Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 575/2007
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9C_575/2007

Urteil vom 18. Oktober 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Seiler,
Gerichtsschreiberin Amstutz.

IV-Stelle Uri, Dätwylerstrasse 11, 6460 Altdorf UR,
Beschwerdeführerin,

gegen

S.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwältin Brigitte
Bitterli, Pelzgasse 15,           5000 Aarau.

Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri vom
6. Juli 2007.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 10. Dezember 2002 sprach die IV-Stelle Uri der 1957
geborenen S.________ rückwirkend ab 1. Januar bis 31. Juli 2001 eine halbe
und ab 1. August 2001 eine unbefristete ganze Invalidenrente zu. Gestützt auf
die medizinischen Abklärungen im Rahmen eines im Jahre 2005 durchgeführten
Revisionsverfahrens, insbesondere das Gutachten der Medizinischen
Abklärungsstelle (MEDAS) vom 14. Juli 2005, verfügte die IV-Stelle am 21.
September 2005 die Herabsetzung des Leistungsanspruchs auf eine Viertelsrente
(Invaliditätsgrad: 41 %) mit Wirkung ab 1. November 2005. Daran hielt sie mit
Einspracheentscheid vom 27. März 2006 fest.

B.
Soweit das Obergericht des Kantons Uri auf die dagegen erhobene Beschwerde
eintrat, hiess es diese mit der Feststellung gut, dass S.________ weiterhin
Anspruch auf eine ganze Invalidenrente hat (Entscheid vom 6. Juli 2007).

C.
Mit Beschwerde an das Bundesgericht beantragt die IV-Stelle, der
vorinstanzliche Entscheid vom 6. Juli 2007 sei im Renten- und
Entschädigungspunkt (Ziff. 1 und 3 des Dispositivs) aufzuheben, und es sei
festzustellen, dass die wiedererwägungsweise Zusprechung einer Viertelsrente
ab 1. November 2005 gemäss Einspracheentscheid vom   27. März 2006 zufolge
zweifelloser Unrichtigkeit der Rentenverfügung vom 10. Dezember 2002 rechtens
war; eventualiter sei die Sache zur Überprüfung und Bestätigung des
Einspracheentscheids vom 27. März 2006 an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Gemäss Art. 105 Abs. 1 BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat         (Art. 105
Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder wenn
sie auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs.
2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG; Ausnahme: Beschwerden gemäss Art. 97
Abs. 2 BGG [Art. 105 Abs. 3 BGG]), wobei unter die Rechtsverletzungen gemäss
Art. 95    lit. a BGG auch die unvollständige (gerichtliche) Feststellung der
rechtserheblichen Tatsachen fällt (Urteil 9C_40/2007 vom 31. Juli 2007, E. 1;
Urteil 9C_360/2007 vom 30. August 2007, E. 3; Hansjörg Seiler/Nicolas von
Werdt/Andreas Güngerich, Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, Bern 2007, N 24
zu Art. 97). Wie die Sachverhaltsfeststellung ist auch die vorinstanzliche
Ermessensbetätigung im Verfahren vor Bundesgericht nur beschränkt
überprüfbar. Eine Angemessenheitskontrolle (vgl. BGE 126 V 75 E. 6 S. 81 [zu
Art. 132 lit. a OG]) ist dem Gericht verwehrt; es hat nur zu prüfen, ob die
Vorinstanz ihr Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt, mithin überschritten,
unterschritten oder missbraucht hat (vgl. BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399).

2.
2.1 Nach den zutreffenden vorinstanzlichen Erwägungen ist die Herabsetzung
einer rechtskräftig zugesprochenen, laufenden Rente nur zulässig, wenn -
alternativ - die Voraussetzungen der (materiellen) Rentenrevision gemäss Art.
17 Abs. 1 ATSG (s. auch Art. 88a Abs. 1 IVV [in der vom 1. Januar bis Ende
Februar 2004 gültig gewesenen und in der seit 1. März 2004 geltenden
Fassung]; BGE 130 V 343       E. 3.5 S. 349 ff., ferner BGE 133 V 108 E. 5 S.
110 ff.) erfüllt sind, ein (prozessualer) Revisionsgrund gemäss Art. 53 Abs.
1 ATSG gegeben ist oder die rechtskräftige Rentenzusprechung zweifellos
unrichtig war und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist, mithin
unter dem Titel der Wiedererwägung gemäss Art. 53 Abs. 2 ATSG (vgl. BGE 127 V
466 E. 2c S. 469 mit Hinweisen) darauf zurückgekommen werden kann. Auf die
diesbezüglich zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz wird verwiesen.

2.2 Das Erfordernis der zweifellosen Unrichtigkeit (E. 2.1 hievor) ist in der
Regel erfüllt, wenn die gesetzeswidrige Leistungszusprechung aufgrund
falscher oder unzutreffender Rechtsregeln erlassen wurde oder wenn
massgebliche Bestimmungen nicht oder unrichtig angewandt wurden (BGE 103 V
128 E. a; Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts C 151/94 vom 30.
Mai 1995, E. 3c, publ. in: ARV 1996/97 Nr. 28 S. 158). Anders verhält es
sich, wenn der Wiedererwägungsgrund im Bereich materieller
Anspruchsvoraussetzungen liegt, deren Beurteilung in Bezug auf gewisse
Schritte und Elemente (z.B. Invaliditäts[bemessung], Einschätzungen der
Arbeitsunfähigkeit, Beweiswürdigungen, Zumutbarkeitsfragen) notwendigerweise
Ermessenszüge aufweist. Erscheint die Beurteilung solcher
Anspruchsvoraussetzungen (einschliesslich ihrer Teilaspekte wie etwa die
Einschätzung der Arbeitsfähigkeit) vor dem Hintergrund der Sach- und
Rechtslage, wie sie sich im Zeitpunkt der rechtskräftigen
Leistungszusprechung darbot, als vertretbar, scheidet die Annahme
zweifelloser Unrichtigkeit aus (Urteil des Bundesgerichts I 907/06 vom 7. Mai
2007, E. 3.2.1 mit Hinweisen; Urteil 9C_215/2007 vom 2. Juli 2007, E. 3.2 mit
Hinweisen). Zweifellos ist die Unrichtigkeit, wenn kein vernünftiger Zweifel
daran möglich ist, dass die Verfügung unrichtig war. Es ist nur ein einziger
Schluss - derjenige auf die Unrichtigkeit der Verfügung - möglich (BGE 125 V
383 E. 6a S. 393; Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts U 378/05
vom 10. Mai 2006, E. 5.2 und 5.3, publ. in: SVR 2006 UV Nr. 17 S. 62 f. und
Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts C 29/04 vom 24. Januar 2005,
E. 3.1.1, publ. in: SVR 2005 AlV Nr. 8 S. 27, ferner etwa Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts I 912/05 vom 5.Dezember 2006, E. 3.2, je mit
Hinweisen).

3.
3.1 Die Beschwerdeführerin geht mit der Vorinstanz - zu Recht - davon aus,
dass als Rechtsgrundlage der hier umstrittenen Herabsetzung des
Rentenanspruchs auf eine Viertelsrente ab 1. November 2005 einzig die
Wiedererwägung der rechtskräftigen Verfügung vom 10. Dezember 2002 gemäss
Art. 53 Abs. 2 ATSG in Betracht fällt, mit welcher der Beschwerdegegnerin ab
1. August 2001 eine unbefristete ganze Invalidenrente zugesprochen wurde.
Streitpunkt ist, ob jene Verfügung zweifellos unrichtig war. Ausser Frage
steht dagegen, dass ihre Berichtigung im Falle zweifelloser Unrichtigkeit als
erheblich einzustufen wäre.

3.2 Die Vorinstanz hat die Frage der zweifellosen Unrichtigkeit der
rechtskräftigen Verfügung vom 10. Dezember 2002 richtigerweise aufgrund der
Aktenlage beurteilt, wie sie sich damals darbot (E. 2.2 hievor). Dabei hat
sie die in jenem Zeitpunkt verfügbar gewesenen ärztlichen Stellungnahmen zur
(Rest-)Arbeitsfähigkeit der Versicherten (u.a. mit den Diagnosen
vertebragenes Schmerzsyndrom bei Diskushernie links lateral L4/L5,
Diskusprotrusion L3/4 und Spondylarthrose Th11/12, ferner depressive
Entwicklung mit Schmerzgeneralisation) allesamt berücksichtigt, mithin den
rechtserheblichen Sachverhalt insoweit vollständig festgestellt. Sodann hat
sie den Inhalt der betreffenden Arztberichte - einschliesslich jener des Dr.
med. X.________, Allgemeine Medizin FMH, vom 26. Juni 2001 und vom 14. Januar
2002 - im Wesentlichen wortgetreu und damit nicht offensichtlich unrichtig
wiedergegeben. Dies trifft namentlich auch für die vorinstanzliche
Feststellung zu, dem Bericht des Dr. med. X.________ vom 26. Juni 2001 sei
nicht zu entnehmen, ob er bezüglich einer leidensangepassten, abwechselnd
laufend/sitzend ausgeübten Tätigkeit von einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit
ausgehe. In tatsächlicher Hinsicht ist der vorinstanzliche Entscheid daher
unter dem Blickwinkel von Art. 105 Abs. 2 BGG (E. 1 hievor) nicht zu
beanstanden.

3.3 Des Weitern hält die Schlussfolgerung des kantonalen Gerichts, die in der
Verfügung vom 10. Dezember 2002 angenommene          100 %ige Arbeits- und
Erwerbsunfähigkeit und dementsprechend die dortige Zusprechung einer ganzen
Invalidenrente ab 1. August 2001 seien nicht zweifellos unrichtig gewesen,
vor Bundesrecht stand. Nach dem unter E. 2.2 hievor Gesagten ist unter dem
Rechtstitel der Wiedererwägung nicht entscheidend, ob die von der IV-Stelle
im Dezember 2002 bejahte, den Anspruch auf eine ganze Invalidenrente
begründende Vollinvalidität unter Berücksichtigung sämtlicher Teilaspekte
richtig und angemessen war, sondern ob sie mit Blick auf die damalige Sach-
und Rechtslage insgesamt als vertretbar erscheint. Dies ist mit der
Vorinstanz zu bejahen. Nachdem Dr. med. X.________ am 26. Juni 2001 eine
massive Verschlechterung mit panvertebralem Syndrom seit März 2001
festgestellt und in seinem Bericht vom 14. Januar 2002 alsdann ausgeführt
hatte, das aktuelle - trotz intensiver Physiotherapie eher verstärkte -
Beschwerdebild erlaube eine auch nur teilweise Wiedereingliederung der
zwischenzeitlich arbeitslos gewordenen Versicherten in den Arbeitsprozess
nicht, und überdies im Bericht der Neurochirurgischen Klinik des
Kantonsspitals Y.________ vom 22. Juli 2002 von einer Hemihypästhesie der
gesamten Körperhälfte links inklusive Gesicht, einer generalisierten
Kraftminderung links und von rezidivierenden Gefühlsverlusten in beiden
Beinen die Rede gewesen war, kann nicht gesagt werden, es bestünden keine
vernünftigen Zweifel daran, dass die Verfügung vom 10. Dezember 2002
zweifellos unrichtig war (E. 2.2 hievor, in fine). Die zweifellose
Unrichtigkeit der Verfügung vom 10. Dezember 2002 ergibt sich auch nicht aus
einer unrichtigen Rechtsanwendung (vgl. E. 2.2 hievor, am Anfang). Eine den -
im Sozialversicherungsrecht allgemein geltenden - Untersuchungsgrundsatz
verletzende Beweiswürdigung der IV-Stelle (im Dezember 2002) liegt entgegen
der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht vor, zumal die Aktenlage damals
nicht offenkundig widersprüchlich oder unvollständig war und sie es im Rahmen
der - mit einem erheblichen Ermessensspielraum behafteten (s. etwa Urteil
4A_223/2007 vom 30. August 2007, E. 3.2) - freien Beweiswürdigung durchaus
zuliess, einen rechtlichen Schluss nach dem Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit zu ziehen; eine missbräuchliche oder anderweitig
qualifiziert rechtsfehlerhafte (s. Urteil 9C_215/2007 vom 2. Juli 2007, E.
3.2 mit Hinweisen) Ermessensbetätigung kann darin jedenfalls nicht erblickt
werden.

Ebenfalls nicht durchzudringen vermag die Beschwerdeführerin mit dem
Argument, die IV-Stelle habe bei der Invaliditätsbemessung im Dezember 2002
unzulässigerweise von der Arbeitsunfähigkeit im bisherigen Beruf auf die
Erwerbsunfähigkeit/Invalidität geschlossen. Der Umstand allein, dass bei der
Invaliditätsbemessung von der Arbeits- auf die Erwerbsunfähigkeit gefolgert
wird, gestattet - auch wenn dieses Vorgehen nach der Rechtsprechung
grundsätzlich unzulässig ist (BGE 114 V 310 E. 3c S. 314) und nur
ausnahmsweise zur Anwendung gelangen darf (s. etwa Urteil des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts I 35/01 vom 30. Mai 2001, E. 3a) - noch nicht den
Schluss auf zweifellose Unrichtigkeit der sich darauf stützenden
Rentenverfügungen. Hierfür genügt auch nicht, wenn beim der Rentenzusprechung
zu Grunde gelegten Einkommensvergleich nur auf den angestammten Beruf - als
Verweisungstätigkeit - abgestellt wurde. Um eine zugesprochene Rente
wiedererwägungsweise aufheben zu können, müsste vielmehr - nach damaliger
Sach- und Rechtslage - erstellt sein, dass eine korrekte
Invaliditätsbemessung hinsichtlich des Leistungsanspruchs zu einem anderen
Ergebnis geführt hätte (vgl. etwa Urteile des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts I 353/04 vom 26. September 2005, E.2.4 und I 276/04 vom
9. Mai 2005, E. 5.2). Dies trifft hier nicht zu.

4.
Die offensichtlich unbegründete Beschwerde wird im Verfahren nach Art. 109
Abs. 2 lit. a BGG und ohne Durchführung eines Schriftenwechsels erledigt
(Art. 102 Abs. 1 BGG).

5.
Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Der obsiegenden
Beschwerdegegnerin sind keine Parteikosten zu ersetzen, da ihr durch das
bundesgerichtliche Verfahren keine solchen entstanden sind (Art. 68 Abs. 2
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Uri und dem
Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.

Luzern, 18. Oktober 2007

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Amstutz