Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen C 17/2007
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{T 7}
C 17/07

Urteil vom 22. Februar 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Schön, Bundesrichterin Leuzinger,
Gerichtsschreiber Jancar.

G. ________, 1963, Beschwerdeführer, vertreten durch die Comedia, die
Mediengewerkschaft, Region Zürich/ Ostschweiz, Stauffacherstrasse 60, 8026
Zürich,

gegen

Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich, Arbeitslosenversicherung,
Stampfenbachstrasse 32, 8001 Zürich, Beschwerdegegner.

Arbeitslosenversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 7. Dezember 2006.

Sachverhalt:

A.
Der 1963 geborene G.________ war seit 1. November 2003 bis 13. Januar 2005
als Druckereihilfsarbeiter bei der Firma X.________ angestellt. Am 13. Januar
2005 meldete er sich beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) Zürich
Badenerstrasse zur Arbeitsvermittlung an. Am 19. Januar 2005 beantragte er
Arbeitslosenentschädigung ab 14. Januar 2005. Mit Verfügung vom 4. Oktober
2005 stellte das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich
(nachfolgend AWA) den Versicherten wegen Nichtbefolgung von
Kontrollvorschriften/Weisungen ab 22. Juli 2005 für die Dauer von 36 Tagen in
der Anspruchsberechtigung ein. Die dagegen erhobene Einsprache wies es mit
Entscheid vom 14. November 2005 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, der
Versicherte habe durch sein Verhalten eine zumutbare Anstellung auf den 1.
September 2005 als Druckereimitarbeiter bei der Firma Y.________ vereitelt.
Zudem habe er einen temporären Einsatz bei dieser Firma vom 15./16. September
(eventuell bis 23. September) 2005 abgelehnt.

B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 7. Dezember 2006 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt der Versicherte die Aufhebung des
kantonalen Entscheides und der der Einstellung in der Anspruchsberechtigung.
Er legt neu unter anderem ein an ihn gerichtetes Schreiben der Frau
W.________, Human Ressources, Firma Y.________, vom 30. September 2005 auf.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
2.1 Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über die - im
Rahmen des allgemeinen Gebots der Schadenminderung (BGE 130 V 97 E. 3.2 S.
99) bestehende - Pflicht der versicherten Person, eine vermittelte zumutbare
Arbeit unverzüglich anzunehmen (Art. 17 Abs. 3 Satz 1 AVIG; vgl. auch Art. 16
Abs. 1 und 2, Art. 17 Abs. 1 AVIG) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt
hinsichtlich der sanktionsweisen Einstellung in der Anspruchsberechtigung bei
Nichtannahme einer zumutbaren Arbeit (Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG) und der
verschuldensabhängigen Dauer der Einstellung (Art. 30 Abs. 3 Satz 3 AVIG in
Verbindung mit Art. 45 Abs. 2 und 3 AVIV; BGE 130 V 125 ff.). Im Weiteren hat
das kantonale Gericht die Rechtsprechung richtig wiedergegeben, wonach der
Einstellungstatbestand der Ablehnung zumutbarer Arbeit auch dann erfüllt ist,
wenn die versicherte Person eine nach den Umständen gebotene ausdrückliche
Annahmeerklärung unterlässt und durch ihr Verhalten in Kauf nimmt, dass die
Stelle anderweitig besetzt wird. Namentlich hat sie bei den Verhandlungen mit
künftigen Arbeitgebern klar und eindeutig die Bereitschaft zum
Vertragsabschluss zu bekunden, um die Beendigung der Arbeitslosigkeit nicht
zu gefährden (BGE 122 V 34 E. 3b S. 38; in BGE 130 V 125 nicht
veröffentlichte E. 1, zitiert in SVR 2004 ALV Nr. 11 S. 31; Urteile des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts C 65/06 vom 27. April 2006, E. 1.1, und
C 300/05 vom 9. Februar 2006, E. 1). Darauf wird verwiesen.

2.2 Zu ergänzen ist, dass Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG in der seit 1. Juli 2003
geltenden Fassung neben der Nichtannahme einer von der zuständigen Amtsstelle
zugewiesenen zumutbaren Arbeit auch die Nichtannahme einer selbst gefundenen
zumutbaren Arbeit oder einer von Dritten vermittelten oder angebotenen
zumutbaren Stelle erfasst (Botschaft des Bundesrates zu einem revidierten
Arbeitslosenversicherungsgesetz vom 28. Februar 2001, BBl 2001 2245 ff.,
2285; Thomas Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Ulrich Meyer [Hrsg.],
Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Band XIV, Soziale Sicherheit, 2.
Aufl., Basel 2007, S. 2431 Rz. 842).

In beweisrechtlicher Hinsicht müssen die dem Einstellungstatbestand zu Grunde
liegenden Tatsachen mit dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad
der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erfüllt sein (BGE 129 V 150 E. 2.1 S.
153 mit Hinweisen).

3.
3.1
3.1.1 Auf Grund der Angaben von Frau W.________ und des Versicherten selbst
steht fest, dass am 21. Juli 2005 ein Vorstellungsgespräch betreffend eine
weitere Anstellung bei der Firma Y.________ ab 1. September 2005
stattgefunden hat. Weiter ist gestützt hierauf davon auszugehen, dass die
Firma Y.________ dem Beschwerdeführer im Rahmen dieses Vorstellungsgesprächs
einen monatlichen Lohn von Fr. 4500.- (x 13, exkl. Schichtzulagen) angeboten,
während er einen Monatslohn von Fr. 5000.- gefordert hat.

Der Versicherte hat mithin beim Vorstellungsgespräch keine klare und
vorbehaltlose Bereitschaft zum Abschluss einer weiteren Anstellung ab 1.
September 2005 bekundet. Mit seiner Lohnforderung nahm er in Kauf, dass die
Stelle anderweitig besetzt würde, und vereitelte damit die Möglichkeit der
Erzielung eines zumutbaren (Zwischen-)Verdienstes (vgl. Erw. 3.2.2 hienach).
Sein Verhalten muss unter den gegebenen Umständen als mitursächlich für seine
Nichtanstellung gewertet werden. Hierin liegt sein Verschulden an der
Fortdauer der Arbeitslosigkeit. Der Einstellungstatbestand der Nichtannahme
zumutbarer Arbeit ist mithin erfüllt, auch wenn der Beschwerdeführer die
Stelle nicht ausdrücklich abgelehnt hat (vgl. auch erwähnte Urteile C 65/06,
E. 3.6, und C 300/05, E. 3.2).
3.1.2 Sämtliche Einwendungen des Beschwerdeführers vermögen an diesem
Ergebnis nichts zu ändern.

Soweit er in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde bestreitet, dass am 21. Juli
2005 ein eigentliches Vorstellungsgespräch geführt worden sei, kann dem nicht
gefolgt werden.

Weiter macht er insbesondere geltend, seine Lohnvorstellung sei nicht zu hoch
gewesen, weshalb die Stellenabsage nicht ihm angelastet werden könne. Bei den
Fr. 4500.- handle es sich um einen Richtwert, wie hoch die Mindestlöhne
gemäss dem Gesamtarbeitsvertrag der grafischen Branche seien. In der Realität
lägen die Löhne weitaus höher, gerade in der Region Zürich seien sie einiges
höher als Fr. 5000.-. Dieses Vorbringen ist unbehelflich. Beim letzten
Arbeitgeber vor der Arbeitslosigkeit (Firma X.________ bis 13. Januar 2005)
verdiente der Versicherte monatlich Fr. 4969.-. Sein versicherter Verdienst
beträgt Fr. 7496.-. Auch wenn der von der Firma Y.________ angebotene Lohn
von 4500.- (x 13, exkl. Schichtzulagen) 70 % des versicherten Verdienstes
unterschritten hätte, wäre die Arbeit nicht unzumutbar gewesen. Denn eine
Arbeit, die der versicherten Person einen Lohn einbringt, der geringer ist
als 70 % des versicherten Verdienstes, kann nur dann aus diesem Grunde
unzumutbar und dadurch von der Annahmepflicht ausgenommen sein, wenn die
betroffene Person keine Kompensationsleistungen nach Art. 24 AVIG
(Zwischenverdienst) erhielte (Art. 16 Abs. 2 lit. i AVIG). Wie das AWA in der
Verfügung vom 4. Oktober 2005 ausgeführt hat, hätte die Arbeit des
Versicherten bei der Firma Y.________ im Zwischenverdienst abgerechnet werden
können. Er hätte damit Anspruch auf Ersatz von 70 % des Verdienstausfalls
(Differenz zwischen Zwischenverdienst und versichertem Verdienst) gehabt
("Differenzausgleich" oder "Kompensationszahlungen"; Art. 24 in Verbindung
mit Art. 22 Abs. 2 AVIG; Art. 41a AVIV; SVR 2006 ALV Nr. 24 S. 82 E. 4.3, C
290/03; erwähntes Urteil C 65/06, E. 3.4).

Da kein anderer Unzumutbarkeitsgrund gemäss Art. 16 Abs. 2 AVIG ersichtlich
ist, handelte es sich um eine zumutbare Arbeit, für die zur Schadenminderung
eine Annahmepflicht bestand (Art. 16 Abs. 1 AVIG).

3.2 Weiter wird dem Versicherten vorgeworfen, er habe einen weiteren
vorübergehenden Einsatz bei der Firma Y.________ vom 15./16. (eventuell bis
23.) September 2005 zu Unrecht abgelehnt.

Der Beschwerdeführer bringt hiegegen einzig vor, er sei vom 14. bis
16. September 2005 wegen Krankheit nicht einsatzfähig gewesen. Er legt
diesbezüglich ein Zeugnis des Dr. med. H.________, Allg. Medizin FMH, vom 21.
September 2005 auf. Dieser führt aus, der Versicherte sei bei ihm seit 21.
September 2005 in Behandlung und habe angegeben, er sei vom 14. bis 16.
September 2005 wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen.

Da die attestierte Arbeitsunfähigkeit bloss auf fünf Tage später gemachten
Angaben des Versicherten gründet, ist sie und damit auch die Unzumutbarkeit
des vorübergehenden Arbeitseinsatzes bei der Firma Y.________ im September
2005 nicht rechtsgenüglich erstellt.

4.
Gemäss Art. 30 Abs. 3 AVIG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 3 AVIV ist die
Ablehnung einer zumutbaren Arbeitsstelle ohne entschuldbaren Grund als
schweres Verschulden zu qualifizieren und demnach mit einer Einstellungsdauer
von 31 bis 60 Tagen zu sanktionieren (Art. 45 Abs. 2 lit. c AVIV). Da keine -
in der subjektiven Situation oder objektiven Gegebenheiten liegenden -
entschuldbaren Gründe gegeben sind, welche das Verschulden des Versicherten
als bloss mittelschwer oder leicht erscheinen lassen, fällt die Möglichkeit
einer Unterschreitung der bei Ablehnung einer zumutbaren Arbeit vorgesehenen
Einstellungsdauer von 31 bis 60 Tagen ausser Betracht (BGE 130 V 125 Erw. 3.2
S. 126 und Erw. 3.4.3 S. 130). Innerhalb dieses zeitlichen Rahmens liegt die
verfügte Einstellungsdauer von 36 Tagen im unteren Bereich, weshalb sie unter
dem Blickwinkel der Angemessenheit (Art. 132 lit. a OG) nicht zu beanstanden
ist.

Im Übrigen hat das AWA berücksichtigt, dass bei Ablehnung einer zumutbaren
Zwischenverdienstarbeit eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung nur in
dem Umfang erfolgt, in dem der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung den
Anspruch auf Differenzausgleich übersteigt, der bestanden hätte, wenn es zum
Zwischenverdienst gekommen wäre; Gegenstand der Einstellung ist nur der
betragliche Unterschied der beiden Taggelder und nicht das volle Taggeld
(BGE 122 V 34 E. 4c/bb S. 40; ARV 1999 Nr. 32 S. 184 E. 4c, C 14/97;
erwähntes Urteil C 65/06, E. 5).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der Arbeitslosenkasse Comedia, Regionalsekretariat Zürich/Ostschweiz,
Zürich, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.

Luzern, 22. Februar 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: