Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 684/2007
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9C_684/2007

Urteil vom 27. Dezember 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Borella, Kernen und Seiler,
Gerichtsschreiber Traub.

Kantonale IV-Stelle Wallis, Bahnhofstrasse 15, 1950 Sitten,
Beschwerdeführerin,

gegen

P.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roland Fux,
Bahnhofplatz 13,        3930 Visp.

Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonalen Versicherungsgerichts des
Wallis vom 23. August 2007.

Sachverhalt:

A.
Der 1947 geborene P.________ meldete sich am 28. Juli 2004 bei der
Invalidenversicherung zum Bezug von Leistungen an. Nach medizinischen und
erwerblichen Abklärungen stellte die IV-Stelle des Kantons Wallis fest, die
Voraussetzungen für einen Rentenanspruch seien noch nicht gegeben, da die
Wartezeit mit Blick auf eine seit dem 7. Januar 2004 eingeschränkte
Arbeitsfähigkeit als Chauffeur nicht abgeschlossen sei (Verfügung vom
5. November 2004). Die dagegen erhobene Einsprache wies die Verwaltung -
unter Annahme eines Invaliditätsgrades von 12 Prozent - ab (Entscheid vom
27. Januar 2005). Aufgrund einer am 26. September 2005 erfolgten
Neuanmeldung, mit welcher eine Verschlechterung des Gesundheitszustands
geltend gemacht wurde, holte die IV-Stelle beim "Centre d'expertise
médicale", X.________, ein interdisziplinäres Gutachten ein. In diesem
Dokument vom 7. Juli 2006 wurde der Bestand einer seit Anfang 2004 dauernden
vollständigen Arbeitsunfähigkeit im Beruf des Lastwagenchauffeurs bestätigt
und eine vollumfängliche Arbeitsfähigkeit in leidensangepassten leichten
Tätigkeiten ausgewiesen. Im Rahmen des Vorbescheidverfahrens erfolgten
weitere medizinische Abklärungen. Der Schlussbericht des Regionalen
Ärztlichen Dienstes der Invalidenversicherung (RAD) vom 11. Januar 2007
enthält die Folgerung, der Versicherte sei in der bisherigen Tätigkeit als
Lastwagenchauffeur seit Januar 2005 und bezogen auf angepasste Tätigkeiten
seit August 2006 vollständig arbeitsunfähig.

Die IV-Stelle verfügte am 23. Januar 2007, es bestehe derzeit kein Anspruch
auf eine Invalidenrente, weil das Wartejahr erst im August 2007 ablaufen
werde.

B.
Das Versicherungsgericht des Kantons Wallis hiess die gegen diese Verfügung
erhobene Beschwerde gut und sprach dem Versicherten mit Wirkung ab August
2006 eine ganze Invalidenrente zu (Entscheid vom 23. August 2007).

C.
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit
dem Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben. Eventuell sei,
wiederum unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids, dem Beschwerdegegner
ein Anspruch auf eine Viertelsrente von November 2006 bis Januar 2007 und auf
eine ganze Invalidenrente ab Februar 2007 zuzuerkennen.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Vorinstanz hat in Ziff. 1 ihres Urteils festgehalten, dass der
Beschwerdegegner ab August 2006 Anspruch auf eine ganze Invalidenrente hat.
In Ziff. 2 hat sie die Akten im Sinne der Erwägungen zur Festlegung der
Invalidenrente an die IV-Stelle zurückgewiesen. Formell handelt es sich dabei
um einen Rückweisungsentscheid. Rückweisungsentscheide sind grundsätzlich
Zwischenentscheide, welche nur unter den Voraussetzungen von Art. 92 oder 93
BGG beim Bundesgericht anfechtbar sind, auch wenn damit über materielle
Teilaspekte der Streitsache entschieden wird (BGE 133 V 477 E. 4.2 und 4.3
S. 481 f.; 132 III 785 E. 3.2 S. 790; 129 I 313 E. 3.2 S. 316). Wenn jedoch
der unteren Instanz, an welche zurückgewiesen wird, kein
Entscheidungsspielraum mehr verbleibt und die Rückweisung nur noch der
Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient, handelt es sich in
Wirklichkeit um einen Endentscheid (Urteil 1A.194/2006 vom 14. März 2007,
E. 2.2; Urteil 2P.164/2004 vom 25. Januar 2005, E. 1.1; vgl. BGE 129 I 313
E. 3.3 S. 317; Uhlmann, in: Niggli/Uebersax/Wiprächtiger (Hrsg.), Kommentar
zum Bundesgerichtsgesetz, N 9 zu Art. 90). Die Vorinstanz hat in Ziff. 1 des
Urteils Rentenhöhe und -beginn verbindlich festgelegt. Die Rückweisung dient
nur noch der frankenmässigen Berechnung des Rentenbetrags. Dabei handelt es
sich in aller Regel um rein rechnerische Fragen, bei denen kein
Entscheidungsspielraum verbleibt. Zudem obliegt der IV-Stelle nur die (hier
streitige) Festlegung der Invalidität (Art. 57 Abs. 1 lit. d IVG), während
die frankenmässige Berechnung der Rente auf dieser Grundlage Sache der
Ausgleichskasse ist (Art. 60 Abs. 1 lit. b IVG). Zwar ergeht in der Regel
eine gesamthafte Verfügung der IV-Stelle, mit welcher nach Berechnung des
Rentenbetrags durch die Ausgleichskasse die Rente frankenmässig festgesetzt
wird (Art. 57 Abs. 1 lit. e IVG), weshalb die Vorinstanz mit Recht die Sache
an die IV-Stelle und nicht direkt an die Ausgleichskasse zurückgewiesen hat.
Trotzdem ist mit der Zusprechung einer ganzen Rente in aller Regel das
Wesentliche entschieden. Es ist daher festzuhalten, dass der Entscheid, mit
dem eine Vorinstanz des Bundesgerichts die Rentenhöhe (ganze, drei Viertel
usw.), aber nicht den frankenmässigen Rentenbetrag festsetzt, als
Endentscheid zu qualifizieren ist. Wenn sich ausnahmsweise in der Folge die
frankenmässige Berechnung als umstritten erweisen sollte, bleibt es den
Betroffenen unbenommen, diesbezüglich die spätere Verfügung anzufechten.

Auf die Beschwerde ist daher einzutreten (Art. 90 BGG).

1.2 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff.
BGG) kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; zur auch unter der Geltung des BGG
massgebenden Abgrenzung von Tat- und Rechtsfragen im Bereich der
Invaliditätsbemessung [Art. 16 ATSG] vgl. BGE 132 V 393).

2.
Streitig und zu prüfen ist der Beginn des Anspruchs auf eine Invalidenrente.

2.1 Das kantonale Gericht hat die massgebende Bestimmung über den Beginn des
Rentenanspruchs (Art. 29 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 IVG) sowie den Begriff der
Arbeitsunfähigkeit (Art. 6 ATSG; BGE 130 V 97 E. 3.2 S. 99, 343 E. 3.1
S. 345) zutreffend dargelegt.

2.2
2.2.1 Der vorinstanzlich festgesetzte Beginn der Wartezeit nach Art. 29 Abs. 1
lit. b IVG entspricht einer lediglich unter eingeschränktem Blickwinkel
überprüfbaren Tatfrage (Urteil 9C_182/2007 vom 7. Dezember 2007, E. 4.1.1).
Hingegen ist Rechtsfrage, nach welchen Regeln die Arbeitsunfähigkeit
festzustellen ist.

2.2.2 Das kantonale Gericht hat erwogen, unabhängig davon, ob man auf den
Bericht des RAD vom 11. Januar 2007 (Beginn der Arbeitsunfähigkeit in der
bisherigen Tätigkeit als Lastwagenchauffeur im Januar 2005) oder auf das
interdisziplinäre Gutachten vom 7. Juli 2006 (vollständige Arbeitsunfähigkeit
in der angestammten Tätigkeit bereits ab Januar 2004) abstelle, sei der
Versicherte im August 2006 jedenfalls seit über einem Jahr ohne wesentlichen
Unterbruch vollständig arbeitsunfähig gewesen, dies bei ab August 2006
belegter Erwerbsunfähigkeit in eben diesem Umfang. Damit stehe fest, dass die
Anspruchsvoraussetzungen des Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG ab August 2006 erfüllt
seien.

2.2.3 Die beschwerdeführende Verwaltung wendet - unter Verweis auf BGE
105 V 156 und 104 V 141 - ein, nach vorangegangener rechtskräftiger
Rentenablehnung und Neuanmeldung könne bezüglich der für die Berechnung des
Wartejahres massgebenden Arbeitsunfähigkeit nicht mehr allein auf die
Arbeitsunfähigkeit in der ursprünglichen Tätigkeit als Lastwagenchauffeur
abgestellt werden. Stattdessen sei die Arbeitsfähigkeit in einer zumutbaren
Verweisungstätigkeit zu berücksichtigen. Da die Erwerbsunfähigkeit von
12 Prozent (gemäss dem Einspracheentscheid vom 27. Januar 2005) den für die
Berechnung der durchschnittlichen Arbeitsunfähigkeit nach Art. 29 Abs. 1
lit. b IVG geltenden Mindestumfang von 20 Prozent (vgl. AHI 1998 S. 124)
nicht erreiche, könne ein neues Wartejahr bis zur im August 2006
eingetretenen Verschlechterung des Gesundheitszustands nicht als eröffnet
gelten.

2.3 Bezugspunkt der für die Rentenentstehung relevanten Arbeitsunfähigkeit
bildet einzig der bisherige Beruf (BGE 130 V 97 E. 3.2 S. 99 mit Hinweisen).
Von dieser Regel ist auch vorliegend nicht abzuweichen. Dem von der
Verwaltung angerufenen BGE 104 V 141 (vgl. auch Urteil I 304/03 vom 22. Juli
2003, E. 4) lag eine andere tatbeständliche Konstellation zugrunde. Dort war
ein Fall zu beurteilen, in dem der Versicherte die angestammte Tätigkeit
(Dachdecker) aus gesundheitlichen Gründen zugunsten einer schlechter
bezahlten Arbeit (Tankwart) aufgegeben hatte und später durch neue
Gesundheitsschädigungen (Hirnschlag, Herzinfarkt) weitere Einschränkungen
seiner Leistungsfähigkeit erfuhr. Das Eidgenössische Versicherungsgericht
erkannte, im Interesse der rechtsgleichen Behandlung aller Versicherten müsse
jedenfalls dann, wenn der Grad der Arbeitsunfähigkeit praktisch der
gesundheitlich bedingten Erwerbseinbusse entspreche, zur Bestimmung der
massgebenden durchschnittlichen Arbeitsunfähigkeit das Einkommen, das der
Versicherte ohne Gesundheitsschädigung in seinem ursprünglich ausgeübten
Beruf erzielen könnte, in Beziehung gesetzt werden zu jenem Einkommen, das er
nach Eintritt der zusätzlichen Behinderung im zuletzt ausgeübten Beruf noch
erreiche (BGE 104 V 141 E. 2b S. 144). Es besteht kein Grund, hier wegen der
vorgängigen Rentenablehnung sinngemäss zu verfahren. Die bis zur strittigen
Verfügung vom 23. Januar 2007 eingetretene Veränderung gegenüber den dem
rechtskräftigen Einspracheentscheid vom 27. Januar 2005 zugrunde liegenden
Verhältnissen liegt einzig darin, dass sich das Ausmass der nach Ablauf der
Wartezeit weiterhin bestehenden Erwerbsunfähigkeit verändert hat. Für die
Bestimmung der Arbeitsunfähigkeit im Sinne von Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG kann
im Übrigen dann nicht allein auf die frühere Tätigkeit abgestellt werden,
wenn ein Versicherter diese schon vor Eintritt des Gesundheitsschadens aus
invaliditätsfremden Gründen aufgegeben hatte und für ihn - als Arbeitslosen -
auch andere Arbeiten in Frage gekommen wären (vgl. Urteil I 943/06 vom
13. April 2007, E. 5.1.3). Ein solcher Fall ist hier ebenfalls nicht gegeben.

Damit erwuchs dem Beschwerdegegner mit Eintritt der vollen Erwerbsunfähigkeit
im August 2006 ab dem ersten Tag dieses Monats der Anspruch auf die ganze
Invalidenrente (Art. 29 Abs. 2 Satz 1 IVG).

2.4 Zusammengefasst steht fest, dass die Wartezeit (spätestens) seit Januar
2005 eröffnet war und es in der Folge mangels Wiedererlangung voller
Arbeitsfähigkeit zu keinem wesentlichen Unterbruch im Sinne des Art. 29ter
IVV kam. Daran ändert die Rechtskraft des Einspracheentscheides vom
27. Januar 2005 nichts, der auf einer damals fehlenden rentenbegründenden
Invalidität (von 12 Prozent) beruhte.

3.
Die Beschwerde hatte keine Aussicht auf Erfolg, weshalb sie im vereinfachten
Verfahren nach Art. 109 BGG als offensichtlich unbegründet (Abs. 2 lit. a),
mit summarischer Begründung, unter Verweis auf den vorinstanzlichen Entscheid
(Abs. 3) und ohne Schriftenwechsel erledigt wird.

4.
Die Gerichtskosten werden der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG; Urteil 8C_67/2007 vom 25. September 2007,
E. 6).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonalen Versicherungsgericht des
Wallis und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 27. Dezember 2007

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Traub