Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 624/2007
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9C_624/2007

Urteil vom 19. Oktober 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber Traub.

M.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Balthasar
Settelen, Dürr + Partner, Centralbahnstrasse 7, 4010 Basel,

gegen

IV-Stelle für Versicherte im Ausland, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf,
Beschwerdegegnerin.

Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juli 2007.

Sachverhalt:

A.
Der 1959 geborene M.________ war seit 1980 als Eisenleger erwerbstätig. Am
19. August 1992 erlitt er einen Arbeitsunfall, bei welchem er sich eine
Fussverletzung (Luxation und Fraktur des linken Sprungbeins; Absprengung am
Fersenbein) zuzog, aus welcher sich eine Arthrose des linken unteren
Sprunggelenks entwickelte. Der Versicherte lehnte eine ärztlich empfohlene
Arthrodese (Versteifung) des betroffenen Gelenks ab. Im Bereich der
obligatorischen Unfallversicherung wurde ihm eine Rente auf der Grundlage
eines Invaliditätsgrades von 35 Prozent zugesprochen (Entscheid des
Versicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 3. März 1997).

Im Juli 1993 hatte sich M.________ bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug angemeldet. Im Zeitraum von August 1993 bis Mai 1994 bestand
Anspruch auf eine ganze Invalidenrente (Verfügung der IV-Stelle Basel-Stadt
vom 16. Juli 1997), von Juni 1994 bis Januar 1998 auf eine Viertelsrente und
ab Februar 1998 - unter Einbezug eines psychischen Leidens (anhaltende
somatoforme Schmerzstörung, Dysthymie, kombinierte Persönlichkeitsstörung;
Gutachten des Psychiaters Dr. H.________, vom 30. Juni 1999) - wiederum auf
eine ganze Invalidenrente (Verfügung vom 8. September 2000). Gestützt auf ein
neues psychiatrisches Gutachten des Dr. S.________, vom 11. Juli 2003 und
Stellungnahmen verschiedener mazedonischer Ärzte, in welchen zusätzlich ein
metabolisches Syndrom (Diabetes mellitus, Bluthochdruck,
Fettstoffwechselstörung) und eine chronische Bronchitis ausgewiesen wurden,
hob die nach Rückkehr des Versicherten in sein Herkunftsland Mazedonien
zuständige IV-Stelle für Versicherte im Ausland die Invalidenrente im Rahmen
eines Revisionsverfahrens mit Wirkung ab September 2004 auf (durch
Einspracheentscheid vom 30. März 2005 bestätigte Verfügung vom 12. Juli
2004).

B.
Das Bundesverwaltungsgericht wies die gegen den Einspracheentscheid erhobene
Beschwerde ab; bei einem Invaliditätsgrad von 43 Prozent bestehe kein
Rentenanspruch, da Renten, die einem Invaliditätsgrad von weniger als
50 Prozent entsprächen, nach gesetzlicher Vorschrift nur an Versicherte mit
Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz oder an Schweizer Bürger
oder Angehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Wohnsitz in
einem Mitgliedstaat ausgerichtet würden (Entscheid vom 6. Juli 2007).

C.
M.________ lässt Beschwerde führen mit den Rechtsbegehren, es sei ihm, nach
Aufhebung von Einsprache- und vorinstanzlichem Entscheid, mit Wirkung ab
September 2004 wieder eine Invalidenrente auszurichten. Eventuell sei die
Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese eine gesamtheitliche
gutachtliche Beurteilung des Gesundheitszustands veranlasse und neu
entscheide.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Streitig ist, ob der Beschwerdeführer unter revisionsrechtlichen
Gesichtspunkten (Art. 17 Abs. 1 ATSG) über August 2004 hinaus Anspruch auf
eine Invalidenrente (Art. 28 IVG) hat. Das kantonale Gericht hat die zur
Beurteilung des Leistungsanspruchs einschlägigen Rechtsgrundlagen zutreffend
dargelegt. Darauf wird verwiesen.

1.2 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Der Versicherte leidet an einer posttraumatischen schweren Arthrose des
linken unteren Sprunggelenks, an psychischen Beschwerden sowie an einem
metabolischen Syndrom. Es gilt zu prüfen, ob die vorinstanzliche
Feststellung, der Gesundheitszustand habe sich seit der Verfügung vom
8. September 2000 in anspruchserheblicher Weise gebessert, offensichtlich
unrichtig ist oder ob die betreffenden Erhebungen mit einer Rechtsverletzung
verbunden sind (oben E. 1.2).
2.1 Eine anspruchserhebliche Veränderung hinsichtlich der ursprünglich im
Vordergrund stehenden Arthrose steht nicht zur Diskussion. Es liegt auf der
Hand, dass die diesbezüglichen belastungsabhängigen Beschwerden bei leichten,
sitzend wahrzunehmenden Tätigkeiten nach wie vor nicht massgebend ins Gewicht
fallen.

2.2 Hinsichtlich der psychischen Beschwerden ist mit der Expertise des
Dr. S.________ vom 11. Juli 2003 eine Besserung ausgewiesen. Auch nach dem im
vorinstanzlichen Prozess eingereichten Gutachten des Dr. H.________ vom
13. Dezember 2005 ist im Wesentlichen noch eine Dysthymie (leichte
ängstlich-depressive Episode) gegeben. Die Rüge des Beschwerdeführers, es sei
seit der psychiatrischen Untersuchung bis zum Abschluss des
Verwaltungsverfahrens Ende März 2005 keine eigentliche Neuerhebung des
Gesundheitszustands mehr erfolgt - die diversen späteren Stellungnahmen des
Ärztlichen Dienstes der IV-Stelle stützten sich lediglich auf die Akten -,
ist an sich zutreffend. Jedoch fehlen Anhaltspunkte für eine
Zustandsverschlechterung. Dr. H.________ schloss sich aufgrund eigener
Untersuchung im Herbst 2005 in den wesentlichen Punkten der Einschätzung des
Dr. S.________ an; er wendet sich somit auch nicht gegen die Ansicht, die -
ursprünglich weiterreichende - Arbeitsunfähigkeit habe sich aus
psychiatrischer Sicht auf 30 Prozent reduziert. Eine abweichende Beurteilung
besteht lediglich hinsichtlich einer Verstärkung der vorbestehenden
Persönlichkeitsstörung nach dem Unfall vom August 1992 und der "nachfolgenden
Zeit"; einen aktuell andauernden Einfluss der Persönlichkeitsstörung auf die
Arbeitsfähigkeit findet indes auch Dr. H.________ nicht. Damit ist der vom
strittigen Einspracheentscheid abgedeckte Zeitraum ausreichend medizinisch
dokumentiert.

Die mazedonischen Ärzte attestieren eine (anscheinend vollständige)
Arbeitsunfähigkeit. Es ist aus den Attesten jedoch nicht ersichtlich, zu
welchen Anteilen die psychiatrischen Feststellungen ("Dysfimia",
anxiodepressives Syndrom; Berichte des Dr. I.________, vom 17. März 2004
sowie des Neuropsychiaters Dr. F.________, vom 15. März und 30. September
2004) dafür verantwortlich zeichnen.

2.3 Zu untersuchen bleibt, wie es sich mit dem metabolischen Syndrom verhält.

2.3.1 Bezüglich der eigentlichen Komponenten dieses Syndroms - Übergewicht,
Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörung - ist die
Einschätzung der Vorinstanzen nicht zu beanstanden, dass diese vorab als
Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen zu gelten haben (vgl. auch
die vorinstanzliche Stellungnahme der IV-Stelle vom 31. Mai 2006). Soweit sie
darüber hinaus auch selber eine einschränkende Symptomatik zeitigen, ist mit
dem Bundesverwaltungsgericht auf die offenkundig weiterhin nicht
ausgeschöpften Möglichkeiten des Beschwerdeführers zu verweisen, den
betreffenden Befunden medikamentös (Regulierung von Bluthochdruck, Diabetes
und Fettstoffwechselstörung) bzw. mit geeigneter Lebensführung (Senkung des
Körpergewichts durch vermehrte körperliche Aktivität und geeigneter Diät)
entgegenzuwirken. Eine solche Veränderung des Lebensstils ist angesichts der
nicht sehr einschränkenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen (E. 2.1 und
2.2) ohne weiteres zumutbar. Die auf verwaltungsärztlicher Einschätzung
beruhende Schlussfolgerung der Vorinstanzen, dass diese Beschwerden keine
unüberwindbare Hindernisse darstellen, das metabolische Syndrom - sei es
ursächlich oder symptombezogen - anzugehen, ist nicht offensichtlich
unrichtig.

2.3.2 Der Psychiater Dr. H.________ führt in seinem Gutachten vom
13. Dezember 2005 aus, der körperliche Gesundheitszustand des Versicherten
habe sich wesentlich verschlechtert; er leide - neben den einzelnen
Ausprägungen des metabolischen Syndroms - auch an "chronisch asthmoider,
wahrscheinlich kardialer, Bronchitis bei gleichzeitig Unterschenkelödemen,
was auf eine Herzinsuffizienz hinweist". Aufgrund dieser Beobachtungen,
welche er in die Diagnose "wahrscheinlich biventrikuläre Herzinsuffizienz"
kleidete, empfahl der Gutachter zumindest eine internistische Abklärung als
"dringend indiziert". Dabei handelt es sich um ein potentiell
anspruchserhebliches neues Sachverhaltselement.

Das Bundesverwaltungsgericht erwog in diesem Punkt, in den jüngeren Attesten
der mazedonischen Ärzte vom Frühjahr 2005 werde die vermutete wahrscheinlich
biventrikuläre Herzinsuffizienz nicht erwähnt, so dass davon ausgegangen
werden müsse, dieses Beschwerdebild habe im Zeitpunkt des
Einspracheentscheids vom 30. März 2005 noch nicht bestanden (E. 5.2). Es ist
zwar fraglich, ob die Symptome, welche den begutachtenden Psychiater zur -
freilich fachfremden - Verdachtsdiagnose einer kardialen Beeinträchtigung
veranlassten, tatsächlich erst im Zeitraum zwischen dem Einspracheentscheid
vom 30. März 2005 und der Begutachtung Ende Oktober 2005 einsetzten;
jedenfalls wurde die jetzt in einen (möglichen) kardialen Kontext gestellte
chronische Bronchitis schon früher ausgewiesen. Auch in dieser Hinsicht ist
jedoch die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung nicht offensichtlich
unrichtig, zumal die relativ detaillierten Diagnosekataloge der vorerwähnten
mazedonischen Ärzte noch keine Hinweise auf ein kardiales Geschehen
enthalten. Erst in nach dem vorinstanzlichen Entscheid erstellten
medizinischen Berichten tauchen kardiologische Befunde und Diagnosen auf
("Cor hypertonicum", Sinus tachycardia, Angina pectoris; Berichte des
Dr. C.________, vom 20. August 2007 und des Internisten Dr. P.________, vom
13. August 2007).

Dabei handelt es sich jedoch um unzulässige Noven (Art. 99 Abs. 1 BGG), die
zudem nicht den massgebenden Betrachtungszeitraum bis zum Einspracheentscheid
vom 30. März 2005 betreffen (BGE 132 V 368 E. 6.1 in fine S. 375), so dass
von - auch letztinstanzlich eventualiter beantragten - weiteren medizinischen
Abklärungen abgesehen werden kann.

2.4 Nach dem Gesagten ist die Vorinstanz zutreffend davon ausgegangen, dass
sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers im Vergleich zu den für die
Verfügung vom 8. September 2000 massgebenden Verhältnissen verändert hat, so
dass der Invaliditätsgrad bei Abschluss des Verwaltungsverfahrens noch
(gerundete; vgl. BGE 130 V 121) 43 Prozent betrug; Einzelheiten des
Einkommensvergleichs sind zu Recht nicht strittig. Der in Mazedonien
ansässige Beschwerdeführer hat deshalb mit Wirkung ab September 2004 keinen
Anspruch auf eine Invalidenrente (vgl. Art. 28 Abs. 1ter IVG).

Die Anmerkungen des Psychiaters Dr. H.________ im Gutachten vom 13. Dezember
2005 (und zusätzlich auch die letztinstanzlich eingereichten Berichte
mazedonischer Ärzte; oben E. 2.3.2) rechtfertigen allerdings eine eingehende
Abklärung des Zustands des Herz-/Kreislaufsystems und allenfalls auch
weiterer in Mitleidenschaft gezogener innerer Organe (Lungenfunktion, Nieren,
Leber), soweit damit eine nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens
eingetretene Verschlechterung der Leistungsfähigkeit verbunden sein könnte.
Da Art. 28 Abs. 1ter IVG keine blosse Auszahlungsvorschrift, sondern eine
Anspruchsvoraussetzung bildet (SVR 2006 IV Nr. 8 S. 31 E. 5.5 [I 275/02]),
mithin der Anspruch selbst bei einem 40 Prozent übersteigenden
Invaliditätsgrad vorerst wegfällt, setzen weitere Abklärungen an sich eine
Neuanmeldung voraus (Art. 87 Abs. 4 IVV). Im Interesse der Prozessökonomie
sind die Akten an die Verwaltung zu überweisen, damit diese ein
Neuanmeldungsverfahren einleite, die notwendigen materiellen Abklärungen
tätige und für die Zeit nach Erlass des Einspracheentscheids neu verfüge.

3.
Die Gerichtskosten werden der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Akten werden an die IV-Stelle für Versicherte im Ausland überwiesen,
damit sie im Sinne der Erwägungen verfahre.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesverwaltungsgericht und dem
Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.

Luzern, 19. Oktober 2007

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: