Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 857/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_857/2007

Urteil vom 30. Juni 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Parteien
M.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jürg Baur, Bahnhofstrasse 55, 8600 Dübendorf,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 6. November 2007.

Sachverhalt:

A.
A.a M.________, geboren 1949, meldete sich am 16. Februar 1998 unter Hinweis
auf seit längerer Zeit bestehende starke Depressionen bei der
Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich
führte erwerbliche Abklärungen durch und holte Berichte ein der Psychiatrischen
Klinik A.________ vom 23. Februar 1998, sowie des Dr. med. S.________, FMH für
Allgemeinmedizin, vom 12. März 1998 (dem weitere ärztliche Berichte beilagen).
Am 21. Januar 1999 zog M.________ ihr Leistungsbegehren zurück, worauf die
IV-Stelle das Gesuch als gegenstandslos abschrieb (Mitteilung vom 9. Februar
1999).
A.b Am 31. August 2005 meldete sich M.________ erneut bei der
Invalidenversicherung zum Rentenbezug an, da sie "plötzlich beide Füsse
gebrochen" habe und nun an Arthrose leide. Die IV-Stelle führte wiederum
erwerbliche Abklärungen durch und zog die Akten der Pensionskasse bei
(vertrauensärztliche Berichte der Frau Dr. med. H.________, FMH für Innere
Medizin, vom 20. April und 17. August 2005, denen weitere ärztliche
Beurteilungen beigefügt waren). Zudem veranlasste sie einen Bericht der
Höhenklinik B.________ vom 9. September 2005. Am 22. September 2005 teilte
M.________ der IV-Stelle mit, sie habe sich auch für berufliche Massnahmen
anmelden wollen. Nach Eingang weiterer Berichte des Dr. med. S.________ vom 30.
Oktober 2005 (dem umfangreiche Unterlagen betreffend die Frakturen an beiden
Füssen beilagen), des Spitals C.________ vom 7. November 2005, und der Klinik
D.________ vom 5. Januar 2006, führte die IV-Stelle eine Berufsberatung durch
und verneinte mit Verfügung vom 2. Mai 2006 den Rentenanspruch, da der
Invaliditätsgrad unter 40 % liege. Hiegegen liess die nunmehr anwaltlich
vertretene M.________ Einsprache erheben und die Zusprechung einer
Viertelsrente ab 17. Februar 2006 beantragen. Am 7. September 2006 schloss die
IV-Stelle die Arbeitsvermittlung ab und bestätigte ihre Verfügung vom 2. Mai
2006 nach ergänzenden Abklärungen mit Einspracheentscheid vom 15. September
2006.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde der M.________ wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 6. November
2007 ab.

C.
M.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei ihr mindestens
eine Viertelsrente ab 17. Februar 2006 zuzusprechen.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat. Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes
wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf
einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2
BGG).

2.
Streitig und zu prüfen ist der Rentenanspruch.

2.1 Das kantonale Gericht erwog, gestützt auf die Einschätzungen der Frau Dr.
med. H.________ sowie der Ärzte am Spital C.________ und an der Klinik
D.________ sei die Versicherte in ihrer angestammten Tätigkeit vollständig
arbeitsunfähig, in einer sitzenden Tätigkeit hingegen uneingeschränkt
arbeitsfähig. Dass die vom 19. August bis 20. Oktober 2004 in der Klinik
E.________ stationär und seit 22. Oktober 2004 durch Dr. med. G.________, FMH
für Psychiatrie und Psychotherapie, ambulant behandelte Depression bis zum
massgeblichen Zeitpunkt des Einspracheentscheides die erwerbliche
Leistungsfähigkeit in relevantem Ausmass beeinträchtigt habe, lasse sich weder
dem Schreiben der Frau Dr. med. G.________ vom 21. Dezember 2006 entnehmen,
noch werde dies von der Versicherten behauptet. Eine dauernde Beeinträchtigung
der Erwerbsfähigkeit aus psychischen Gründen sei für den hier massgeblichen
Zeitraum nicht mit genügender Bestimmtheit erstellt.

2.2 Die Beschwerdeführerin rügt, das kantonale Gericht habe den Sachverhalt
offensichtlich unrichtig festgestellt, indem es die psychischen Probleme
unberücksichtigt gelassen habe, obwohl diese bereits im Jahre 1999 aktenkundig
vorhanden gewesen seien. Soweit im angefochtenen Entscheid daraus, dass Frau
Dr. med. H.________ im August 2004 bemerkt habe, die Versicherte sei
"freundlich und aufgestellt" gewesen, geschlossen werde, die Depression sei im
Zeitpunkt des Einspracheentscheides vom 15. September 2006 noch nicht relevant
gewesen, liege darin ebenfalls eine offensichtlich unrichtige Feststellung des
Sachverhaltes. Bereits vom 12. November bis Ende Dezember 2006 sei eine
stationäre Behandlung in der Klinik E.________ erfolgt. Im Übrigen habe auch
der psychiatrische Gutachter Dr. med. N.________, FMH für Psychiatrie und
Psychotherapie (der im Auftrag der Unfallversicherung ein
versicherungspsychiatrisches Gutachten vom 1. Dezember 2007 erstellte, welches
der Rechtsvertreter der Versicherten im Rahmen einer Neuanmeldung vom 7.
Dezember 2007 der IV-Stelle einreichte) eine vollständige Arbeitsunfähigkeit ab
dem Jahre 2004 (bzw. 2006; vgl. E. 3.2 hienach) attestiert.

3.
3.1 Die Feststellung des Gesundheitsschadens, d.h. die Befunderhebung, die
gestützt darauf gestellte Diagnose, die ärztliche Stellungnahme zu dem noch
vorhandenen Leistungsvermögen oder (bei psychischen Gesundheitsschäden) zur
Verfügbarkeit von Ressourcen der versicherten Person sowie die aufgrund der
medizinischen Untersuchungen gerichtlich festgestellte Arbeits(un)fähigkeit
betreffen Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 398). Sie entziehen sich nach der
in E. 1 dargelegten Kognitionsregelung einer Überprüfung durch das
Bundesgericht weitgehend.

3.2 Es ist nunmehr unbestritten, dass die Beschwerdeführerin aus rein
somatischer Sicht in einer sitzenden Tätigkeit nicht in anspruchsbegründendem
Ausmass eingeschränkt ist. Streitig ist hingegen, ob sie zusätzlich an einer
invalidisierenden psychischen Krankheit leidet.
Aktenkundig sind seit vielen Jahren bestehende rezidivierende Depressionen,
derentwegen die Versicherte erstmals im Jahre 1985 und seither wiederholt
stationär und ambulant behandelt wurde. Gleichwohl war sie mehrheitlich in der
Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. So führte sie von 1982 bis im Jahre
2000 selbstständig das Restaurant X.________, war vom 1. Dezember 2000 bis 31.
Juli 2001 vollzeitlich als Hausangestellte im Altersheim Y.________ sowie vom
1. August 2001 bis 31. August 2005 ebenfalls zu 100 % als Mitarbeiterin
Hotellerie (Verantwortliche für den Bereich Speisesaal) im Altersheim
Z.________ tätig. Zwar musste sie während des letzten Arbeitsverhältnisses vom
19. August bis 20. Oktober 2004 wegen einer depressiven Episode stationär in
der Klinik E.________ behandelt werden. Eine invalidisierende psychische
Krankheit kann indes nur angenommen werden, wenn die rezidivierenden
depressiven Episoden zu einer längerdauernden (während eines Jahres
bestehenden), mindestens 40%igen Einschränkung der Arbeitsfähigkeit ohne
wesentlichen Unterbruch führen (Art. 29 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Art. 28
Abs. 1 IVG je in der hier anwendbaren, bis 31. Dezember 2007 in Kraft gewesenen
Fassung). Mit Ausnahme der soeben erwähnten Hospitalisation im Herbst 2004 geht
aus den Akten - einschliesslich der Bestätigung der behandelnden Psychiaterin
Dr. med. G.________ vom 21. Dezember 2006 - nichts hervor, was auf eine weitere
(längerdauernde) Arbeitsunfähigkeit aus psychischen Gründen bis zum Erlass des
Einspracheentscheides schliessen liesse. Vielmehr nahm die Beschwerdeführerin
nach ihrer Entlassung aus der Klinik E.________ ihre Arbeitstätigkeit - bis zum
Auftreten der Fussbeschwerden im Februar 2005 - wieder im gewohnten Umfang auf.
Frau Dr. med. H.________ hielt am 17. August 2005 lediglich fest, es sei eine
erneute psychiatrisch-therapeutische Begleitung durch Frau Dr. med. G.________
geplant.
Ohne dass weiter geprüft werden muss, ob das nach Erlass des vorinstanzlichen
Entscheides ergangene und mit der letztinstanzlichen Beschwerde ins Recht
gelegte Gutachten des Dr. med. N.________ vom 1. Dezember 2007 überhaupt zu
berücksichtigen ist (vgl. Urteile 8C_104/2008 vom 18. März 2008, E. 4.2.1, und
8C_260/2007 vom 31. Oktober 2007, E. 2), kann auf die darin enthaltene
Einschätzung, wonach die Beschwerdeführerin seit dem Jahre 2001 dauernd, wenn
auch in wechselndem Ausmass, arbeitsunfähig gewesen sei, so dass "aufgrund der
Instabilität der psychischen Situation mit weiterhin wechselhaftem Verlauf und
damit einhergehender fehlender Zumutbarkeit für Arbeitgeber" summarisch von
einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit ab dem Jahre 2004 auszugehen sei,
ohnehin nicht abgestellt werden. Dies anerkennt im Übrigen auch die
Beschwerdeführerin ausdrücklich. Ihre Behauptung, Dr. med. N.________ sei ein
Schreibfehler unterlaufen, er habe ab dem Jahre 2006 eine volle
Arbeitsunfähigkeit bescheinigen wollen, wird nicht näher belegt und findet in
den Akten keine Stütze (vielmehr legen seine Ausführungen, wonach seit dem
Jahre 2001 eine dauernde Arbeitsunfähigkeit in wechselndem Ausmass bestehe,
eher den Schluss nahe, dass er tatsächlich eine volle Arbeitsunfähigkeit ab
2004 attestieren wollte).

3.3 Ob die schwere depressive Episode mit Suizidalität, welche eine erneute
Hospitalisation in der Klinik E.________ ab 12. November 2006 erforderlich
machte, zu einer längerdauernden Arbeitsunfähigkeit aus psychischen Gründen
geführt hat, braucht nach den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz in diesem
Verfahren nicht geprüft zu werden, zumal sich weder der Bestätigung der Frau
Dr. med. G.________ vom 21. Dezember 2006 noch den übrigen Akten Hinweise
darauf entnehmen lassen, dass die Episode bereits vor Erlass des
Einspracheentscheides die Arbeitsfähigkeit massgeblich beeinträchtigt hätte
(BGE 131 V 9 E. 1 S. 11). Das kantonale Gericht hat somit weder den Sachverhalt
offensichtlich unrichtig oder unvollständig festgestellt noch sonstwie gegen
Bundesrecht verstossen, wenn es eine invalidisierende psychische Krankheit für
den hier massgeblichen Zeitraum bis zum Erlass des Einspracheentscheides vom
15. September 2006 verneint hat.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der GastroSocial Ausgleichskasse und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 30. Juni 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Bollinger Hammerle