OG [in der ab 1.
Juli bis 31. Dezember 2006 gültig gewesenen Fassung]). Die Gerichtskosten
sind von der unterliegenden Beschwerdegegnerin zu tragen (Art. 135 in
Verbindung mit Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom 21. November 2006 aufgehoben.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1000.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 1000.- wird der Beschwerdeführerin
zurückerstattet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt,
der Unia Arbeitslosenkasse, Basel, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft
zugestellt.

Luzern, 6. März 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
i.V.