Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen C 28/2007
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C 28/07

Urteil vom 25. September 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Schön,
Gerichtsschreiberin Polla.

Kantonale Arbeitslosenkasse Schaffhausen, Oberstadt 9, 8200 Schaffhausen,
Beschwerdeführerin,

gegen

J.________, 1959, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Kurt Hog,
Bahnhofstrasse 24, 8022 Zürich.

Arbeitslosenversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des
Kantons Schaffhausen vom 15. Dezember 2006.

Sachverhalt:

A.
Die Arbeitslosenkasse des Kantons Schaffhausen verneinte den Anspruch der
1959 geborenen J.________ auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. Dezember 2005
wegen ihrer Stellung als im Betrieb mitarbeitende Ehegattin einer
arbeitgeberähnlichen Person (Verfügung vom 3. Januar 2006). Daran hielt die
Kasse mit Einspracheentscheid vom 7. März 2006 fest.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Obergericht des Kantons
Schaffhausen unter Aufhebung der Verfügung vom 3. Januar  2006 sowie des
Einspracheentscheides vom 7. März 2006 gut und stellte fest, dass J.________
- sofern die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind - ab 1. Dezember
2005 Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung hat (Entscheid vom 15. Dezember
2006).

C.
Die Arbeitslosenkasse führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt die
Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides.

J. ________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen.
Das Staatssekretariat für Wirtschaft hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Der
angefochtene Entscheid ist indessen vorher ergangen, weshalb sich das
Verfahren noch nach dem Bundesgesetz über die Organisation der
Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943 (OG) richtet (Art. 132 Abs. 1 BGG;
BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Das kantonale Gericht hat die gesetzliche Vorschrift zum Ausschluss
arbeitgeberähnlicher Personen und ihrer im Betrieb mitarbeitenden Ehegatten
vom Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung (Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG) und
die Rechtsprechung zur analogen Anwendung dieser Bestimmung auf
arbeitgeberähnliche Personen und deren Ehegatten, die
Arbeitslosenentschädigung beantragen (BGE 123 V 234 E. 7 S. 236), richtig
dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.
3.1 Den Akten ist zu entnehmen, dass die Beschwerdegegnerin seit 1997 jeweils
während der von März bis November dauernden Saison vollzeitlich als
Servicefachangestellte in der Firma S.________ angestellt ist und ihr Ehemann
seit 1. Januar 2001 als Geschäftsführer im gleichen Betrieb arbeitet. Gemäss
Handelsregisterauszug vom 12. Januar 2006 ist die Firma A.________ AG mit
Sitz in X.________ Eigentümerin des Restaurants, bei welcher Firma der
Ehegatte weder Gesellschafter noch Geschäftsführer ist. Aus dem Pflichtenheft
ihres Ehemannes vom 15. November 2000 geht sodann hervor, dass er Anweisungen
und Vorschläge der Hotels & Restaurants S.A. Y.________ erhält, die die
Funktion einer Generaldirektion ausübt, wobei dem Geschäftsführer zwei
Personen vorgesetzt sind. Weiter ist dem Pflichtenheft zu entnehmen, dass der
Geschäftsführer alle Mitarbeiter der Firma S.________ erst nach Absprache mit
seinen Abteilungsleitern sowie im Rahmen des Stellenplans und Personalbudgets
der Firma A.________ AG einstellen kann und der Abschluss von
Ganzjahresarbeitsverträgen bei Saisonbetrieben der Bewilligung der Firma
A.________ AG bedarf (Ziff. 5.1 des Pflichtenheftes). Alle Verträge, die die
Firma A.________ mehr als ein Jahr binden, sind zudem durch den
Verwaltungsratspräsidenten der Firma A.________ AG und den Geschäftsführer zu
unterzeichnen (Ziff. 13 des Pflichtenheftes).

