Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 891/2007
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_891/2007

Urteil vom 30. Dezember 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Borella,
Gerichtsschreiber Traub.

Parteien
I.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Pia Dennler-Hager, Spitalgasse
6, 8401 Winterthur,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 16. Oktober 2007.

Sachverhalt:

A.
Der 1966 geborene, während vieler Jahre im Baugewerbe tätige I.________ leidet
nach einem Arbeitsunfall im Sommer 2003 an einem chronisch rezidivierenden
myofaszialen Schmerzsyndrom der Nacken-Schulter-Muskulatur. Zudem besteht ein
Bandscheibenvorfall im Bereich der Halswirbelsäule. Am 23. September 2004
meldete sich I.________ zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung an.
Die IV-Stelle des Kantons Zürich erhob die gesundheitlichen und erwerblichen
Verhältnisse und veranlasste eine berufliche Abklärung (Arbeitstraining) im
Arbeitszentrum X.________ welche zwischen dem 17. Mai und 16. August 2005
stattfand. Mit - durch Einspracheentscheid vom 3. Januar 2006 bestätigter -
Verfügung vom 13. September 2005 stellte die Verwaltung fest, es bestehe kein
weiterer Anspruch auf berufliche Massnahmen. In der Begründung des
Einspracheentscheids findet sich weiter die Feststellung, auch ein
Rentenanspruch sei nicht gegeben, da der Versicherte in der Lage sei, ein
rentenausschliessendes Einkommen zu erzielen.

B.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die gegen den
Einspracheentscheid erhobene Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat. Überdies
wies es die Sache "nach Eintritt der Rechtskraft" an die Verwaltung zurück,
damit diese über den Anspruch des Versicherten auf unentgeltliche
Rechtsvertretung im Einspracheverfahren entscheide (Entscheid vom 16. Oktober
2007).

C.
I.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit den Rechtsbegehren, es sei ihm rückwirkend ab September 2004 eine
Viertelsrente der Invalidenversicherung zuzusprechen. Eventuell sei ihm für das
Einspracheverfahren sowie für das bundesgerichtliche Verfahren die
unentgeltliche Verbeiständung zu bewilligen.

Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf
Vernehmlassung.
Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann deren
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen und ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Die gesetzlichen und aus der
Rechtsprechung hervorgegangenen Regeln über die Durchführung des
Einkommensvergleichs, so betreffend die Anwendbarkeit von statistisch
ermittelten Lohnansätzen und die Bezeichnung der massgeblichen Tabelle,
beschlagen Rechtsfragen. Die Feststellung der hypothetischen
Vergleichseinkommen, namentlich der Umgang mit den Zahlen gemäss
Schweizerischer Lohnstrukturerhebung (LSE) des Bundesamtes für Statistik,
stellt sich als Tatfrage dar, soweit sie auf konkreter Beweiswürdigung beruht
(vgl. BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399).

2.
Der Versicherte beantragt, es sei ihm mit Wirkung ab September 2004 aufgrund
eines Invaliditätsgrades von 41 Prozent eine Viertelsrente auszurichten. Das
kantonale Gericht hatte, wie schon die Beschwerdegegnerin, auf einen nicht
rentenbegründenden Invaliditätsgrad von 24 Prozent erkannt.

2.1 Unbestritten ist, dass dem Beschwerdeführer eine leidensangepasste leichte
Tätigkeit zumutbar ist. Er macht aber geltend, im Rahmen des zum
Invaliditätsgrad führenden Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG) trage einerseits
das vorinstanzlich ermittelte Invalideneinkommen seiner Eigenschaft als
Ausländer nicht ausreichend Rechnung; beim Valideneinkommen seien anderseits
"zusätzliche Lohnkomponenten" unberücksichtigt geblieben.

