Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 574/2007
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9C_574/2007

Urteil vom 27. Februar 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Kernen,
Gerichtsschreiber Traub.

S. ________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno
Häfliger, Schwanenplatz 7, 6004 Luzern,

gegen

IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom
28. Juni 2007.

Sachverhalt:

A.
Die 1964 geborene S.________ leidet unter anderem an Kniebeschwerden (mediale
Gonarthrose links, Totalendoprothese rechts wegen posttraumatischer medialer
Gonarthrose) sowie an Rückenbeschwerden. Nachdem sie sich am 18. September
2005 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug angemeldet hatte,
klärte die IV-Stelle Luzern den erwerblichen und medizinischen Sachverhalt ab
und gelangte zum Schluss, es bestehe kein Gesundheitsschaden mit Auswirkung
auf die Erwerbsfähigkeit (mit Einspracheentscheid vom 17. Juli 2006
bestätigte Verfügung vom 31. Mai 2006).

B.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern wies die gegen den
Einspracheentscheid erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 28. Juni 2007).

C.
S.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit den Rechtsbegehren, es sei ihr mit Wirkung ab September 2005 eine ganze
Invalidenrente zu gewähren. Ausserdem ersucht sie um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege und um Durchführung einer öffentlichen
Verhandlung.

Mit Schreiben vom 20. September 2007 zieht der Rechtsvertreter der
Beschwerdeführerin das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege
zurück.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerdeführerin stellt Antrag auf Durchführung einer öffentlichen
Verhandlung. Der Öffentlichkeitsgrundsatz (Art. 6 Ziff. 1 EMRK) ist nach der
Rechtsprechung primär im erstinstanzlichen Rechtsmittelverfahren zu
gewährleisten (BGE 122 V 47 E. 3 S. 54 mit Hinweisen). Nachdem ein
gleichlautender Antrag im vorinstanzlichen Beschwerdeverfahren zurückgezogen
wurde, ist auf dieses - im Übrigen nicht begründete - Rechtsbegehren
letztinstanzlich nicht einzutreten.

2.
Strittig ist die Frage, ob das - zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit
(Art. 6 ATSG) und letztlich der für den Rentenanspruch vorausgesetzten
Invalidität (Art. 7 und 8 ATSG) massgebende - medizinische
Tatsachenfundament, wie es dem kantonalen Entscheid zugrunde liegt, genügend
tragfähig ist.

2.1 Bei der Beurteilung von Beschwerden in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) legt das Bundesgericht seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen
oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder wenn sie auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl.
auch Art. 97 Abs. 1 BGG; ohne Beschwerden gemäss Art. 97 Abs. 2 BGG und
Art. 105 Abs. 3 BGG), wozu auch die unvollständige (gerichtliche)
Feststellung der rechtserheblichen Tatsachen (Urteile 9C_40/2007 vom 31. Juli
2007, E. 1, und 9C_360/2007 vom 30. August 2007, E. 3; Ulrich Meyer, N 25, 36
und 58-61 zu Art. 105, in: Niggli/Uebersax/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler
Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, Basel 2008) und die Verletzung des
Untersuchungsgrundsatzes als einer wesentlichen Verfahrensvorschrift gehört
(Urteile 8C_364/2007 vom 19. November 2007, E. 3.3; I 839/06 vom 17. August
2007, E. 3, und I 86/07 vom 29. März 2007, E. 3).

2.2 Das kantonale Gericht gelangte zum Schluss, die angestammte
Erwerbstätigkeit einer Büroangestellten sei weiterhin ohne Einschränkung
möglich; die aufgrund der Leiden (beide Knie, Rücken) nicht mehr zumutbaren
Belastungen fielen bei dieser Arbeit gar nicht an. Die Beschwerdeführerin
hält dem entgegen, das Gutachten des Rheumatologen Dr. A.________ vom 12. Mai
2006, auf welches Verwaltung und Vorinstanz massgebend abgestellt hatten,
erfasse die bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen nicht vollständig;
zudem weiche der Sachverständige von den Einschätzungen anderer Ärzte ab,
ohne dies hinreichend zu begründen.

2.3 Was die funktionellen Einschränkungen und Schmerzen zufolge der
Knieschäden anbelangt, ist nicht ersichtlich, inwiefern die Feststellung
einer nicht eingeschränkten Leistungsfähigkeit in einer sitzenden Tätigkeit
offensichtlich unrichtig sein sollte. Dass der Gutachter hinsichtlich der
Knieproblematik eine ungünstige Prognose stellt, ist allein unter dem Aspekt
künftiger Behandlungsbedürftigkeit von Bedeutung. Hinsichtlich der
Rückenprobleme macht die Versicherte im Wesentlichen geltend, der
rheumatologische Sachverständige und - diesem folgend - die IV-Stelle und das
kantonale Gericht hätten den radikulären Charakter der Beschwerden und
Ausfälle zufolge eines zweifachen Bandscheibenvorfalls (L4/5 und L3/4)
verkannt. Die Interpretation der diesbezüglichen Beschwerden als
fibromyalgisches Schmerzsyndrom - letztere Diagnose bestätigt durch Bericht
des Rheumatologen Dr. B.________, Klinik X.________, vom 29. April 2007 -
werde den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht. Wie es sich - anhand der
Beweiswürdigungsregeln - mit der Richtigkeit der fachmedizinischen Erfassung
der strukturellen Schädigung im Bereich der unteren Wirbelsäule verhält, kann
indes offen bleiben, weil das Schmerzgeschehen, aus welchem die
invalidenversicherungsrechtlich massgebende Arbeitsunfähigkeit abzuleiten
wäre, auch nach Beurteilung des Neurochirurgen Dr. H.________, auf dessen
Bericht vom 25. Juli 2005 sich die Beschwerdeführerin hauptsächlich stützt,
durch eine therapeutische Periduralanästhesie (PDA) und physiotherapeutisches
Aufbautraining positiv beeinflusst werden konnte (weitere Berichte des
Dr. H._______ vom 5. September und 14. November 2005). Im Weiteren kann davon
ausgegangen werden, dass das unter dem Aspekt des Rückenleidens ungünstige
langdauernde Sitzen (Berichte des Hausarztes Dr. Z.________ vom 14. November
2005 und des Dr. H.________ vom 25. Juli 2005) durch die dem modernen
Büroarbeitsplatz inhärenten Möglichkeiten zur Wechselbelastung vermieden
werden kann, ohne dass deswegen umgehend die Kniebeschwerden in
leistungserheblicher Weise zum Tragen kommen. An der im Ergebnis zutreffenden
Zumutbarkeitsbeurteilung des kantonalen Gerichts ändert auch der Umstand
nichts, dass das Übergewicht der Beschwerdeführerin womöglich durch die
antiepileptische Medikation induziert ist und insofern nur mit Zurückhaltung
davon ausgegangen werden darf, der Versicherten dürfe eine entsprechende
Schadenminderung überantwortet werden.

2.4 Der Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens
(Einspracheentscheid vom 17. Juli 2006) bildet die Grenze des für die
Beurteilung zu berücksichtigenden Sachverhalts (BGE 129 V 167 E. 1 S. 169;
121 V 362 E. 1b S. 366). Die im Bericht des Psychiaters Dr. I.________ vom
30. August 2007 (vgl. auch den Bericht des Dr. B.________ vom 29. April 2007)
erstmals dokumentierte psychische Beeinträchtigung bildet daher nicht
Gegenstand des Verfahrens.

2.5 Zusammenfassend besteht von Bundesrechts wegen im Rahmen der gesetzlichen
Kognition (oben E. 2.1) kein Grund, von den tatbeständlichen Feststellungen
der Vorinstanz abzuweichen. Demzufolge ist die im angefochtenen Entscheid
bestätigte Leistungsablehnung nicht zu beanstanden.

3.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 27. Februar 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Traub