Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 675/2007
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9C_675/2007

Urteil vom 6. Februar 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Seiler,
Gerichtsschreiber Schmutz.

L. ________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Domenico
Acocella, Herrengasse 3, 6430 Schwyz,

gegen

CSS Versicherung AG, Tribschenstrasse 21, 6005 Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Krankenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom
22. August 2007.

Sachverhalt:

A.
L. ________ kam 1960 mit einem angeborenen komplizierten Herzfehler zur Welt.
Dieser wurde im März 1975 herzchirurgisch korrigiert. Im Oktober 2005 wurde
ein Herzschrittmacher (Pacemaker) eingesetzt. Mit Schreiben vom 30. November
2005 reichte der Zahnarzt Dr. med. dent. R.________, der CSS
Kranken-Versicherung AG (nachfolgend: CSS), bei welcher L.________
obligatorisch krankenpflegeversichert ist, einen Kostenvoranschlag für eine
Zahnherdsanierung (Zahnextraktionen, Überbrückung von Lücken) über den Betrag
von Fr. 15'960.60 ein; er wies darauf hin, nach Einschätzung der
Universitätsklinik X.________ vom 23. November 2005 sei aus medizinischen
Gründen die Sanierung potenzieller Infekte indiziert. Nach Abklärungen
(Berichte der Klinik für Kardiologie des Universitätsspitals X.________ vom
7. März 2003, 23. November 2005 und 5. Januar 2006) und gestützt auf
Stellungnahmen der Vertrauenszahnärztin Dr. med. dent. H.________ (vom 17.
Januar, 8. Februar und 8. Mai 2006) lehnte die CSS mit Verfügung vom 11. Mai
2006 und Einspracheentscheid vom 1. Februar 2007 die Übernahme der Kosten für
Zahnherdabklärungen und -sanierungen im Nachgang zu der
Pacemaker-Implantation ab.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Schwyz mit Entscheid vom 22. August 2007 ab.

C.
L.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragt die Aufhebung des kantonalen Entscheides und des
Einspracheentscheides; es sei die Leistungspflicht der CSS für die
Zahnherdsanierung gemäss dem Schreiben von Dr. med. dent. R.________ vom 30.
November 2005 und aller damit im Zusammenhang stehender Leistungen
festzustellen; die CSS sei zu verpflichten, eine entsprechende Deckungszusage
zu erteilen und die Kosten zu vergüten.

Die CSS schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit
verzichtet auf Vernehmlassung.
Erwägungen:

1.
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Grundlagen über den Anspruch auf
Leistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung für zahnärztliche
Behandlungen (Art. 31 Abs. 1 KVG, Art. 33 Abs. 2 und 5 KVG in Verbindung mit
Art. 33 lit. d KVV sowie Art. 17 bis 19a KLV) sowie die diesbezügliche
Rechtsprechung (BGE 128 V 143; auch zur Abgrenzung der zahnärztlichen von der
ärztlichen Behandlung im Sinne von Art. 25 Abs. 2 lit. a KVG) zutreffend
dargelegt. Darauf wird verwiesen.

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin Anspruch auf Übernahme
der Kosten der Zahnherdabklärungen und -sanierungen im Anschluss an die
Implantation des Herzschrittmachers durch die obligatorische
Krankenpflegeversicherung hat.

3.
Vorinstanz und Versicherung verneinen eine Leistungspflicht gestützt auf das
KVG, da es sich hier nicht um die Vergütung ärztlicher Verrichtungen
gehandelt habe, sondern um zahnärztliche Behandlungen im engeren Sinne; für
Zahnherdbehandlungen sei in Art. 19 lit. a KLV (in Verbindung mit Art. 31
Abs. 1 lit. b KVG) abschliessend geregelt, dass nur bei Herzklappenersatz,
Gefässprothesenimplantation und kraniellen Shuntoperationen zu leisten sei;
die Implantation eines Herzschrittmachers löse in diesem Zusammenhang keine
Vergütungspflicht aus; die streitige Behandlung sei lediglich zur Vorbeugung
von Endokarditis (sog. "Herzklappenentzündung") angeordnet worden und nicht
zur Behandlung einer solchen; dies genüge nach der Rechtsprechung nicht, um
eine Leistungspflicht gestützt auf Art. 19 lit. d KLV bei Endokarditis
auszulösen.

4.
4.1 Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe zu Unrecht geschlossen,
dass keine ärztliche, sondern eine zahnärztliche Behandlung durchgeführt
worden sei, und darum die dafür bundesrechtlich (E. 1) vorgesehenen
Leistungsrestriktionen zu gelten hätten. Diesem Einwand ist nicht zu folgen;
denn nach der Rechtsprechung (BGE 128 V 143 E. 4b S. 145 f.) sind die im
Vordergrund stehenden Kriterien für die Abgrenzung zwischen ärztlicher und
zahnärztlicher Behandlung der Ansatzpunkt und die therapeutische Zielsetzung
der Behandlung. Vom Ansatzpunkt her sind zahnärztliche Behandlungen - wie
bereits gemäss konstanter Rechtsprechung zum KUVG - grundsätzlich
therapeutische Vorkehren am Kausystem. Als weiteres entscheidendes Kriterium
dient die therapeutische Zielsetzung, die sich danach bestimmt, welcher
Körperteil oder welche Funktion unmittelbar therapiert oder verbessert werden
soll.

Die durchgeführte Zahnherdsanierung erfüllt beide Kriterien, denn bei der
Zahnextraktion und der Überbrückung handelt es sich um eine therapeutische
Vorkehr am Kausystem, deren unmittelbares Ziel die Beseitigung des Zahnherdes
war. Nur mittelbares Ziel war die Prophylaxe im Sinne der Vorbeugung einer
möglichen künftigen Endokarditis. Die Vorinstanz ist daher zu Recht zum
Schluss gekommen, es liege eine zahnärztliche Behandlung vor.

4.2 Weiter macht die Beschwerdeführerin geltend, die Vorinstanz reduziere den
Zweck der Herdsanierung in unzutreffender Weise auf die
Endokarditis-Vorbeugung und verkenne, dass diese indiziert gewesen sei, weil
ihr zusätzlich zu ihrem schweren Herzleiden nicht auch noch das Risiko einer
Endokarditis zumutbar sei. Im Zusammenhang mit der Herzklappenentzündung hat
das Eidgenössische Versicherungsgericht mit Urteil K 64/04 vom 14. April 2005
jedoch erkannt, dass Art. 19 KLV lediglich die Übernahme der Kosten der
zahnärztlichen Behandlungen, die zur Unterstützung und Sicherstellung der
ärztlichen Behandlung notwendig sind, umfasst. Sinn dieser Bestimmung ist
nach dem klaren Wortlaut die Unterstützung und Sicherstellung der ärztlichen
Behandlung der darin aufgelisteten schweren Allgemeinerkrankungen, deren
erfolgreiche Therapie unter Umständen eine zahnärztliche Behandlung
voraussetzt. Für die ausnahmsweise vorgesehene Übernahme der Kosten einer
solchen zahnärztlichen Behandlung muss jedoch eine behandlungsbedürftige
Endokarditis vorliegen oder sich zumindest in Form erster Anzeichen konkret
anbahnen.

Daran ist festzuhalten. Anders als die Beschwerdeführerin argumentiert, hat
die Vorinstanz den Sachverhalt keineswegs offensichtlich unrichtig, sondern
vielmehr in Übereinstimmung mit den Akten festgestellt. Danach besteht bei
der Beschwerdeführerin ein komplizierter angeborener Herzfehler, der im
Jugendalter eine Operation und im Alter von 45 Jahren einen Herzschrittmacher
erforderte. An einer behandlungsbedürftigen Endokarditis leidet die
Beschwerdeführerin jedoch nicht.

5.
Dem Prozessausgang entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten
zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz
und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 6. Februar 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Schmutz