2.2 Bezog eine versicherte Person aus invaliditätsfremden Gründen (z.B. geringe
Schulbildung, fehlende berufliche Ausbildung, mangelnde Deutschkenntnisse,
beschränkte Anstellungsmöglichkeiten wegen Saisonnierstatus) ein deutlich
unterdurchschnittliches Einkommen, ist diesem Umstand bei der
Invaliditätsbemessung nach Art. 16 ATSG Rechnung zu tragen, sofern keine
Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie sich aus freien Stücken mit einem
bescheideneren Einkommensniveau begnügen wollte (BGE 125 V 146 E. 5c/bb S. 157
mit Hinweisen). Nur so bleibt der Grundsatz gewahrt, dass die auf
invaliditätsfremde Gesichtspunkte zurückzuführenden Lohneinbussen entweder
überhaupt nicht oder aber bei beiden Vergleichseinkommen gleichmässig zu
berücksichtigen sind (BGE 129 V 222 E. 4.4 S. 225). Die gebotene
Parallelisierung der Einkommen kann praxisgemäss entweder auf Seiten des
Valideneinkommens durch eine entsprechende Heraufsetzung des effektiv erzielten
Einkommens oder durch Abstellen auf die statistischen Werte (vgl. SVR 2008 IV
Nr. 2 S. 3, I 697/05, und Urteil I 750/04 vom 5. April 2006 E. 5.5) oder aber
auf Seiten des Invalideneinkommens durch eine entsprechende Herabsetzung des
statistischen Wertes (vgl. Urteil U 454/05 vom 6. September 2006 E. 6.3.3)
erfolgen (BGE 134 V 322 E. 4.1 S. 325 mit Hinweisen).

Eine Parallelisierung ist indessen nur vorzunehmen, wenn die Differenz zum
massgebenden Durchschnitt deutlich ist. Die Rechtsprechung hatte bisher keinen
Anlass, einen konkretisierenden prozentualen Grenzwert zu definieren (vgl.
Urteil 9C_488/2008 vom 5. September 2008 E. 6.6).

2.3 Die Vorinstanzen gingen von einem Valideneinkommen von Fr. 60'820.- (2003)
aus, was für das Jahr 2004 einem Betrag von Fr. 61'063.- entspricht
(Lohnentwicklung 2004 im Baugewerbe: 0,4 Prozent [Die Volkswirtschaft 12/2008
S. 95 Tabelle B 10.2]; zum massgeblichen Zeitpunkt des Einkommensvergleichs:
BGE 129 V 222). Nach allgemeinen statistischen Daten hätte der Beschwerdeführer
als Gesunder 2004 im Baugewerbe ein Jahreseinkommen von Fr. 67'029.- erzielen
können (Schweizerische Lohnstrukturerhebung [LSE] des Bundesamtes für Statistik
2004, Tabelle A1, Wirtschaftszweig Baugewerbe, Anforderungsniveau 3 [Berufs-
und Fachkenntnisse vorausgesetzt], Männer: Fr. 5358.-; umgerechnet auf eine
2004 betriebs- bzw. branchenübliche wöchentliche Arbeitszeit von 41,7 Stunden
[Die Volkswirtschaft 12/2008 S. 94 Tabelle B 9.2], x 12). Darin wäre wohl eine
deutliche Abweichung im Sinne der zitierten Rechtsprechung zu erblicken. Die
Frage kann aber dahingestellt bleiben: Wenn nämlich - wie beantragt, aber nicht
abschliessend zu entscheiden ist - weitere Lohnbestandteile einbezogen würden
und daher von einem (den statistischen Wert übertreffenden) Valideneinkommen
von Fr. 71'066.- (2004) auszugehen wäre, ergäbe sich daraus immer noch keine
rentenbegründende Invalidität (sogleich E. 2.4).

2.4 Soweit der Beschwerdeführer in einer leidensangepassten Beschäftigung in
einer anderen Branche aufgrund seiner Eigenschaft als Ausländer eine
lohnmässige Einbusse (im Vergleich mit statistischen Durchschnittswerten)
hinnehmen müsste, wäre diese mit einem gewährten Abzug (BGE 129 V 472 E. 4.2.3
S. 481; 126 V 75), welchen die Vorinstanzen auf 20 Prozent festgelegt haben, in
Anbetracht eines erhaltenen Leistungsvermögens für körperlich leichte
Hilfsarbeiten (Gewichtslimite 10 Kilogramm) ohne weiteres abgedeckt, da
funktionelle Einschränkungen in einer leidensangepassten Tätigkeit, entgegen
dem in der Beschwerde erhobenen Einwand, nicht erheblich ins Gewicht fallen.
Insgesamt beläuft sich der Invaliditätsgrad - bei einem anrechenbaren
Invalideneinkommen von Fr. 45'807.- (LSE 2004, Tabelle A1, Total aller
Wirtschaftszweige, Anforderungsniveau 4 [einfache und repetitive Tätigkeiten],
Männer: Fr. 4588.-; umgerechnet auf eine 2004 betriebs- bzw. branchenübliche
wöchentliche Arbeitszeit von 41,6 Stunden [Die Volkswirtschaft 12/2008 S. 94
Tabelle B 9.2], x 12 x 0,8) - auf nicht rentenbegründende 36 Prozent, dies
selbst bei Zugrundelegung des anbegehrten höheren Valideneinkommens von Fr.
71'066.-. Zu Weiterungen im Sinne der in der Beschwerde im Einzelnen
dargelegten Auffassung besteht nach dem Gesagten vorliegend kein Anlass.

3.
3.1 Weiter beantragt der Beschwerdeführer - wie bereits im vorinstanzlichen
Verfahren -, er sei mit Bezug auf das Einspracheverfahren unentgeltlich zu
verbeiständen.

3.2 Vor dem materiellen Einspracheentscheid vom 3. Januar 2006 hatte die
IV-Stelle am 21. Dezember 2005 eine Verfügung erlassen, mit welcher das Gesuch
der Rechtsbeiständin, sie sei zur unentgeltlichen Rechtsvertreterin zu
ernennen, abgelehnt wurde. Das kantonale Gericht hat die Sache an die IV-Stelle
zurückgewiesen, damit diese über den Anspruch des Beschwerdeführers auf
unentgeltliche Rechtsvertretung im Einspracheverfahren entscheide (Ziff. 1 Abs.
2 des vorinstanzlichen Dispositivs). Diese Verfahrenserledigung übersieht Art.
52 Abs. 1 zweiter Teilsatz ATSG und den Umstand, dass die Verweigerung der
unentgeltlichen Verbeiständung im Einspracheverfahren vom Beschwerdeführer am
3. Februar 2006 - bei Gelegenheit der Anfechtung des Einsprache-Endentscheids -
prozessual zulässig und gültig beanstandet worden war.

4.
Der Beschwerdeführer obsiegt nur in einem verfahrensrechtlichen Nebenpunkt, was
keine Parteientschädigung rechtfertigt. Die unentgeltliche Rechtspflege
(Prozessführung und Verbeiständung; Art. 64 BGG) kann gewährt werden, da die
entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind (BGE 125 V 201 E. 4a S. 202 und 371
E. 5b S. 372). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam
gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten
haben wird, wenn sie später dazu in der Lage ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird im Rentenpunkt abgewiesen, bezüglich der unentgeltlichen
Verbeiständung im Einspracheverfahren dahingehend gutgeheissen, dass die
Vorinstanz unter Aufhebung von Absatz 2 von Dispositivziffer 1 ihres Urteils
vom 16. Oktober 2007 angewiesen wird, darüber zu entscheiden.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, zufolge
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege indes auf die Gerichtskasse
genommen.

3.
Frau Rechtsanwältin Pia Dennler-Hager wird für das bundesgerichtliche Verfahren
mit Fr. 2500.- entschädigt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 30. Dezember 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Traub