Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 767/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_767/2007

Urteil vom 24. Juni 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Borella, Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiber Fessler.

Parteien
Bundesamt für Sozialversicherungen, Effingerstrasse 20, 3003 Bern,
Beschwerdeführer,

gegen

K.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Alfred Dätwyler,
Bielstrasse 3, 4500 Solothurn,

Ausgleichskasse des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil.

Gegenstand
Alters- und Hinterlassenenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn
vom 24. September 2007.

Sachverhalt:

A.
Die 1992 gegründete Genossenschaft X.________ war der Ausgleichskasse des
Kantons Solothurn angeschlossen. Am 30. August 2004 wurde über die Gesellschaft
der Konkurs eröffnet. In diesem kam die Ausgleichskasse mit Fr. 81'715.70 (Fr.
83'317.- [eingegebene Beitragsforderung] - Fr. 1'601.30 [Dividende]) zu
Verlust. Mit Verfügung vom 31. Januar 2006 verpflichtete die Ausgleichskasse
K.________ als ehemaligen Präsidenten der Verwaltung der konkursiten
Genossenschaft zur Bezahlung von Fr. 81'715.70 Schadenersatz für entgangene
Beiträge unter solidarischer Haftung mit den übrigen sechs Mitgliedern der
Verwaltung (L.________, A.________, H.________, F.________, R.________,
B.________). Mit Einspracheentscheid vom 7. Juni 2006 reduzierte sie den
Schadenersatzbetrag auf Fr. 67'462.35. Als solidarisch Haftende wurden neu
W.________, Z.________, U.________ und S.________ bezeichnet. Die
Einspracheverfahren betreffend die Schadenersatzpflicht der genannten zehn
ebenfalls in Anspruch genommenen Personen endeten mit deren Entlassung aus der
Haftung mangels Organstellung resp. Organeigenschaft.

B.
In Gutheissung der Beschwerde des K.________ hob das Versicherungsgericht des
Kantons Solothurn den Einspracheentscheid vom 7. Juni 2006 auf. Es begründete
dies damit, die Ausgleichskasse habe es unterlassen, den
Schadenersatzpflichtigen zu den Einspracheverfahren der übrigen zehn in
Anspruch genommenen Personen beizuladen, was eine nicht heilbare Verletzung des
rechtlichen Gehörs darstelle (Entscheid vom 24. September 2007).

C.
Das Bundesamt für Sozialversicherungen erhebt Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid
vom 24. September 2007 sei aufzuheben.

Die Ausgleichskasse schliesst sich dem Antrag der Aufsichtsbehörde an. Das
kantonale Gericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde, ebenso K.________,
soweit auf das Rechtsmittel einzutreten sei.
Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den kantonal
letztinstanzlichen verfahrensabschliessenden Entscheid ist zulässig (Art. 82
lit. a, 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG). Das Bundesamt für
Sozialversicherungen ist zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 2 lit. a BGG
in Verbindung mit Art. 201 AHVV). Gemäss der bei den Akten liegenden
Bescheinigung hat das Bundesamt den vorinstanzlichen Entscheid am 3. Oktober
2007 in Empfang genommen. Die am 1. November 2007 aufgegebene Beschwerde ist
somit rechtzeitig (Art. 44 Abs. 1 und Art. 100 Abs. 1 BGG). Auf das
Rechtsmittel ist einzutreten.

2.
Die Vorinstanz hat eine Schadenersatzpflicht des Beschwerdegegners nach Art. 52
AHVG mit folgender Begründung verneint: Die Ausgleichskasse habe auch gegen
zehn weitere Personen, u.a. die übrigen sechs im Handelsregister eingetragenen
Mitglieder der Verwaltung der in Konkurs gegangenen Genossenschaft,
Schadenersatzverfügungen erlassen, diese jedoch alle auf Einsprache hin von der
Haftung befreit. Dadurch stehe der Beschwerdeführer als Alleinverantwortlicher
da, was seine Rechtsstellung unmittelbar und erheblich beeinträchtige. Ihm
hätte daher vor einer Änderung in der Solidarhaftung das rechtliche Gehör
gewährt werden müssen in Form einer Beiladung in den Einspracheverfahren der
übrigen zehn Personen. Die Unterlassung dieser Beiladung stelle eine
Gehörsverletzung dar. Eine Behebung des Mangels sei indessen auch mit einer
Rückweisung an die Ausgleichskasse nicht mehr möglich, da die übrigen
Einspracheverfahren inzwischen abgeschlossen seien. Der Beschwerdeführer wäre
nach Art. 59 ATSG zur Anfechtung der freisprechenden Einspracheentscheide
legitimiert gewesen, was ihm mangels Zustellung jedoch verunmöglicht worden
sei. Dieser Eröffnungsfehler dürfe sich nicht zu seinem Nachteil auswirken. Die
Einspracheentscheide nachträglich zu eröffnen und das Beschwerderecht
zuzubilligen, sei aufgrund des Vertrauens der anderen Beteiligten, dass die
Angelegenheit erledigt sei und sie keine Haftpflicht treffe, nicht mehr
möglich. Diese Verwaltungsakte seien daher rechtskräftig. Könne aber die
Gehörsverletzung nicht mehr geheilt werden, bleibe nichts anderes übrig, als
auch den Beschwerdeführer vollumfänglich von der Schadenersatzpflicht zu
befreien.

3.
3.1 Nach der Rechtsprechung haften mehrere nach Art. 52 AHVG
Schadenersatzpflichtige solidarisch. Die solidarische Haftung erlaubt der
Ausgleichskasse, gegen alle oder lediglich einige von ihnen, allenfalls nur
einen Einzelnen, vorzugehen (BGE 119 V 86 E. 5a S. 87; Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts H 365/01 vom 15. April 2002 E. 3a mit Hinweisen). Die
Haftung Mehrerer ändert zwar nichts daran, dass der Einzelne gegenüber der
Ausgleichskasse den ganzen von ihm zu verantwortenden Betrag schuldet. Die
rechtliche und tatsächliche Stellung eines Schadenersatzpflichtigen wird aber
dadurch verändert, dass er gegebenenfalls gegen allfällige Mithaftende
regressieren kann (vgl. BGE 132 III 523) oder die Ausgleichskasse
möglicherweise die Forderung zuerst gegen andere Mithaftende vollstreckt. Er
hat daher ein rechtliches und faktisches Interesse daran, dass neben ihm auch
andere Personen für haftbar erklärt werden. Dieses Interesse kann es
rechtfertigen, den in Anspruch Genommenen auch an Verfahren gegen andere
potenziell Schadenersatzpflichtige zu beteiligen.

3.2 Die I. Kammer des Eidg. Versicherungsgerichts fasste am 14. Dezember 1984
den Grundsatzbeschluss, dass schadenersatzpflichtige Arbeitgeberorgane, die
getrennt oder miteinander Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben, gemäss Art.
110 Abs. 1 OG (in Kraft gestanden bis 31. Dezember 2006) gegenseitig zur
Vernehmlassung einzuladen sind. Dies gilt gemäss der mit
Gesamtgerichtsbeschluss vom 22. August 2006 im Fall H 72/06 ausdrücklich
bestätigten Rechtsprechung auch für das Verfahren vor den kantonalen
Sozialversicherungsgerichten. Diese haben in einem Streit um Schadenersatz nach
Art. 52 AHVG andere von der Ausgleichskasse für die gleiche Schadenersatzsumme
belangte Solidarschuldner als Mitinteressierte beizuladen, und zwar sowohl wenn
gegen diese das Verfahren noch hängig ist, als auch wenn deren Haftung bereits
rechtskräftig feststeht (SVR 2007 AHV Nr. 2 [H 72/06] S. 5 E.2.2 mit Hinweisen;
Urteile H 47/06 vom 11. Dezember 2006 E. 4.2 und H 68/01 vom 23. April 2002 E.
2b). Der ins Recht Gefasste kann jedoch nicht potenziell mithaftenden Dritten,
welche von der Ausgleichskasse nicht in Anspruch genommen wurden, den Streit
verkünden (BGE 112 V 261 E. 2c S. 263; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H
327/98 vom 30. Juni 2000 E. 3a). Stellt hingegen das Sozialversicherungsgericht
die Haftung nur eines von mehreren ins Recht gefassten Arbeitgeberorganen fest,
hat die betroffene Person ein schützenswertes Interesse daran, den kantonalen
Entscheid insofern anzufechten, als er eine Haftung der übrigen von der
Ausgleichskasse in Anspruch Genommenen verneint (BGE 119 V 86 E. 5b S. 87).
3.2.1 Im Fall H 72/06 hatte das kantonale Verwaltungsgericht es unterlassen,
einen Dritten, der die Schadenersatzverfügung akzeptiert hatte, zum Verfahren
beizuladen. Das Eidg. Versicherungsgericht sah darin einen formellen Mangel,
der indessen durch Beiladung des Betroffenen im letztinstanzlichen Verfahren
behoben werden könne (E. 2.4). Eine solche Heilung war ohne weiteres möglich:
Der Dritte war bereits rechtskräftig zur Bezahlung von Schadenersatz
verpflichtet. Er konnte im Verfahren gegen den damaligen Beschwerdeführer, der
seine eigene Haftung bestritt, allenfalls gewisse Argumente oder Aspekte
einbringen, die aber auf seine eigene Verantwortlichkeit von vornherein keinen
Einfluss mehr haben und daher auch eine allfällige Regressforderung des nunmehr
in Anspruch Genommenen gegen ihn nicht mehr beeinträchtigen konnten. Hier
verhält es sich jedoch umgekehrt: Die zehn ebenfalls in Anspruch genommenen
Personen sind durch Einspracheentscheid von der Haftung befreit worden, ohne
dass der Beschwerdegegner eine Anfechtungsmöglichkeit gehabt hätte. Er hat
dadurch potenziell Mithaftende verloren, was seine rechtliche und faktische
Stellung verschlechterte.
3.2.2 Im Fall H 68/01 hatte das kantonale Sozialversicherungsgericht einen
Dritten, der selber nicht Einspruch gegen die ihn betreffende
Schadenersatzverfügung erhoben hatte, nicht zum Prozess gegen zwei ebenfalls
ins Recht gefasste Personen, welche ihre Schadenersatzpflicht bestritten,
beigeladen. Das Gericht verneinte eine Verantwortlichkeit des einen Beklagten
und reduzierte die vom anderen Beklagten geschuldete Schadenersatzsumme um mehr
als einen Drittel. Damit habe es, so das Eidg. Versicherungsgericht, die
gegenüber dem Dritten definitiv angeordnete Solidarhaftung neben den beiden
Beklagten verändert, wodurch dessen Rechtsstellung unmittelbar und erheblich
beeinträchtigt worden sei. Den beiden Beklagten sei dadurch die Möglichkeit
eröffnet worden, sich selber mit Klageantwort und Duplik von den von der
Ausgleichskasse erhobenen Vorwürfen - durch unwidersprochene, den Dritten
belastende Behauptungen - entlasten zu können (E. 3a). Im Fall H 47/06 hatte
das kantonale Versicherungsgericht in fünf separaten Entscheiden fünf Beklagte
zur Bezahlung von Schadenersatz verpflichtet. Die Betroffenen führten alle
einzeln Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Eidg. Versicherungsgericht hob alle
Erkenntnisse ohne materielle Prüfung der Sache auf, weil die Vorinstanz die
Beklagten nicht wechselseitig beigeladen hatte (E. 4). In beiden Fällen wurde
die Sache an das kantonale Gericht zurückgewiesen, damit es die fehlenden
Beiladungen vornehme und neu entscheide. Im Unterschied dazu kann vorliegend
die unterlassene Beiladung des Beschwerdegegners zu den Einspracheverfahren der
übrigen zehn zunächst ebenfalls in Anspruch Genommenen - was einen Rechtsmangel
darstellt (E. 3.3.2) - nicht durch deren Einbezug in das
verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren korrigiert werden. Die betreffenden
Personen sind rechtskräftig von der Schadenersatzpflicht befreit.

3.3 Die dargelegte Rechtsprechung wurde vor Inkrafttreten des Allgemeinen Teils
des Sozialversicherungsrechts am 1. Januar 2003 entwickelt. Damals hatten die
Ausgleichskassen Ansprüche aus Art. 52 AHVG im Klageverfahren vor dem
zuständigen kantonalen Sozialversicherungsgericht durchzusetzen, wenn der
Belangte gegen die Schadenersatzverfügung Einspruch erhob (alt Art. 81 f.
AHVV). Die Vorinstanz hat die Pflicht zur Beiladung auf das seit 1. Januar 2003
auch bei Streitigkeiten betreffend Schadenersatz nach Art. 52 ATSG geltende
Einspracheverfahren vor den Ausgleichskassen (Art. 1 Abs. 1 AHVG in Verbindung
mit Art. 52 ATSG) ausgedehnt. Nach Auffassung des Beschwerde führenden
Bundesamtes lässt sich dies mit dem einfachen und raschen Zweiparteienverfahren
der Einsprache nicht vereinbaren.
3.3.1 Die Beschwerdebefugnis setzt in der Regel eine formelle Beschwer voraus:
Beschwerde kann nur erheben, wer am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat
und mit seinen Anträgen ganz oder teilweise unterlegen ist (BGE 127 V 107 E. 2a
S. 109). Deshalb müssen grundsätzlich alle diejenigen, welche zur Beschwerde
legitimiert sind, auch im vorangehenden Verfahren Parteistellung haben können
(Grundsatz der Einheit des Verfahrens; BGE 133 V 188 E. 4.2 S. 191, 131 V 298
E. 2 S. 300; Art. 111 Abs. 1 BGG). Namentlich muss am Einspracheverfahren
teilnehmen können, wer zur Beschwerde an das kantonale Versicherungsgericht
legitimiert ist (Art. 34, 49 Abs. 4 und Art. 59 ATSG; BGE 130 V 560 E. 3.2 S.
562). Dementsprechend muss auch Beschwerde erheben können, wem die Beteiligung
am vorinstanzlichen Verfahren - z.B. wegen eines Fehlers der Behörde -
verunmöglicht worden ist (BGE 127 V 107 E. 2a S. 110; vgl. Art. 89 Abs. 1 lit.
a BGG; Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], N 13 zu Art. 89
und Bernhard Waldmann, in: Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, N 9 zu
Art. 89 BGG).
3.3.2 Ist der zur Bezahlung von Schadenersatz Verpflichtete zur Beschwerde
gegen Entscheide berechtigt, mit denen potenziell ebenfalls Ersatzpflichtige
von der Haftung befreit werden (E. 3.2), muss er somit auch die Möglichkeit
haben, sich am vorangehenden Einspracheverfahren zu beteiligen. Vorliegend
hätte somit die Ausgleichskasse den Beschwerdegegner zu den Einspracheverfahren
der zehn übrigen zunächst ebenfalls in Anspruch genommenen Personen beiladen
müssen, wie die Vorinstanz insoweit richtig festgestellt hat. Dies ist entgegen
der Auffassung der Aufsichtsbehörde auch dann möglich, wenn die Verfahren
zeitlich verschoben stattfinden.

4.
Die Rechtsfolgen, wenn einem Dritten zu Unrecht nicht die Möglichkeit gegeben
wurde, sich an einem Verfahren zu beteiligen, insbesondere wenn er eine
Parteistellung geltend machen könnte, lassen sich nicht in allgemeiner Weise
umschreiben. Sie hängen vom Einzelfall ab und ergeben sich aus einer
Interessenabwägung, deren Sinn und Ziel darin liegt, die betroffene Person vor
Nachteilen zu schützen, die sie infolge des Mangels erleiden würde (Urteil des
Eidg. Versicherungsgerichts B 91/04 vom 5. Oktober 2005 E. 3.3).

4.1 Die Vorinstanz hat dem Verfahrensfehler der unterlassenen Beiladung des
Beschwerdegegners zu den Einspracheverfahren der zunächst ebenfalls in Anspruch
genommenen zehn Personen in der Weise Rechnung getragen, dass sie auch diesen
von der Haftung befreit hat. Diese Konsequenz trägt indessen dem Wesen der
Solidarhaftung zu wenig Rechnung: Die Ausgleichskasse hätte von Anfang an
einzig den Beschwerdegegner ins Recht fassen können (E. 3.1). Bei einer
Verurteilung zum Schadenersatz hätte dieser den ganzen Betrag zu bezahlen, auch
wenn allenfalls neben ihm weitere Personen als Haftende in Frage kommen. Es
erscheint daher nicht gerechtfertigt, den Beschwerdegegner einzig deshalb
vollumfänglich von der Haftung zu befreien, weil die Ausgleichskasse andere
zunächst ebenfalls in Anspruch genommene Personen im Einspracheverfahren
entlastete, ohne ihn daran zu beteiligen. Es kann denn auch nicht gesagt
werden, wegen dieses Mangels habe die Verwaltung seine Schadenersatzpflicht
bejaht.

4.2 Nach einer u.a. häufig in Bewilligungsverfahren für Bauvorhaben und
dergleichen angewendeten Praxis beginnt für zu Unrecht nicht ins Verfahren
einbezogene Dritte die Anfechtungsfrist erst mit der tatsächlichen
Kenntnisnahme des Entscheides zu laufen (BGE 116 Ib 321 E. 3a S. 326, 112 Ib
170 E. 5c S. 174). Aus Gründen der Rechtssicherheit und nach dem Grundsatz von
Treu und Glauben, welcher Behörden und Privaten gleichermassen
rechtsmissbräuchliches und widersprüchliches Verhalten verbietet (BGE 125 V 373
E. 2b/bb S. 375), darf aber der Dritte den Beginn des Fristenlaufs nicht
beliebig hinauszögern, sobald er auf irgendeine Weise von der ihn berührenden
Entscheidung Kenntnis erhalten hat. Er hat sich sogar danach zu erkundigen,
wenn Anzeichen dafür vorliegen, und rechtzeitig zu reagieren (vgl. BGE 107 Ia
72 E. 4a S. 76; ZBl 95/1994 S. 529 E. 2; Urteil 1A.278/2005 vom 23. Januar 2006
E. 3.3.1).

Eine solche nachträgliche Öffnung des Beschwerdeweges fällt hingegen nicht in
Betracht, wenn eine IV-Stelle es in Verletzung von Art. 49 Abs. 4 ATSG
unterlässt, eine Rentenverfügung einer präsumptiv leistungspflichtigen
Vorsorgeeinrichtung zu eröffnen. Im Blick auf die Rechtssicherheit kann nicht
hingenommen werden, dass nach mehr oder weniger grossem Zeitablauf ein anderer
Versicherer noch eine Neubeurteilung verlangt (Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts B 91/04 vom 5. Oktober 2005 E. 3.4). Dem Eröffnungsfehler
wird in der Weise Rechnung getragen, dass die der Verfügung zugrunde liegende
Invaliditätsschätzung für die Vorsorgeeinrichtung nicht verbindlich ist (BGE
132 V 1 E. 3.3.2 S. 5). Eine solche direkte Bindungswirkung besteht im hier
interessierenden Kontext jedoch nicht, weil im Verfahren nach Art. 52 AHVG der
beigeladene, potenziell solidarisch Mithaftende selber nicht zu Schadenersatz
verurteilt werden kann (Fritz Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., S.
184; vgl. zur Wirkung der Beiladung auch BGE 130 V 501). Sein Interesse an
einer Verfahrensbeteiligung besteht nur, aber immerhin im Hinblick auf einen
allfälligen späteren Regressprozess, in welchem der dafür zuständige
Zivilrichter nicht an die Beurteilung des Sozialversicherungsgerichts gebunden
ist, diese aber notwendigerweise berücksichtigen wird (BGE 119 V 86 E. 5b S.
88).

4.3 Es rechtfertigt sich, im Falle einer zu Unrecht unterlassenen Beiladung zum
Einspracheverfahren eines allfälligen solidarisch mithaftenden
Schadenersatzpflichtigen vom Betroffenen zu verlangen, dass er innert
nützlicher Frist nach Kenntnis des Mangels die Eröffnung des
Einspracheentscheids beantragt und diesen gegebenenfalls rechtzeitig mit
Beschwerde beim zuständigen kantonalen Versicherungsgericht anficht.
4.3.1 Vorliegend hatte der Beschwerdegegner Kenntnis davon, dass neben ihm auch
die übrigen Mitglieder der Verwaltung der konkursiten Genossenschaft
(L.________, A.________, H.________, F.________, R.________, B.________) ins
Recht gefasst worden waren. In seiner Einsprache hatte er sogar beantragt, sie
alle seien mangels Organstellung von der Haftung zu befreien. Im
Einspracheentscheid vom 7. Juni 2006 hielt die Ausgleichskasse fest, sie würde
die Einsprachen der übrigen sechs ehemaligen Mitglieder der Verwaltung
gutheissen. Unter diesen Umständen wäre es ein Treu und Glauben
widersprechendes 'venire contra factum proprium', wenn der Beschwerdegegner
nachträglich die Haftungsbefreiung dieser Personen bestreiten wollte (vgl.
Urteil 2C_446/2007 vom 22. Januar 2008 E. 3.1). Dass er in deren
Einspracheverfahren nicht einbezogen worden war, kann daher von vornherein kein
Grund sein, um ihn von der Haftung zu befreien.
4.3.2 Weiter wurde im Einspracheentscheid vom 7. Juni 2006 festgehalten, die
Schadenersatzpflicht in der Höhe von Fr. 67'462.35 bestehe in solidarischer
Haftung mit W.________, Z.________, U.________ und S.________ «gemäss unseren
an dieselben gerichteten Verfügungen heutigen Datums». In der Folge verlangte
der Beschwerdegegner nach Lage der Akten jedoch nicht, in das Verfahren gegen
diese vier Personen einbezogen zu werden. Er stellte lediglich in seiner
Beschwerde an das kantonale Versicherungsgericht den Antrag, das Verfahren sei
zu sistieren, bis die vier Schadenersatzverfügungen entweder rechtskräftig
würden oder dagegen ebenfalls Beschwerde erhoben werde. Diesem Antrag gab die
Vorinstanz statt und führte das Verfahren erst weiter, nachdem die Einsprachen
der übrigen vier ins Recht Gefassten gutgeheissen worden waren. Auch nach
Kenntnisnahme davon äusserte er jedoch in der Eingabe seines Rechtsvertreters
vom 2. Februar 2007 nicht den Willen, die freisprechenden Einspracheentscheide
anzufechten. Er verlangte einzig Einsicht in die Akten der entsprechenden
Verfahren und nachfolgende Fristansetzung zur Beschwerdeergänzung. In der
diesbezüglichen Eingabe vom 5. April 2007 machte er zwar geltend, die
befreienden Einspracheentscheide hätten ihm gegenüber eröffnet werden müssen.
Sodann bezeichnete er die Haftungsbefreiung von W.________ und Z.________ als
stossend, was er auch einlässlich begründete. Daraus lässt sich aber nicht ein
manifester Wille zur Anfechtung der haftungsbefreienden Einspracheentscheide
herauslesen. Dazu hätte es eines entsprechenden Antrags an die Ausgleichskasse
bedurft. Unter diesen Umständen verstiesse es gegen Treu und Glauben, wenn der
Beschwerdegegner sich nachträglich mit Erfolg darauf berufen könnte, es sei ihm
keine Gelegenheit geboten worden, sich an den Einspracheverfahren gegen
W.________, Z.________, U.________ und S.________ zu beteiligen, oder die
betreffenden Einspracheentscheide seien ihm zu Unrecht nicht eröffnet worden.

4.4 Nach dem Gesagten besteht kein Grund für eine Haftungsbefreiung aus den von
der Vorinstanz genannten formellen Gründen. Der angefochtene Entscheid verletzt
insoweit Bundesrecht. Die Sache ist an das kantonale Gericht zurückzuweisen,
damit es über die Schadenersatzpflicht materiell entscheide.

5.
Der Beschwerdegegner hat als unterliegende Partei die Gerichtskosten zu tragen
(Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des
Kantons Solothurn vom 24. September 2007 wird aufgehoben. Die Sache wird an die
Vorinstanz zurückgewiesen, damit sie über die Schadenersatzpflicht des
Beschwerdegegners neu entscheide.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 24. Juni 2008
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Fessler