Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 13/2007
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B 13/07

Urteil vom 18. Juli 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Kernen,
Gerichtsschreiber Maillard.

GEMINI Sammelstiftung zur Förderung der Personalvorsorge, Waisenhausstrasse
2, 8001 Zürich, Beschwerdeführerin,

gegen

P.________, 1961, Beschwerdegegnerin.

Berufliche Vorsorge,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts von
Appenzell Ausserrhoden vom 27. September 2006.

Sachverhalt:

A.
P. ________, geboren 1961, war von anfangs Februar 2001 bis Ende April 2002
bei einer Familie in X.________ als Patientenbetreuerin tätig und
berufsvorsorgerechtlich bei der Stiftung Auffangeinrichtung BVG (nachfolgend
Auffangeinrichtung) versichert. Dieses Versicherungsverhältnis dauerte
während der anschliessenden Arbeitslosigkeit an. Am 1. September 2002
übernahm P.________ bei der Stiftung Y.________ im Wohnheim Z.________ in
W.________ eine Stelle als Betreuerin von Mehrfachbehinderten und war dadurch
bei der Gemini, Sammelstiftung zur Förderung der Personalvorsorge
(nachfolgend Gemini), obligatorisch berufsvorsorgeversichert. Dieses
Arbeitsverhältnis gab P.________ nach wenigen Tagen auf und meldete sich am
10. September 2002 unter Hinweis auf ein Rückenleiden und seelische
Verletzungen bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug (Umschulung)
an. Mit Verfügungen vom 12. August 2004 sprach ihr die IV-Stelle St. Gallen
ab 1. September 2003 eine halbe und ab 1. Februar 2004 eine ganze Rente der
Invalidenversicherung zu. Dabei ging sie von einer seit 4. September 2002
dauernd bestehenden hälftigen und seit 27. November 2003 vollständigen
Einschränkung in der Arbeitsfähigkeit aus. Diese Verfügungen wurden am 6.
Januar 2005 nachträglich auch der Gemini eröffnet. Diese ergriff dagegen zwar
kein Rechtsmittel, lehnte es aber in der Folge ab, P.________ eine
Invalidenrente aus der obligatorischen beruflichen Vorsorge zu gewähren, da
die invalidisierenden Beschwerden auf einen Rückfall zurückzuführen seien und
daher die frühere Vorsorgeeinrichtung (Auffangeinrichtung) leistungspflichtig
sei. Letztere verneinte ihrerseits eine Leistungspflicht, da die
invalidisierende Arbeitsunfähigkeit gemäss verbindlichem Entscheid der
Invalidenversicherung am 4. September 2002 eingetreten sei.

B.
Das Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden hiess die von P.________ am
21. November 2005 gegen die Gemini erhobene Klage mit Entscheid vom 27.
September 2006 gut und verpflichtete die Vorsorgeeinrichtung, der
Versicherten die ihr aus BVG zustehenden Rentenleistungen auszurichten. Die
alternativ gegen die Auffangeinrichtung eingereichte Klage wies das Gericht
hingegen gleichentags ab.

C.
Die Gemini führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, in Aufhebung
des angefochtenen Entscheids sei sie als nicht leistungspflichtig zu
bezeichnen.

Das Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden schliesst auf Abweisung der
Beschwerde, während sich P.________ nicht vernehmen lässt und das Bundesamt
für Sozialversicherungen auf eine Stellungnahme verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (BGG [SR 173.110])
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205 und 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Strittig ist, ob die Beschwerdeführerin der Beschwerdegegnerin eine
Invalidenrente der obligatorischen Berufsvorsorge zu entrichten hat. Dies
hängt entscheidend von der Frage ab, wann bei der Beschwerdegegnerin die für
die Entstehung des Leistungsanspruchs relevante Arbeitsunfähigkeit
eingetreten ist.

3.
Im angefochtenen Entscheid werden die Bestimmungen über den Anspruch auf
Invalidenleistungen der obligatorischen beruflichen Vorsorge (Art. 23 BVG)
und die Grundsätze für die Abgrenzung der Leistungspflicht von
Vorsorgeeinrichtungen (BGE 130 V 270 E. 4.1 S. 275 mit Hinweisen) zutreffend
dargelegt. Das Gleiche gilt bezüglich der vorinstanzlichen Ausführungen zur
Bindung der Vorsorgeeinrichtungen an die Feststellungen der IV-Organe
insbesondere hinsichtlich des Eintritts der invalidisierenden
Arbeitsunfähigkeit (BGE 133 V 67 E. 4.3.2 S. 69 mit Hinweisen). Darauf wird
verwiesen.

