Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Revision 9F.11/2007
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9F_11/2007

Urteil vom 3. März 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

S. ________, Gesuchsteller,
vertreten durch Rechtsanwalt Dominik Frey, Stadtturmstrasse 10, 5400 Baden,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5000 Aarau,
Gesuchsgegnerin.

Invalidenversicherung,

Revisionsgesuch gegen
das Urteil des Bundesgerichts
vom 14. Dezember 2007.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 9. Dezember 2005 lehnte die IV-Stelle des Kantons Aargau
das Gesuch des 1967 geborenen S.________ um Zusprechung von Leistungen der
Invalidenversicherung ab, woran sie mit Einspracheentscheid vom 28. Dezember
2006 festhielt.

B.
Auf die hiegegen am 8. Februar 2007 eingereichte Beschwerde trat das
Versicherungsgericht des Kantons Aargau zufolge Fristversäumnisses nicht ein
(Entscheid vom 28. August 2007).

C.
S.________ liess Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die
Sache an das kantonale Gericht zurückzuweisen, damit es über die Beschwerde
vom 8. Februar 2007 materiell entscheide. Mit Urteil vom 14. Dezember 2007
wies das Bundesgericht die Beschwerde ab.

D.
Mit Eingabe vom 21. Dezember 2007 lässt S.________ beantragen, das Urteil vom
14. Dezember 2007 sei revisionsweise aufzuheben und die Beschwerde gegen den
Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 28. August 2007
sei gutzuheissen.
Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine
Vernehmlassung, während sich das kantonale Versicherungsgericht in
ablehnendem Sinne zum Revisionsgesuch äussert.

Erwägungen:

1.
Gemäss Art. 121 lit. d BGG kann die Revision eines Entscheids des
Bundesgerichts u.a. verlangt werden, wenn das Gericht in den Akten liegende
erhebliche Tatsachen aus Versehen nicht berücksichtigt hat. Das Bundesgericht
hat in Auslegung des gleich lautenden Art. 136 lit. d OG (in Kraft bis
31. Dezember 2006) festgehalten, dass ein Versehen im Sinne dieser Bestimmung
nur vorliegt, wenn das Gericht eine Tatsache oder ein bestimmtes Aktenstück
übersehen oder mit einem falschen Wortlaut wahrgenommen hat; wenn jedoch die
Tatsache oder das Aktenstück in der äusseren Erscheinung richtig wahrgenommen
wurde, liegt kein Versehen vor, sondern allenfalls eine unzutreffende
beweismässige oder rechtliche Würdigung, die mit der Versehensrüge nicht in
Frage gestellt werden kann (BGE 115 II 399). Ausserdem kann der
Revisionsgrund nur angerufen werden, wenn "erhebliche Tatsachen"
unberücksichtigt geblieben sind, d.h. solche, die zu Gunsten des
Gesuchstellers zu einem anderen Entscheid geführt hätten, wenn sie
berücksichtigt worden wären (BGE 122 II 17 E. 3 S. 18 f.). Art. 121 lit. d
BGG ist gleich wie der entsprechende Art. 136 lit. d OG auszulegen (Urteil
4F_1/2007 vom 13. März 2007).

2.
2.1 Das Bundesgericht hat im Urteil vom 14. Dezember 2007 den vorinstanzlichen
Nichteintretensentscheid zufolge Fristversäumnisses gestützt auf Art. 60
Abs. 1 ATSG bestätigt und die Berufung des Gesuchstellers auf den Grundsatz
von Treu und Glauben (Art. 9 BV) verworfen. Wie das Bundesgericht dargelegt
hat, fiel die Berufung auf einen Brief des Versicherungsgerichts des Kantons
Aargau vom 30. Januar 2006 an den Aargauischen Anwaltsverband, welcher drei
Urteile des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 26. August 2005
betreffend die vorläufige Weitergeltung der kantonalen
Fristenstillstandsregeln zum Gegenstand hatte, als Vertrauensgrundlage ausser
Betracht; denn das im vorliegenden Fall bedeutsame Urteil des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts vom 8. März 2006 (BGE 132 V 361) habe schon längst
vorgelegen, als der Versicherte am 8. Februar 2007 seine Beschwerde
einreichte. Das Gericht fuhr fort, dass der Entscheid vom 8. März 2006 vor
Einreichung der Beschwerde an die Vorinstanz publiziert gewesen sei, indem
BGE 132 V 361 seit 16. Januar 2007 in Form eines in der Amtlichen Sammlung
publizierten Urteils vorgelegen habe. Wenn der Beschwerdeführer trotz dieser
Rechtslage bis am 8. Februar 2007 zuwartete, sei dies unerfindlich und lasse
sich nicht mit dem Vertrauensschutz rechtfertigen, zumal der
Einspracheentscheid der IV-Stelle vom 28. Dezember 2006 tatsächlich eine
korrekte Rechtsmittelbelehrung enthalten habe, welche auf die
bundesrechtliche Fristenstillstandsbestimmung gemäss Art. 38 ATSG hinwies.
Abschliessend stellte das Bundesgericht fest, für ein Abweichen von der
Rechtsmittelbelehrung der Verwaltung habe umso weniger Anlass bestanden, als
gemäss einem aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 9 BV) fliessenden,
in Art. 49 BGG ausdrücklich verankerten Grundsatz des öffentlichen
Prozessrechts den Parteien aus einer fehlerhaften behördlichen
Rechtsmittelbelehrung kein Nachteil erwachsen darf (BGE 131 I 153 E. 4
S. 158, 124 I 255 E. 1a/aa S. 258). Somit habe sich der Beschwerdeführer auf
die Rechtsmittelbelehrung der Verwaltung verlassen können, ohne nachteilige
Folgen einer falschen Fristangabe gewärtigen zu müssen.

