Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 852/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_852/2007

Urteil vom 2. Juli 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Borella, Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiber Fessler.

Parteien
A.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt George Hunziker, Haus zum Raben, Hechtplatz/
Schifflände 5, 8001 Zürich,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 28. September 2007.

Sachverhalt:

A.
Der 1970 geborene A.________ erlitt am ... bei einer Schiesserei
Kopfverletzungen, welche zu vollständiger Arbeitsunfähigkeit führten. Mit
Verfügung vom 28. Juli 2004 lehnte die IV-Stelle des Kantons Zürich sein Gesuch
um eine Rente mit der Begründung ab, sein Verhalten im Zusammenhang mit dem
Vorfall vom ... rechtfertige die dauernde Verweigerung der Geldleistungen. Mit
Einspracheentscheid vom 18. Oktober 2004 hielt die IV-Stelle an ihrem
Standpunkt fest.

B.
Die Beschwerde des A.________ hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich in dem Sinne teilweise gut, dass es die Sache in teilweiser Aufhebung
des Einspracheentscheides vom 18. Oktober 2004 an die IV-Stelle zurückwies,
damit sie den Anspruch auf eine Kinderrente prüfe. Im Übrigen wies es das
Rechtsmittel ab (Entscheid vom 28. September 2007).

C.
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 28. September 2007 sei mit Ausnahme
der Kinderrente aufzuheben und ihm ab ... eine ganze Invalidenrente bei
gleichzeitiger Kürzung derselben um höchstens 60 % zuzusprechen, unter
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen beantragen die
Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.
1.1 Nach Art. 7 Abs. 1 IVG (in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen
Fassung) können Geldleistungen dauernd oder vorübergehend verweigert, gekürzt
oder entzogen werden, wenn der Versicherte die Invalidität vorsätzlich oder
grobfahrlässig oder bei der Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens
herbeigeführt oder verschlimmert hat.
Gemäss Art. 21 Abs. 1 ATSG (in Kraft seit 1. Januar 2003 und aufgrund von Art.
1 Abs. 1 IVG auch im Bereich der Invalidenversicherung anwendbar) können die
Geldleistungen vorübergehend oder dauernd gekürzt oder in schweren Fällen
verweigert werden, wenn die versicherte Person den Versicherungsfall
vorsätzlich oder bei vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens
herbeigeführt oder verschlimmert hat.

1.2 Nach Art. 82 Abs. 1 ATSG sind die materiellen Bestimmungen dieses Gesetzes
auf die bei seinem Inkrafttreten laufenden Leistungen und festgesetzten
Forderungen nicht anwendbar (Satz 1). Wegen Selbstverschuldens gekürzte oder
verweigerte Invaliden- oder Hinterlassenenrenten werden auf Antrag überprüft
und gegebenenfalls frühestens vom Inkrafttreten dieses Gesetzes an aufgrund von
Artikel 21 Absatz 1 und 2 neu festgesetzt (Satz 2).
Hat sich das versicherte Risiko Invalidität vor Inkrafttreten des Allgemeinen
Teils des Sozialversicherungsrechts verwirklicht und ist bis zu diesem
Zeitpunkt keine Rente der Invalidenversicherung zugesprochen worden, beurteilt
sich die Frage einer Leistungskürzung oder -verweigerung bis 31. Dezember 2002
nach alt Art. 7 Abs. 1 IVG und ab 1. Januar 2003 nach Art. 21 Abs. 1 ATSG (vgl.
BGE 130 V 329 und 445).

2.
Es steht fest und ist unbestritten, dass der Tatbestand der Herbeiführung der
Invalidität bei der Ausübung eines Vergehens (alt Art. 7 Abs. 1 IVG) resp. des
Versicherungsfalles bei vorsätzlicher Ausübung eines Vergehens (Art. 21 Abs. 1
ATSG) erfüllt ist. Der Beschwerdeführer erlitt die invalidisierenden
Kopfverletzungen anlässlich einer Auseinandersetzung zwischen zwei
Personengruppen am ..., bei welcher es zu Tätlichkeiten und zu einer
Schiesserei kam. Er wurde wegen Beteiligung an einem Raufhandel im Sinne von
Art. 133 des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 21. Dezember 1937 (StGB; SR
311.0) sowie Widerhandlung gegen das damals für Staatsangehörige seines
Herkunftslandes geltende Verbot des Erwerbs und Tragens von Schusswaffen
verurteilt. Das Strafmass von drei Jahren Freiheitsentzug wurde unter
Berücksichtigung der schweren, voraussichtlich invalidisierenden Verletzungen
in Anwendung von alt Art. 66bis StGB (seit 1. April 2004: Art. 54 StGB) auf
zwei Jahre herabgesetzt (Urteil des Obergerichts X.________ vom 24. April 2001
und Urteil des Bundesgerichts 6S.39/2002 vom 17. April 2002). Diesbezüglich ist
zu Recht unbestritten, dass eine Reduktion des Strafmasses wegen grosser
Betroffenheit des Täters als unmittelbare Folge seiner Tat (BGE 119 IV 280 E.
1a S. 281 f.) für die Frage der Leistungskürzung oder -verweigerung
grundsätzlich ohne Bedeutung ist (vgl. BGE 129 V 354 E. 3.2 S. 358).

3.
Das kantonale Gericht hat die Rentenverweigerung durch die IV-Stelle mit
folgender Begründung bestätigt: Das Ausmass der Leistungskürzung oder sogar der
Leistungsverweigerung bestimme sich nach dem Verschulden. Dieser Begriff setze
die Verletzung objektiver Standards durch die versicherte Person und subjektiv
die Vorwerfbarkeit ihres Verhaltens voraus. Im konkreten Fall sei objektiv von
Bedeutung, dass beim Raufhandel am ... Schusswaffen zum Einsatz gekommen seien,
was nicht nur für die daran beteiligten Personen, sondern auch für unbeteiligte
Dritte ein grosses Gefahrenpotential in sich berge. Insofern sei der
Sachverhalt durchaus mit einem gemeingefährlichen Verbrechen wie beispielsweise
Brandstiftung im Sinne von Art. 221 StGB oder Fahren in angetrunkenem Zustand
bei einem Alkoholisierungsgrad von 2,8 Promille und mehr gemäss Art. 91 Abs. 2
SVG vergleichbar. In beiden Fällen betrage nach der auch im Bereich der
Invalidenversicherung grundsätzlich anwendbaren Praxis der SUVA gestützt auf
die Empfehlungen der inoffiziellen Ad-hoc-Kommission Schaden UVG der
Kürzungssatz bis zu 70 %. In subjektiver Hinsicht falle ins Gewicht, dass
gemäss der strafgerichtlichen Verschuldensbeurteilung der Beschwerdeführer als
treibende Kraft für die stattgefundene Schiesserei zu betrachten sei. Sein
Verhalten zeuge insofern von einer äusserst grossen Verantwortungslosigkeit,
als er am Streit unbeteiligte Landsleute in die Auseinandersetzung
hineingezogen und sich als Aussenseiter auf eine Konfrontation mit einer
offenbar im Prostituiertenmilieu verankerten Gruppierung eingelassen habe, dies
im Wissen, dass deren Mitglieder bewaffnet waren. Das lasse auf ein grosses
Gewaltpotential und auf kriminelle Energie schliessen. Das subjektive
Verschulden erweise sich daher als sehr schwer. Mildernde Umstände, welche das
Verhalten des Beschwerdeführers nachvollziehbar und verständlich machten, seien
nicht gegeben. Sei es ihm ursprünglich darum gegangen, seine Freundin gegenüber
seinem Hauptkontrahenten bezüglich einer Mietzinsforderung zu unterstützen, sei
nicht einsichtig, weshalb er deswegen schliesslich eine bewaffnete
Auseinandersetzung angefangen habe. Ebenfalls sei nicht von Belang, dass der
Beschwerdeführer als Folge der erlittenen Schussverletzungen vollständig
invalid und nunmehr auf Sozialhilfe angewiesen sei. Insgesamt seien das
objektive und subjektive Verschulden derart schwer, dass die Rentenverweigerung
nach altem und neuem Recht geboten gewesen sei.

