Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen C 19/2007
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C 19/07

Urteil vom 16. Juli 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Leuzinger,
Gerichtsschreiberin Heine.

G. ________, 1964, Beschwerdeführer,

gegen

Amt für Wirtschaft und Arbeit, Abt. Qualifizierung für Stellen Suchende,
Walchestrasse 39, 8006 Zürich, Beschwerdegegner.

Arbeitslosenversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 30. November 2006.

Sachverhalt:

A.
Der seit 1. Dezember 2004 arbeitslose G.________ war von 1983 bis 2000 als
Matrose und Brückenoffizier tätig. Zuletzt arbeitete er in der Schweiz vom 1.
April bis 30. November 2004 bei der X.________ GmbH als Raumpfleger. Am
22. Februar 2006 stellte G.________ ein Gesuch um Zustimmung zum Kursbesuch.
Mit Verfügung vom 27. Februar 2006 lehnte das Regionale
Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) das Begehren ab mit der Begründung, die
Vermittlungsfähigkeit des Versicherten würde durch einen Schweisskurs nicht
wesentlich verbessert. Daran hielt das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA)
mit Einspracheentscheid vom 4. April 2006 fest.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich ab (Entscheid vom 30. November 2006).

C.
G.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, es
sei, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids und des
Einspracheentscheids, ihm die Teilnahme an einem Schweisskurs zu bewilligen.

Das AWA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während
das Staatssekretariat für Wirtschaft auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Damit wurden
das Eidg. Versicherungsgericht und das Bundesgericht in Lausanne zu einem
einheitlichen Bundesgericht (an zwei Standorten) zusammengefügt (Seiler/von
Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, S. 10 Rz. 75) und es
wurde die Organisation und das Verfahren des obersten Gerichts umfassend neu
geregelt. Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten
Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch
nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses
Gesetzes ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). Da der kantonale Entscheid am
30. November 2006 und somit vor dem 1. Januar 2007 erlassen wurde, richtet
sich das Verfahren nach dem bis 31. Dezember 2006 in Kraft gestandenen
Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) vom
16. Dezember 1943 (vgl. BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
2.1 Im angefochtenen Entscheid werden die vorliegend massgebenden gesetzlichen
Bestimmungen über die von der Arbeitslosenversicherung geförderten
Umschulungs-, Weiterbildungs- und Eingliederungsmassnahmen zu Gunsten von
Versicherten, deren Vermittlungsfähigkeit aus Gründen des Arbeitsmarktes
unmöglich oder stark erschwert ist (Art. 59 Abs. 1 und 3 AVIG), sowie die
Rechtsprechung zur Abgrenzung der arbeitslosenversicherungsrechtlichen
Weiterbildung von der Grund- und allgemeinen beruflichen Weiterbildung (BGE
111 V 271 E. 2c S. 274) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden.

2.2 In zeitlicher Hinsicht ist ergänzend festzustellen, dass nur Kurse von
beschränkter Dauer als Massnahmen der Umschulung oder Weiterbildung im
arbeitslosenversicherungsrechtlichen Sinne anerkannt werden können. Dabei hat
eine Kursdauer von einem Jahr als obere Limite zu gelten; Leistungsgesuchen
für länger dauernde Kurse kann nur ausnahmsweise entsprochen werden. Denn
mehrjährige Bildungsgänge - d.h. eigentliche Grundausbildungen - sind vom
Kreis der durch die Arbeitslosenversicherung zu übernehmenden Massnahmen
regelmässig ausgeschlossen. Dagegen werden mehrmonatige Kurse als Vorkehren
der Umschulung oder Weiterbildung im Sinne der Arbeitslosenversicherung
anerkannt.

2.3 Als weiterer massgebender Gesichtspunkt ist sodann derjenige der sozialen
Üblichkeit unter Berücksichtigung des Alters, der Motivation und der weiteren
Lebensumstände der Versicherten zu prüfen. Es ist jeweils zu untersuchen, ob
die fragliche Vorkehr bei den gegebenen Umständen nicht ohnehin Bestandteil
der üblichen Berufsausbildung bildet und ob die versicherte Person den Kurs
auch besuchen würde, wenn sie - bei im übrigen gleichen Verhältnissen - nicht
arbeitslos (oder von Arbeitslosigkeit bedroht) wäre.

3.
Im vorliegenden Fall steht ein vier Wochen dauernder Schweisskurs bei der
Firma Y.________ AG zur Diskussion. Der Kurs soll theoretische und praktische
Kenntnisse vermitteln, so dass danach eine Schweisserprüfung nach EN 287
(international anerkannt) abgelegt werden kann. Als Teilnahmevoraussetzung
müssen Versicherte Erfahrung in der Metallbranche haben, wobei das Programm
individuell dem Ausbildungsstand des Teilnehmers angepasst wird.

3.1 Die Vorinstanz anerkennt, dass der Beschwerdeführer Erfahrungen in
Schweissarbeiten in Kuba erlangt hat, jedoch über keine Ausbildung im
eigentlichen Sinne verfügt, weshalb dem anbegehrten Kurs
Grundausbildungscharakter zukomme. Über einen in der Schweiz anerkannten
Abschluss verfüge er nicht und Berufserfahrungen seien nur ausschlaggebend,
wenn sie in der Schweiz erlangt worden seien. Folglich seien die Kosten für
den Kurs nicht durch die Arbeitslosenkasse zu übernehmen.

3.2 Der Beschwerdeführer hält dagegen, einem vier Wochen dauernden Kurs komme
kein Grundausbildungscharakter zu, er verfüge über fundierte Kenntnisse im
Bereich Metall und da die Schweiz über keine eigene Seefahrtsschule verfüge,
seien Schweizer gezwungen, ihre Ausbildung im Ausland zu absolvieren, was in
der Folge ebenfalls anerkannt werde.

4.
4.1 Nach Abschluss der polytechnischen Schule in La Havanna war der
Beschwerdeführer während fünf Jahren im Militärdienst und wurde von der
Kriegsmarine in Kuba zum Telekommunikationsoperateur ausgebildet. Von 1991
bis 2000 arbeitete er als Matrose und Brückenoffizier auf Frachtschiffen und
Hochseeschleppern. In der Schweiz übte der Beschwerdeführer kurze
Arbeitseinsätze als Gipser, Maler und Reinigungsmitarbeiter aus. Seit dem
Verlust der letzten Stelle bei der X.________ GmbH im Jahr 2004 blieb er,
obgleich er sich intensiv um eine neue Erwerbstätigkeit bemühte,
beschäftigungslos. Ein wesentlicher Grund für die Stellenlosigkeit liegt, wie
der Beschwerdeführer in seinem Gesuch vom 22. Februar 2006 glaubwürdig
darlegt, darin, dass er trotz erlernter Fähigkeiten in seinem Beruf keine
Anstellungsaussichten hat. Der Beschwerdeführer ist durch das eingeschränkte
Berufsspektrum unbestrittenermassen erschwert vermittelbar, was ein
gewichtiges Indiz für die Notwendigkeit einer gezielten Umschulung oder
Weiterbildung im Rahmen von arbeitsmarktlichen Massnahmen darstellt (Thomas
Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches
Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 2. Auflage, Basel 2007, S.
2388 Rz. 688 und 270).

4.2 Entgegen der Ansicht der Vorinstanz stellt der Schweisskurs nicht schon
deshalb eine Grundausbildung dar, weil der Beschwerdeführer über keinen
Abschluss als Schweisser verfügt. Es ist zwar richtig, dass bei der
Abgrenzung zwischen Grund- und allgemeiner beruflicher Weiterbildung
einerseits, Umschulung und Weiterbildung im
arbeitslosenversicherungsrechtlichen Sinne andererseits, ein beträchtlicher
Ermessensspielraum besteht. Im vorliegenden Fall dauert der Kurs vier Wochen,
weshalb bereits in Bezug auf die kurze Dauer der Charakter einer
Grundausbildung nicht gegeben ist (BGE 111 V 271 E. 2d S. 275).

4.3 Seit der Beschwerdeführer in der Schweiz ist, arbeitete er als
Maler/Gipser und Raumpfleger, weshalb die Verwaltung ihn in diesen Bereichen
als förderungswürdig erachtet. Dabei übersieht sie, dass es sich bei den vom
Beschwerdeführer in der letzten Zeit ausgeübten Tätigkeiten stets um
kurzfristige Anstellungen ohne Aussicht auf ein stabiles Arbeitsverhältnis
gehandelt hat. Ferner wird ihm eine breite handwerkliche Fähigkeit im
Metallbau abgesprochen, zumal er darin keine Berufserfahrung in der Schweiz
nachweisen kann. Ein Schweisskurs würde der Vermittlungsfähigkeit sodann
nicht dienen.

Obschon sich der Beschwerdeführer seine Berufserfahrung nicht in der Schweiz
angeeignet hat, sondern auf hoher See, ist sie nicht schon deshalb
unberücksichtigt zu lassen. In der Teilnehmereinschätzung:
Schlüsselqualifikation Handwerk, Arbeit für Männer vom 29. Juni 2005 wurde
dem Versicherten einiges an handwerklichem Vorwissen attestiert. Seine
Arbeiten seien im Bereich Metall und Holz gut bis sehr gut gewesen und seine
Qualitätsansprüche würden sich mit den in der Schweiz geforderten decken. Auf
Grund seiner Tätigkeit und Ausbildung zum Matrosen ist die Aussage, er habe
Erfahrung mit Schweissarbeiten, durchaus nachvollziehbar. Demnach würde der
Beschwerdeführer die Voraussetzungen erfüllen, um am Schweisskurs teilnehmen
zu können und in der Folge die Schweisserprüfung EN 287 zu absolvieren. Im
Hinblick auf eine Verbesserung der Vermittlungsfähigkeit erscheint es daher
keineswegs als unzweckmässig, wenn der Versicherte die vorliegend anbegehrte
kurze Massnahme absolviert und in der Folge über eine europaweit anerkannte
Schweisser-Prüfungsbescheinigung verfügt. Weil der Kurs nicht auf die
Erreichung eines höheren Berufsziels ausgerichtet ist und in zeitlicher
Hinsicht im Rahmen dessen liegt, was nach der Rechtsprechung als
arbeitsmarktliche Massnahme gelten kann, ist die Leistungspflicht der
Arbeitslosenkasse zu bejahen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 30. November 2006 und der
Einspracheentscheid des Amts für Wirtschaft und Arbeit vom 4. April 2006
werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer Anspruch
auf den Besuch des Schweisskurses hat.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Unia Arbeitslosenkasse, Zürich, dem
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Staatssekretariat für
Wirtschaft zugestellt.

Luzern, 16. Juli 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
i.V.