2.2 Der Gesuchsteller, welcher sich auf Art. 121 lit. d BGG beruft, macht
geltend, das Bundesgericht sei im Urteil vom 14. Dezember 2007 davon
ausgegangen, dass das massgebliche Urteil des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts vom 8. März 2006 am 16. Januar 2007 als BGE 132 V 361
in der Amtlichen Sammlung publiziert wurde und dem Versicherten ab diesem
Zeitpunkt, somit vor Ablauf der Beschwerdefrist, bekannt gewesen sei. Dies
treffe nicht zu. Zwar trage Heft 6 von BGE 132 V auf dem Titelblatt das Datum
des 16. Januar 2007. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten habe der Versicherte und heutige Gesuchsteller als Beilagen 5
und 6 Auskünfte von Frau D.________ von der "Administration des Arrêts du
Tribunal fédéral" vom 8. Mai und 13. September 2007 eingereicht. Daraus gehe
hervor, dass das besagte Heft erst am 5. Februar 2007 mit B-Post an die
Abonnenten verschickt wurde. Dem Gesuchsteller sei es daher nicht möglich
gewesen, vor Ablauf der Beschwerdefrist vom massgebenden Urteil des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts Kenntnis zu nehmen. Dabei handle es
sich um eine erhebliche Tatsache; diese sei vom Bundesgericht versehentlich
nicht zur Kenntnis genommen worden.

2.3 Dem Gesuchsteller ist darin beizupflichten, dass das Bundesgericht die im
Revisionsgesuch erwähnten Beweismittel betreffend den Versand von BGE 132 V
Heft 6 im Urteil vom 14. Dezember 2007 für die Entscheidfindung nicht
berücksichtigt hat. Nicht gefolgt werden kann den Ausführungen im
Revisionsgesuch insofern, als geltend gemacht wird, es sei eine erhebliche
Tatsache unberücksichtigt geblieben. Denn die Berücksichtigung dieser
Beweismittel hätte nicht zu Gunsten des Gesuchstellers zu einer anderen
Entscheidung geführt. Zwar hatte der Umstand, dass im Urteil vom 14. Dezember
2007 irrtümlich angenommen wurde, der Entscheid des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts vom 8. März 2006 habe bereits am 16. Januar 2007 in
publizierter Form vorgelegen, für die Entscheidung durchaus eine gewisse
Bedeutung; indessen sprach ein weiteres gewichtiges Argument gegen den
Rechtsstandpunkt des Versicherten: Das Bundesgericht legte unter Hinweis auf
Art. 9 BV und Art. 49 BGG sowie die Rechtsprechung dar, dass sich der
Gesuchsteller auf die - im Übrigen korrekte - Rechtsmittelbelehrung der
IV-Stelle verlassen durfte, ohne nachteilige Folgen einer falschen
Fristangabe gewärtigen zu müssen. Nebst dem allenfalls auf einem Versehen
beruhenden Irrtum des Gerichts über das Erscheinungsdatum von BGE 132 V
Heft 6 waren somit der Grundsatz, dass der Rechtsuchende sich auf eine
behördliche Rechtsmittelbelehrung verlassen darf, und die Tatsache, dass der
Einspracheentscheid der IV-Stelle mit einer (korrekten) Rechtsmittelbelehrung
versehen war, ausschlaggebend für die Abweisung der Beschwerde. Hieran hätte
der Einbezug der mit der Beschwerde aufgelegten Urkunden in die
Beweiswürdigung schon deswegen nichts geändert, weil das Urteil des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts, um dessen Kenntnis es geht, vom
8. März 2006 datiert und somit ungeachtet einer Publikation in der Amtlichen
Sammlung längst vorlag und in SVR 2006, Heft 10, IV Nr. 44 S. 159,
veröffentlicht war, als der Gesuchsteller am 8. Februar 2007 seine Beschwerde
einreichte. Auch auf diesen zeitlichen Ablauf machte das Bundesgericht im
Übrigen in der Begründung seiner zur Abweisung der Beschwerde führenden
Rechtsauffassung aufmerksam.

3.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem unterliegenden
Gesuchsteller aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Gesuchsteller auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 3. März 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Widmer