Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen C 1/2007
Zurück zum Index Sozialrechtliche Abteilungen 2007
Retour à l'indice Sozialrechtliche Abteilungen 2007


C 1/07

Urteil vom 25. April 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Schön, Frésard,
Gerichtsschreiberin Heine.

K. ________, 1966, Beschwerdeführerin,

gegen

Arbeitslosenkasse Thurgau, Zürcherstrasse 285, 8510 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.

Arbeitslosenversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der Rekurskommission des
Kantons Thurgau für die Arbeitslosenversicherung vom 20. November 2006.

Sachverhalt:

A.
K. ________ meldete sich ab 1. März 2005 zum Leistungsbezug bei der
Arbeitslosenversicherung an. Mit Verfügung vom 17. Januar 2006 stellte sie
die Arbeitslosenkasse des Kantons Thurgau ab 30. August 2005 für die Dauer
von 45 Tagen wegen zu Unrecht erwirkter Arbeitslosenentschädigung ein; sie
habe im November 2005 Kenntnis davon erhalten, dass der Versicherten von der
Arbeitslosenkasse Graubünden am 27. Oktober 2005 für Lohnforderungen für den
Zeitraum von Mai bis August 2005 gegenüber der Firma M.________ GmbH
Insolvenzentschädigung in Höhe von Fr. 24'920.- ausbezahlt worden sei. Daran
hielt sie auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 2. März 2006).

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies die Rekurskommission des Kantons Thurgau
für Arbeitslosenversicherung ab (Entscheid vom 20. November 2006).

C.
K.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem sinngemässen Antrag um
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und des Einspracheentscheids.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Die Verwaltung hat die Bestimmungen über die Mitwirkungs- und Meldepflicht
der Versicherten (Art. 28 Abs. 2 und Art. 31 Abs. 1 ATSG) korrekt
wiedergegeben. Ebenso wurden die Voraussetzungen für die Einstellung in der
Anspruchsberechtigung wegen unwahrer oder unvollständiger Angaben oder in
anderer Weise erfolgter Auskunfts- oder Meldepflichtverletzung (Art. 30 Abs.
1 lit. e AVIG) sowie die Erfüllung des Einstellungstatbestandes nach Art. 30
Abs. 1 lit. f AVIG infolge zu Unrecht erwirkter oder zu erwirken versuchter
Arbeitslosenentschädigung zutreffend dargelegt. Ebenfalls richtig sind die
Ausführungen zur verschuldensabhängigen Dauer der Einstellung (Art. 30 Abs. 3
AVIG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 2 und 3 AVIV). Darauf wird verwiesen.

3.
3.1 Unbestrittenermassen erhielt die Beschwerdeführerin - gemäss ASAL-Auszug
vom 13. Januar 2006 - Insolvenzentschädigung in Höhe von Fr. 24'920.- für
Lohnforderungen gegenüber der Firma M.________ GmbH ausbezahlt. Laut Angaben
in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde stand die Versicherte im Zeitraum Mai
bis August 2005 in einem Arbeitsverhältnis mit einer Unternehmensgruppe,
bestehend aus den Arbeitgeberinnen der Firma P.________ GmbH, Firma
X.________ GmbH, Firma L.________ GmbH und Firma M.________ GmbH. Unstreitig
ist sodann, dass sie diese Aktivität nicht ordnungsgemäss monatlich auf den
entsprechenden Formularen meldete.

3.2 Vorinstanz und Verwaltung gingen davon aus, dass sich die Versicherte von
Anfang an im Klaren über die Meldepflicht gewesen sei, womit sie mit Wissen
und Willen den Zwischenverdienst nicht angegeben habe, um die volle
Arbeitslosenentschädigung zu erhalten.
Die Versicherte wendet hiegegen ein, die Ausrichtung der
Insolvenzentschädigung sei noch nicht rechtskräftig und die Auszahlung sei
erst im Oktober 2005 erfolgt. Ferner habe ihre Unterlassung von Angaben auf
dem Formular "Angaben zur versicherten Person" keine Auswirkungen auf die
Leistungsbemessung gehabt; zudem habe die Unterhaltssicherung ihrer Familie
absolute Priorität.