4.
4.1 Der Beschwerdeführer rügt, die IV-Stelle habe sich nur höchst oberflächlich
mit der Erstellung des Sachverhalts befasst und einfach summarisch auf die
Ergebnisse des Strafverfahrens gemäss Dispositiv abgestellt, ohne aktenkundige
Einzelheiten, welche zu seinen Gunsten sprächen, zu berücksichtigen. Das
kantonale Gericht hätte sich daher bei der Festsetzung der Kürzungsquote in
Bezug auf die Überprüfung der Ermessensausübung der Verwaltung keine
Beschränkungen auferlegen dürfen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers
ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz in tatsächlicher Hinsicht auf die
Sachverhaltsfeststellungen im Strafurteil vom 24. April 2001 abgestellt hat. Er
legt denn auch nicht dar, inwiefern diese offensichtlich unrichtig sind oder
auf einer Verletzung von Bundesrecht beruhen und welche zusätzlichen
Abklärungen neue wesentliche Erkenntnisse bringen könnten (Art. 95 lit. a und
97 Abs. 1 BGG sowie Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).

4.2 Im Weitern rügt der Beschwerdeführer, die Vorinstanz sei ihrer
Abklärungspflicht nicht nachgekommen. Aufgrund der erlittenen Verletzungen habe
er seine Rechte im Strafverfahren nur in sehr eingeschränkter Weise wahrnehmen
können. Das Strafurteil beruhe überwiegend auf den Schilderungen der
Verbrecherbande, was unvermeidlich eine unzutreffende Aufbauschung seiner Rolle
und seines Verschuldens zur Folge gehabt habe. Diese Vorbringen stellen neue
Tatsachen im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG dar. Sie sind daher nicht zu hören.
Abgesehen davon war der Beschwerdeführer im Strafverfahren anwaltlich vertreten
und nennt er die seines Erachtens für eine richtige und vollständige
Sachverhaltsfeststellung zusätzlich notwendigen und geeigneten Beweismassnahmen
nicht.

4.3 Sodann rügt der Beschwerdeführer, die Vorinstanz gehe zu Unrecht davon aus,
den rechtsanwendenden Behörden komme beim Entscheid über die Verweigerung von
Versicherungsleistungen kein Entschliessungsermessen zu (vgl. dazu BGE 120 V
224 E. 4b S. 230, 111 V 186 E. 4a S. 194; vgl. auch BGE 114 V 190 E. 4b S.
191). Darauf ist nicht näher einzugehen. Der Beschwerdeführer legt nicht dar,
inwiefern diese Frage für den Ausgang des Verfahrens von Bedeutung ist.

4.4 Ferner rügt der Beschwerdeführer, das kantonale Gericht habe nicht
entscheidwesentliche Umstände in die Verschuldenswürdigung einbezogen.
Massgebend sei nur das Verhalten unmittelbar im Vorfeld des
Schadensereignisses. In diesem Zusammenhang habe die Vorinstanz
unberücksichtigt gelassen, dass er seine Freundin angewiesen habe, die Polizei
zu rufen, welche aber - aus welchen Gründen auch immer - erst spät auf der
Bildfläche erschienen sei, dass seine Freundin damals schwanger gewesen sei und
dass er laut Strafurteil den Angriff nicht vorsätzlich provoziert und in Bezug
auf die von ihm abgegebenen Schüsse in einer Notwehrsituation gehandelt habe.
Diese Vorbringen sind entweder neu und daher unzulässig (Art. 99 Abs. 1 BGG),
oder sie sind nicht stichhaltig. Abgesehen davon, dass die Vorinstanz die
meisten der erwähnten Umstände bei der Verschuldensbeurteilung berücksichtigt
hat, bleibt der Beschwerdeführer die Erklärung schuldig, weshalb es überhaupt
am ... - vor Eintreffen der Polizei - zur Auseinandersetzung mit
Verletzungsfolgen kommen konnte. Im Weitern hatte er nach allgemeiner
Lebenserfahrung im damaligen Zeitpunkt kaum Kenntnis von der Schwangerschaft
seiner Freundin. Ihr Sohn wurde am ... geboren. Bei einer in der Regel
neunmonatigen Schwangerschaftsdauer war seine Freundin am ... gut drei Wochen
in anderen Umständen. Aufgrund des Gesagten kann auch nicht davon gesprochen
werden, das kantonale Gericht habe vom Beschwerdeführer das Bild eines
ordinären Kriminellen gezeichnet und seinen rechtlichen Erwägungen zu Grunde
gelegt. Die verbindliche und im Übrigen unbestrittene Feststellung der
Vorinstanz bleibt aber bestehen, dass er massgeblichen Anteil daran hatte, dass
es überhaupt zur fraglichen Schiesserei gekommen war.

4.5 Schliesslich rügt der Beschwerdeführer, das kantonale Gericht sei vom
strafrechtlichen und nicht vom sozialversicherungsrechtlichen
Verschuldensbegriff ausgegangen. Relevant könne einzig die Willenseinstellung
mit Bezug auf die konkrete und direkte Herbeiführung der Ursache seiner
Invalidität sein. Alles andere käme einer eigentlichen Bestrafung gleich, was
unzulässig sei. Nach der Kasuistik bestimme sich schweres Verschulden dadurch,
dass - bei einer objektiv abstrakten Betrachtungsweise - der eingetretene
Schaden eine klar vorhersehbare Folge des Verhaltens der versicherten Person
sei. In diesem Zusammenhang habe die Vorinstanz ihr Ermessen insoweit
überschritten, als sie sich nicht ernsthaft mit den bekannten Präzedenzfällen
auseinandergesetzt habe. In der Praxis seien kaum Fälle vollständiger
Leistungsverweigerung bekannt. In verschuldensmässig vergleichbaren Fällen sei
maximal eine Kürzung von 50-60 % erfolgt.
4.5.1
4.5.1.1 Ob eine Invalidenrente zu kürzen und gegebenenfalls das Mass der
Kürzung oder ob die Leistung überhaupt zu verweigern ist, bestimmte sich unter
der Herrschaft von alt Art. 7 Abs. 1 IVG nach dem Verschulden der versicherten
Person (BGE 111 V 186 E. 5a S. 196). Dabei genügte Grobfahrlässigkeit (BGE 121
V 45 E. 3b S. 47) nicht (BGE 119 V 171). Ebenso war eine Leistungskürzung
infolge Herbeiführung der Invalidität bei Begehung einer schweren
Verkehrsregelverletzung zulässig (BGE 119 V 241). Diese Regelung hat lediglich
insofern eine Änderung erfahren, als in Art. 21 Abs. 1 ATSG von der
Herbeiführung oder Verschlimmerung des Versicherungsfalles bei vorsätzlicher
Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens die Rede ist. Diese sprachliche
Neufassung hat jedoch inhaltlich nichts geändert. Das Gesetz sagt somit nach
wie vor nicht, was unter Verschulden zu verstehen ist, insbesondere wann ein
schwerer Fall vorliegt, welcher eine Leistungsverweigerung rechtfertigt. Klar
ist, dass das strafrechtliche Verschulden allenfalls Ausgangspunkt bei der
Umschreibung von zur Kürzung oder sogar Verweigerung einer Rente der
Invalidenversicherung gestützt auf alt Art. 7 Abs. 1 IVG oder Art. 21 Abs. 1
ATSG Anlass gebenden Verhaltensweisen sein kann. Darauf kann in der Regel aber
nicht abgestellt werden, wie in der Beschwerde insoweit richtig vorgebracht
wird. Die Kürzung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen ist eine
verwaltungsrechtliche Sanktion. Sie bezweckt den Schutz der Versicherung vor
ungerechtfertigter Inanspruchnahme und hat nicht pönalen Charakter (BGE 129 V
354 E. 3.2 in fine S. 359, 119 V 241 E. 4b in fine S. 249). Die Versicherung
soll nicht über Gebühr mit Schäden belastet werden, welche die Betroffenen bei
Anwendung der ihnen zumutbaren Sorgfalt hätten vermeiden können (BGE 111 V 186
E. 2a S. 187; vgl. auch BGE 114 V 190 E. 4b/bb S. 192).
Deshalb kann in objektiver Hinsicht grundsätzlich allein das abstrakte oder
konkrete Gefährdungspotential für die versicherte Person selber von Bedeutung
sein. Desgleichen kann subjektiv die Vorgehensweise, namentlich die
Rücksichtslosigkeit des Verhaltens, nur insofern beachtlich sein, als dadurch
die Gefahr, sich selber ernstlich und irreversibel zu verletzen oder allenfalls
von Dritten verletzt zu werden, erst geschaffen oder erhöht wird. Nicht
erforderlich ist eine richtige Vorstellung von der genauen Art des durch das
vorwerfbare Verhalten eingegangenen Gesundheitsrisikos (BGE 111 V 186 E. 4b S.
195). Nur soweit reicht der Vorwurf, der eine Leistungskürzung oder sogar die
Verweigerung der Leistung rechtfertigt. Die Beurteilung hat aufgrund der
gesamten Umstände des konkreten Falles zu erfolgen (vgl. Alexandra Rumo-Jungo,
Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Bundesgesetz
über die Unfallversicherung, 3. Aufl., S. 200).
4.5.1.2 Diese Konzeption liegt auch Art. 49 Abs. 2 lit. a UVV zu Grunde. Nach
dieser Bestimmung werden u.a. die Geldleistungen mindestens um die Hälfte
gekürzt für Nichtberufsunfälle, die sich ereignen bei Beteiligung an Raufereien
und Schlägereien, es sei denn, der Versicherte sei als Unbeteiligter oder bei
Hilfeleistung für einen Wehrlosen durch die Streitenden verletzt worden. Der
Tatbestand des Art. 49 Abs. 2 lit. a UVV ist grundsätzlich
verschuldensunabhängig konzipiert (so schon EVGE 1964 S. 73 E. 1 zu Art. 67
Abs. 3 KUVG) und weiter gefasst als der Straftatbestand der Beteiligung an
einem Raufhandel gemäss Art. 133 StGB. Es genügt, dass das zu sanktionierende
Verhalten objektiv gesehen die Gefahr einschliesst, in Tätlichkeiten
überzugehen oder solche nach sich zu ziehen, und die versicherte Person dies
erkannt hat oder erkennen musste. Das Verhalten muss nach dem gewöhnlichen Lauf
der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sein, eine
Gesundheitsschädigung von der Art des eingetretenen herbeizuführen (SVR 2006 UV
Nr. 13 S. 45 E. 1 [in BGE 132 V 27 nicht publiziert]). Dies ist ohne weiteres
zu bejahen, wenn Schusswaffen zum Einsatz kommen und die versicherte Person
angeschossen wird.
4.5.2 Die grobfahrlässige Herbeiführung oder Verschlimmerung einer Invalidität
zog nach alt Art. 7 Abs. 1 IVG grundsätzlich nicht den gänzlichen
Leistungsentzug nach sich, sondern führte lediglich zu einer Leistungskürzung
(BGE 111 V 186 E. 5a S. 196). In der Praxis waren und sind die Fälle von
Leistungsverweigerung selten. Im nicht veröffentlichten Urteil I 50/97 vom 30.
Juni 1997 bestätigte das Eidg. Versicherungsgericht die vorinstanzliche
Verweigerung einer Invalidenrente bei einem Versicherten, welcher sich
überwiegend wahrscheinlich seit 1990 selbst verstümmelt hatte. Gemäss Rz. 7008
und 7009 des Kreisschreibens über Invalidität und Hilflosigkeit in der
Invalidenversicherung (KSIH, in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung) ist
eine Rentenkürzung zwischen 10 % bis maximal 50 % die Regel. Dies entspricht
auch der Kürzungspraxis im Bereich der Unfallversicherung (vgl. die Kasuistik
bei Rumo-Jungo a.a.O. S. 203 ff.).
4.5.3 Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist somit nicht von Bedeutung,
dass der Beschwerdeführer unbeteiligte Dritte in die Auseinandersetzung vom ...
hineinzog. Dabei kann offen bleiben, ob diese um den möglichen Gebrauch von
Schusswaffen wussten. Die Gefährdung allfälliger unbeteiligter Dritter ebenso
wie der diesbezügliche Vorwurf äusserst grosser Verantwortungslosigkeit haben
für die Frage der Leistungskürzung oder -verweigerung ausser Acht zu bleiben.
Insofern geht auch der Vergleich der Vorinstanz mit vorsätzlicher Brandstiftung
fehl. Anderseits stellt bereits die Beteiligung des Beschwerdeführers an der
Auseinandersetzung vom ... ein zur Leistungskürzung Anlass gebendes Verhalten
dar. Nach der auch hier zu beachtenden Praxis im Bereich der Unfallversicherung
ist ein Kürzungssatz von mindestens 50 % anzuwenden. Erschwerend kommt hinzu,
dass der Beschwerdeführer letztlich einen ganz entscheidenden Anteil daran
hatte, dass es überhaupt zu dieser als gewaltsam zu bezeichnenden Konfrontation
kam. Dass es andere Möglichkeiten der Beilegung des seine Freundin betreffenden
Streits um die Höhe des Mietzinses gegeben hätte, steht ausser Frage. Dabei
musste der Beschwerdeführer damit rechnen, dass Schusswaffen zum Einsatz
gelangen. Er ging sogar von diesem Szenario aus, war er doch selber auch
bewaffnet. Der Einwand, er habe seine Waffe erst geladen, als er sichere
Kenntnis vom Herannahen der schwer bewaffneten Peiniger seiner schwangeren
Freundin gehabt habe, ist schon deshalb nicht stichhaltig, weil nach
verbindlicher Feststellung der Vorinstanz (auch) er die gewaltsame
Auseinandersetzung gesucht hatte. In diesem Zusammenhang trifft zwar zu, dass
der Beschwerdeführer vom Vorwurf der mehrfachen versuchten
eventualvorsätzlichen Tötung, der eventualvorsätzlichen mehrfachen schweren
Körperverletzung sowie der Gefährdung des Lebens freigesprochen worden war.
Dieser Freispruch erfolgte indessen nach der strafrechtlichen Maxime «in dubio
pro reo», welche im Sozialversicherungsrecht nicht gilt. Darauf beruhende
strafgerichtliche Urteile sind für die Sozialversicherungsgerichte denn auch
nicht verbindlich (EVGE 1967 S. 96 E. 2; BGE 129 V 472 E. 421 S. 477 [«in dubio
pro assicurato»]). Durch sein aggressives und entschlossenes Verhalten
gegenüber einer im Prostituiertenmilieu verankerten Gruppierung, von deren
Gewaltbereitschaft auszugehen war, setzte sich der Beschwerdeführer einer
grossen und ernstlichen Verletzungsgefahr aus. Er musste sogar damit rechnen,
getötet zu werden. In Würdigung der gesamten Umstände kann die vorinstanzliche
Annahme eines schweren Falles im Sinne von Art. 21 Abs. 1 ATSG und die darauf
und auf alt Art. 7 Abs. 1 IVG gestützte Verweigerung der Invalidenrente nicht
als bundesrechtswidrig bezeichnet werden. Die Beschwerde ist somit unbegründet.

5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer grundsätzlich
die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seinem Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege kann jedoch entsprochen werden (Art. 64 BGG; BGE
125 V 201 E. 4a S. 202). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG
hingewiesen, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten
hat, wenn sie später dazu in der Lage ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
einstweilen auf die Gerichtskasse genommen.

4.
Rechtsanwalt George Hunziker, Zürich, wird als unentgeltlicher Anwalt des
Beschwerdeführers bestellt und es wird ihm für das bundesgerichtliche Verfahren
aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2000.- ausgerichtet.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 2. Juli 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Fessler