3.2 Die Arbeitslosenkasse stellt sich auf den Standpunkt, aufgrund der
tatsächlich bestehenden betrieblichen Entscheidungsmöglichkeiten, die sich
aus dem Pflichtenheft und der Betriebsorganisation ergäben, sei die Stellung
des Ehemannes der Beschwerdegegnerin als arbeitgeberähnlich zu qualifizieren.
Beispielsweise sei es ihm möglich, seine Ehefrau für den Abschluss eines
Ganzjahresvertrages mit der Firma A.________ AG so vorzuschlagen, dass dies
in der Folge allenfalls auch bewilligt würde. Fraglich ist somit, ob die
Stellung ihres Ehemannes es zulässt, ihn als Mitglied des obersten
betrieblichen Entscheidungsgremiums anzusehen (vgl. hiezu Nussbaumer,
Arbeitslosenversicherung, in: Meyer, Ulrich [Hrsg.], Schweizerisches
Bundesverwaltungsrecht, Band XIV, Soziale Sicherheit, 2. Aufl., Basel 2007,
Rz. 463). Wie sich aber gerade auch aus der dargelegten Argumentation der
Kasse ergibt, ist sein Einfluss auf den Geschäftsgang nicht solcherart, dass
er das Arbeitspensum seiner Ehegattin beliebig variieren könnte. Der
Präsident der Firma A.________ AG bekräftigte überdies in seinem Schreiben
vom 11. Januar 2006, dem Geschäftsführer komme keine Kompetenz zur Fällung
unternehmerischer Beschlüsse und Entscheidungen, wie beispielsweise über die
Betriebsschliessung, zu. Damit ist - selbst mit Blick auf den materiellen
Organbegriff - zumindest fraglich, ob der Ehegatte die Entscheidungen seiner
Arbeitgeberin massgeblich beeinflussen kann und er eine unternehmerische
Dispositionsfreiheit besitzt, welche es rechtfertigen würde, eine
rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme der Arbeitslosenentschädigung durch die
Beschwerdegegnerin im Sinne von BGE 123 V 234 zu bejahen.

3.3 Die Frage der arbeitgeberähnlichen Stellung braucht hingegen nicht
abschliessend beantwortet zu werden. Das Eidgenössische Versicherungsgericht
(heute: Bundesgericht) hat in ARV 2005 S. 211, C 157/04, und ARV 2000 Nr. 29
S. 150, C 24/98, festgehalten, dass Versicherte, die bewusst eine Sommer- und
eine Wintersaison versehen und nur für die kurzen Zwischensaisons
Arbeitslosenentschädigung beantragen, nicht vermittlungsfähig sind (vgl. auch
Urteile C 244/04 vom 13. Juni 2005 und C 274/05 vom 15. Februar 2006). Zu
beachten ist ausserdem die ständige Rechtsprechung, wonach eine versicherte
Person, die auf einen bestimmten Termin anderweitig disponiert hat und
deshalb für eine neue Beschäftigung nur noch während relativ kurzer Zeit zur
Verfügung steht, in der Regel als nicht vermittlungsfähig gilt. In einem
solchen Fall sind nämlich die Aussichten, zwischen dem Verlust der alten und
dem Antritt der neuen Stelle von einem andern Arbeitgeber angestellt zu
werden, verhältnismässig gering. Entscheidend für die Beurteilung des
Einzelfalles sind dabei nicht in erster Linie der Arbeitswille und die
Arbeitsbemühungen der versicherten Person oder gar die Frage, ob sie in
dieser Zeit effektiv eine Beschäftigung gefunden hat, sondern vielmehr die
Frage, ob mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass
ein Arbeitgeber die versicherte Person für die konkret zur Verfügung stehende
Zeit noch einstellen würde (BGE 126 V 520 E. 3a S. 522 mit Hinweisen).

3.4 Bei dieser Sach- und Rechtslage ist davon auszugehen, dass die seit rund
zehn Jahren im gleichen Betrieb jeweils von März bis November tätige
Beschwerdegnerin bewusst diese Saisonstelle mit den jährlichen kurzen
Unterbrüchen in der Erwerbstätigkeit versieht und dementsprechend Jahr für
Jahr nur für die dreimonatige Zwischenzeit Arbeitslosenentschädigung
beantragt. Zudem sind am beschwerdegegnerischen Wohn- und Arbeitsort oder
dessen Umgebung im Gastgewerbe gerade in den Wintermonaten die Aussichten
gering, von einem andern Arbeitgeber für die verbleibende Zeit angestellt zu
werden. Damit hat die Beschwerdegegnerin mangels Vermittlungsfähigkeit keinen
Anspruch auf die umstrittenen Leistungen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des
Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 15. Dezember 2006 aufgehoben.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Schaffhausen,
dem Arbeitsamt des Kantons Schaffhausen und dem Staatssekretariat für
Wirtschaft zugestellt.

Luzern, 25. September 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: