Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 883/2007
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9C_883/2007

Urteil vom 18. Februar 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger und Seiler,
Gerichtsschreiber Traub.

G. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Michael Ausfeld,
Weinbergstrasse 18, 8001 Zürich,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17,
8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 31. Oktober 2007.

Sachverhalt:

A.
G. ________ (geboren 1970) arbeitete ab dem 1. Februar 1998 als
Reinigungsmitarbeiter bei der Firma M.________ mit einem Pensum von rund 50 %
sowie zusätzlich ab dem 2. Mai 2000 bei der Firma D.________ mit einem Pensum
von 100 %. Am 17. Juni 2000 erlitt er beim Fussballspiel einen Unfall, ohne
dass seine Arbeitsfähigkeit dadurch beeinträchtigt worden wäre, und am
25. Juni 2002 einen Unfall bei der Arbeit auf einer Hebebühne, die eine
100%ige Arbeitsunfähigkeit ab dem 26. August 2002 nach sich zog. Am
2. September 2003 meldete er sich bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Gestützt auf medizinische Unterlagen, namentlich ein
Gutachten des Medizinischen Zentrums X.________ vom 4. Januar 2006, und auf
erwerbliche Abklärungen lehnte die IV-Stelle des Kantons Zürich das
Leistungsgesuch mit Verfügung vom 14. März 2006 und Einspracheentscheid vom
17. November 2006 ab.

B.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene
Beschwerde ab (Entscheid vom 31. Oktober 2007).

C.
G.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Antrag auf Zusprechung einer halben Invalidenrente. Die IV-Stelle schliesst
auf Abweisung der Beschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherungen
auf Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
Nach den verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz (Art. 105
Abs. 1 und 2 BGG) hat der Beschwerdeführer als Gesunder eine
Haupterwerbstätigkeit im Umfang von 100 % sowie eine Nebenerwerbstätigkeit
von rund 50 % ausgeübt. Das kantonale Gericht hat als hypothetisches
Einkommen ohne Gesundheitsschaden (Valideneinkommen) das aus beiden
Tätigkeiten zusammen erzielte Einkommen (Fr. 105'838.75) berücksichtigt. Dies
ist nicht bestritten.

2.
Streitig und zu prüfen ist aber das zumutbare Invalideneinkommen:
2.1 Die Vorinstanz hat gestützt auf das Gutachten des Medizinischen Zentrums
X.________ erwogen, beim Beschwerdeführer lasse sich aus rheumatologischer
Sicht aufgrund fehlender pathologischer Befunde zumindest für körperlich
leichte, wechselbelastende Tätigkeiten keine Arbeitsunfähigkeit attestieren.
Die im Gutachten des Medizinischen Zentrums X.________ aus psychiatrischen
Gründen attestierte Leistungseinschränkung von 20 % könne aus
invalidenversicherungsrechtlicher Sicht nicht anerkannt werden; insgesamt sei
die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers in einer leichten,
wechselbelastenden Tätigkeit in zeitlicher Hinsicht nicht eingeschränkt. Ob
die bisherige, wohl als mittelschwer einzustufende Tätigkeit in der
Reinigungsbranche noch ausgeübt werden könne, sei zumindest fraglich, weshalb
ein Einkommensvergleich vorzunehmen sei. Die Vorinstanz legte dem
Invalideneinkommen einen statistischen Wert (Schweizerische
Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik [LSE] 2002, Tabelle A1,
Anforderungsniveau 4) zugrunde und errechnete für das Jahr 2003 den Betrag
von Fr. 57'806.20 für ein Pensum von 100 %. Sodann rechnete sie diesen Betrag
aber auf "das medizinisch-theoretisch weiterhin zumutbare 150%ige Pensum" um,
was ein anrechenbares Gehalt über Fr. 86'709.30 ergab; davon nahm sie einen
leidensbedingten Abzug von 10 % vor, weil nur noch körperlich leichte,
wechselbelastende Tätigkeiten zumutbar seien. Dies führte zu einem
Invalideneinkommen von Fr. 78'038.35 und zu einem rentenausschliessenden
Invaliditätsgrad von 26 %.

2.2 Der Beschwerdeführer kritisiert dieses Vorgehen als falsch und
aktenwidrig: Gemäss Gutachten des Medizinischen Zentrums X.________ sei eine
ganztägige Arbeit mit 80%iger Leistung zumutbar. Die so umschriebene
Leistungsfähigkeit könne nicht gesteigert werden. Die Vorinstanz dürfe daher
bei der Berechnung des Invalideneinkommens nicht von einem Pensum von 150 %
ausgehen. Massgebend sei vielmehr ein Invalideneinkommen, das einem Pensum
von 100 % (Fr. 57'806.-) abzüglich 10 % entspreche, was - unter
Berücksichtigung des zehnprozentigen Abzugs - einen Invaliditätsgrad von
50,8 % ergebe.

2.3 Für das Invalideneinkommen massgebend ist dasjenige Einkommen, welches
der Versicherte aufgrund seines konkreten Gesundheitszustandes
zumutbarerweise noch zu erzielen in der Lage wäre (Art. 16 ATSG). Ein - in
die Bemessung des Valideneinkommens einbezogenes - Zusatzeinkommen aus
Nebenerwerb ist insoweit zu berücksichtigen, als der Versicherte ein solches
trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung zumutbarerweise weiterhin
erzielen kann. Hierfür ist gleich wie beim Haupterwerb massgebend, welche
Arbeiten und Leistungsumfänge dem Versicherten aufgrund seines
Gesundheitszustandes nach ärztlicher Beurteilung noch zugemutet werden können
(RKUV 2003 Nr. U 476 S. 108 E. 3.2.1 [U 130/02]; Urteile I 109/02 vom
28. August 2003, E. 3.3.2, und I 576/02 vom 16. Mai 2003, E. 2).

2.4 Die vom Medizinischen Zentrum X.________ attestierte
Leistungseinschränkung resultiert einzig aus psychiatrischen Gründen. Die
Vorinstanz hat die entsprechenden Faktoren, der Rechtsprechung (BGE
130 V 352) folgend, als invalidenversicherungsrechtlich unerheblich
betrachtet, wogegen der Beschwerdeführer nichts Substanziiertes einwendet. Zu
berücksichtigen bleibt damit nur die körperliche Beeinträchtigung.
Diesbezüglich hat die Vorinstanz, hauptsächlich gestützt auf das Gutachten
des Medizinischen Zentrums X.________, eine in zeitlicher Hinsicht nicht
eingeschränkte Arbeitsfähigkeit festgestellt. Nach der Expertise ist der
Beschwerdeführer aus rheumatologischer Sicht "als Kellner oder in einem
Reinigungsdienst zu 100 % arbeitsfähig"; "aus rein somatischer Sicht" ergäben
sich "keine Einschränkungen seiner Arbeitsfähigkeit, zumindest für eine
körperlich leichte, wechselbelastende Tätigkeit". Die Gutachter äussern sich
zwar nicht ausdrücklich dazu, ob sich diese Beurteilung auf ein normales
Vollpensum von ungefähr 40 Stunden bezieht oder auf die vom Beschwerdeführer
vorher ausgeübte Tätigkeit im Umfang von rund 150 % eines Normalpensums. Wie
der Beschwerdeführer selber ausführt, war den Gutachtern jedoch bekannt, dass
er einen Nebenerwerb ausübte. Unter diesen Umständen kann die Aussage, es
bestehe keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit, nicht so verstanden werden,
dass dem Beschwerdeführer nur ein Normalpensum von etwa 40 Wochenstunden
zumutbar wäre. Lag das frühere Arbeitspensum über diesem Umfang, beschlägt
die Feststellung einer fehlenden Einschränkung der Arbeitsfähigkeit
vermutungsweise auch die Frage nach dem noch zumutbaren Pensum. So bezog das
Bundesgericht im Falle einer Wirtin den gutachtlich für den bisherigen Beruf
als zumutbar ausgewiesenen Leistungsgrad von 75-80 % auf die bisherige
Wochenarbeitszeit von ca. 80 Stunden (Urteil I 909/05 vom 8. November 2006,
E. 4.1).

Würde die Aussage in einem medizinischen Gutachten, wonach der Versicherte zu
100 % bzw. uneingeschränkt arbeitsfähig ist, generell so verstanden, dass nur
eine Arbeitszeit von ca. 40 Wochenstunden zumutbar sei, so wären damit alle
Personen, welche bisher mehr als ein volles Pensum geleistet haben, mangels
Zumutbarkeit des bisher geleisteten Pensums automatisch als invalid zu
betrachten. Dies widerspräche sowohl dem Grundsatz, wonach die
Invalidenversicherung als Erwerbsunfähigkeitsversicherung im Prinzip für eine
normale erwerbliche Tätigkeit Versicherungsschutz bietet (ZAK 1988 S. 476;
Urteile I 433/06 vom 23. Juli 2007, E. 4.1.2; I 181/05 vom 3. Februar 2006,
E. 2; I 637/03 vom 16. Juni 2004, E. 3.2 und E. 4; I 539/00 vom 8. August
2001, E. 3a, und I 40/93 vom 3. August 1993, E. 3b), als auch dem Grundsatz,
dass im Rahmen des Einkommensvergleichs invaliditätsfremde Faktoren überhaupt
nicht oder dann bei beiden Vergleichsgrössen gleichmässig zu berücksichtigen
sind (BGE 129 V 222 E. 4.4 S. 225 mit Hinweisen), was selbst dann gilt, wenn
ein Versicherter aus invaliditätsfremden Gründen ein überdurchschnittliches
Gehalt bezieht (vgl. Urteil I 283/95 vom 21. Februar 1996, E. 5). War der
Beschwerdeführer als Gesunder in einem insgesamt überdurchschnittlich hohen
Beschäftigungsgrad erwerbstätig - und hat er auch ein entsprechend höheres
Einkommen erzielt, das beim Valideneinkommen berücksichtigt wird (vorne E. 1)
- so ist ihm, wenn keine  Einschränkung der Leistungsfähigkeit attestiert
wird, auch weiterhin ein gleiches überdurchschnittliches Pensum, allenfalls
in einer angepassten Tätigkeit, zumutbar.

2.5 Nach dem Gesagten ist das kantonale Gericht zu Recht von einem nicht
rentenbegründenden Invaliditätsgrad ausgegangen.

3.
Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Kosten des Verfahrens (Art. 65
Abs. 4 lit. a und Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 18. Februar 2008
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Traub