3.3 Bei dieser Argumentation verkennt die Beschwerdeführerin, dass es für die
zu beurteilende Frage irrelevant ist, zu welchem Zeitpunkt die Auszahlung der
Insolvenzentschädigung erfolgt ist. Die Tätigkeit ist Ende desjenigen Monats
als Zwischenverdienst anzugeben, in dem sie ausgeübt worden ist (BGE 122 V
367 E. 5b S. 369). Dies geht aus der Fragestellung gemäss Ziffer 1 und 2 des
Formulars "Angaben der versicherten Person" unmissverständlich hervor. Die
Beschwerdeführerin bringt denn auch nicht vor, es sei ihr nicht bewusst
gewesen, dass sie die Tätigkeit hätte angeben müssen. Die unterlassene
Deklarierung der Zwischenverdiensttätigkeit in den Kontrollperioden der
Monate Mai bis August 2005 erfüllt somit ohne Weiteres den
Einstellungstatbestand nach Art. 30 Abs. 1 lit. e AVIG. Unbehelflich ist auch
der Einwand, die Deklaration hätte keine Auswirkungen auf die
Leistungsbemessung, denn die ausbezahlte Insolvenzentschädigung in Höhe von
Fr. 24'920.-- ergibt pro Monat netto ca. Fr. 6'225.- (im Vergleich zum
versicherten Verdienst von Fr. 7'583.- bei einer durchschnittlichen
Arbeitslosenentschädigung bei 80 % von Fr. 6'066.-), so dass für den Zeitraum
von Mai bis August 2005 kein Anspruch auf zusätzliche Leistungen der
Arbeitslosenversicherung bestand (Art. 24 Abs. 2 AVIG ).
Die Frage, ob die Versicherte die Meldung der leistungsrelevanten Tatsache
gegenüber der Kasse mit der Absicht (vgl. ARV 1956 Nr. 24 S. 36), die
Ausrichtung unrechtmässiger Arbeitslosenentschädigung zu erwirken, unterliess
(BGE 125 V 193), ist ebenfalls zu bejahen. In einem Schreiben an die
Arbeitslosenkasse vom 8. November 2005 hielt die Versicherte selber fest, es
sei ihr bewusst, dass sie nicht für den gleichen Monat Arbeitslosentaggelder
und eine Erwerbsentschädigung erhalten könne. Ihr Verhalten sei zwar nicht
geschickt gewesen; sie habe den Unterhalt ihrer Familie sichern wollen. Somit
ist der Einstellungstatbestand von Art. 30 Abs. 1 lit. f AVIG erfüllt.

4.
4.1 Die Dauer der verfügten Einstellung in der Höhe von 45 Tagen -
entsprechend einem schweren Verschulden - trägt dem Umstand Rechnung, dass
die Versicherte mit Absicht während vier Monaten die Ausübung einer Tätigkeit
verschwieg. Die Bemessung der Einstellungsdauer ist umso weniger zu
beanstanden, als praxisgemäss beim Zusammentreffen verschiedenartiger
Einstellungsgründe (Art. 30 Abs. 1 lit. e und lit. f AVIG) wie auch beim
Zusammentreffen mehrerer Einstellungsgründe derselben Art (hier während vier
Monaten) für jeden Tatbestand eine besondere Einstellung in der
Anspruchsberechtigung zu erfolgen hat (ARV 1993 Nr. 3 S. 22 Erw. 3d mit
Hinweis).

4.2 Da die Versicherte die Einstellungstatbestände der Art. 30 Abs. 1 lit. e
und lit. f AVIG mehrfach verwirklicht hat und die einzelnen Verstösse als
andauerndes pflichtwidriges Verhalten erscheinen, so dass sie unter dem
Gesichtspunkt der Verjährung als Handlungseinheit zu betrachten sind, beginnt
die Einstellungsfrist von Art. 30 Abs. 3 Satz 4 AVIG in analoger Anwendung
von Art. 71 Abs. 2 StGB erst am Tag nach der letzten zu sanktionierenden
Einzelhandlung (ARV 1993 Nr. 3 S. 25 f. Erw. 5b). Die Versicherte füllte
letztmals am 30. August 2005 das Formular "Angaben der versicherten Person"
falsch aus, weshalb die Frist am 30. August 2005 zu laufen begann. Die
Einstellungsverfügung vom 17. Januar 2006 erging somit innerhalb der
genannten Vollstreckungsfrist, was zur Bestätigung des vorinstanzlichen
Entscheides führt.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Rekurskommission des Kantons Thurgau für
die Arbeitslosenversicherung, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit, Abt.
Arbeitslosenkasse und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.

Luzern, 25. April 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: