Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 770/2007
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9C_770/2007

Urteil vom 14. März 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber Maillard.

Bundesamt für Sozialversicherungen, Effingerstrasse 20, 3003 Bern,
Beschwerdeführer,

gegen

1. D.________, vertreten durch Rechtsanwältin
   Christina Stutz-Berger, Aegeristrasse 50, 6300 Zug,
2. Personalvorsorgestiftung X.________, vertreten   durch
Rechtsanwalt Hans-Rudolf Wild, Damm-  strasse 19, 6300 Zug,
Beschwerdegegnerinnen.

Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom
27. September 2007.

Sachverhalt:

A.
Die am 19. März 1944 geborene D.________ bezieht seit September 1999 von der
Personalvorsorgestiftung X.________ (Stiftung) aus beruflicher Vorsorge eine
halbe Rente im Betrag von jährlich Fr. 16'416.-. Nachdem zwischen der
Stiftung und der Versicherten im Hinblick auf die bevorstehende Ablösung der
Invaliden- durch eine Altersrente ein Briefwechsel zu keiner Einigung geführt
hatte, teilte die Stiftung D.________ am 6. April 2006 mit, ab 1. April 2006
werde ihr eine monatliche BVG-Altersrente von Fr. 785.45 ausgerichtet.

B.
Am 22. Mai 2006 liess D.________ beim Verwaltungsgericht des Kantons Zug
Klage gegen die Stiftung einreichen mit dem Begehren, ihr sei die
Invalidenrente bis zum Erreichen des Rentenalters gemäss Reglement, das
heisst bis Ende März 2009, auszurichten. Eventualiter seien die
obligatorischen Invalidenleistungen bis Ende März 2008 und die
überobligatorischen bis Ende März 2009, subeventualiter sämtliche
Invalidenleistungen bis Ende März 2008, auszurichten. Mit Entscheid vom 27.
September 2007 hiess das Verwaltungsgericht die Klage teilweise gut und
verpflichtete die Stiftung, D.________ die bisherige (teuerungsangepasste)
Invalidenrente bis am 31. März 2008 auszuzahlen (zuzüglich Zinsen) und ihr
danach die gesetzlichen und reglementarischen Altersleistungen auszurichten.

C.
Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) führt Beschwerde mit dem Antrag,
der angefochtene Entscheid sei insofern abzuändern, als die Invalidenrente
D.________ bis Ende März 2009 zu gewähren sei.

D. ________ und die Stiftung verzichten auf eine Vernehmlassung, während das
kantonale Gericht Abweisung der Beschwerde beantragt.
Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann nach Art.
95 lit. a BGG die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der
Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Einziger Streitpunkt ist die Frage, auf welchen Zeitpunkt hin der Anspruch
der Beschwerdegegnerin 1 auf eine Invalidenrente durch denjenigen auf eine
Altersleistung abgelöst wird. Während die Vorinstanz diesen gestützt auf Art.
13 Abs. 1 lit. a BVG in Verbindung mit Art. 62a Abs. 1 BVV 2 zwingend im
Erreichen des ordentlichen Rentenalters 64 der Frauen gemäss AHVG erblickt
(hier März 2008), berufen sich das beschwerdeführende Bundesamt und die
Versicherte übereinstimmend auf Art. 9 und Art. 14 Abs. 6 des am 1. April
2005 in Kraft getretenen Reglementes der Stiftung (nachfolgend Reglement
2005), wonach der Anspruch auf die Invalidenrente u.a. erlischt, wenn das
reglementarische ordentliche Rücktrittsalter 65 (hier März 2009) erreicht
wird.

3.
3.1 Die Vorinstanz hat zunächst richtig erkannt, dass der Anspruch auf
Invalidenleistungen im Grundsatz mit dem Tode des Anspruchsberechtigten oder
mit dem Wegfall der Invalidität erlischt. Im Gegensatz zur Rente der
Invalidenversicherung ist die BVG-Invalidenrente eine Leistung auf
Lebenszeit; sie wird nicht durch die BVG-Altersrente abgelöst, wenn der
Bezüger das gesetzliche Rücktrittsalter erreicht. Hingegen kann
reglementarisch vorgesehen werden, dass die Invalidenrente bei Erreichen des
Rücktrittsalters in eine Altersrente überführt wird. In diesem Falle muss die
sie ablösende Altersrente - im obligatorischen Bereich - mindestens der
bisherigen Invalidenleistung entsprechen, d.h. gleichwertig sein (BGE 130 V
369 E. 2.1 S. 371). Im überobligatorischen Bereich besteht die genannte
Einschränkung hingegen nicht (BGE 130 V 369 E. 6.4 S. 376).

3.2 Es ist unbestritten, dass die im obligatorischen und überobligatorischen
Bereich (umhüllende Kasse) tätige Stiftung von der in E. 3.1 beschriebenen
Möglichkeit in Art. 14 Abs. 6 des hier anwendbaren Reglementes 2005 Gebrauch
gemacht hat: Danach erlischt der Anspruch auf die Invalidenrente, wenn die
Invalidität wegfällt, wenn das Mitglied stirbt oder das Rücktrittsalter
erreicht ist.

3.3 Nach Art. 9 des Reglementes 2005 wird das ordentliche Rücktrittsalter am
Monatsersten nach Vollendung des 65. Altersjahres erreicht. Die genannte
Bestimmung unterscheidet nicht zwischen den Geschlechtern, sodass sie für
Frauen und Männer gleichermassen gilt. Die Vorinstanz versagt dieser klaren
Regelung mit der Begründung die Anwendung, nach zwingendem Bundesrecht gelte
das ordentliche Rentenalter der Frauen im AHVG auch als ordentliches
BVG-Rentenalter. Der entsprechende Art. 13 BVG gehöre nach Art. 6 BVG zu den
Mindestvorschriften, weshalb Frauen nach Vollendung des 64. Altersjahres
Anspruch auf die obligatorischen und überobligatorischen Altersleistungen
hätten.

3.4 Zu Recht weist indessen das BSV in der Beschwerde darauf hin, dass das
BVG den Vorsorgeeinrichtungen in den Mindestvorschriften ausdrücklich
erlaubt, das Rentenalter in den Reglementen abweichend von der gesetzlichen
Lösung festzulegen, sofern die Mindestansprüche der Versicherten gewahrt
bleiben (BGE 133 V 575 E. 5 S. 577). Dies geht im Übrigen auch aus den
Gesetzesmaterialien hervor. In der Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz
über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 19.
Dezember 1975 (BBl 1976 I 227) wurde im Kommentar zur ursprünglichen Fassung
des damaligen Art. 14 festgehalten, dass gleich wie in der AHV der Anspruch
auf eine Altersleistung für die Männer mit dem zurückgelegten 65., für die
Frauen mit dem 62. Altersjahr fällig wird. Der Anspruch entsteht in der
Ersten und in der Zweiten Säule genau zum selben Zeitpunkt. Es versteht sich,
dass die Vorsorgeeinrichtungen das Rentenalter auch unter 65 bzw. 62 Jahren
ansetzen können. Leistungen vor dem gesetzlich festgesetzten Zeitpunkt haben
aber den Charakter weitergehender Leistungen im Sinne von Artikel 47 Absatz
2. Umgekehrt können die Vorsorgeeinrichtungen nach Artikel 14 Absatz 2 auch
vorsehen, dass der Bezug der Altersrente über das 65. bzw. 62. Altersjahr
hinaus aufgeschoben wird, wie dies bei der eidgenössischen AHV der Fall ist.
Im Nationalrat wurde der Wortlaut dieses Artikels zwar verändert, indessen
nur, um auch den Vorbezug von Altersleistungen zu ermöglichen. Dass der
Aufschub möglich sein soll, war hingegen unbestritten (vgl. Stenographisches
Bulletin des Ständerates 1980, S. 268, Votum von Berichterstatter SR Kündig).
Im Nationalrat wurde die geänderte Fassung mit einer redaktionellen Änderung
diskussionslos angenommen (vgl. Stenographisches Bulletin des Nationalrates
1981, S. 1039). Auch in der Literatur wird der reglementarisch vorgesehene
Aufschub über das ordentliche Schlussalter im obligatorischen Bereich als
zulässig erachtet (siehe Jürg Brühwiler, Obligatorische berufliche Vorsorge,
in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 2.
Auflage, Basel 2006, Rz. 87 S. 2035). Dass dies auch im überobligatorischen
Bereich zulässig ist, ist ohnehin selbstverständlich (siehe dazu: Hermann
Walser, Weitergehende berufliche Vorsorge, in: SBVR, a.a.O., Rz. 87 S. 2115).

3.5 Nach dem Gesagten steht die Bundesrechtskonformität der
Reglementsbestimmung fest, wonach das ordentliche Rücktrittsalter (für
Frauen) am Monatsersten nach Vollendung des 65. Altersjahres erreicht wird.
Da des Weitern nicht in Abrede gestellt wird, dass hier im obligatorischen
Bereich die BVG-Mindestansprüche eingehalten werden, wird auch die
BVG-Invalidenrente der Versicherten erst am 1. April 2009 durch die
BVG-Altersrente abgelöst.

4.
Die Gerichtskosten werden der Beschwerdegegnerin 2 als unterliegender Partei
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Versicherte ist zwar formell als
Beschwerdegegnerin, allenfalls als Mitbeteiligte, zu betrachten, im Ergebnis
aber so oder anders als obsiegende Partei. Deshalb sind ihr keine Kosten
aufzuerlegen und hat sie Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs.
2 BGG), welche entsprechend dem geringen Aufwand auf Fr. 500.- festgelegt
wird.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zug vom 27. September 2007 wird insoweit abgeändert, als die
Beschwerdegegnerin 2 der Beschwerdegegnerin 1 die Invalidenrente bis am 31.
März 2009 zu gewähren hat.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin 2 auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin 2 hat die Beschwerdegegnerin 1 für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 500.- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug,
Sozialversicherungsrechtliche Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 14. März 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Maillard