4.
Es ist unbestritten, dass die Verfügungen der IV-Stelle vom 12. August 2004
der Beschwerdeführerin nachträglich zugestellt worden sind und letztere
dagegen kein Rechtsmittel ergriffen hat. Sie ist - wenn auch verspätet - so
doch rechtskonform in das invalidenversicherungsrechtliche Verfahren
einbezogen worden. Daher ist sie im hier zu entscheidenden Bereich der
gesetzlichen Mindestvorsorge an die Feststellungen der Organe der
Invalidenversicherung gebunden, soweit die invalidenversicherungsrechtliche
Betrachtungsweise aufgrund einer gesamthaften Prüfung der Akten nicht als
offensichtlich unhaltbar erscheint (BGE 130 V 270 E. 3.1 S. 273).

5.
5.1 Das kantonale Gericht hat mit in allen Teilen überzeugender Begründung,
auf die verwiesen wird, dargetan, dass die Annahme, der am 4. Februar 2002
erlittene erste Rückenvorfall stehe in keinem engen sachlichen und zeitlichen
Zusammenhang zur invalidisierenden Arbeitsunfähigkeit, nicht offensichtlich
unhaltbar ist. Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, dringt nicht
durch.

5.1.1 Soweit sie geltend macht, es sei mit dem Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit erwiesen, dass der Rückenvorfall vom 2. September 2002
einen Rückfall zu demjenigen vom 4. Februar 2002 darstelle, geht sie von der
unzutreffenden Überlegung aus, das Gericht könne den Sachverhalt frei prüfen.
Dem ist indessen nach dem in E. 4 Gesagten nicht so; die Prüfung beschränkt
sich vielmehr auf den Blickwinkel der offensichtlichen Unhaltbarkeit.

5.1.2 Die weitgehend auf eine Abhandlung zur akuten Lumbalgie aufbauenden
Einwendungen sind von vornherein nicht geeignet, die im Einzelfall
getroffenen Feststellungen als offensichtlich unhaltbar erscheinen zu lassen.

5.1.3 Es ist weiter unbestritten, dass die Beschwerdegegnerin zwischen den
beiden Rückenvorfällen vier Monate uneingeschränkt arbeitsfähig war.
Angesichts der Rechtsprechung, die bereits eine sechsmonatige (SZS 2002 S.
153) oder eine viermonatige (B 100/05 vom 8. Februar 2006, E. 3.2) Zeitspanne
voller Arbeits- und Erwerbsfähigkeit als den zeitlichen Zusammenhang
unterbrechend anerkannte, kann von offensichtlicher Unhaltbarkeit der
Feststellungen der Invalidenversicherung nicht die Rede sein.

6.
Aus der Bejahung des engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhanges zwischen
dem ersten Rückenvorfall und der im September 2002 eingetretenen
Arbeitsunfähigkeit liesse sich ohnehin nicht ableiten, die Beschwerdeführerin
sei nicht leistungspflichtig. Aus den Akten der Invalidenversicherung geht
ohne Weiteres hervor, dass der rentenbegründenden Invalidität nicht das
Rückenleiden, sondern letztlich psychische Beschwerden (posttraumatische
Belastungsstörung und Status nach schwerer depressiver Episode) zu Grunde
lagen. Diese psychischen Beeinträchtigungen bestanden zwar seit mehreren
Jahren, wirkten sich aber offenbar bis zum zweiten Rückenvorfall vom
2. September 2002 nicht negativ auf das Leistungsvermögen der
Beschwerdegegnerin aus. Sie werden erstmals im Bericht des behandelnden
Arztes vom 4. Oktober 2002 als die Belastbarkeit vermindernd und
behandlungsbedürftig bezeichnet. Ist damit der schliesslich zur Invalidität
führende psychische Gesundheitsschaden erstmals während der Versicherungszeit
bei der Beschwerdeführerin die Arbeitsfähigkeit vermindernd in Erscheinung
getreten, steht deren Leistungspflicht fest. Dass das in den Hintergrund
getretene Rückenleiden allenfalls einen sachlichen Zusammenhang zum ersten
Vorfall haben könnte, vermag daran nichts zu ändern, da die Invalidität nicht
daraus resultierte.

7.
Da es um Versicherungsleistungen geht, ist das Verfahren kostenlos (Art. 134
OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Stiftung Auffangeinrichtung BVG, dem
Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen zugestellt.

Luzern, 18. Juli 2007

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: